Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Katholische Kirche und Protestantismus (Teil 1)

17. April 1994

Das falsche Verständnis vom Lehramt der Kirche

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Seitdem im 16. Jahrhundert große Teile Europas von der katholischen Kirche losgerissen wurden, hat es immer wieder Versuche gegeben, die Kluft zwischen Katholiken und Abgefallenen zu überbrücken. Im Laufe der Jahrhunderte haben viele Religionsgespräche stattgefunden, in denen man versuchte, einen Ausgleich zwischen den divergierenden Auffassungen über das Christentum zu finden. Der Spalt ist natürlich eröffnet worden dadurch, daß Luther und seine Anhänger den katholischen Glauben oder besser Teile des katholischen Glaubens verwarfen. Sie meinten, im Besitze der Wahrheit zu sein, und setzten das Evangelium, wie sie es verstanden, gegen die Lehre der katholischen Kirche. Diese Attacken der Protestanten gegen die katholische Kirche finden sich in ihren Bekenntnisschriften, vor allen Dingen in den Schmalkaldischen Artikeln und in der Konkordienformel. Dagegen hat sich die Kirche – sehr spät, muß man leider sagen – zur Wehr gesetzt auf dem Konzil von Trient und hat ihrerseits die falschen, dem Glauben widersprechenden Ansichten der sogenannten Reformatoren verurteilt. Seitdem gibt es Verwerfungen der katholischen Lehre durch den Protestantismus und Verurteilungen der protestantischen Irrtümer durch die katholische Kirche.

Der Spalt, der damals eröffnet wurde, ist in den seither vergangenen 450 Jahren noch viel tiefer geworden. Es sind weitere Gegenstände hinzugekommen, in denen sich Protestanten von Katholiken unterscheiden. Vor allem gibt es einen breiten Strang der protestantischen Theologie, der bisher für gemeinsam gehaltene grundwesentliche christliche Wahrheiten leugnet.

Ich habe Ihnen am vergangenen Sonntag das Buch von Gerd Lüdemann erwähnt, einem protestantischen Theologen aus Göttingen, der die Faktizität, die Geschichtlichkeit der Auferstehung rundweg leugnet. Jetzt finden sich, nachdem der „Spiegel“ dieses Buch vorgestellt hatte, hämische Leserbriefe in diesem Magazin, die sagen: Jetzt sieht man endlich, daß das Christentum ein aufgelegter Schwindel ist. Daß es zu solchen Meinungen kommen konnte, ist das Werk protestantischer Theologen! Aber das hindert auf katholischer Seite Theologen und Bischöfe, ja selbst den Heiligen Vater nicht, Gespräche, immer neue Gespräche mit eben diesen Protestanten in Gang zu setzen. Als der Papst 1980 in Deutschland war, verabredete er mit dem Vorsitzenden der Evangelischen Kirche die Einsetzung einer Kommission, welche die gegenseitigen Lehrverurteilungen aufarbeiten sollte. Die Kommission bildete sich, es wurden katholische und protestantische Theologen hineingerufen, und sie haben das Ergebnis ihrer Gespräche im Jahre 1987 in einem Buche mit dem Titel „Lehrverurteilungen – kirchentrennend?“ niedergelegt. Dieses Buch macht die Runde in den theologischen Fakultäten, in den Veranstaltungen der Erwachsenenbildung, und wird popularisiert von Religionslehrern in den Religionsunterricht, von den Predigern auf den Ambo getragen.

Es ist deswegen Zeit, sich mit diesem Buch „Lehrverurteilungen – kirchentrennend?“ zu beschäftigen. Ich will fünf Gegenstände aus diesem Buch herausgreifen und sie Ihnen vor Augen führen:

1. den Begriff der Kirche,

2. die Theologie,

3. das Konzil von Trient,

4. das Verhältnis von Schrift und Tradition,

5. die Begriffe Lehramt und Sendung.

