Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
5. Juni 2016

Vier Mahnungen des Apostels Petrus

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Lesung aus dem 1. Brief des heiligen Petrus, die wir soeben gehört haben, enthält vier Aufforderungen, vier Mahnungen an uns.

1. „Demütiget euch unter die starke Hand Gottes.“

2. „Werft alle Sorgen auf ihn.“

3. „Seid nüchtern und wachsam.“

4. „Widersteht dem Satan standhaft im Glauben.“

 Alles, was in der Schrift geschrieben steht, ist für die Kirche aller Zeiten geschrieben. Die ersten Leser und die unmittelbaren Empfänger der Briefe waren lediglich die Repräsentanten, also die Vertreter des ganzen Gottesvolkes. Deswegen bleiben die erwähnten Mahnungen zeitlos gültig; sie veralten nicht. Erstens: „Demütiget euch unter die starke Hand Gottes.“ Der Mensch ist Geschöpf, und Gott ist Schöpfer. Deswegen ist der Mensch seiner Herrschaft unterworfen. Wir sind auf Erden, damit wir den Willen Gottes erfüllen. Ich greife immer wieder auf den alten Katechismus zurück. Dort sind diese Weisheiten, diese alten Wahrheiten in knapper und eingängiger Form enthalten. Und so heißt es zu diesem Satz: „Demütiget euch unter die starke Hand Gottes“: „Gott will, dass wir seine Lehre glauben, dass wir seine Gebote halten und dass wir seine Gnadenmittel gebrauchen.“ Der Mensch ist nicht autonom. Er verdankt sich nicht selbst, er ist total abhängig von Gott. Er untersteht diesem Herrn und ihm muss er gehorchen, ihm muss er untertan sein, ihm muss er dienen. Der Mensch muss bereit und gewillt sein, aus der Hand Gottes alles entgegenzunehmen, was über ihn kommt: Angenehmes und Unangenehmes, Freude und Leid, Wohlstand und Hunger, Gewinn und Verlust. Es ist sinnlos und töricht, sich gegen Gottes Willen aufzulehnen. Gott setzt sich durch, ob mit unserer Zustimmung oder ohne sie. Der Mensch hat keine Ansprüche an Gott. Er darf Gott bitten, aber er darf nichts von ihm fordern und er darf ihm gar nichts abzutrotzen versuchen. Es hat immer wieder Menschen gegeben, die Gott herausforderten. In der griechischen Mythologie wird Prometheus als Widersacher des Gottes Zeus dargestellt. Zeus enthielt den Menschen das notwendige Feuer vor. Da entwendete es Prometheus und brachte es auf die Erde und mit ihm die Kultur. Goethe hat ein berühmt gewordenes Gedicht über Prometheus geschrieben und das herausfordernde Verhalten des Prometheus dargestellt:

„Wer half mir

Wider der Titanen Übermut?

Wer rettete vom Tode mich?

Von Sklaverei?

Hast du nicht alles selbst vollendet

Heilig glühend Herz?

Und glühtest, jung und gut,

Betrogen, Rettungsdank,

Dem Schlafenden dadroben?

