Die Wahrheit verkündigen,
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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Zehn Gebote (Teil 15)

27. Oktober 2002

Die Bedeutung des Eigentums (7.)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der Menschengeist ist eine Kraft der Beseelung. Er beseelt den Leib, er greift darüber hinaus zu anderen Menschen und schafft eine Gemeinschaft. Der menschliche Geist ist aber auch fähig, sich unbelebte und belebte Dinge, die nicht Personen sind, anzueignen, Pflanzen, Tiere, Gegenstände – die irdischen Güter. Der Mensch kann über sich hinausgreifen und sich irdische Güter erwerben und sagen: Das ist mir nützlich, das kann ich verwenden, das ist mein Hab und Gut. Einer der stärksten Triebe im Menschen ist der Erwerbs- und der Besitztrieb. Der Mensch hat das Vermögen und den Willen, sich etwas anzueignen und für sich selbst zu besitzen, etwas zu erwerben und es zu gebrauchen, zu verbrauchen und zu genießen. Dieser Erwerbs- und Besitztrieb ist eine Eigenart der menschlichen Natur, d.h. der Trieb stammt von Gott. Der Trieb ist gottgewollt. Gott hat es in der Offenbarung bekräftigt, wenn er sagt: Macht euch die Fische des Meeres und die Vögel des Himmels und die Tiere des Feldes untertan und gebrauchet sie.

Wenn Gott diesen Trieb bekräftigt, dann wird er ein Recht. Es gibt ein Recht, zu erwerben, und es gibt ein Recht, zu besitzen. Gott hat dieses Recht umwehrt mit einem eigenen Gebot. Dieses Gebot lautet: „Du sollst nicht stehlen!“ Das klingt einfach, fast primitiv, aber wenn wir näher hinschauen, wenn wir uns in den Sinn dieses Gebotes einfühlen, dann werden wir erkennen, daß es eine gewaltige Bedeutung für unser Leben besitzt. Um irdische Güter ringen die Menschen, ringen die Menschengemeinschaften, kämpfen die Völker. Wir wissen, wie die Völker darauf bedacht sind, sich Schätze zu erwerben und Schätze zu sichern. Das alles zeigt, von welcher enormen Bedeutung das siebente Gebot ist. Wir wollen heute drei Punkte betrachten, nämlich 1. die Bedeutung, 2. die Begründung und 3. die Erfüllung des siebenten Gebotes.

Die Bedeutung des siebenten Gebotes liegt darin, daß es eine Befestigung irdischer Güter bei einer bestimmten Person zuläßt und schützt. Die irdischen Güter stehen nicht in solcher Menge zur Verfügung wie die Luft oder wie das Wasser, sondern die irdischen Güter sind in begrenzter Menge vorhanden, und deswegen müssen sie verteilt werden. Es muß jedem gesagt werden, was sei ist und was nicht sein ist. Es muß eine Grenze gezogen werden, und diese Grenze haben die Menschen zu beachten. Wer Eigentum besitzt, mit dem ist das Eigentum verbunden, und dieses Eigentum ist sein Recht, und dieses Recht muß geschützt und gewahrt werden.

Das siebente Gebot bekräftigt also die Befestigung irdischer Güter bei einer bestimmten Person, und zwar bei einer Einzelperson. Gewiß ist es möglich, daß auch Personengesamtheiten Güter erwerben, eine Familie, ein Verein, eine Gesellschaft, ein Staat. Sie können Eigentum erwerben und Eigentum besitzen. Aber vordringlich und in erster Linie ist Eigentum für den Einzelnen bestimmt; wir sprechen dann vom Privateigentum. Privateigentum ist solches Eigentum, das einem einzelnen allein gehört und ihm Verfügungsmacht über dieses Hab und Gut einräumt.

