Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die geoffenbarte Wahrheit (Teil 5)

13. Juli 1997

Über theologische Falschaussagen zum Glauben

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Zu jedem Hochfest versucht der „Spiegel“, den Gläubigen den Glauben aus dem Herzen zu reißen. Er stützt sich dabei auf ungläubige Philosophen und Theologen. Weil die Aufstellungen des Unglaubens massenhaft verbreitet werden, weil besonders die Medien ihnen Raum geben, deswegen haben wir uns vorgenommen, die christliche Religion als die einzig wahre, als die absolute, weil von Gott gestiftete, zu erweisen. Wir müssen uns dabei notgedrungen mit den Angriffen beschäftigen, die gegen diese Religion vom Unglauben vorgetragen werden.

Am vergangenen Sonntag hatten wir uns mit den Philosophen beschäftigt, welche durch bestimmte philosophische Überlegungen meinen, den Glauben aus den Angeln heben zu können. Am heutigen Sonntag müssen wir uns jene Theologen vor Augen führen, die versuchen, die historische Grundlage des Christentums zu zerstören. Es sind Theologen, die behaupten, man müsse unterscheiden zwischen dem Jesus der Geschichte und dem Christus des Glaubens. In den Evangelien liege eine Übermalung des Jesusbildes, wie es in der Wirklichkeit zu zeichnen sei, vor. Man müsse durch historische Kritik durch die Übermalung durchstoßen zu der historischen Gestalt des Jesus von Nazareth.

Den Anfang in dieser Bestreitung der historischen Zuverlässigkeit der Evangelien machte der Professor für orientalische Sprachen in Hamburg, Hermann Samuel Reimarus. Er stellte sich die Geschichte Jesu folgendermaßen vor: Jesus habe die Buße und das Gottesreich verkündet. Er habe aber mit seiner Predigt keinen Erfolg gehabt, sei vielmehr kläglich am Kreuze gescheitert. Seine Jünger wollten nicht zu ihrer anstrengenden Berufsarbeit zurückkehren; so gaben sie dem Tode Jesu eine geistliche Bedeutung, stahlen den Leichnam aus dem Grabe und behaupteten, er sei auferstanden. So sei das Christentum entstanden. Diese erbärmliche Theorie ist heute aufgegeben, aber sie ist immerhin der Anfang von dem, was andere Theologen aus dem Heiland Jesus Christus gemacht haben.

Auf Reimarus folgte David Friedrich Strauß, ein evangelischer Theologe in Tübingen. Strauß hat in zwei Bänden das Evangelium von Jesus Christus als einen Mythos entlarven wollen. Er sagt: Die Gestalt Jesu, wie sie in den Evangelien vorliegt, ist das Produkt einer Dichtung. Diese Dichtung nährt sich von alttestamentlichen Wundervorstellungen und von hellenistischen Einflüssen. Man hat den Jesus, den schlichten Mann von Nazareth, idealisiert und erhöht. Man muß alles das, was als übernatürlich und wunderbar im Leben Jesu ausgegeben wird, wegstreichen, dann kommt man zu der wirklichen Gestalt Jesu. David Friedrich Strauß hat einen ungeheuren Erfolg gehabt. Seine Bücher sind in Hunderttausenden von Exemplaren in Deutschland verbreitet worden.

Etwa gleichzeitig mit ihm lehrte in Tübingen Ferdinand Christian Baur. Er erklärte die Entstehung des Christentums wieder anders. Er sagte: Im Urchristentum gab es zwei Parteien; die eine Partei war die des Petrus, die andere die des Paulus. Die Petrus-Partei war dem jüdischen Partikularismus verpflichtet und sah in Jesus den Messias. Die Paulus-Partei war dem heidenchristlichen Universalismus verbunden und erhöhte Jesus zum Kyrios, zum Herrn. Der These des Judaismus und der Antithese des Hellenismus entspricht die katholische Synthese. Diese Synthese, diese Vereinigung der gegensätzlichen Standpunkte liege vor im Markusevangelium und im Johannesevangelium. Die Paulus-Partei habe ihr Werk im Lukasevangelium vorgelegt, die Petrus-Partei im Matthäusevangelium. Die Entstehung des Christentums ist also durch Zwistigkeiten zwischen zwei Parteien zu erklären, und die historische Gestalt Jesu ist dadurch bis zur Unkenntlichkeit übermalt worden.

Noch weiter als Ferdinand Christian Baur ging Bruno Bauer. Er bestritt zunächst den Geschichtswert des Johannesevangeliums, dann auch der drei anderen Evangelien. Schließlich kam er dazu, die Gestalt Jesu überhaupt zu leugnen. Nicht Jesus habe das Christentum geschaffen, sondern das Christentum habe Jesus geschaffen. Jesus sei die Personifikation von religiösen Ideen; er habe nie gelebt, sondern die religiösen Vorstellungen hätten eine Gestalt, eine künstliche Gestalt erzeugt, die man im Jesus des Neuen Testaments vor sich liegen habe.

