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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. November 2007

Die Heiligen – geläutert zum ewigen Leben

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Heiligen im Himmel Versammelte!

Die heidnischen Römer bauten ihren Göttern Tempel, zugegeben herrliche, ansehnliche Tempel, die noch heute eine Ahnung davon geben, dass die Heiden auch um das Numinose, um die Macht Gottes, wussten. Aber sie waren eben Vielgötter-Verehrer. Und so schufen sie auch einen Tempel, in dem sie alle Götter verehrten. Das war das Pantheon in Rom, ein Rundbau. In diesem Rundbau meinten sie die Verehrung aller Götter versammelt zu haben. Als Rom christlich wurde, verwandelte man das Pantheon in eine christliche Kirche. Diese christliche Kirche wurde im Jahre 609 für alle Heiligen geweiht. Da liegt der Ursprung des Festes Allerheiligen. Die Übung, alle Heiligen an einem Tage zu verehren und anzurufen, breitete sich aus. König Ludwig der Fromme sorgte dafür, dass das Fest im ganzen Frankenreich eingeführt wurde.

Das Fest, oder besser der Gedenktag Allerseelen hat einen anderen Ursprung. Es war der große Abt Odilo von Cluny, dem berühmten Benediktinerkloster in Frankreich, der das Gedächtnis der Verstorbenen einführte. Und das hat er so gemacht, dass er es hinter das Fest Allerheiligen legte. Er sagte, die beiden Tage gehören zusammen. Wir gedenken am Fest Allerheiligen aller Seligen des Himmels, aber wir gedenken am Gedenktag Allerseelen der Verstorbenen, die in Christus entschlafen sind und von denen wir hoffen und wünschen, dass sie der Gemeinschaft der Heiligen teilhaftig werden. So wurde dieser Gedenktag Allerseelen im 10. Jahrhundert eingeführt, breitete sich aus über andere Länder, und Papst Benedikt XV. hat in den Wirren des Ersten Weltkrieges die Erlaubnis gegeben, dass an diesem Tage jeder Priester drei heilige Messen feiern darf, um eben möglichst viel Segen auf die Verstorbenen, auf die Gefallenen herabzurufen.

Der große Abt Odilo von Cluny hatte erkannt, dass die Gedanken von Allerheiligen durch das Gedächtnis Allerseelen fortgeführt und erweitert werden. An Allerheiligen schauen wir in den Himmel, und dort sehen wir die große Schar, die niemand zählen kann, die aus allen Stämmen, Nationen und Sprachen vor dem Throne des Lammes in der Anschauung Gottes jubelt und dankt. Aber an Allerseelen steigt der Blick in die Tiefe, nämlich in das Fegfeuer, wo jene Seelen sich befinden, die des Heiles gewiß sind, die aber von der Anschauung Gottes noch ausgeschlossen sind, deren Schmerz es ist, dass sie ihre Sehnsucht nach Gott, nach der Anschauung Gottes noch nicht erfüllen können, dass sie noch der endgültigen Vereinigung mit Gott harren.

Allerheiligen ist das große Fest des Lebens, des ewigen Lebens. Da erfüllt sich die geheime Sehnsucht eines jeden Menschen nach Leben, nach glücklichem, nach ewigem Leben, nach wahrem und vollkommenem Leben. Im Himmel sind die Vollendeten untrennbar und für immer mit Gott vereinigt. Nichts kann diese Verbindung mit Gott lösen. Allerheiligen kündet uns: Es gibt ein ewiges Leben. Es ist nicht wahr, wenn der Unglaube sagt, mit dem Tode ist alles aus. Deinen Gläubigen, o Herr, kann das Leben nicht geraubt werden; es wird ihnen nur verwandelt. Wenn die Herberge des Erdenlebens zerfällt, wird eine ewige Heimat im Himmel bereitet.

