Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Der Heilsplan Gottes (Teil 2)

1. Februar 1987

Die Unsterblichkeit der Seele

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir haben am vergangenen Sonntag über die Existenz der Seele gesprochen. Der Mensch besitzt eine geistige Seele, und gegen die Existenz dieser Seele kann man nicht Tatsachen ins Feld führen wie etwa die, daß es doch eben geisteskranke, daß es schwachsinnige, daß es idiotische Menschen gibt. Natürlich gibt es die. Wir kennen solche Fälle. Aber das ist kein Einwand gegen die Existenz der Seele. Die Seele ist eben, solange sie im Leibe als ihrem Werkzeug wohnt, auf den Leib angewiesen. Sie kann sich nur äußern, wenn der Leib gesund ist, und wo eben Gehirnschäden eintreten – etwa schon im Mutterleibe –, da ist die Seele nicht imstande, dieses Gefängnis des Leibes zu durchbrechen.

Ein Klavierspieler kann auf einem verstimmten Klavier auch nicht richtig spielen. Ähnlich ist es mit der Seele. Wenn der Leib  so schwer geschädigt ist, daß die Ausdrucksmöglichkeiten gehemmt sind, dann ist die Seele eben dazu bestimmt, in diesem Leibe zu wohnen, ohne daß sie sich dieses Werkzeugs, das  gestört oder zerstört ist, bedienen kann.

Von dieser Seele gibt aber  die Offenbarung Kunde, daß sie unsterblich ist. Die Seele hat als vornehmste Eigenschaft ihre Unsterblichkeit. Für diese Unsterblichkeit zeugen Offenbarung und Vernunft. Die Offenbarungsurkunde des Neuen Testamentes bezeugt an vielen Stellen das Fortleben nach dem Zerfall des Körpers. An erster Stelle sind hier die Worte des Heilandes zu nennen. Er, der im Schoße des Vaters geruht hat, er hat uns Kunde gebracht von dem Geschick des Menschen, auch von dem Geschick seiner Seele. Als er die Jünger zu furchtlosem Bekenntnis aufforderte, sagte er zu ihnen: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten können, nicht aber die Seele!“ Also die Verfolger sind nur imstande, das irdische Gefäß der Seele zu vernichten, aber sie sind nicht in der Lage, der Seele zu schaden. Von der Seele gilt vielmehr, wenn die Verfolger den Leib zerstört haben: Das Vöglein ist aus der Schlinge entwichen,  und es ist frei.

Auch an anderen Stellen spricht der Herr von der Unsterblichkeit der Seele, am ergreifendsten am Kreuze. Im Angesichte des Todes, da spricht man die Wahrheit, nicht wahr? Da sagte er zu dem reumütigen Schächer, der neben ihm hing: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!“ Der Leib zwar muß sterben, aber das Beste, das Geistige im Leibe, das wird leben, das wird mit ihm in der Seligkeit des Paradieses sein. Heute, d.h. also unmittelbar, sogleich nach dem Tode des Leibes wird er mit seinem Heiland vereint sein in der Freude des Himmels.

Ein weiteres Beispiel der Lehre des Herrn ist das Gleichnis vom reichen Prasser und vom armen Lazarus. Es schildert das irdische und  das jenseitige Schicksal der beiden Männer, das ja so ungleich ist. Dem reichen Prasser ging es auf Erden gut, aber als er starb, da wurde er zur Hölle getragen. Und dem armen Lazarus ging es in dieser Welt schlecht. Als er starb, da kam er in den Schoß Abrahams. Also ein ganz ungleiches Schicksal. Aber etwas ist gleich an diesen Männern: Sie beide werden nach dem Tode des Leibes nicht vernichtet, sie werden beide leben, der eine in ewiger Unseligkeit, der andere in immerwährender Freude. Das ist gemeint mit dem Schoße Abrahams.

Schließlich hat der Herr noch einmal auf diese Wahrheit Bezug genommen, wenn er sagt, daß Gott nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebendigen ist, und zwar mit Bezug auf die Erzväter Abraham, Isaak und Jakob. Wenn er aber in bezug auf diese Männer ein Gott der Lebendigen ist, dann heißt das eben, daß diese Männer leben.