Ein wenig später erschien auf der Bildfläche der Irrtümer die liberale Schule. Das ist eine große Anzahl von protestantischen Gelehrten, die in Jesus ein religiöses Genie sahen. Er war eine große, ja eine einmalige Erscheinung, alles Edle und Vornehme muß man ihm zuschreiben. Er war das Ideal des Menschen, aber er war eben nur ein Mensch. Alles Wunderbare und Übernatürliche muß von ihm entfernt werden. Jesus von Nazareth ist der ideale Mensch, aber nicht mehr.

Wiederum ein wenig später trat die eschatologische Schule auf den Plan. Sie versuchte das Christentum zu erklären aus den endzeitlichen Erwartungen. Jesus habe ein hereinbrechendes Heilsreich erwartet, aber es sei zu seiner Lebzeit nicht gekommen. So habe er seinen Tod als Sühnetod betrachtet, um auf diese Weise nach dem Tode als Messias erhöht zu werden und in der Parusie seine Wiederkunft zu erleben. Aber auch diese Erwartung sei enttäuscht worden. So haben sich die Jünger darangemacht, das ganze Christusgeschehen von der ausgebliebenen Parusieerwartung umzudeuten. Was uns also heute vorliegt, das ist ein Produkt von enttäuschten Messias- und Parusieerwartungen.

Bald danach bildete sich die religionsgeschichtliche Schule. Sie sagt: Jesus ist im Neuen Testament bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden durch religionsgeschichtliche Einflüsse der Umgebung. Die Umwelt hat das Bild des Jesus von Nazareth, wie es uns im Evangelium vorliegt, geschaffen. Es werden also erwähnt alttestamentliche Messiashoffnungen, hellenistische Einflüsse aus dem Mandäismus, aus dem Gnostizismus; es habe eine Rolle gespielt die orientalische Gottkönigsidee. Weiter sei zu denken an die Soter-Erwartungen bei den Griechen sowie an die Mythen von sterbenden und auferstehenden Göttern. In jedem Falle: Das Bild Jesu, das uns vorliegt in den Evangelien, ist ganz und gar ungeschichtlich, ist restlos übermalt durch religionsgeschichtliche Elemente.

Die Reihe der Irrtümer, die im 19. Jahrhundert vorgetragen wurden, ist damit nicht abgeschlossen. Aber ich will nur einen noch erwähnen, nämlich daß Jesus das Produkt von sozialen Bewegungen war. Die Proletarier der damaligen Zeit, sagen manche, hätten sich in Jesus eine ideale Gestalt geschaffen. Jesus sei ein Mensch wie jeder andere gewesen, aber man habe durch Verbindung der sozialrevolutionären Ideen mit den apokalyptischen Hoffnungen des Judentums Jesus zum Messias hochstilisiert; in ihm verdichten sich die Hoffnungen und Befreiungserwartungen der Proletarier.

Alle diese verschiedenen Irrtümer sind überboten worden durch einen Mann, der noch zu unserer Zeit gelebt hat, den ich in München selbst gehört habe, nach dem in Marburg eine Straße benannt ist, nämlich den evangelischen Theologen Rudolf Bultmann. Dieser Bultmann trat im Jahre 1941, also auf dem Höhepunkt des Kampfes gegen Christentum und Kirche, in Alpirsbach (in Württemberg) mit einem Vortrag auf, in dem er das gesamte geschichtliche Leben Jesu und des Urchristentums zerriß. Ich zitiere aus diesem Vortrag einige Sätze. „Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat nutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testamentes glauben. Erledigt ist der Geister- und Dämonenglaube. Die Wunder des Neuen Testamentes sind als Wunder erledigt. Jesus ist nicht der präexistente Gottessohn, die Jungfrauengeburt ist eine Legende; Legenden sind die Erzählungen vom leeren Grab und von der Himmelfahrt. Daß der präexistente, sündlose, menschgewordene Gottessohn das Opfer ist, dessen Blut unsere Sünden sühnt, und der stellvertretend die Sünden der Welt trägt, indem er die Strafe der Sünde, den Tod, übernimmt und uns vom Tod befreit, ist für uns nicht nachvollziehbar...“ Dieser Mann hat eine ungeheure Bewegung ausgelöst. Er hat eine gewaltige Gefolgschaft gefunden. Für ihn bleibt vom Leben Jesu nichts anderes übrig, als daß er gelebt hat und gekreuzigt worden ist. Alles andere ist unerkennbar oder erfunden. Nichts Übernatürliches bleibt an Jesus. Die Verkündigung des Neuen Testamentes hat den einzigen Zweck, uns aus der Verfallenheit an die Welt herauszurufen. Auf den historischen Jesus kommt es überhaupt nicht an. Die Texte des Neuen Testaments sind letztlich Chiffren für den gänzlich unbegründeten Glauben, daß Gott durch Christus entscheidend an der Welt gehandelt hat.

