Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
11. September 2005

Gottes Wirken im Heiligen Geist

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Als wir von der heiligsten Dreifaltigkeit sprachen, haben wir erkannt, dass alle Werke des dreifaltigen Gottes nach außen allen drei Personen gemeinsam sind. Aber das hindert nicht, dass einzelne Werke einzelnen Personen zugeschrieben werden, und diese Zuschreibung ist nicht willkürlich, sondern sie ergibt sich aus der inneren Verbindung, in der die drei göttlichen Personen zueinander stehen. Die Schöpfung wird dem Vater zugeschrieben, weil der Vater ursprungslos ist und weil die Schöpfung eben aus nichts geworden ist. Die Erlösung wird dem Sohne zugeschrieben, dem Logos, weil er vom Vater hervorgeht und der Welt geschenkt wird auch als Erlöser. Und schließlich die Heiligung der Welt wird dem Heiligen Geist zugeschrieben, weil er die heiligende Liebe zwischen dem Vater und dem Sohne ist. Er ist der Hauch der Liebe zwischen Vater und Sohn, der persongewordene Hauch zwischen Vater und Sohn. Er hat dieselbe Wesenheit und dieselben Eigenschaften wie der Vater und wie der Sohn. Er ist das Band der Liebe, das Vater und Sohn verbindet. Und weil er dieses Band der Liebe ist, soll er auch in der Schöpfung als dieses Band der Liebe tätig sein. Er soll die Schöpfung mit Gott verbinden in Liebe, und er soll die Geschöpfe untereinander verbinden in Liebe.

Als Gott die Schöpfung hervorbrachte, da hat er sie geschaut im Sohne, und er hat sie geliebt, umfangen im Heiligen Geiste. Es steht nicht umsonst im ersten Buch der Heiligen Schrift: „Der Geist Gottes schwebte über den Wassern.“ Der mächtige, der schöpferische Geist Gottes schwebte über den Wassern. In diesem Geiste formte und bildete Gott das Weltall, die Sterne und die Erde, die Wasserflüsse und die Hügel. Alles, die Tiere und die Menschen, ist im Heiligen Geiste vom Vater geschaffen worden. Und dieser Geist hat die Schöpfung in der Liebe vollendet, insofern er den Menschen sich selbst mitteilte in der heiligmachenden Gnade. Die Menschen, die geschaffen waren, wurden vom Heiligen Geist erfüllt mit der heiligmachenden Gnade. So band Gott die Menschen im Heiligen Geist an ihn und untereinander.

Auch an der Erlösung war der Heilige Geist beteiligt. Er hat die Menschen auf die Erlösung vorbereitet. Er hat ja gesprochen durch die Propheten, wie wir im Glaubensbekenntnis bekennen. Und diese Propheten waren eben die gottgesandten Träger der Offenbarung, die das Volk Gottes auf das Kommen des Erlösers vorbereiten sollten. Er gab den Propheten Offenbarungen ein, er stand ihnen bei beim Niederschreiben, bei den Schriftpropheten, und er half ihnen beim Predigen. Der Heilige Geist hat die Erlösung vorbereitet. Aber darüber hinaus hat er auch die Person des Erlösers zubereitet. Denn der Sohn Gottes hat Fleisch angenommen aus Maria vom Heiligen Geist. Seele und Leib Jesu wurden vom Heiligen Geiste gebildet. Und so rufen wir ja auch in der Litanei vom heiligsten Herzen Jesu: „Herz Jesu, vom Heiligen Geiste im Schoße Mariens gebildet.“ Und dann war er auch tätig im Erlösungswerk, denn der Herr, unser Erlöser,  war vom Heiligen Geiste erfüllt. Er hat es ja in seiner Predigt, in seiner Antrittspredigt gesagt in Nazareth: „Der Geist Gottes ruht auf mir. Er hat mich gesalbt, den Armen die Frohe Botschaft zu bringen, den Blinden das Augenlicht, den Gefangenen die Befreiung anzukünden“. Merkwürdigerweise lesen wir immer wieder, wie der Heilige Geist ihn trieb. Er trieb ihn in die Wüste, damit er dort versucht werde und im siegreichen Kampfe den Versucher überwände. Er hat Jesus Christus erfüllt im Geheimnis der Taufe. Am Jordan kam der Heilige Geist in Taubengestalt auf ihn herab. Und so war Jesus immer im Heiligen Geiste wirksam.