An erster Stelle erwartet man bei einem solchen Buche, daß gesagt wird, was man unter Kirche versteht. Denn man muß ja über diesen Begriff reden, man muß also auch wissen, was damit gemeint ist. Aber in dem ganzen Buche wird nirgends gesagt, was Kirche ist. Es wird einfach von Kirche geredet, als ob das ein selbstverständlicher Begriff sei. In Wirklichkeit wissen wir doch: Es gibt eine von Christus gestiftete Kirche und viele Abspaltungen von dieser Kirche. Man kann doch nicht im selben Sinne von der von Christus gestifteten Einrichtung und von ihr getrennten Gruppen reden. Aber eben das geschieht in diesem Buche. Kirche gibt es nur in der Einzahl, denn Christus hat eine einzige Kirche gegründet. So wie der inkarnierte Logos einer war, so ist auch seine Braut, die Kirche, eine. Die Redeweise von Schwesterkirchen ist nicht dogmatisch genau. Man kann nicht von Schwesterkirchen sprechen, wenn es nur eine Kirche gibt. Wie ein Einzelkind keine Geschwister hat, so hat die eine Kirche Christi keine Schwestern. Und die eine Kirche subsistiert, d.h. besteht, wie das II. Vatikanische Konzil sagt, in der katholischen Kirche, d.h. diese eine Kirche hat ihre konkrete Existenzform in der katholischen Kirche. Dogmatisch – also aus dem Glauben – gesprochen kann man nur von der katholischen Kirche sagen, sie sei die Kirche Christi. Alles andere sind Abspaltungen, Abtrennungen, Absonderungen, die man mit einem soziologischen Begriff meinetwegen Kirche nennen kann, aber nicht mit einem dogmatischen Begriff.

Ich sehe in dieser mangelnden Unterscheidung einen Grundfehler der Studie „Lehrverurteilungen – kirchentrennend?“. Wenn man die Unterscheidung, wie ich sie eben vorgeführt habe, nicht trifft, trägt man nämlich die eine Kirche Christi und die davon abgespaltenen Gemeinschaften auf eine Ebene auf, und das ist ein schweres Sich-Verfehlen gegen den Heiligen Geist, der diese Kirche Christi lebendig erhält und bewegt und trägt, was man von den Abspaltungen derselben nicht sagen kann.

An zweiter Stelle will ich einige Bemerkungen zu den Äußerungen über die Theologie machen, die in diesem Buche vorfindlich sind. Da ist oft die Rede von der Forschung und daß die Forschung sich weitgehend einig sei, daß also protestantische und katholische Theologen sich in ihren Ansichten getroffen hätten. Diese Redeweise ist irreführend. Die Autoren des Buches „Lehrverurteilungen – kirchentrennend?“ stellen auf einen schmalen Sektor katholischer und protestantischer Theologen ab, nämlich auf diejenigen, die ihrer Meinung sind. Sie lassen die anderen völlig beiseite, die anderer Meinung sind, die ihre angebliche Übereinstimmungsproklamation nicht teilen. Sie sagen, die katholischen Theologen, vor allen Dingen die Schrifterklärer, haben heute weitgehende oder auch gänzliche Gemeinsamkeit mit den protestantischen Schrifterklärern erreicht. Das stimmt, wenn man jene katholischen Theologen ins Auge faßt, die inzwischen ins protestantische Lager abgesprungen sind. Aber es trifft nicht zu, wenn man jene katholischen Theologen in den Blick nimmt, die auf katholischen Grundsätzen beharren.

Dasselbe gilt für die Kirchengeschichte. Da wird gesagt, man habe jetzt weitgehend dasselbe Bild von der sogenannten Reformation. Ja, natürlich! Wenn katholische Theologen auf die Linie einschwenken, die protestantische Theologen von jeher eingenommen haben, dann ist man sich selbstverständlich einig! Aber es gibt auch heute katholische Kirchenhistoriker, welche das namenlose Unglück, das in dem Auftreten Luthers beschlossen liegt, beim Namen nennen. Es fehlt auch heute nicht an mit den rechten Maßstäben an die Geschichte herangehenden katholischen Theologen, und deswegen kann von Übereinstimmung in dieser Hinsicht keine Rede sein. Das Bild Luthers wird in dieser Studie konsequent verzeichnet. Daß er vom katholischen Glauben abgefallen ist, daß er die Christenheit gespalten hat, daß er Kriege und Auseinandersetzungen ohne Zahl und ohne Maß jedenfalls in der Wurzel verursacht hat, das wird in diesem Buche an keiner Stelle deutlich. Und deswegen kann man auch nicht, wie es in diesem Buche geschieht, sagen, der Leib Christi sei durch Spaltungen zerrissen. Der Leib Christi ist nicht zerrissen, denn der Leib Christi ist ja die katholische Kirche, und in ihr ist die Einheit unverlierbar gegeben. Was zerrissen ist, das ist die Christenheit!

