Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Jesus, der Messias (Teil 5)

7. Dezember 1997

Die Heilungswunder Jesu

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir waren uns einig: Man kann nicht Christ sein, ohne an Christus zu glauben, und zwar nicht in irgendeiner Weise, sondern in der von der Kirche unfehlbar und verbindlich festgelegten Weise an Jesus als den eingeborenen, den metaphysischen Sohn Gottes. Wir haben uns bemüht, den Anspruch Jesu, der in diesen Dogmen der Kirche laut wird, aus den Quellen zu erheben und zu bestätigen. Wir wollten ihn nicht unbesehen übernehmen, sondern wir wollten uns mit rationaler Überlegung darüber klar werden: Wir sind nicht Märchen gefolgt, als wir die Kraft und die Herrlichkeit Gottes annahmen, sondern wir haben uns durch Leben, Wort und Wirken Jesu überzeugen lassen.

Ein besonderes Gewicht bei der Bestätigung des Anspruches Jesu haben seine Wunder. Wir haben an den vergangenen Sonntagen über die Wirklichkeit und Wahrheit der Wunder Jesu nachgedacht. Der Unglaube sucht ja immer neue Ausflüchte, um die Wunder als rein natürliche Geschehnisse auszugeben und auf diese Weise den Glauben zu zertrümmern. Das ist vor allem bei den Heilungswundern Jesu der Fall. Man sagt, die Heilungswunder Jesu seien durch Suggestion geschehen. Suggestion ist das Hervorrufen von Empfindungen, Gedanken und Erscheinungen in sich selbst oder in einem anderen durch seelische Beeinflussung. Es gibt in der Medizin die Suggestion. Wir kennen die Hypnose, wir kennen das autogene Training. Mit Hypnose kann man vegetative Störungen und Spannungszustände sowie Schmerzen, die sich aus körperlichen Krankheiten ergeben, und nervöse Beschwerden heilen. Die Suggestion vermag auf funktionelle Beschwerden einzuwirken. Aber hat Jesus, der Wundertäter, nur funktionelle Störungen behoben, oder hat er organische Krankheiten geheilt? Wann ist jemals durch Suggestion hochgradiger Muskelschwund, chronische Gelenkaffektion, fortgeschrittener Aussatz, angeborene Blindheit, ausgebildete Wassersucht und gewaltsame Verletzung geheilt worden? Wann ist das jemals durch Suggestion geschehen? Jesus hat Krankheiten geheilt, die jeder Suggestion widerstehen. Er hat sie geheilt nicht durch Einreden auf den zu Heilenden, sondern mit einer bloßen Willensäußerung, augenblicklich, dauernd, ohne Vorbereitung und auf große Entfernung. Wer diese Heilungen als Suggestion ausgeben will, der widerspricht jeder medizinischen Erfahrung.

Jesus hat auch nicht den Glauben als Suggestionsbereitschaft verlangt. Gewiß, er hat die beiden Blinden gefragt: „Glaubt ihr, daß ich das tun kann?“ Und sie haben geantwortet: „Ja, wir glauben es.“ Aber dieser Glaube war nicht die Bereitschaft, sich auf den Suggestionstechniker einzulassen, sondern dieser Glaube war die Bereitschaft, Gottes Botschaft anzunehmen und sich seinen Kundgebungen zu beugen. Das war der Glaube, den Jesus verlangt hat, ein religiöser Glaube, nicht eine psychische Suggestionsbereitschaft. Das war der Glaube, den der Hauptmann von Kapharnaum hatte: „Sprich nur ein Wort, dann wird mein Knecht gesund.“ „So einen Glauben habe ich in ganz Israel nicht gefunden!“ Das war der Glaube, den die syro-phönizische Frau hatte, die um ihre Tochter bat. „Geh hin, dein Glaube hat dir geholfen! Deine Tochter ist gesund.“

Auch die Versuche, die Dämonenaustreibungen Jesu zu entwerten, müssen scheitern. Man sagt: Damals hat man seelische oder geistige Krankheiten als Wirkungen von Dämonen erklärt – Schizophrenie, manisches Irresein, Epilepsie. Wenn es so wäre, daß man zur Zeit Jesu gewisse geistige Krankheiten auf dämonische Einflüsse zurückgeführt und Jesus diese Leiden geheilt hat, dann sind das eben echte Heilungswunder, nicht suggestive Verfahren, sondern echte, durch seinen Willensentschluß geschehene Heilungswunder. Aber nicht alle Dämonenaustreibungen lassen sich so erklären. Jesus ist gekommen, die Bollwerke des Teufels zu zerstören. Die Bollwerke des Teufels sind die Festungen, die er mit seinen Dämonen besetzt hat, die Besessenen, in denen er haust. Der eine, der Besessene von Gerasa, lebte in Grabhöhlen und zerschlug sich mit Fäusten und mit Steinen die Brust. Die Ketten, die man ihm anlegte, zerriß er. Diesen Besessenen hat Jesus geheilt. Das war eine Krafttat in der Macht des Heiligen Geistes. „Wenn ich mit dem Finger Gottes die Dämonen austreibe, dann ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.“ Wer die Dämonenaustreibungen aus dem Leben Jesu streicht, der vernichtet eine ganze Dimension des Heilsauftrages und des Heilswirkens unseres Heilandes.

