Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die geoffenbarte Wahrheit (Teil 14)

5. Oktober 1997

Die Wahrheitsbezeugung in der Urkirche

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Es war unser Ziel, die Offenbarung Jesu Christi als die einzige wahre, als die absolute Religion zu erweisen. Wir wollten den Versuchen entgegenarbeiten, das Christentum mit anderen Religionen auf eine Stufe zu stellen. Es gibt viele einander widersprechende Religionen; der Irrtum ist tausendfältig. Aber es kann nur eine von Gott gestiftete Religion geben, die allein die Wahrheit, die volle Wahrheit, die ungetrübte Wahrheit in sich birgt.

Die Ungläubigen versuchen, das Christentum als ein Evolutionsgeschehen darzustellen in dem Sinne, daß aus unscheinbaren Anfängen durch Dichtungen, Phantasien und Übertreibungen ein gewaltiges Geschehen geworden sei. Sie behaupten, am Anfang sei alles menschlich zugegangen, aber durch die Urgemeinde und den Apostel Paulus sei dieses unscheinbare Geschehen in ein göttliches Unternehmen umgedichtet worden. Sie greifen deswegen an erster Stelle die Berichte über die Urgemeinde an und sagen, sie seien verfärbt, gefälscht, umgestaltet.

Diese Berichte liegen uns vor in der Apostelgeschichte. Sie alle haben schon ein Neues Testament in der Hand gehabt, und im Neuen Testament folgen auf die vier Evangelien die „Acta Apostolorum“, die Apostelgeschichte. Die Apostelgeschichte berichtet nicht von allen Aposteln, sondern hauptsächlich von zweien, nämlich von Petrus und Paulus. Der Verfasser der Apostelgeschichte ist kein anderer als der Verfasser des dritten Evangeliums, der Arzt Lukas. Er hat also zwei Bücher geschrieben, ein Evangelium und die Apostelgeschichte. Daß der Arzt Lukas der Verfasser der Apostelgeschichte ist, ergibt sich vor allem aus den „Wir-Stücken“ in der Apostelgeschichte; denn zunächst einmal schildert der Autor der Apostelgeschichte die verschiedenen Geschehnisse in der Urgemeinde um Petrus und um Paulus, aber an manchen Stellen, in manchen Kapiteln schreibt er nicht mehr: Paulus tat dies und jenes, sondern „Wir“. Wir fuhren an diesen Ort, wir erlebten dieses... Er ist also einer gewesen, der dabei gewesen ist. Er hat teilgenommen an diesen Erlebnissen. Und wenn man nun in diesen Wir-Stücken alle Apostel ausscheidet, die nicht in Frage kommen, dann bleibt nur einer übrig als der Verfasser dieser Wir-Stücke, nämlich Lukas. Er ist aber auch der Verfasser des gesamten Geschichtswerkes. Er hat ihm seinen Stempel aufgeprägt. Das merkt man daran, daß die Apostelgeschichte in einem guten Griechisch geschrieben ist. So gut ist das Griechisch wie im dritten Evangelium, und Lukas war in der griechischen Sprache aufgewachsen. Er war ein Hellenist, wie man sagt, und konnte deswegen seine Sprachkenntnisse seinen beiden Werken weitergeben.

Freilich hat Lukas aus Quellen geschöpft. Er hat sich erkundigt. Er hat die Augenzeugen des Lebens Jesu und der Apostel befragt. Er konnte dies, denn er hat zwei Jahre in Palästina gelebt. Er ist abgestiegen in Cäsarea bei dem Leviten Philippus, einem der sieben. Er hat andere Apostel und andere Jünger des Herrn getroffen in Antiochien. Er ist in Rom dem Markus begegnet, dem Begleiter des Paulus. Er schöpft also aus vorzüglichen Quellen; und daß er Quellen besitzt und benutzt, das sieht man daran, daß durch den griechischen Text immer noch die aramäische Ursprache durchschimmert. Was in Jerusalem geschah, mußte sich notgedrungen in aramäischer Sprache abspielen, denn die ersten Jünger sprachen eben aramäisch, und dieser aramäische Sprachduktus ist heute noch im ersten Teil der Apostelgeschichte, der von der Urgemeinde handelt, zu erkennen. Außerdem deuten auch gewisse alte Ausdrücke, welche die Kirche später hat fallen lassen, darauf hin, daß er vorzügliche Quellen benutzte. So taucht z. B. in den Petrusreden mehrfach als Bezeichnung für Jesus das Wort „Knecht“ auf. Jesus wird als der Knecht bezeichnet. Damit ist gemeint: Er ist der Gottesknecht, er ist der heilige Gottesknecht. Aber weil dieses Wort „Knecht“ zu Mißverständnissen Anlaß gab, hat die Kirche es später fallen lassen. Wir bezeichnen Jesus heute nicht mehr als Knecht, sondern vorzüglich als unseren Herrn und Heiland.

Die Urgemeinde hat nun Jesus als den Christus, d.h. als den Messias bekannt. Das griechische Wort Christus bedeutet ja Messias. Sie hat dieses Bekenntnis gestützt auf das, was die Augenzeugen mit Jesus erlebt hatten. Sie waren dabei, als er in Palästina wandelte, in Galiläa und in Judäa, in Jerusalem und am See Tiberias. Sie haben seine Machttaten erlebt und seine Predigten gehört. Sie haben auch mitbekommen, wie er von dem eigenen Volk dem Tode überliefert wurde, wie Pilatus ihn hinrichten ließ, wie er aber am dritten Tage auferstand und seinen Jüngern, den vorbestimmten Zeugen, erschien. Diese Erlebnisse haben die ersten Jünger, haben die Urgemeinde davon überzeugt, daß sich in Jesus die Verheißungen Gottes über den Messias erfüllt haben. Nach vorbestimmtem Ratschluß und Vorherwissen ist alles im Leben Jesu so geschehen, wie es geschehen ist. Gott hat seinen Knecht gesandt, damit er sein Volk von seinen Sünden befreie. Jetzt thront er in der Herrlichkeit Gottes, um einst wiederzukommen und Lebende und Tote zu richten.