Der Heilige Geist ist also an der Schöpfung und an der Erlösung beteiligt. Aber das Werk, das ihm in besonderer Weise zugeschrieben wird, ist die Heiligung. Er ist ja der Heilige Geist, und deswegen heiligt er die Welt. Der Heimweg der verlorenen Welt geschieht nämlich durch Christus im Heiligen Geiste zum Vater. Durch Christus im Heiligen Geiste zum Vater. Mit dem Opfertode Jesu, mit der Himmelfahrt, ist das Erlösungsgeschehen objektiv vollzogen. Der Himmel steht offen, die Gnaden liegen bereit, die Ströme der Gnade sind bereit zu strömen. Aber sie müssen jetzt den einzelnen zugewendet werden. Es nützt nichts, wenn man in der Ferne einen Fluß sieht, und man kann nicht zu ihm gelangen, und so ähnlich-unähnlich ist es auch mit der Gnade. Das objektive Erlösunsgwerk muss sich im einzelnen ereignen. Der einzelne muss Zugang finden zu ihm. Das ist das Werk des Heiligen Geistes. Jeder Mensch, der erlöst werden will, kann es nur durch den Heiligen Geist werden. Und das geschieht in einem doppelten Wirken, denn der Heilige Geist wirkt in der Kirche und im einzelnen Menschen.

Meine lieben Freunde, der Heilige Geist ward der Kirche verheißen. Der Herr hat mehr als einmal zu den Jüngern davon gesprochen, dass er einen anderen Tröster senden werde, der bei ihnen bleiben werde. „Wenn ich nicht hingehe, wird der Tröster nicht kommen. Wenn ich aber hingehe, werde ich ihn euch senden. Wenn aber der Geist der Wahrheit kommt“, sagt der Herr, „wird er euch in alle Wahrheit einführen.“ Und so sollten sie in Jerusalem auf den Geist warten. „In wenigen Tagen werdet ihr mit dem Heiligen Geist getauft werden und die Kraft des Heiligen Geistes empfangen.“ Christus hat den Heiligen Geist verheißen. Er ward aber auch der Kirche gesandt. Am Pfingsttage kam er über die Apostel herab, in sichtbarer Gestalt wie Feuerzungen. Und sie fingen an, in fremden Sprachen zu reden. Ein gewaltiger Sturm hob an. Ja, das ist der Geist: ein Sturm, nicht ein säuselnder Wind. Der Geist ward der Kirche gesandt, und er wirkt in der Kirche. Er wirkt auch heute in der Kirche. Ich würde morgen aus der Kirche austreten, wenn er nicht in der Kirche wirken würde. Ja, meine lieben Freunde, er wirkt in der Kirche als Geist der Wahrheit. Der Heilige Geist bewahrt die Kirche in der Offenbarungswahrheit. Er hält den Offenbarungsschatz rein durch seine Kraft, so wie er niedergelegt ist in Schrift und Überlieferung. Nicht in der Schrift allein, sondern in Schrift und Überlieferung, die pari pietatis affectu, mit gleicher Gesinnung der Ehrfurcht anzunehmen sind, wie das I. Vatikanische Konzil erklärt hat. Er wirkt auch die Unfehlbarkeit des Papstes, wenn er als oberster Lehrer der Kirche feierlich und endgültig eine Glaubenswahrheit verkündet. Er wirkt in den Bischöfen und Priestern im ordentlichen Lehramt.

Meine lieben Freunde, ich bin der letzte, der die Augen vor den Schäden in der heutigen Kirche verschließt. Wir wissen, an wie vielen Stellen die Lehre verbogen, unterschlagen, abgeschwächt, verunstaltet wird, wie manche Wahrheiten überhaupt nicht mehr gepredigt werden. Das alles wissen wir. Aber keine Übertreibung! Es ist sicher, dass man auch heute den vollen, unverfälschten Glauben in unserer Kirche finden kann. Niemals wird man den Glauben in der Kirche nicht mehr finden können. Nein, meine Freunde, immer wird die Kirche die Säule und die Grundfeste der Wahrheit bleiben. Der Geist wirkt als Geist der Wahrheit.

Er wirkt aber auch als Geist der Heiligkeit, und zwar im Priesteramt der Kirche. In den heiligen Sakramenten teilt er das übernatürliche Leben mit. Ohne sein Kommen in der Priesterweihe gäbe es kein amtliches Priestertum, und ohne sein Kommen in der Taufe gäbe es kein Laienpriestertum. Er ist es, der auch beide im Sakrament der Buße immer wieder zu einem lauteren Priesterdienst befähigt. Auch hier, meine Freunde, keine Übertreibungen! Wir halten manche Formen des liturgischen Lebens, wie sie heute üblich sind und wie sie in den letzten Jahrzehnten eingeführt wurden, nicht für glücklich. Wir bedauern manche, vielleicht sogar viele Änderungen, aber eines ist sicher: Auch in den veränderten Formen wirkt der Heilige Geist. Auch heute werden gültig Priester geweiht; auch heute werden gültig Sakramente gespendet. Der Heilige Geist hat die Kirche nicht verlassen.