Die Autoren dieses Buches haben einen falschen Begriff vom Leib Christi. Sogar das II. Vatikanische Konzil sagt eindeutig: Der Leib Christi ist die katholische Kirche. Man sieht sich zu der Feststellung gezwungen: Die Berufung auf die Theologie in diesem Buche ist einseitig. Man stellt von vorneherein auf die Autoren ab, mit denen man sich einig ist; die Gelehrten, die dieser Ansicht widersprechen, werden beiseite gelassen.

Natürlich muß an dritter Stelle das Konzil von Trient untersucht werden, denn von ihm gehen ja die meisten Verurteilungen des Protestantismus aus. In Trient ist die protestantische Irrlehre eindeutig zurückgewiesen worden. Also muß das Konzil von Trient entschärft, ja unter Überprüfungsdruck gestellt werden. Es werden daher eine ganze Reihe von Einwendungen gegen das Konzil von Trient erhoben. Man sagt, das Konzil habe Listen von Irrtümern aus zweiter und dritter Hand aufgestellt. Ja, meine lieben Freunde, natürlich konnte man nicht die weitschweifigen, von Widersprüchen und Invektiven wimmelnden Schriften Luthers zum Gegenstand der Verurteilung machen, denn bei dem vielen Falschen, was sie enthalten, ist ja auch einiges Richtige darin. Und wenn man das Ganze verurteilt hätte, hätte man das Richtige mit dem Falschen verurteilt. Also mußte man die Irrtümer auf klare, präzise Sätze bringen, die dann verurteilt wurden. Anders konnte man eine Absetzung der Wahrheit vom Irrtum nicht erreichen.

Dann wirft man dem Konzil vor, daß es nur die Schriften des jungen Luther im Auge gehabt habe. Aber gerade der junge Luther hat doch das, was wir Reformation nennen, hervorgerufen. Der alte Luther hat es ausgebaut, aber hervorgerufen hat es Luther mit seinen Schriften der Jugendzeit, also mit der Schrift meinetwegen „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ oder „An den christlichen Adel der deutschen Nation“. Und diese Schriften lagen dem Konzil vor, sie sind in lateinischer Sprache geschrieben, und deswegen konnten auch die Spanier und die Italiener und die Franzosen sie lesen und verstehen. Außerdem hat sich Luther in seinem Leben so oft widersprochen, daß das Konzil hätte in Permanenz tagen müssen, wenn es jede Eskapade dieses Herrn hätte beantworten wollen.

Man sagt weiter, die Verurteilungen des Konzils von Trient träfen die heutigen Protestanten nicht. Ich frage: Wie soll das möglich sein? Wenn die Protestanten Protestanten bleiben, dann müssen sie doch auch bei der Religion bleiben, die sie von Luther übernommen haben. Wie sollen dann die Verurteilungen sie nicht mehr treffen? Und wenn sie sie nicht mehr träfen, dann müßten wir sagen: Dann könnten sie ja das Konzil von Trient annehmen. Nichts leichter als das. Wenn sie davon nicht betroffen sind, können sie ja sagen zum Konzil von Trient. Aber das tut natürlich niemand von ihnen.

Außerdem wird als letzter Einwand gebracht, das Konzil von Trient habe Extrempositionen getroffen, also Ansichten, die außerordentlich radikal seien. Aber deswegen, weil es Extrempositionen sind, hören sie nicht auf, protestantische Positionen zu sein, darum hat das Konzil von Trient solche Positionen mit Recht verurteilt. Und wie viele sie annehmen, das ist eine Frage der inneren Verhältnisse innerhalb des Protestantismus. Da ist alles in Bewegung, wie wir sehen. Da kann heute angenommen werden, was morgen abgelehnt wird und umgekehrt. Deswegen schlagen diese Einwände gegen das Konzil von Trient in keiner Weise durch. Seine Verurteilungen sind gültig heute wie gestern. Und wer sich davon nicht getroffen weiß, dem steht es frei, sich dem Konzil von Trient und damit der katholischen Kirche anzuschließen.

Der vierte Punkt ist das Verhältnis von Schrift und Tradition. Die katholische Kirche kennt bekanntlich zwei Glaubensquellen, Schrift und Tradition. Von ihnen wird auf dem Konzil von Trient gesagt, daß sie pari pietatis affectu et reverentia anzunehmen sind – mit der gleichen frommen Ergebenheit und Ehrfurcht. Was machen die Autoren des Buches „Lehrverurteilungen – kirchentrennend?“ aus diesem Gleichberechtigtsein von Schrift und Tradition? Sie sagen: Die Tradition dient nur der Auslegung der Schrift. Sie leugnen also die Eigenständigkeit der Tradition, und sie leugnen ihren inhaltlichen Beitrag über die Schrift hinaus. Damit vergehen sie sich in schwerwiegender Weise gegen die katholische Erkenntnislehre. Schrift und Tradition stehen gleichberechtigt nebeneinander, und die Tradition ergänzt die Schrift inhaltlich.