Für die Urgemeinde ist Jesus der Christus, d.h. der Messias. Diesem Zweck dient die ganze Verkündigung, dient auch die ganze Apostelgeschichte. Sie will nachweisen, daß Jesus der verheißene Messias ist. Um die Erfüllung der göttlichen Verheißungen zu stützen, verweist die Apostelgeschichte auch darauf, daß Jesus der verheißene Prophet ist. Im Alten Bunde wird ja der Messias auch als ein einzigartiger Prophet geschildert, und eben diese prophetische Tätigkeit ist von Jesus ausgeübt worden. Er ist der verheißene Prophet.

Jesus ist auch der Herr. Schon die Urgemeinde hat ihn als den Herrn bezeichnet. Wir haben vor einigen Wochen gesehen, daß das Wort „Herr“, wenn es auf Christus angewendet wird, nicht von der hellenistischen Mysterienreligion übernommen ist, sondern daß die Urgemeinde Jesus als den Herrn bezeichnet hat. In den Petrusreden wird Jesus bereits als der Herr bekannt. Mit dem Wort „Herr“ drückt die Gemeinde aus, daß Jesus in eine Herrscherstellung eingerückt ist, ja daß er mit göttlicher Würde umkleidet und der Kultgegenstand ist. Man betet zu ihm, man betet ihn an; denn er ist der gottgesandte Herr und Heiland.

In der Apostelgeschichte ist oft die Rede von Zeugen, also Personen, die Zeugnis ablegen und für etwas Geschehenes einstehen. Dieser Ausdruck beinhaltet schon im Alten Testament zweierlei, einmal: Ein Zeuge kann nur der sein, der durch Augenzeugenschaft die Erfahrung bestimmter Ereignisse gemacht hat. Zweitens: Ein Zeuge kann nur sein, wer durch Einsatz seiner Persönlichkeit für die Wahrhaftigkeit seines Zeugnisses einsteht. Diese beiden Merkmale für Zeugenschaft werden im Neuen Testament und speziell in der Apostelgeschichte noch erweitert. In der Apostelgeschichte sind es vier Momente, die einen Zeugen kennzeichnen.

1. Der Zeuge muß aus eigener Erfahrung sprechen. Er muß Augenzeuge sein, also nicht Zeuge vom Hörensagen. Nein, er muß die Ereignisse, für die er Zeugnis ablegt, selbst erlebt haben. Nur dann kann er als Zeuge auftreten.

2. Er muß durch die Ereignisse und Geschehnisse, an denen er beobachtend beteiligt war, zum Glauben gekommen sein. Ein Zeuge kann nur der werden, den diese Ereignisse zu der Überzeugung geführt haben, daß Gott hier am Werke ist. Er muß also eine Überzeugung von der Wahrheit und Wirklichkeit der Geschehnisse gewonnen haben.

3. Er ist aber auch durch das, was er erlebt hat, in Pflicht genommen. Es ist ihm nicht überlassen, ob er jetzt davon kündet oder nicht. Die Apostel sagen: „Wir können nicht schweigen von dem, was wir gesehen und gehört haben.“ Das heißt, sie müssen reden. Ein Zeuge wird man nur dann, wenn man aus dem Schweigen heraustritt und von dem kündet, was man erlebt und erfahren hat.

4. Ein Zeuge wird man nicht durch besondere Qualitäten, durch besonderes Wissen, durch besonderen Einsatz. Ein Zeuge wird man durch göttliche Berufung und Antrieb des Heiligen Geistes. Nur wen Gott erwählt hat zum Zeugen, der darf vollmächtiges Zeugnis ablegen. Nur wer vom Geiste bestellt ist, Zeugnis abzulegen, nur der ist ein glaubwürdiger Zeuge. Und eben dieses Zeugnis liegt in der Apostelgeschichte vor. Hier sind Augenzeugen am Werke, die Lukas ihre Kenntnisse vermittelt haben, und was er von den Augenzeugen erfahren hat, das schreibt Lukas in der Apostelgeschichte nieder.

Das entscheidende Bekenntnis dieses Werkes ist: Jesus ist der gottgesandte Messias. Jesus ist der Christus. Jesus ist der Herr. Und das alles nicht etwa in langem Abstand von den Geschehnissen, sondern in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts. Am Übermorgen der Kreuzigung wird dieses Bekenntnis abgelegt. Dieses Bekenntnis ist unerschütterlich und wehrt sich und erhebt Einspruch gegen jedes evolutionäre Geschehen, gegen jede evolutionäre Darstellung der urchristlichen Geschichte. Nicht die Urgemeinde hat die Gestalt des Messias gebildet. sondern Jesus, dem Messias, verdankt die Urgemeinde ihre Existenz. Nicht die Urgemeinde hat nachträglich Jesus verherrlicht, sondern der verherrlichte Jesus Christus ist von ihr unter Einsatz aller Kraft bezeugt worden – für uns, die wir auf ihr Zeugnis angewiesen sind.

Amen.

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