Ich dich ehren? Wofür?“

Das ist die Sprache des Prometheus. Prometheisches Verhalten, meine lieben Freunde, ist immer zum Scheitern verurteilt. Gott ist der Stärkere. Wir feiern in diesen Tagen den 75. Todestag Kaiser Wilhelms II. Er war selbstherrlich und unberechenbar. Er wollte Deutschland zu einer Weltmacht erheben, baute eine riesige Flotte auf, vergrößerte das Heer und forderte damit seine Nachbarn heraus. „Herrliche Zeiten führe ich euch entgegen!“, rief er dem deutschen Volke zu, „Schwarzseher dulde ich nicht. Mein Kurs ist der richtige; er wird gesteuert. Volldampf voraus!“ Das alles sind wörtliche Äußerungen von Kaiser Wilhelm II. Wir wissen, wie das Ende aussah. In den Schützengräben von Verdun verblutete die deutsche Jugend und Millionen Menschen in der Heimat starben Hungers und an der Grippe. So vernehmen wir die Mahnung des Apostels, dass wir uns unter die starke Hand Gottes unterwerfen. Zwei Willen sind da: unser Wille und Gottes Wille. Unser Wille muss sich Gott angleichen, und wir dürfen nicht Gottes Willen abzubiegen versuchen. „Wir müssen Gott dienen, wie er es haben will, nicht wie wir es wollen“, hat einmal die heilige Theresia von Avila gesagt. Und wir Menschen sind nicht nur Gottes Geschöpfe, wir sind auch seine Schuldner. Wir schulden ihm das Eingeständnis, dass wir unzulänglich sind, dass wir versagt haben, dass wir gesündigt haben. Wir müssen also vor Gott unsere Schuld bekennen. Und es ist etwas Großes, wenn der Mensch im Staube kniet und Gott seine Schuld bekennt. Der englische Dichter Oscar Wilde, der zwei Jahre im Zuchthaus zugebracht hat, hat einmal geschrieben: „Der höchste Augenblick des Menschen ist der, wenn er im Staube kniet und alle Sünden seines Lebens bekennt.“

Die zweite Mahnung des Apostels Petrus lautet: „Werfet alle Sorgen auf ihn, er sorgt für euch.“ Gott ist am Wohlergehen des Menschen gelegen. Er ist nicht gleichgültig und unfühlend wie die Natur, „er sorgt für euch“. Der Verfasser des Buches von der „Nachfolge Christi“ schreibt sogar einmal: „Du sorgst für mich weit mehr, als ich selbst für mich sorgen kann.“ Gott ist kein Ungeheuer, kein Moloch, kein Tyrann, er ist ein Vater, ein fürsorglicher Vater. Und so vergleicht er sich auch mit einem irdischen Vater: „Wenn einer von euch einen Sohn hat und der ihn um ein Brot bittet, wird er ihm dann einen Stein geben? Oder wenn er ihn um einen Fisch bittet, wird er ihm dann eine Schlange reichen? Oder wenn er um ein Ei bittet, wird er ihm dann einen Skorpion geben? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, um wie viel mehr wird euer Vater vom Himmel her den guten Geist jenen geben, die ihn darum bitten.“ Eine wertvollere Gabe als den Heiligen Geist kann es nicht geben. Und deswegen: „Werft alle Sorgen auf ihn.“ Freilich, ich weiß, unser Glaube an den fürsorgenden Gott kann und wird auf die Probe gestellt werden. Es können harte Prüfungen über uns kommen, es kann Situationen geben, die aussichtslos scheinen. Es kann geschehen, dass alles über uns zusammenstürzt. Der fromme Rudolf Alexander Schröder hat eine solche Lage beschrieben: „Es mag sein, dass alles fällt, dass die Burgen dieser Welt um dich her in Trümmer brechen. Halte du den Glauben fest, dass Gott dich nicht fallen lässt. Er hält sein Versprechen.“ Und das ist die Wiedergabe dessen, was Petrus schreibt: „Werft alle Sorgen auf ihn, er sorgt für euch.“ Es ist eigentlich unbegreiflich, aber freilich tröstlich, dass der unendliche Gott sich der Menschen annimmt. „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst!“, fragt der Beter im Psalm 8. Was ist der Mensch, dass Gott an ihm etwas findet, dass er sein Flehen hört und seine Tränen sieht. Emanuel Geibel hat einmal geschrieben: „Herr, in dieser Zeit Gewog, da die Stürme rastlos schnauben, wahr, o wahre mir den Glauben, der noch nimmer mich betrog.“