Die Offenbarungsurkunde hat auch in den Apostelbriefen mannigfache Zeugnisse für das Fortleben der Seele nach dem Zerfall des Leibes aufbewahrt. Eines der ergreifendsten steht im Phi-lipperbrief. Der diesen Brief geschrieben hat, ist der Apostel Paulus. Er war im Gefängnis, und im Gefängnis, da richtet man seinen Blick nach oben in die Ewigkeit. „Ich wünsche,“ so schreibt er, „aufgelöst zu werden und bei Christus zu sein.“ Also das ist es, was Paulus erwartet, wenn er stirbt: Bei Christus wird er sein, nicht ins Nichts zurücksinken, sondern aufbewahrt werden in der Gemeinschaft mit Christus.

Es muß ja so sein, meine lieben Freunde: Wen Gott einmal angesprochen hat, wen Gott einmal geliebt hat, für wen Gott einmal seinen Sohn dahingegeben hat, den sollte er wieder in das Nichts zurückfallen lassen? Dann wäre ja dieser Aufwand gar nicht zu erklären. Weil Gott den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen hat, weil er ihn mit der natürlichen und übernatürlichen Gottebenbildlichkeit ausgestattet hat, deswegen wird er nicht aufhören, diesen Menschen im Dasein zu halten.

Für die Unsterblichkeit des Geistes sprechen auch die Erscheinungen. Wenn die Toten nicht in ihrer Welt leben würden, dann könnten sie  nicht erscheinen. Aber wir haben sichere Kunde von Erscheinungen, vor allem von Erscheinungen der Muttergottes. In der Heiligen Schrift wird auch von anderen Personen berichtet, daß sie erscheinen. Auf dem Berge Tabor, da erschienen Moses und Elias.

Wir wollen nicht leichtgläubig sein. Wir sollen Berichte von heutigen  Erscheinungen prüfen. Aber die Erscheinungen von vorneherein ablehnen, das ist mit katholischem Glauben nicht zu vereinbaren. Es gibt die Möglichkeit, daß jene, die im Jenseits sind, den Irdischen sichtbar werden. Die Theologen neigen zu der Meinung, daß das nur denen möglich ist, die im Himmel oder im Fegefeuer sind, dagegen nicht jenen, die im Gefängnis der Hölle sind. Von ihnen wird übereinstimmend durch die Gottesgelehrten festgestellt, daß sie nicht imstande sind, den Pilgern auf Erden zu erscheinen.

Die Offenbarung bezeugt die Unsterblichkeit der Seele. Aber auch die Vernunft spricht dafür, meine lieben Freunde. Das ganze Erscheinungsbild der Seele deutet darauf hin, daß sie einfach ist, also nicht zusammengesetzt. Nun vollzieht sich aber jeder Zerfall dadurch, daß ein Ganzes in seine Teile auseinanderbricht. Wenn also die Seele nicht aus Teilen zusammengesetzt ist, dann gibt es für sie auch keinen Zerfall. Gott aber vernichtet sie nicht. Also: Aus der Einfachheit der Seele müssen wir auf ihre ständige, immerwährende Dauer schließen. Der Mensch behält sein Selbstbewußtsein, sein Ichbewußtsein, seine Jugenderinnerungen, sein Gewissen, auch wenn der Leib sich wandelt. Wir wissen ja aus der Medizin, daß der Leib in sieben Jahren total verändert wird. In sieben Jahren werden alle Teile des Körpers, alle Zellen durch andere erneuert, ersetzt. Aber das hindert nicht, daß das Ich, das Ichbewußtsein, das Gewissen und die Erinnerung sich durchhalten. Es muß also etwas sein, was dem stofflichen Wechsel enthoben ist, was ihm nicht unterworfen ist. Das eben ist die Seele. Auch der Trieb des Menschen nach Glück, nach Glückseligkeit, nach dauerndem und vollkommenem Glück scheint für die Unsterblichkeit der Seele zu zeugen. Der Trieb ist allgemein, er ist in jedem Menschen. Er kann aber auf Erden nicht erfüllt werden. Infolgedessen wäre Gott wohl grausam, wenn er diesen Trieb zwar den Menschen anerschaffen hätte, es aber niemals eine Erfüllung für ihn gäbe. Da man aber Gott nicht als grausam ansehen kann, sondern da wir wissen, daß er gütig ist, so wird er diesem Trieb die Erfüllung im Jenseits vorbehalten haben.