Der Besitz von Gütern setzt den Erwerb voraus. Man muß sich erst Güter erwerben, die man besitzen kann und will, und darüber sagt das siebente Gebot nichts. Das ist den Menschen überlassen, welche Weisen des Erwerbs sie zulassen und welche sie mißbilligen. Wir kennen die Methoden des Erwerbs, die üblich sind. Man kann etwas durch Arbeit sich erwerben, durch den Lohn der Arbeit; man kann etwas durch Erbe sich erwerben, eine Erbschaft machen; man kann herrenloses Gut sich aneignen, auch das ist ein legitimer Erwerb; man kann etwas kaufen oder vertauschen; man kann von einem Kapital Zinsen ziehen oder eine Rente empfangen. Das alles sind legitime Weisen, wie wir erwerben können. Der Staat und die Gesellschaft müssen wenigstens die wesentlichen Weisen, sich Eigentum zu erwerben, anerkennen. Es steht nicht in ihrer Macht, alle diese Methoden des Eigentumserwerbs abzuschaffen, denn dann würde das Recht, Eigentum bei sich zu haben und bei sich zu befestigen, zunichte gemacht. Der Staat ist also gezwungen, die legitimen Weisen, sich Eigentum zu erwerben, gelten zu lassen und anzuerkennen. Freilich bleibt noch genug zu tun, um den Erwerb in geordnete Bahnen zu lenken, um eine Akkumulation, eine übermäßige Anhäufung, in einer Hand zu verhindern, um die gerechte Verteilung des Eigentums zu gewährleisten. Befestigung und Erwerb von Eigentum, das ist die Bedeutung des siebenten Gebotes.

Die Begründung liegt darin, daß Eigentum zum Bestand des leiblichen Lebens notwendig ist. Wir müssen uns kleiden, wir müssen uns nähren, wir müssen uns hausen. Es ist also Kleidung, Nahrung, Wohnung notwendig, um das leibliche Leben zu fristen. Ohne diese genannten Wirklichkeiten kann das menschliche leibliche Leben nicht bestehen. Wir haben es ja oft genug erfahren, wie Menschen, denen alles genommen wird, abgleiten, verhungern, erfrieren, den Tod auf sich nehmen. Es muß also für den Bestand des leiblichen Lebens ein Eigentum geben.

Nun sind die irdischen Güter nicht unbeschränkt vorhanden. Sie müssen so verteilt werden, daß es einem jeden grundsätzlich möglich ist, Eigentum zu erwerben. Vor allen Dingen müssen diese irdischen Güter durch Arbeit erworben werden; die Natur bietet uns nur die Rohstoffe. Diese Rohstoffe zu schöpfen oder zu veredeln ist Sache der menschlichen Arbeit. Deswegen ist die Arbeit ein unaufgebbarer Rechtstitel zum Erwerb von Eigentum. Arbeit dient dem Erwerb von Eigentum. Arbeit setzt aber auch schon das Eigentum voraus, denn niemand kann arbeiten ohne Werkzeug, ohne Arbeitszeug. Arbeit setzt auch ein Bildungskapital voraus. Es muß einer die Fertigkeiten gelernt haben, welche die Arbeit erfordert. Arbeit dient freilich auch anderen Motiven, als nur Eigentum zu erwerben. Es gibt höhere Motive, um zu arbeiten, nämlich der Mensch entfaltet sich in der Arbeit. Die Arbeit fordert ihn. Die Arbeit ruft seine Kräfte, seine Anlagen, seine Talente wach oder bildet die vorhandenen Arbeitsanlagen aus. Der Mensch entfaltet sich in der Arbeit. Er erlebt seine Befriedigung, er erlebt seine Beglückung in der Arbeit. Etwas schaffen, etwas herstellen, etwas voranbringen, das ist für den Menschen eine innere Erfüllung. Und auch das gehört zur Arbeit, daß sie den Menschen auf eine höhere Stufe hebt. Er soll so arbeiten, daß es Arbeit für Gott ist, und wenn die Arbeit so verstanden wird, dann edelt sie den Menschen und adelt ihn. Das Ziel der Arbeit ist eine höhere Weise des Daseins, ist die Entfaltung des menschlichen Wesens, seiner Kräfte und seiner Anlagen, ist auch die Bildung von Gemeinschaften, denn Gemeinschaften können nicht ohne Arbeit bestehen.

