Die Wahrheit verkündigen,
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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Januar 1987

Die Erscheinung des Herrn

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zum Fest der Erscheinung des Herrn Versammelte!

Das heutige Fest trägt den griechischen Namen Epiphaneia . Dieses griechische Wort findet in der Vulgärsprache Verwendung für den Einzug eines Königs, wenn er seine Macht übernimmt. Diesen Ausdruck hat die Kirche gewählt, um den Einzug oder besser um das Sichtbarwerden eines anderen Königs auf dieser Erde zu beschreiben. Sie hat in diesem Fest der Erscheinung des Herrn drei Ereignisse aus dem Leben Jesu zusammengefaßt, die ein Sichtbarwerden nun nicht seiner irdischen Gestalt, sondern seines himmlischen Wesens bedeutet:

1. Die Erscheinung der Magier,

2. die Taufe im Jordan,

3. die Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit zu Kana.

Wenn wir von Epiphaneia sprechen, denken wir zumeist an die drei heiligen Könige, wie sie genannt werden. Aber das ist ja nicht falsch. Sie stehen zweifelsohne im Mittelpunkt des heutigen Festes, denn dieses erste Ereignis, um das es geht, ist noch einmal von dreifacher Kraft, um das Erscheinen, um das Sichtbarwerden des Heilandes zu dolumentieren.

Das erste Zeichen ist der Stern. Den Juden wurde die Vorbereitung auf den Herrn, auf den Heiland, durch die Propheten zuteil. Den Heiden wurde sie gewährt durch die stumme Sprache eines Himmelszeichens. Der Stern ist ein Element des Sichtbarwerdens dessen, der hier im Futtertroge liegt.

Dann das zweite, die Magier, die Gelehrten der damaligen Zeit. Die Juden wurden in schlichten Männern, den Hirten, zur Krippe geführt. Die Heiden werden in gebildeten Männern zum Kripplein geführt, in den astronomisch gebildeten Männern der damaligen Kulturwelt, und das war eben Babylon, das war Assyrien, das war Persien, von wo diese Männer kamen.

Und schließlich das dritte Himmelszeichen, die Geschenke: Gold, Weihrauch, Myrrhe. Die Kirche und das Neue Testament deutet diese Gaben in dreifacher Weise. Gold wird als Hinweis auf das Königtum Jesu angesehen, weil eben der König ein reicher Mann ist, und Christus war reich, freilich in einer anderen Weise als irdische Könige reich sind. Der Weihrauch ist das Zeichen der Anbetung. Er deutet also auf die göttliche Würde Jesu, dem Anbetung gebührt. Und die Myrrhe ist ein Element, das zur Erhaltung und Bewahrung von Stoffen dient. Es deutet auf das Begräbnis, auf den Leib des Herrn, der ins Grab gesenkt wurde und dann freilich in verwandelter Gestalt zur Herrlichkeit des Vaters emporgehoben ward.

Das ist also wahrhaft Epiphanie, Erscheinung des Herrn. Das Erscheinen der Magier deutet auf seine Wesensart hin.

Das zweite Ereignis ist die Taufe im Jordan. Jesus hat sich – in allem uns gleich geworden außer der Sünde – der Bußtaufe des Johannes unterworfen. Er, der Reinste, der der Reinigung nicht bedurfte, hat sich dieser Taufe untergeordnet, um alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Er hat sich eingegliedert in den Strom der bußwilligen Menschen, die zum Jordan strömten, und er wurde getauft. Insofern war er von den anderen nicht zu unterscheiden. Aber als er im Taufwasser stand, da zerriß der Himmel, genau so sagt es die Heilige Schrift. „Der Himmel zerriß, und eine himmlische Stimme ertönte: 'Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe!'„ Hier trat der Vater im Himmel selbst für seinen Messias ein. Hier hat sich Gott zu seinem Sohne in aller Öffentlichkeit bekannt. Hier hat nicht, wie liberale protestantische Schrifterklärer wollen, eine Messiasweihe stattgefunden, als ob Jesus vorher der Messias nicht gewesen wäre, als ob da nur der namenlose Jüngling aus Nazareth zu einem höheren Stande erhoben worden wäre. Nein, hier vollzieht sich eine Erscheinung, hier wird das sichtbar, was immer in ihm war. Hier erfahren die Menschen, welcher Art er ist. Er wird nicht erhoben, sondern er zeigt sich als der, welcher er von Ewigkeit her war.

Ähnlich ist es mit dem dritten Ereignis des heutigen Festes, nämlich bei dem Wunder in Kana. Hier war der Herr wieder einer von vielen Gästen. Er kam mit seinen Jüngern, und so unscheinbar das Ereignis war, so bedeutsam ist seine Tat. Man könnte fragen: Ja, ist die Allmacht Gottes, in deren Besitz der Heiland war, ist Gottes Allmacht denn dafür da, Gästen, die durstig sind, Wein zu beschaffen? O, meine lieben Freunde, das war nur der Anlaß. Daß der Wein ausging, war nur der Anlaß. Das tiefe heilsgeschichtliche Moment, das bei dieser wunderbaren Erzeugung von Wein geschieht, ist das Aufzeigen seiner Macht und Herrlichkeit. Darum also steht im Johannesevangelium: „Da zeigte er seine Macht und Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn.“

Der Sinn des Geschehens geht also weit über diese dörfliche Hochzeit hinaus. Es ist das Sichtbarwerden seiner göttlichen Allmacht. Und es ist nicht umsonst, daß dieses Sichtbarwerden sich ausgerechnet um den Wein dreht, denn der Wein ist nun einmal das Element, er sollte das Element sein, in dem der Herr seine Gegenwart im eucharistischen Opfersakrament bewahren wollte. Derjenige, der Wasser in Wein gewandelt hat, ist auch imstande, Wein in sein kostbares Blut zu verwandeln. Derselbe, der am Anfang gesprochen hat: „Es werde Licht!“ – und es ward Licht, derselbe ist es, der sagt: „Das ist mein Blut!“ – und dann ist es sein Blut! Das eine ist so wirksam wie das andere, das eine Wort so mächtig wie das andere.

So sind also wahrlich diese drei Ereignisse, deren wir heute gedenken, ein Sichtbarwerden der vollen Göttlichkeit unseres Heilandes. Der da im Kripplein liegt, das ist derselbe, der die Spiralnebel, die Myriaden von Sternen trägt. Der da in Windeln gehüllt wird, das ist derselbe, dem Engel jauchzen. Der da von seinem Nährvater in besorgter Hut gehalten wird und nach Ägypten gebracht wird, das ist derselbe, der den Menschen in das Reich der Himmel einführt. Wahrlich, es ist ein großes Fest, das Fest der Epiphanie.

Wie es das Kirchengebet in der heutigen heiligen Messe sagt: „Wir sind auf dem Wege zu einer Schau, die nicht mehr verhüllt ist, sondern wo wir einmal sehen werden, wie er ist.“

Und so können wir glauben und schauen, wenn wir den Glauben als den Anfang der Schau – wie es Thomas von Aquin erklärt -  betrachten. So können wir immer voll Freude und Dankbarkeit nach jeder heiligen Messe mit dem Evangelium beten: „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit.“

Amen.

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