Und dieser Mann hat jahrzehntelang in Marburg evangelische Theologie gelehrt, viele Schüler gefunden und ist in dem Bereich des Protestantismus als ein hochgefeierter Lehrer evangelischer Theologie bis heute anerkannt.

Meine lieben Freunde! Wenn man diesen Ausschnitt von Irrtümern über Jesus und das Christentum bedenkt, den ich Ihnen eben vorgeführt habe, dann kann man zunächst einmal drei Dinge feststellen, nämlich

1. Diese Irrlehrer sind sich einig, daß die Gestalt des historischen Jesus im Neuen Testament durch dogmatische Prämissen und ideologische Postulate verzeichnet und übermalt ist. Verschieden ist nur der Anteil, den man jeweils der historischen Gestalt und der Übermalung zubilligt. Da kann man zu zahllosen Kombinationen kommen, je nachdem, ob man mehr für die Geschichte oder mehr für die Erfindung in Anspruch nimmt.

2. Die Faktoren, die man dafür verantwortlich macht, daß es so gekommen ist, sind sehr verschieden bei den einzelnen Theologen. Die einen sagen, das sei die Urgemeinde gewesen, die anderen Paulus, wieder andere die Jünger. Die Faktoren sind also außerordentlich unterschiedlich. Für manche sind es die beiden Parteien gewesen, die Petrus-Partei und die Paulus-Partei, die im Kampfe miteinander ein je verschiedenes Bild von Jesus geschaffen haben. So muß man unterscheiden zwischen dem Jesus der Geschichte und dem Christus des Glaubens.

3. Das Bild, das die einzelnen von Jesus bekommen, ist darum außerordentlich verschieden. Für die einen ist er ein politischer Revolutionär, für die anderen ein sozialer Reformer, für die Liberalen ist er ein religiöses Genie und wieder für andere ist er eschatologisch sich verstehender Messias. Es gibt auch Forscher, sogenannte Gelehrte, die Jesus als einen Psychopathen bezeichnen.

Wir können heute und an dieser Stelle den katholischen Gegenentwurf nicht formulieren. Das muß einer späteren Predigt vorbehalten bleiben. Nur soviel sei heute gesagt: Ich persönlich bekenne, daß ich alle diese Ansichten und Theorien schon als Student gelesen habe. Ich habe diese Aufstellungen ab dem Alter von 20 Jahren kennengelernt und mir ein Urteil über sie gebildet. Im Glauben erschüttert hat mich keine einzige. Warum nicht? Weil diese Theorien sich gegenseitig aufheben. Was die einen als angebliche Erkenntnis verkünden, das lehnen die anderen als Irrtum ab. Diese sogenannten Gelehrten widerlegen sich gegenseitig. Und das stellt die Frage, ob das eine Wissenschaft sein kann, die zu so sich widersprechenden „Ergebnissen“ kommt. Wissenschaft soll doch der Wahrheit dienen, und Wahrheit muß doch allgemein anerkannt sein. Was wahr ist, gilt doch immer und überall und für jeden. Was diese sogenannten Forscher produzieren, sind Meinungen, Meinungen, die sich gegenseitig widerlegen und aufheben. Das alles ist schon ein Grund – ich meine ein gewichtiger Grund –, um uns von diesen Thesen und Hypothesen nicht irremachen zu lassen. Außerdem muß man bedenken, daß sie alle auf weltanschaulichen Vorurteilen beruhen. Was ich am vergangenen Sonntag ausführte über die philosophischen Angriffe gegen das Christentum, das ist von diesen sogenannten Exegeten aufgenommen worden. Sie gehen vom geschlossenen, kausal geschlossenen, innerweltlich geschlossenen Weltbild aus. Für sie ist es ausgeschlossen, daß Gott in die Geschichte eingreifen kann. Sie sind der Meinung, daß alles, was nicht jeden Tag passiert, auch früher nicht geschehen sein kann, und verstoßen damit gegen ein eminentes Gesetz der Geschichtswissenschaft. Denn die Geschichte muß eben offen sein für Unerhörtes, für nie Dagewesenes. Deswegen sind ja die Evangelien geschrieben worden, weil hier etwas geschehen ist, was sich vorher nie zugetragen hat.

Darum, meine lieben Freunde, wollen wir uns nicht erschüttern lassen in unserem Glauben; in unserem Glauben an den menschgewordenen Sohn Jesus Christus, der gelebt hat und gestorben ist, der aber auch in seinem wunderbaren Leben unerhörte Machttaten gewirkt hat, der seine Verkündigung beglaubigt hat, indem er aus eigener Kraft aus dem Grabe entstieg und verwandelt und verklärt in die Herrlichkeit des Vaters eingegangen ist, von dannen er kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten, auch diejenigen, die ihn verleugnet und verunstaltet haben.

Amen.

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