Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
23. April 2017

Der Sieg des Glaubens

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt; und das ist der Sieg, der die Welt überwindet: unser Glaube“, so schreibt der Apostel Johannes in seinem 1. Briefe in der Epistel, die wir heute gehört haben. Alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt; und das ist der Sieg, der die Welt überwindet: unser Glaube. In diesem Satz finden sich drei Begriffe: der Glaube, die Welt und der Sieg. Jesus versteht den Glauben als ganzheitliche Beziehung zu Gott. Glaube ist Unterwerfung, Anerkennung, Vertrauen, Hoffnung gegenüber dem stets größeren Gott. Solchen Glauben anerkennt er und fordert er bei seinen Heilungen. Die Jüngernachfolge setzt Glauben voraus und verlangt das Bekenntnis zu Jesus. Im Johannesevangelium ist der Glaube die einzige Forderung, die Jesus als der himmlische Gesandte erhebt. Wer an ihn glaubt, besitzt das ewige Leben. Glaube ist also eine umfassende Haltung, die aus dem Todesbereich in den Lebensbereich führt. Die ersten Christen verstanden sich als die an den Herrn Jesus Christus Glaubenden. Dieser Glaube begreift Fürwahrhalten und Gehorchen, innere Zustimmung und äußeres Bekenntnis, Zutrauen zum heilsmächtigen Gott und Hoffnung auf Seelenrettung in sich. Dieser Glaube rettet. Der Glaube ist auch eine objektive Größe, also als Lehre und Religion. Der einmal übernommene Glaube soll sich in einem beständigen Glaubensleben festigen und entfalten, Christus soll durch den Glauben in unseren Herzen wohnen. Das erste Vatikanische Konzil hat den Glauben bekannt als eine übernatürliche Tugend, durch die wir auf Antrieb und mit dem Beistand der Gnade Gottes glauben, dass das von ihm Geoffenbarte wahr ist, nicht weil wir die innere Wahrheit der Dinge durchschauten, sondern auf die Autorität des offenbarenden Gottes selbst hin, der weder täuschen noch getäuscht werden kann.

Von diesem Glauben sagt uns nun der Apostel Johannes, dass er die Welt überwindet. Die Welt ist hier nicht gemeint als die Schöpfung Gottes, als die gute Schöpfung Gottes und als die Stätte der Arbeit und der Bewährung, nein, die Welt ist hier zu verstehen als der Feind Gottes und der Feind des Heiles der Menschen. Die Welt ist die Stätte böser Begierden, die Welt ist eine Gefahr, weil sie von schlechten Begierden erfüllt ist. Die Welt ist auch eine Gefahr für den Glauben. Den ganzen, den unversehrten Glauben, den lebendigen, den wirksamen Glauben, den mag die Welt nicht. Der Welt, in diesem geschilderten Sinne, gehört der defekte, der mangelhafte, der schadhafte Glaube an, der Glaube, dem etwas fehlt. Der mangelhafte Glaube tritt heute vorzüglich in der Gestalt des Relativismus auf. Der zurückgetretene Papst Benedikt XVI. ist nicht müde geworden, vor dem Relativismus zu warnen. Was ist unter Relativismus zu verstehen? Der Relativismus bestreitet die Existenz von Wahrheiten, die allgemeingültig und für alle Zeiten gültig sind. Nach ihm gibt es keine unumstößlichen Gewissheiten. Der Relativismus macht Erkenntnisse und Werte abhängig von der jeweils besonderen historisch-kulturellen Situation: Früher hat man anders geglaubt als heute. Er macht sie abhängig von der besonderen biologischen Artung; angeblich, angeblich! ist der Protestantismus dem germanischen Menschen besser zu Eigen als der katholische Glaube. Der Relativismus macht die Wahrheit abhängig von der Lebenspraxis: Was mir nutzt, das ist wahr. Er macht ihn abhängig von der individualen Erkenntnis: Was ich, was ich erkenne, das ist die Wahrheit. Der Relativismus ist dem Skeptizismus verwandt; der Skeptizismus bezeichnet die Existenz von Erkenntnissen als unmöglich. Der religionsgeschichtliche und religionsphilosophische Relativismus verkündet die Relativität jeder Religion. Er lässt für alle Religionen nur eine relative, d.h. eine eingeschränkte oder bedingte Geltung zu. Einem jeden ist es unbenommen, die ihm genehme Religion zu wählen, der Nutzen entscheidet über die Wahl; eine absolute, für alle geltende und verbindliche Religion gibt es nicht. Eine Religion ist so gut oder so schlecht wie die andere. Es ist klar, dass mit dieser Position das Christentum seinen Charakter als universale Religion des Heiles einbüßt.