Eine ähnliche Überlegung geht von dem Gerechtigkeitsstreben aus. In jedem Menschen ist ein Drang nach Gerechtigkeit, nach Leben in der Gerechtigkeit. Auf Erden hängt die Gerechtigkeit am Kreuze. Der Bösewicht hat nicht selten ein günstigeres Leben, viel mehr Vorteile als der Treue, als der Redliche, als der Tugendhafte. Sollte also nur diese Erde bestehen und es kein Jenseits geben, so könnte das Gerechtigkeitsstreben  niemals erfüllt werden. Das kann man aber nicht annehmen, weil es im Widerspruch wäre zum Wesen Gottes, der ja die Gerechtigkeit in Person ist. Also dürfen wir überzeugt sein, daß es einen Ausgleich, einen jenseitigen Ausgleich gibt.

Für die Unsterblichkeit spricht auch die Überlieferung der Völker. Die Opfer, die für die Verstorbenen dargebracht werden, die Bestattungsriten zeigen, daß die Völker in ihrem unverdorbenen Zustand an ein Fortleben nach dem Tode glauben. Die Ägypter lehrten eine dreitausendjährige Seelenwanderung; bei den Juden war es verboten, die Toten zu beschwören. Ja, wenn die Toten nichts mehr wären, dann könnte man sie ja nicht beschwören, um sie durch einen Zauberspruch ins gegenwärtige Leben zu rufen. Und wie könnte der Erzvater Jakob sagen, er möchte ins Totenreich zu seinem Sohn Josef hinabsteigen, wenn es kein Totenreich gibt? Gewiß hatten die Juden keine vollkommene Vorstellung von dem Jenseits, aber daß es im Schattenreich ein Leben, ein Leben anderer Art gibt, das war ihnen nicht zweifelhaft. Auch die Griechen sprachen in ihren Mythen vom Tartarus und vom  Elysium. Tartarus, das ist die Unterwelt; Elysium, das ist die frohe, helle Überwelt. So ist also durch das Zeugnis der Völkerkunde ein Hinweis auf das ewige Leben gegeben.

Die das ewige Leben leugnen, sind nicht selten Menschen, denen an diesem Leben nichts liegt, die Furcht davor haben, eine jenseitige Rechenschaft abzulegen. Im spanischen Bürgerkrieg wurde einmal ein katholischer Priester von den Rot-Spaniern gefangengenommen und sollte erschossen werden. Einer der Wächter sagte zu dem Priester: „Ich habe meinen Glauben abgeworfen.“ „O,“ sagte der Priester, „Sie Glücklicher! Sie Glücklicher! Es fiele mir gar nicht schwer, jetzt gleich erschossen zu werden, wenn ich meinen Glauben an das Jenseits abwerfen könnte.“ Er meinte eben, dann bräuchte er nicht die Rechenschaft, das Gericht zu fürchten.

Also: Man kann auch aus dem Motiv den Glauben an das Jenseits aufgeben, weil man sich vor dem jenseitigen Gericht fürchtet. Für solche Menschen ist es eine Beruhigung, zu sagen: Tot ist tot und aus ist aus!

Ja, meine lieben Freunde, das wäre für manche eine Beruhigung -wenn es stimmte! Aber nein: Was einmal von Gott als unsterblich erschaffen ist, das bleibt unsterblich. Wir werden leben, und wir werden sehen. Der heilige Augustinus erzählt einmal von einem Arzt in Karthago namens Gennadius, der nicht an das ewige Leben glaubte. Dieser Arzt hatte einen Traum. Er sah einen schönen Jüngling, der auf ihn zukam und ihn fragte: „Siehst du mich?“ „Ja, ich sehe dich.“ „Siehst du mich mit den Augen?“ „Nein, ich sehe dich nicht mit den Augen.“ „Womit siehst du mich?“ „Ich weiß es nicht.“ Da fragte der schöne Jüngling weiter im Traum: „Hörst du mich?“ „Ja, ich höre dich.“ „Womit hörst du mich, mit den Ohren?“ „Nein, die Ohren schlafen.“ „Ja, womit hörst d mich?“ „Ich weiß es nicht.“ „Sprichst du jetzt?“ „Ja, ich spreche.“ „Sprichst du mit dem Munde?“ „Nein, mein Mund schläft.“ „Ja, womit sprichst du?“ „Ich weiß es nicht!“ Da erkannte der Gennadius, daß ihm Gott einen Boten geschickt hatte, der ihn an das ewige Leben gemahnen und ihn davon überzeugen sollte.

Lassen wir uns, meine lieben Freunde, weder durch Furcht noch durch Scheinargumente an der Existenz der unsterblichen Seele und am ewigen Leben irre machen! Gott ist getreu, er läßt sich durch Menschen in seine Pläne nicht hineinpfuschen.

Amen.

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