Es ist dann die Rede von den verschiedenen Traditionen in der katholischen Kirche und im Protestantismus. Von den verschiedenen Traditionen, als ob das, was zwischen Katholiken und Protestanten steht, nur eben verschiedene Überlieferungen seien. Aber die Tradition in der katholischen Kirche ist konstitutiv, d.h. sie ist göttlichen Rechtes. Sie ist nicht bloß ein Überkommensein, ein Weitergeben von dem, was Menschen sich haben einfallen lassen, sondern sie ist eine Glaubensquelle, die genau so hochzuhalten und heiligzuhalten ist wie die Schrift, während die Tradition im Protestantismus Menschenwerk ist. Es gibt in der katholischen Kirche eine traditio divina, eine göttliche Tradition, die auf Gott selbst zurückgeht, weil in der Heiligen Schrift eben nicht alles geschrieben steht, was Christus gesagt und getan hat. Die Schrift ist nicht suffizient, nicht selbstgenügsam, sondern sie bedarf der Ergänzung durch die Tradition. Wie wollen Sie denn das Sakrament der Ehe aus der Schrift begründen? Das ist doch unmöglich, wenn die Tradition nicht zu Hilfe kommt. Wie wollen Sie das Sakrament der Weihe aus der Schrift begründen, wenn die Tradition der Begründung nicht zumindest mit ihrer Erklärung aufhilft?

Außerdem bestehen zwischen katholischer Heiliger Schrift und protestantischer Bibel Unterschiede. Das Verzeichnis – der Kanon – der Heiligen Schriften ist in der katholischen Kirche um sieben Bücher umfangreicher als im Protestantismus. Sieben Bücher, die in der katholischen Bibel zu finden sind, werden vom Protestantismus als nicht in den Kanon gehörig angesehen. Tobias, Baruch, Judith, Sapientia, Sirach, I und II Makkabäer – sieben biblische Bücher werden von protestantischer Seite aus dem Kanon verwiesen. Aber diese Bücher sind für die Dogmatik, für die Glaubenslehre, von hoher Bedeutung. Aus den Makkabäerbüchern beispielsweise zieht die Kirche einen Teil ihrer Begründung für das Fegfeuer. Dazu bestreitet der Protestantismus die Kanonizität des Jakobus-, des Hebräer- und des Judas-Briefes sowie der Apokalypse. Also auch im Neuen Testament besteht keine übereinstimmung zwischen der katholischen Heiligen Schrift und der protestantischen Bibel.

Die Bibel ist nicht so eindeutig, daß ihre Auslegung sich zwingend nahelegt. Was tut ein Protestant, wenn der eine so und der andere anders auslegt? Dann steht eben Auslegung gegen Auslegung. Da gibt es keine Einigung. Ein Buch kann sich nicht selber auslegen; ein Buch ist etwas Totes. Es braucht eine lebendige Instanz, welche zwischen den Auslegungen unterscheidet, die falschen verwirft und die richtige Auslegung anerkennt. Diese ist das Lehramt der katholischen Kirche. Das protestantische Bibelprinzip hebt sich schließlich selber auf, weil eben der Kanon der Heiligen Schriften nicht durch „Selbstdurchsetzung der Bibel“ – so lautet das protestantische Wort – entstanden sein kann. Es muß einmal ein Urteil gefällt worden sein: Diese Schrift gehört zum Kanon, zum Verzeichnis der Heiligen Schriften, jene gehört nicht dazu. Wenn aber eine solche Entscheidung von außen gefällt worden ist, dann ist das Prinzip „Allein durch die Schrift“ aufgehoben.