Weil wir also jetzt wissen, dass der Tod die Schwelle zum ewigen Leben ist, sieht die Kirche den Tod in einem neuen Lichte, im österlichen Lichte. An Ostern ist es nämlich geschehen, dass einmal und für immer der Tod besiegt wurde. Die Frauen eilten zum Grabe Jesu früh am Morgen. Als die Sonne aufging, waren sie schon unterwegs. Als sie ans Grab gekommen waren, da erschraken sie, denn ein Engel sprach zu ihnen: „Fürchtet euch nicht. Ihr suchet Jesus von Nazareth. Er ist nicht hier. Er ist auferstanden. Gehet hin und meldet es seinen Jüngern!“ Der Auferstandene ist es, er allein, den wir feiern in seinen Freunden, in seinen Gliedern, in seinen Brüdern. Er ist es, der alles in ihnen gewirkt hat, denn er ist der Sieger über den Tod. Meine lieben Freunde, einen Stärkeren gibt es. Wer den Tod besiegt, ist der Stärkste von allen. Sein Sterben hat unseren Tod vernichtet, und seine Auferstehung uns neues Leben erworben. Der Tod hat deswegen seine Schrecken verloren, denn jeder Mensch ist gerufen, mit dem Tode in das ewige Leben einzugehen und die Auferstehung des Leibes zu erwarten.

Aber nicht nur die Seligen des Himmels haben Anteil an dem Lichte, in den das Wirken Jesu den Tod stellt, auch die Verstorbenen, die im Fegfeuer sind. Sie harren auf die Gottesschau. Sie sind noch nicht Vollendete. Sie warten auf das Eingehen in den Himmel. Aber sie wissen mit untrüglicher Sicherheit: Wir sind gerettet. Wir haben überwunden. Wir sind zur ewigen Seligkeit bestimmt.

Wer den Tod hinter sich gelassen hat, der lebt in der Erkenntnis. Die Glückseligkeit der Heiligen enthält zunächst ein beschauliches Element. Sie dürfen Gott schauen. Gott, an den wir nur geglaubt haben, Gott, der uns in das Dunkel hinein angeredet hat, diesen Gott dürfen die Seligen des Himmels schauen. Da erfüllt sich das, was der Herr während seines Erdenlebens gesagt hat: „Das ist das wahre Leben, dass sie dich erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus.“

Wer aber Gott schaut, der wird vom beschaulichen Leben zum aktiven Leben hingerissen, denn die Heiligen schauen nicht nur, sie jubeln auch und danken. Sie sind voll Freude über die Größe der göttlichen Herrlichkeit und über das selige Geschick, das ihnen bereitet ist. Sie feiern wahrlich Eucharistie, Danksagung. Und von diesem Festmotiv strahlt ein Leuchten auch in das Gedächtnis Allerseelen. Auch im Fegefeuer, meine lieben Freunde, ist Jubel und Dank. Die Armen Seelen, wie wir sie nennen, sind ja auch reiche Seelen, reich an Hoffnung, reich an Zuversicht, reich an Gewissheit. Sie wissen es: Wir haben es geschafft. Ihr Leben ist gelungen, sie werden in die Herrlichkeit Gottes eingehen, wenn ihre Läuterung vollendet ist.

Freilich ist im Fegfeuer auch Raum für Klage und Bitte. Denn der Schmerz, von Gott getrennt zu sein, ist riesig. Auch die Schmerzen des Fegefeuers sind keineswegs leicht. Die Armen Seelen brennen gleichsam darauf, in Gottes Herrlichkeit einzugehen, deswegen sprechen wir ja auch vom Fegefeuer. Die heilige Theresia vom Kinde Jesu wurde einmal gefragt, ob sie die Qualen des Fegefeuers fürchte. Da gab sie zur Antwort: „Wenn ich in das Fegefeuer hineinkomme, werde ich in den Flammen wandeln wie die drei Jünglinge im Feuerofen und werde den Lobgesang der Liebe singen.“ Ich weiß nicht, ob wir alle diese Zuversicht nachsprechen können. Aber eines ist sicher: Die Seelen im Fegefeuer haben die absolute Gewissheit, gerettet zu sein, und sie sehnen sich danach, endgültig zu Gott zu kommen. Dabei können wir ihnen helfen. Sie rufen uns: Gedenket unserer! Gedenken unserer wenigstens ihr, meine Freunde!

Das wollen wir an diesen beiden Tagen tun. Wir wollen für die Armen Seelen beten, dass Gott sie bald in seine Seligkeit aufnimmt. „Nimm die Armen Seelen doch heute in den Himmel noch!“ So beten wir ja oft. Allerheiligen und Allerseelen, das sind zwei Tage, meine Freunde, die zusammengehören. Sie weisen darauf hin, dass auf das Gesetz des Sterbens das Gesetz des Werdens folgt, dass auf das zeitliche Leben ein ewiges Leben folgt. Und das ewige Leben heißt Gott besitzen. Wer Gott besitzt, dem kann nichts fehlen. Gott allein ist genug.

Amen.

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