Der Heilige Geist wirkt auch in der Leitung der Kirche, im Hirtenamt. Er gibt den vom Heiligen Geist bestellten Bischöfen ein, wie sie die Kirche leiten sollen, in Eintracht und Liebe, in Weisheit und mit Kraft. Auch hier wissen wir um schmerzliches Versagen von Bischöfen, Versagen im persönlichen Leben, Versagen im amtlichen Wirken. Soeben wieder: Ein argentinischer Bischof musste zurücktreten, weil er sich der verfluchten Homosexualität ergeben hat. Wir lesen von Skandalen und Ausfallerscheinungen. Alles richtig, schlimm und beklagenswert. Die päpstlichen Gesandten müssen, wenn sie ihre Tätigkeit einstellen und nach Rom zurückberufen werden, eine Finalrelation machen, einen abschließenden Bericht. Da müssen sie einen Überblick geben über die Kirche, in der sie als päpstlicher Gesandter bestellt waren. Ich lese Ihnen aus einer solchen Finalrelation eines Nuntius folgende Sätze vor: „Der Episkopat ist gut. Von allen Bischöfen kann man ohne Ausnahme sagen, dass sie persönlich fromm, ehrlich, fleißig, rechtgläubig, ihren Aufgaben hingegeben, nicht politisierend und fern von Extremismen aller Art sind. Aber von allen muss man sagen, dass sie zu vorsichtig sind, ängstlich gegenüber den Theologen, den pastoralen Gremien, den Journalisten, der öffentlichen Meinung, weswegen sie selten Festigkeit in ihren Stellungnahmen zeigen und in die Permissivität fallen. Sie flüchten sich in gemeinsame Erklärungen der Bischofskonferenz, die eher undeutlich ausfallen oder sogar an den drängenden religiösen Problemen des Augenblicks vorbeigehen. Die päpstliche Dokumente werden oft nicht mit der geschuldeten Kraft, Geschwindigkeit und Verbreitung weitergeleitet. Manchmal werden sie taktisch ignoriert und sogar abgeschwächt. Es erscheint geradezu unglaublich, dass sich Hirten, die unbezweifelbar gut und fromm sind, von irregeleiteten und widersetzlichen Professoren, Priestern und Laien nicht nur übertölpeln lassen, sondern an verantwortungsvollen Stellen sie dulden, sie dorthin nominieren und sie unterstützen, während jene, die treu zum Papst und zur Hierachie stehen, geächtet werden.“

Der das geschrieben hat, meine lieben Freunde, war der bisherige Nuntius in Österreich. Was er geschrieben hat, gilt also von Österreich. Man könnte es auch auf andere Länder anwenden, und das soll uns zeigen, wieviel in unserer Kirche im argen liegt. Aber ich sage noch einmal: Es mag noch so viel im argen liegen, es mögen schlimme Dinge sich ereignen, keine Übertreibungen! Auch heute ist sicher, das Hirtenamt der Kirche ist nicht vom Heiligen Geiste verlassen. Wir erleben es immer wieder, wie da einer aufsteht und sich mutig und mannhaft als gläubiger Bekenner Christi zeigt. Wir erleben, wie unser Heiliger Vater um die Wahrheit wahrhaftig keinen Bogen macht, sondern sie ungescheut und tapfer verkündet, schon als Präfekt der Glaubenskongregation und jetzt als Oberhaupt der Kirche. Nicht sich irremachen lassen durch Kritik, die berechtigt sein mag, aber häufig übertrieben ist, nicht sich irremachen lassen.

Schließlich wirkt der Heilige Geist auch im einzelnen Menschen. Er bereitet den Menschen vor, die Wahrheit anzunehmen. Glauben kann man nur in der Kraft des Heiligen Geistes. Der Glaube wird einem geschenkt durch den Heiligen Geist. Und so ist der Geist wahrhaftig auch im einzelnen Menschen tätig als Geist der Wahrheit. Er macht unser Herz fähig und bereit, die Wahrheit aufzunehmen. Er ist auch tätig als Geist der Heiligkeit, d.h. er schenkt uns die heiligmachende Gnade; er gibt uns die übernatürlichen Tugenden; er macht uns zu Tempeln des Heiligen Geistes und Gliedern des mystischen Leibes Christi. Das wirkt der Geist der Heiligkeit. Und schließlich wirkt er auch als Geist der Liebe. Er verbindet uns mit Gott in Liebe, und er verbindet uns untereinander in Liebe. Meine lieben Freunde, lassen Sie sich nicht durch falsche Propheten irremachen. Nirgendwo, nirgendwo in Deutschland finden Sie mehr Liebe als in den gläubigen katholischen Gemeinden. Das ist unser Ruhmesblatt, nein, das ist das Ruhmesblatt des Heiligen Geistes.

Und so wird der Heilige Geist sein Werk fortsetzen. Er wird alles in Christus zusammenfassen. Er wird uns und alle, die sich ihm ergeben, zu Christus und durch Christus zum Vater führen. Denn das ist das Gesetz, in dem die heiligste Dreifaltigkeit wirkt: Durch Christus im Heiligen Geiste zum Vater.

Amen.

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