Die irdischen Güter sind zuallererst für den Einzelnen da, nicht für ein Kollektiv. Der Einzelne ist es, der zum Gemeinwohl beiträgt durch seine Arbeit, und deswegen muß auch dafür gesorgt werden, daß der Einzelne sich nach dem Maße seiner Entwicklungsmöglichkeiten Eigentum erwerben kann. Als nach dem Kriege so viele mittellose Menschen nach Deutschland einströmten, die Heimatvertriebenen, die Enterbten des Schicksals, da hofften Manche schadenfroh, nun werde Deutschland in einem Chaos versinken und für immer erledigt sein. Aber siehe da, das geschah nicht. Die Mittellosen und Enterbten aus dem Osten haben gearbeitet; sie haben viel gearbeitet, sie haben mehr gearbeitet als andere, und so haben sie sich Eigentum geschaffen, und der Staat hat in das Eigentum der Bemittelten, derer, die nichts verloren hatten, eingegriffen. Im Lastenausgleich hat er dafür gesorgt, daß den Menschen, die alles verloren hatten, eine Starthilfe gegeben wurde, und mit dieser Starthilfe haben sie gearbeitet und sind zu Wohlstand, zu Eigentum gekommen. Das waren wahrhaft christliche Taten, die damals unter Führung der christlichen Parteien in Deutschland vollbracht wurden.

Das Eigentum ist verschieden verteilt, und das ist kein Unrecht. Der Kommunismus, der allen das gleiche geben will, ist unmöglich, weil die Menschen zu verschieden sind. Einer, dem man 20 Mark – damals waren es 20 Mark am 20. Juni 1948 – in die Hand drückt, der geht sparsam um mit diesem Gelde und schafft sich etwas. Ein anderer vergeudet es. Und so ist der Ausgangspunkt zwar gleich, aber die Verwendung ist verschieden. Und deswegen wird es auch immer, je nach der Leistung und der Funktion, verschiedene Eigentumsformen, verschiedene Eigentumshöhen geben. Je nach Leistung werden die Menschen sich mehr oder weniger Eigentum schaffen, werden mit dem ihnen verliehenen Kapital mehr oder weniger erreichen. Das ist gottgewollt. Denen, die mehr arbeiten und sparsamer sind, wegnehmen, was sie sich geschaffen haben, um es denen zu geben, die durch eigene Schuld es versäumt haben, sich etwas zu erwerben, ist unrecht. Auch das wäre gegen das siebente Gebot.

Die Erfüllung des siebenten Gebotes obliegt der Gesellschaft und dem Einzelnen. Die Gesellschaft muß dafür sorgen, daß wirtschaftliche Möglichkeiten geschaffen werden, daß also Arbeitsmöglichkeiten vorhanden werden, daß, wie man heute sagt, ein Rahmen geschaffen wird, in dem sich die wirtschaftlichen Kräfte entfalten können. Es muß dem Einzelnen deswegen auch Freiheit gegeben werden. Nicht umsonst – ich bin kein Parteipolitiker – aber nicht umsonst sprechen die christlichen Parteien immer davon, daß es möglich sei muß, in Freiheit zu wirken und daß man sich nicht beengen lassen darf durch übermäßige Vorschriften des Staates und auch nicht durch eine ungerechte Abschöpfung des Gewinnes, den die einzelnen sich erarbeitet haben. Es muß möglich sein, daß in wirtschaftlicher Freiheit der eine sich mehr, der andere sich weniger erwirbt.