Die dritte Mahnung des Petrus lautet: „Seid nüchtern und wachsam.“ Nüchtern ist, wer sich nicht berauschenden Getränken hingibt. Die Mahnung zur Nüchternheit ist keineswegs überflüssig oder überholt. Solange es berauschende Getränke gibt, solange besteht auch die Versuchung, sie zu genießen und sie im Übermaß zu genießen. Der Herr warnt vor dem Rausch mit dem Hinweis auf den letzten Tag, der jederzeit anbrechen kann: „Hütet euch, euer Herz mit Schwelgereien und Trunkenheit zu beschweren, damit jener Tag nicht unvermutet wie eine Schlinge über euch komme.“ Der Apostel Paulus nimmt diese Mahnung auf: „Berauschet euch nicht mit Wein, denn darin liegt Ausschweifung.“ Er sieht in der Trunksucht eine vom Himmelreich ausschließende Sünde. „Trunkenbolde werden das Reich Gottes nicht erben“, so schreibt er an die Gemeinde in Korinth. Der Genuss des Alkohols ist und bleibt eine Gefahr. Die Mahnung zur Nüchternheit ist heute so aktuell wie gestern. Aber ich meine, dass die Aufforderung zur Nüchternheit noch über die Mahnung, sich nicht zu berauschen, hinausgeht. Nüchtern kann man auch in anderer Hinsicht sein, nämlich indem man die Welt sieht, wie sie ist. Nüchternheit ist auch die Fähigkeit, die Vorläufigkeiten dieser Welt zu durchschauen, die Ziele des Lebens auf ihren den Tod überdauernden Bestand zu prüfen, die Geister zu unterscheiden, die Realität zu erkennen. Der Mensch ist immer in Gefahr, sich Illusionen zu ergeben. Man kann sich auch mit Lieblingsvorstellungen, mit Schlagworten, mit Phantasien trunken machen, sodass man die Wirklichkeit nicht mehr sieht. War es nicht Trunkenheit des Geistes, meine lieben Freunde, dass der deutsche Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop im März 1945 sagte: „Der Krieg ist noch nicht verloren“? Der jetzige Heilige Vater erklärte kurz nach seinem Amtsantritt, die Lage der Kirche sei noch nie so gut wie heute gewesen. Ich kann mich dieser Ansicht nicht anschließen. Ich meine, dass hier die Nüchternheit des Geistes verlangt ist, die den unaufhörlichen Niedergang der Kirche sieht. Zur Nüchternheit muss die Wachsamkeit kommen: „Seid nüchtern und wachsam.“ Wachsamkeit ist die Aufmerksamkeit auf die heilsgeschichtliche Situation, die mit Christus in die Welt getreten ist. Die Gottesherrschaft ist nahe, sie ist nah herangekommen. Ihr endgültiges Offenbarwerden ist gewiss, der Zeitpunkt jedoch unbekannt. Darum müssen wir wachen und dürfen uns nicht unvorbereitet überraschen lassen. Denn der Tag der Wiederkunft Christi wird kommen wie ein Dieb, also unerwartet. Der Herr hat seine Jünger wiederholt zur Wachsamkeit aufgerufen: „Wachet! Ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt, ob am Abend oder um Mitternacht oder beim Hahnenschrei oder am Morgen. Eure Lenden seien umgürtet und brennende Lampen in euren Händen. Wohl den Knechten, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Wachet alle Zeit, damit ihr imstande seid, all dem zu entgehen, was da kommen soll, und zu bestehen vor dem Menschensohn.“ Das sind alles eschatologische Mahnungen und Warnungen. Der Apostel Paulus hat sie aufgenommen. An die Gemeinde in Saloniki schreibt er einmal: „Ihr lebt nicht in Finsternis. Ihr seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages; nicht der Nacht gehören wir an, nicht der Finsternis. Also lasst uns nicht schlafen wie die anderen, sondern wachen.“ Unser Heil bleibt gefährdet. Wir tragen es in „irdenen Gefäßen“, wie der Apostel sagt. Irdene Gefäße können leicht zerspringen, wenn man sie fallen lässt. Deswegen mahnt der Apostel: „Wer steht, der sehe zu, dass er nicht falle.“ Die Kirchenväter haben sich an die Mahnungen der Heiligen Schrift angeschlossen. Der große Papst Leo hat einmal geschrieben: „Das Reich Gottes wird nicht den Schlafenden zuteil, sondern denen, die arbeiten im Dienst des Herrn und wachsam sind.“