Der letzte Punkt, meine lieben Freunde, sind Lehramt und Sendung. Das Buch „Lehrverurteilungen – kirchentrennend?“ macht den fundamentalen Fehler, daß es katholisches Lehramt und protestantisches Predigtamt auf eine Ebene stellt. Das ist absolut inakzeptabel! Denn das katholische Lehramt ist mit Jurisdiktion, mit Hirtengewalt ausgestattet. Es lehrt verbindlich, und diesem Lehramt haben sich die Christen zu beugen. Das protestantische Predigtamt ist ohne jede Verbindlichkeit. Es ruft aus, und jeder kann den Anruf annehmen oder auch abweisen. Es gibt keine Jurisdiktion, die mit dem Predigtamte verbunden wäre. Der Protestantismus hat auch keine Sendung. Nur zu den Aposteln und ihren Nachfolgern hat der Herr gesagt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Und wer nicht in der apostolischen Nachfolge steht – und das ist in dem gesamten Protestantismus der Fall –, auf den ist diese Sendung nicht übergegangen, der kann sich nicht darauf berufen. Und deswegen spricht die Schrift „Lehrverurteilungen – kirchentrennend?“ wiederum Falsches aus, wenn sie sagt, katholische Kirche und Protestantismus hätten eine gemeinsame Sendung. Nein! Es gibt nur eine Ermächtigung zur Verkündigung der Wahrheit, und sie ist der katholischen Kirche zuteil geworden. Die anderen mögen guten Willens sein, was gar nicht bestritten wird, das Evangelium zu verkünden. Aber sie haben keine göttliche Ermächtigung. Hinter ihnen steht nicht die göttliche Sendung.

Das Buch „Lehrverurteilungen – kirchentrennend“ hat schon viel Unheil angerichtet und wird noch viel Unheil anrichten. Denn man zieht aus ihm die Folgerung: Ach, die Unterschiede zwischen de Konfessionen sind jetzt beseitigt, die eine ist so gut wie die andere, man kann jetzt ungestraft und ungestört vom katholischen Glauben zum protestantischen übergehen, eine protestantische Frau heiraten, die Kinder protestantisch erziehen. Das sind die Folgerungen, die die Masse der Menschen aus diesem Buch zieht.

Aber da erweckt der liebe Gott wieder Helfer, die uns in unserem Kampf um die Bewahrung des Glaubens zur Seite stehen. Man höre und staune: Diese Helfer sind protestantische Theologen. Unter den protestantischen Theologen sind viele aufgestanden, ganze Fakultäten, die sich gegen das Buch „Lehrverurteilungen kirchentrennend?“ erhoben haben. Sie sagen: Hier wird der protestantische Lehrbegriff nicht getroffen, und hier wird die katholische Lehre verfälscht. Sie wenden sich ganz entschieden gegen dieses Harmonisierungsbuch, das da entstanden ist, teilweise mit einer Schärfe, die nicht überboten werden kann. Ein evangelischer Theologe namens Jörg Bauer spricht von „Schlagwort-Harmonisierung“ und „Problemreduktion in der Art einer Tintenfisch-Ökumenik, die den Abgrund der Fragen mit blauem Dunst vernebelt“. Die Darstellung – das sind alles wörtliche Zitate – in diesem Buche sei „geistliches Gift und ein Unternehmen, das die Texte umdeutet und die Gewissen in die Irre leitet“. Und Bauer faßt dann sein Urteil zusammen: „Es besteht der Unterschied in der Wurzel. Hier und dort werden Gott und der Christ anders bestimmt.“ Deshalb müsse die katholische Lehre auch weiterhin als „nicht dem Evangelium gemäß“ zurückgewiesen werden.

Das ist sicher das schärfste, aber es ist nicht das einzige Urteil dieser Art. Viele andere sind ihm gleich oder ähnlich. Ich habe sie gesammelt, soweit sie mir zugänglich waren, und kann nur sagen: Ein breiter Strom evangelischer Theologen erhebt massiven und unwiderleglichen Einspruch gegen das Buch „Lehrverurteilungen – kirchentrennend?“, an dem unter anderem ein Theologe namens Karl Lehmann mitgearbeitet hat.

Wir wollen uns, meine lieben Freunde, an Liebe zu unseren evangelischen Christen nicht übertreffen lassen. Wir wollen ihnen die Liebe auch dann bezeigen, wenn sie nicht erwidert wird. Und wir wissen, daß massive Vorurteile gegen unsere Kirche und gegen uns Katholiken im protestantischen Bereich verbreitet sind. Aber wir wollen ihnen den höchsten Dienst der Liebe erweisen, indem wir ihnen die Wahrheit ungeschmälert und unverkürzt und unverändert bezeugen. Das ist der höchste Dienst der Liebe, den wir ihnen schulden, und für ihn werden wir einmal unserem Herrgott Rechenschaft legen müssen.  Amen.

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