Freilich muß der Staat darauf achten, daß die Freiheit nicht mißbraucht wird, daß die Menschen also nicht in unrechter Weise sich Eigentum aneignen. Dafür hat der Staat beispielsweise die Kartellgesetzgebung geschaffen. Es sollen also nicht bestimmte Produktionszweige in einer Hand vereinigt werden, so daß ein Monopol entsteht, ein Monopol, das dann die Preise diktiert und das den Menschen den Preis abnimmt, den es selbst bestimmt. Diese Gesetzgebung ist wahrhaft ein Ausfluß des siebenten Gebotes, denn wie wehrt dem Unrecht, das durch Ausnützung von Monopolen entstehen könnte. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern, meine lieben Freunde. Von einem bestimmten Zeitpunkt an wurden in Deutschland die Zündhölzer erheblich billiger. Sie wurden von einem bestimmten Datum an beträchtlich billiger als vorher. Wie kam das? Das kam daher, daß das schwedische Zündholzmonopol auslief. In der Notzeit hatte man ein Zündholzmonopol für eine beträchtliche Summe Geldes an Schweden gegeben, und das lief Jahrzehnte hindurch, und als es auslief, da wurden die Preise für Zündhölzer plötzlich billig, ein Zeichen und ein Beispiel dafür, wie der Staat eingreifen muß, um Eigentum nicht zu einer bedrohlichen Macht anwachsen zu lassen. Wenn alle Produktionsmittel sich in einer Hand vereinigen, dann wird der Mensch unfrei. Das haben wir erlebt im real existierenden Sozialismus. Wenn alle Produktionsmittel nur beim Staate liegen, dann hat der Arbeitnehmer keine Wahl mehr. Wohin er immer gehen mag, er trifft immer auf denselben Arbeitgeber, nämlich den Staat, und das ist dann gefährlich, weil es ihn zum Lohnsklaven, zum Abhängigen macht. Also die Gesellschaft hat wichtige, unersetzliche Aufgaben bei der Regelung und der Verteilung des Eigentums.

Aber auch der Einzelne hat seine Verantwortung. Wir sollen gewiß für uns sorgen, für unsere Angehörigen, für die uns Anvertrauten. Aber wir sollen so sorgen, daß wir nicht Sklaven des Besitzes werden, sondern seine Herren bleiben. Man wird Sklave des Besitzes, wenn man immer mehr zusammenraffen will, wenn man keine Ruhe kennt, wenn es einem nie genug ist. Wir Menschen solle uns als Verwalter des irdischen Gutes betrachten. Verwalter, das heißt, sie haben eine Rechenschaft abzulegen. Diese Rechenschaft wird vor Gott abgelegt. Er wird uns fragen, ob wir nur danach gestrebt haben, möglichst viel für uns zu erwerben, oder ob wir auch auf den Menschenbruder und die Menschenschwester geachtet haben. Derjenige ist Herr über den Besitz, der möglichst wenig braucht und der auf vieles verzichten kann. Durch Zusammenraffen wird der Mensch leicht zu einem Schlemmer oder zu einem harten, hartherzigen Menschen, der lieblos auf die anderen herabschaut. Nein, wir müssen Sieger bleiben über den Trieb, der auswuchern will, der sich ausufern will. Wir müssen Sieger bleiben über den Trieb und müssen mit möglichst wenig auskommen. Frei ist der, der anspruchslos ist, ein Sklave des Besitzes der, dem niemals genug zusammengerafft werden kann. Das ist die Gemeinschaftsfunktion des siebenten Gebotes. Das siebente Gebot ist insofern ein Gemeinschaftsgebot. Es will, daß wir füreinander sorgen; es will, daß wir unsere Vermögenswerte und unser Eigentum nicht nur für uns verwenden, sondern auch für andere. Auch der andere soll gut wohnen, soll gut ernährt werden, soll sich gut kleiden. Wer den Sinn des siebenten Gebotes voll begriffen hat, der spricht von einer heiligen Gemeinschaftsgesinnung und von einer heiligen Gemeinschaftshaltung gegenüber dem Besitz. Wir sind dann, wie Paulus sagt, keine Sklaven des Besitzes mehr, sondern seine Herren, denn wir sind Verwalter, die wissen: Einst kommt die Stunde der Rechenschaft, wo es heißt: Gib Rechenschaft von deiner Verwaltung!

Amen.

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