Die vierte Mahnung des Apostels Paulus lautet: „Widerstehet ihm standhaft im Glauben.“ Nüchtern und wachsam müssen die Jünger Jesu sein, weil ihr Feind, der Satan, nicht schläft. Er ruht nicht, er ist vielmehr dauernd unterwegs, um Anhänger und Gefährten zu werben, um die Menschen vom Wege des Heiles abzubringen. Mir sagte einmal ein Theologieprofessor: „Die Existenz des Bösen kann man auch ohne die Annahme Satans erklären.“ Vielleicht ja, aber diese Meinung steht im Widerspruch zur Offenbarung. Die Wirklichkeit des Bösen ist nach der Offenbarung nicht bloß sachlich – also etwa die Anlage zur Sünde –, nein, die Wirklichkeit des Bösen ist persönlich zu verstehen als die Existenz und das Wirken gottfeindlicher Mächte. Es sind gefallene Engel, die uns versuchen. Nach ihrem Ausschluss von Gott haben sie ihre hohe Intelligenz bewahrt. Sie wissen, wo und wie man die Menschen packen muss, wo ihre schwachen Stellen sind. Und sie sind bestrebt, die Menschen in ihre Unseligkeit hineinzuziehen, die Unseligkeit, in der sie selbst leben. Deswegen die Mahnung: „Widersteht ihm standhaft im Glauben, der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe“, also furchteinflößend, sozusagen in voller Montur. Aber er kann auch andere Gestalten annehmen, z.B. die Gestalt einer Schlange, die listig auf ihre Beute lauert. Er kann auch die Gestalt eines Parteivorsitzenden annehmen, der die Wähler ködert. Er verspricht ihnen ein bequemes, angenehmes und leichtes Leben ohne Rücksicht auf Gottes Gebote. Dem Satan muss man widerstehen, seine Versuchungen abweisen, den Dialog mit ihm vermeiden, die Verlockungen durchschauen. Die Gegenwehr und die Abwehr des bösen Feindes sind an den Glauben gebunden. Nur wer verankert ist in die Überzeugung an Christi Kommen und Macht, nur wer seine Zuversicht auf den Messias setzt, der ist fähig, dem Satan zu widerstehen. Der Glaube verleiht Standhaftigkeit. Satan ist stark, aber Gott ist stärker. Satan ist listig, aber Gott ist klüger. Satan hat viele Verbündete, aber Gott hat ganze Legionen von Engeln, die er schicken kann. Der Glaube zeigt uns, wo der Feind unseres Heiles steht. Wir, die wir die Zeit des Nationalsozialismus wachend und beobachtend mitgemacht haben, wissen, was der Glaube damals vermochte. Meine Angehörigen waren entschiedene, niemals wankende Gegner des Nationalsozialismus. Wodurch? Durch den Glauben. Der Vater hätte befördert werden können, wenn er in die Partei eingetreten wäre. Der Vater ist nicht eingetreten, der Glaube gab ihm die Kraft, zu widerstehen. Der Glaube wappnet gegen die Verlockungen des bösen Feindes. Er lehrt uns die rechte Einschätzung der irdischen Güter: ihre Begrenztheit, ihre Hohlheit, ihre Vergänglichkeit. Der Glaube richtet unseren Blick auf das, was bleibt: auf die Ewigkeit. Wenn wir uns auf dieser Erde in Beherrschung, Kampf und Verzicht bewähren, wenn wir Gottes Willen zur Maxime unseres Handelns machen, dann wartet unser der himmlische Lohn. Das ist der Sieg, der die Welt überwindet: unser Glaube.

Wir haben, meine lieben Freunde, die vier Warnungen und Mahnungen des heiligen Petrus in der heutigen Epistel bedacht. Erstens: „Demütiget euch unter die starke Hand Gottes“, zweitens: „Werft alle Sorgen auf ihn“, drittens: „Seid nüchtern und wachsam“, viertens: „Widersteht dem Satan standhaft im Glauben“. Der Gott aller Gnaden, der uns durch Jesus Christus zu seiner ewigen Herrlichkeit berufen hat, er wird uns, wenn wir diesen Mahnungen nachkommen, nach kurzer Zeit des Leidens vollenden, stärken und festigen. Ihm sei die Ehre und die Herrschaft von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Amen.

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