Nun gibt es auf dem Markt der Religion viele Anbieter. Es kommt darauf an, die richtige, die wahre, die vor Gott geltende Religion zu finden. Diese Religion zeigt uns der Glaube. Die Gott wohlgefällige Religion ist jene, die der auf die Erde herabgestiegene Sohn Gottes begründet hat. Jesus Christus hat der Religion ihre absolute, endgültige Form gegeben. Diese Religion ist unüberbietbar, konkurrenzlos. Sie ist die einzige wahre, gottgewollte Religion. Nun gibt es im Bereich des Christentums zahlreiche religiöse Gemeinschaften, die in Anspruch nehmen, das Christentum zu repräsentieren, aber dieser Anspruch muss bewiesen werden. Er kann nur bewiesen werden, indem er die Übereinstimmung der christlichen Religion mit dem Willen Jesu beweist. Das vermag die katholische Kirche. Wo in allen anderen christlichen Denominationen, wo gibt es eine Gestalt wie den Nachfolger Petri, den römischen Papst? Wo gibt es in anderen Religionen eine Gemeinschaft von Fürsten, die wir Apostel nennen, wie in der katholischen Kirche? Die katholische Religion, die katholische Kirche ist die einzige wahre, gottgewollte Gestalt des Christentums. Die Abspaltungen bewahren in größerem oder geringerem Umfang christliche Elemente und kirchliche Spuren – jawohl, das geben wir freudig zu –, aber sie vermögen nicht mit der Kirche Gottes und Christi zu konkurrieren. Nach Gottes Willen sollen sie sich dieser Gemeinschaft anschließen. Der Relativismus zeigt sich heute vor allem in dem Ökumenismus. Man hört Menschen, die über die Religion sprechen und sagen: Es ist alles gleich. Diese Redeweise, meine lieben Freunde, ist grundfalsch. Ihr widerspricht allein schon die Vielzahl und die Unterschiedlichkeit der Religionen, erst recht natürlich der Inhalt. Es ist ein Unterschied, ob man mit der Kirche den Opfercharakter der heiligen Messe bekennt oder ihn verwirft, mit Luther. Es ist ein Unterschied, ob man den nach der Konsekration des Priesters gegenwärtigen Leib des Herrn anbetet oder ob man die Anbetung als Götzendienst ablehnt, wie es im Protestantismus geschieht. Es ist ein Unterschied, ob man mit Luther meint, der Glauben als Vertrauen verstanden, sei das einzige, was zum Heil notwendig sei, statt dass man bekennt mit der katholischen Kirche, dass Gottes Gericht nach den Werken ergeht.