Die theologische Wahrheit der Wunder Jesu liegt offen zutage. Sie sind von Gott gewirkt oder mit seinem Beistand vollbracht. Das sieht man schon daran, daß Gott, Gott allein, der Herr über Leben und Tod, Tote aus dem Tode zurückrufen kann. Die Feinde haben die Wunder Jesu den Dämonen zugeschrieben. „Mit Beelzebub, dem obersten der Dämonen, treibt er die Dämonen aus.“ Sie haben Anstoß genommen, weil er der Sohn des Zimmermanns war. Sie haben gesagt: Von ihm weiß man, woher er kommt. Wenn der Messias kommt, weiß niemand, woher er stammt. Jesus hat diese Vorwürfe als lächerlich zurückgewiesen. „Wenn ich mit Beelzebub, dem obersten der Teufel, die Teufel austreibe, dann ist sein Reich gespalten.“ Dann geht es zu Ende mit ihm. So töricht ist der Satan nicht, daß er sich selbst zerstört. Nein, Jesu Dämonenaustreibungen als Schauspielertricks zu erklären, scheitert auch daran, daß er eine sittlich hochstehende, eine sittlich einwandfreie Persönlichkeit war, daß er seine Wunder ohne Schaustellung und ohne Selbstsucht wirkte, daß er die Wunder nicht zur Selbstdarstellung benutzte. Es fehlt jede Überheblichkeit und Verlogenheit, wie sie den Schauwundern von Zauberkünstlern eigen ist. An seiner reinen und sittlich überlegenen Persönlichkeit scheitern alle diese Vorwürfe.

Aber der Unglaube gibt sich nicht geschlagen. Er sagt: Jesus mag ja Wunder gewirkt haben, aber nicht zur Beglaubigung seiner Sendung. Er hat sie gewirkt, weil er eben Mitleid hatte mit den Menschen, aus Erbarmen und aus Güte. Es sind Rettungswunder. Meine lieben Freunde, nicht jedes Wunder mag der Beglaubigung seiner Sendung gedient haben. Es kann durchaus sein, daß sein Erbarmen mit den Menschen, seine Güte das eine oder andere Wunder veranlaßt hat. Aber es gibt eine Menge von Wundern, die ausdrücklich gewirkt wurden, um seine Sendung zu beglaubigen. Das ist vor allem nach dem Johannesevangelium der Fall. Als er das Wunder in Kana wirkte, da heißt es am Schluß: „So machte Jesus den Anfang seiner Wunder, und seine Jünger glaubten an ihn.“ Warum glaubten sie an ihn? Ja, weil sie durch das Wunder überzeugt worden waren von seiner Macht und seiner göttlichen Sendung. An vielen Stellen weist Jesus selbst darauf hin, daß die Wunder zur Beglaubigung, zur Legitimation seiner Sendung und seiner Person dienen. „Die Werke, die mir der Vater auszuführen gab, diese Werke, die ich tue, sie geben Zeugnis über mich, daß der Vater mich gesandt hat.“ Also lauter als die Worte, die er sagt, sprechen die Taten, die er vollbringt. „Die Werke, die ich im Namen meines Vaters wirke, die geben von mir Zeugnis.“ Denn solche Werke kann niemand tun, wenn Gott nicht mit ihm ist. „Glaubet mir, daß ich im Vater bin, und der Vater in mir ist. Wenn nicht, dann glaubet doch um der Werke willen!“ Die Werke sind es, die die Zuschauer unentschuldbar machen. „Wenn ich die Werke meines Vaters nicht tue, so braucht ihr mir nicht zu glauben. Hätte ich unter ihnen nicht die Werke vollbracht, wie sie kein anderer vollbracht hat, so hätten sie keine Sünde.“ Die Werke zeugen gegen diejenigen, die sich davon nicht haben überzeugen lassen.