Nun schreibt der Apostel Johannes von dem Zusammenhang zwischen Glauben und Welt: „Das ist der Sieg, den die Welt überwindet: unser Glaube.“ Sieg setzt den Kampf voraus. Siegen kann nur, wer den Gegner überwindet. Der gläubige Christ steht im Kampf gegen die Welt, in dem geschilderten Sinne. Er kämpft gegen alles Gottfeindliche, also gegen Unmoral und Unglaube. Hinter beiden steht der Gottesfeind schlechthin, der Böse, aber der Gottgezeugte besitzt die Kraft zur Überwindung der Welt. Christus hat die Welt besiegt, und an diesem Siege lässt Christus die Seinen teilhaben. Wenn wir im Einzelnen überlegen, wie macht er das, der Glaube, dass er die Welt überwindet?, dann müssen wir auf die Lehre des Glaubens schauen. Was lehrt der Glaube? Er lehrt, was Sünde ist: eine Auflehnung gegen Gott, eine sittliche Unordnung, ja eine Beleidigung Gottes. Der Glaube belehrt uns über den Unwert der Sünde. Die Sünde bringt keinen wahrhaften Nutzen für den Menschen, sondern Schaden. Sie beeinträchtigt seine sittliche Persönlichkeit, sie beraubt ihn der Freundschaft Gottes. Der Glaube zeigt uns die Schönheit des Guten, das Glück der Übereinstimmung des menschlichen Wirkens mit dem Willen Gottes, die Ruhe des Gewissens, die sich daraus ergibt, dass man Gottes Willen tut, die Freiheit von dem Reiz und der Verführungskraft des Bösen. Durch den Glauben sind wir belehrt, dass der Schaden an der Seele, am Heil der Seele durch keinen irdischen Gewinn aufgewogen werden kann. Der Gottgezeugte überwindet den Hang zur Sünde, der von der Welt ausgeht, er überwindet ihn durch die Kraft Gottes, die in ihm wohnt. Was befähigte den greisen Bischof Ignatius von Antiochien, sich freudig auf den Weg nach Rom zu machen, wo ihn die wilden Tiere erwarteten, um ihn zu zerreißen, was befähigte ihn? Der Glaube. Was ermächtigte die Nonnen des Klarissenklosters in Nürnberg, dem Luthertum zu widerstehen, trotz aller Drangsale und Verdächtigungen und Schikanen? Der Glaube. Wer hat Franz Xaver nach Indien und Japan geführt, wo er Zehntausenden die Taufe gespendet hat? Der Glaube. Wer hat Paul Nardini, den Pfälzer Heiligen, bewegt, in der Diaspora von Pirmasens Tag und Nacht zu seinen Gläubigen unterwegs zu sein, sodass er mit vierzig Jahren sein Leben verschlissen hatte? Der Glaube. Der Glaube zeigt, wofür wir auf Erden sind: um Gott zu erkennen, ihn zu lieben und ihm zu dienen. Der Glaube belehrt uns, dass es neben dem irdischen ein ewiges Leben gibt, und dass dieses irdische Leben eine Vorbereitung für das ewige Leben ist, und dass der Wert des ewigen Lebens jenen des irdischen Lebens weit, weit übertrifft. Was bewog den 23-jährigen Damian de Veuster, den Flamen, sein Heimatland Flandern zu verlassen, auf die Insel der Aussätzigen, Molokai, zu gehen, dort auszuhalten, auch als ihn der Aussatz erfasste, was bewog ihn? Der Glaube. Der Glaube lehrt uns, dass niemand eine größere Liebe hat als jener, der sein Leben für seine Brüder hingibt. Was befähigte Rupert Mayer, den Apostel von München, trotz schwerer körperlicher Behinderung und feindseliger Gegnerschaft, mit verzehrendem Seeleneifer und mannhafter Unerschrockenheit jahrzehntelang den schweren Dienst der Männerseelsorge zu betreiben? Der Glaube. Wer lenkte die schlesische Jüdin Edith Stein gegen alle Widerstände, vor allem von der Mutter, zum Anschluss an den Gott der Christen, zur Liebe, zum Kreuzesleiden Jesu und zur völligen Ergebung gegen den Willen Gottes? Der Glaube. Was gab Maximilian Kolbe die Kraft, statt eines Familienvaters den Todesbunker von Auschwitz zu beziehen und dort elendig zugrunde zu gehen? Der Glaube. Das Leben einsetzen, meine lieben Freunde, das Leben aufwenden und hingeben, vermag der Mensch nur für eine absolute, für eine wahre Sache. Der absoluten Religion entspricht das Opfer der lebenslangen Enthaltsamkeit des katholischen Priesters. Sie macht den Rang dieser Religion sichtbar. Die Kirche fordert vom Priester, dass er wenn notwendig sein Leben für seine Herde hingibt. Wie könnte sie dies von Schwachen fordern, die nicht einmal imstande sind, eine Neigung zu besiegen? Der Zölibat, meine lieben Freunde, steht und fällt mit dem unversehrten katholischen Glauben. Ich habe in meinem langen Leben so manchen Zusammenbruch priesterlicher Persönlichkeiten erlebt. In aller Regel kündigte er sich an im Abweichen vom integralen katholischen Glauben. Der Priester, dessen Glaube wankt, ist außerstande, das Opfer des Verzichts auf Ehe und Familie zu bringen.

Alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt. Aus Gott geboren ist unser Glaube. Der Glaube überwindet den Anpassungsdruck und die Wahrheitsmüdigkeit unserer Zeit. Ich bin nicht einer von denen, die sich Illusionen über die Lage der Kirche machen wie viele Bischöfe, ich sehe vielmehr in aller Deutlichkeit den nachkonziliaren Zusammenbruch des Katholizismus. Aber ich kenne auch das Mittel, das einzige Mittel zur Rettung: die Aufrichtung und Durchsetzung des integralen katholischen Glaubens. Wenn es einen Wiederaufstieg unserer Kirche geben soll, dann muss er mit der Wiederherstellung des unversehrten katholischen Glaubens beginnen. Wer von ihm erfüllt ist, der wird zu jedem Opfer fähig. An ihm bestätigt sich, was der Apostel Johannes schreibt: „Alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt; und das ist der Sieg, der die Welt überwindet: unser Glaube.“

Amen.

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