Das ist nicht nur im Johannesevangelium der Fall, das man ja immer etwas abwertet, weil es das späteste, also das jüngste Evangelium ist, nein, das ist auch aus den synoptischen Evangelien zu beweisen. Wir haben es eben heute im Evangelium gehört. Der im Gefängnis verwahrte Johannes fragt Jesus, ob er der Kommende ist, das heißt der vorausgesagte Messias. Und Jesus deutet dann nicht auf seine Predigten, er weist auf seine Taten hin. „Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, Armen wird Frohbotschaft verkündet.“ Die Taten zeugen für ihn. Ebenso ist es mit seinem Wort über die beiden Städte Chorazin und Bethsaida. „Wären in Tyrus und Sidon die Taten geschehen, die in Chorazin und Bethsaida geschehen sind, sie hätten längst in Sack und Asche Buße getan.“ Und ganz deutlich wird die Beglaubigungskraft seiner Wundermacht bei der Heilung des Gelähmten. Er hatte diesem Manne zunächst die Sünden vergeben. Darüber murrten die Anwesenden. „Wie kann dieser Sünden vergeben?“ Um zu beweisen, daß er es kann, um zu zeigen, daß er die Vollmacht besitzt, wirkt er jetzt ein Wunder, das man beobachten kann. „Nimm dein Bett und geh nach Hause!“ Und der Mann nahm sein Bett und ging nach Hause. Wer das vermag, was man beobachten kann, nämlich einen Gelähmten durch ein Wort heilen, der vermag auch das andere, was man nicht beobachten kann, nämlich Sünden zu vergeben.

Gewiß, Jesus hat auch den Wunderglauben, der immer neue Wunder verlangt, getadelt, hat die Wundersucht des Volkes, das immer wieder Wunder sehen will, korrigiert. Er hat sogar den Thomas zurechtgewiesen mit dem Worte: „Selig, die nicht sehen und doch glauben.“ Aber das ist alles kein Beweis dagegen, daß er die Wunder als Beglaubigung seiner Sendung angesehen hat. Jesus hat nur die Wundersucht, die Gier nach Sensationen, das Verlangen nach Schauwundern und die Versuche, ihn zum Vollbringen von Wundern zu zwingen, zurückgewiesen. Er lehnt es ab, Wunder zu wirken, die den Menschen überwältigen. Die Schauwunder, die man am Anfang seiner Sendung von ihm erwartete, hat er nicht gewirkt. Denn die Wunder sollen nicht die Gewissen zwingen, sondern sie sollen den Aufnahmebereiten Gewißheit darüber geben, daß seine Sendung von Gott beglaubigt wird. Er hat es auch abgelehnt, Wunder zu wirken als Bedingung des Glaubens. Das haben die Feinde, die das Kreuz umtanzten, ihm angesonnen: „Steig herab, dann wollen wir glauben!“ Das war der Versuch, Gott eine Bedingung zu stellen, eine Bedingung für den Glauben. Eine solche Bedingung zu erfüllen, lehnt Jesus ab.

Er tadelt den Thomas, als dieser sagt: „Wenn ich nicht die Wunden an seinen Händen sehe und meinen Finger darein lege und meine Hand in seine Seite lege, glaube ich nicht.“ Thomas hat damit seinen Glauben von der eigenen Erfahrung abhängig gemacht, statt auf die Apostel zu hören, die Jesus, den Auferstandenen, gesehen hatten, statt daran zu denken, daß er ja selbst Zeuge vieler Wunder Jesu geworden war. Jesus erfüllt ihm seine Bitte, aber nur deswegen, weil er eigentlich mehr aus Glück über das unerwartete Geschehen nicht glauben konnte als aus Zweifelssucht. Aber er hat zu ihm tadelnd gesagt: „Selig, die nicht sehen und doch glauben!“

Die Wunder Jesu dienen der Beglaubigung seiner Sendung.  Aber  sie appellieren auch an die Bereitschaft im Menschen zum Glauben. Sie erzwingen den Glauben nicht, sondern sie stützen ihn. Sie wollen die Menschen aufhorchen lassen und zeigen, daß Gott die Sendung, die er in Anspruch genommen hat, bestätigt. Wo die Glaubensbereitschaft fehlt, wo man sich schon gegen ihn entschieden hat, da wirkt er keine Wunder. In seiner Heimatstadt Nazareth war es so. „Woher hat der da – der da! – die Weisheit und die Wunderkräfte? Ist er nicht des Zimmermanns Sohn?“ Und er konnte daselbst keine Wunder wirken; nicht, weil seine Macht nicht ausgereicht hätte, sondern weil die Glaubensbereitschaft fehlte.

So ist es auch heute. Wer Augen hat, zu sehen, der sieht. Wem aber die Augen verschlossen sind, der vermag nicht zu sehen.  „Jeder, der das Böse tut, haßt das Licht und kommt nicht ans Licht.“ Er kommt nicht ans Licht, damit seine bösen Werke nicht aufgedeckt werden. Wer nicht will, dem vermögen auch die Wunder nicht den Glauben zu vermitteln. Jesus hat es einmal im Gleichnis vom reichen Prasser und vom armen Lazarus gesagt: „Die, die auf Abraham nicht hören, würden sich auch nicht bekehren, wenn einer von den Toten zurückkäme.“

Wahrhaftig, meine lieben Freunde. Wir wollen uns an Nikodemus halten, der am Abend zu Jesus kam und sagte: „Rabbi, wir wissen, daß du ein gottgesandter Lehrer bist; denn niemand kann die Wunder wirken, die du wirkst, wenn Gott nicht mit ihm ist.“

Amen.

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