Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Christus und die Kirche (Teil 8)

19. Oktober 2008

Die Kirche, auf den Felsen gegründet

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am vergangenen Sonntag haben wir uns vor Augen gestellt, wie Jesus den Felsen der Kirche gegründet hat. Er hat ihn gegründet auf einen Menschen namens Simon, dem der den Beinamen Kephas, d.h. Petrus, der Fels, gab. Damit hat Christus die Verfassung der Kirche grundlegend eingerichtet. Aber auch wenn wir nichts davon wüssten, die Art, wie die Urkirche, wie die Apostel die Kirche gelenkt und geleitet haben, würde uns davon überzeugen, dass sie auf Petrus, den Felsenmann, gegründet ist. Denn der Heiland verließ ja die Seinigen. Er fuhr gen Himmel, und nun trat Petrus sein Führungsamt an. Er leitet die Wahl des neuen Apostels Matthias; er stellt die Kirche, die jetzt vom Heiligen Geist erfüllt ist, der Welt vor, und er eröffnet die Mission. Petrus ist es, der in den ersten Kämpfen, welche die junge Kirche bestehen muss, als ihr Verteidiger auftritt vor dem Hohen Rat. Er ist ihr Sprecher. Petrus verhängt die erste Exkommunikation über Simon, den Zauberer. Und wiederum ist es Petrus, der das Ehepaar Ananias und Saphira als Lügner entlarvt, und prompt folgt das göttliche Strafgericht seinem Spruch. Für Petrus wirkt Gott das große Wunder der Errettung. Petrus im Kerker, von 16 Mann bewacht, in vier Wachen aufgeteilt. Gott schickt seinen Boten, den himmlischen Boten, und Petrus durchschreitet die Wachen. „Jetzt weiß ich“, sagt er, „dass der Herr seinen Engel gesandt und mich aus der Hand des Herodes und aus der Erwartung des Volkes der Juden befreit hat.“

Es taucht eine schwierige Frage auf. Müssen die Heiden, die zum Christentum kommen, beschnitten werden? Müssen sie das alttestamentliche Gesetz auf sich nehmen? Petrus fällt die Entscheidung. Von Gott erleuchtet, verfügt er, dass weder das eine noch das andere ihnen auferlegt werden muss. Mögen auch manche dagegen sprechen, mag sein ganzes jüdisches Empfinden sich dagegen wenden: Unter der Leitung des Heiligen Geistes trifft er die Entscheidung, und keiner wagt sie zu bestreiten, auch nicht Paulus, der Selbständige, der von Gott eigens Berufene. Auch er beugt sich unter die Führungsstellung Petri. Im Galaterbrief schreibt er: „Ich ging aus Arabien nach Jerusalem, um Petrus zu sehen, und ich blieb 14 Tage bei ihm.“

Petrus ist tot. Aber bevor er stirbt, hat er noch einen besonderen Auftrag zu erfüllen. Er muss nach Rom. Das Herz der damaligen Welt war Rom, die Hauptstadt des Imperiums. Er mag davor zurückschrecken. Was soll er, der Fischer, der Provinzler in dieser Weltstadt, wo die Kaiserpaläste stehen, wo das  machtvolle Heidentum triumphiert. Des Herren Hand führt ihn nach Rom. Kein ernster Forscher heute bestreitet die Tatsache, dass Petrus in Rom gewesen ist und dort sein Leben geopfert hat. Diese Stadt soll er für Christus erobern. Ist das nicht aussichtslos? Hat das einen Sinn angesichts der Macht des Heidentums? Seine einzige Waffe: das Kreuz. Der Gott, den er predigt: der Gehenkte von Golgotha. Das Leben, das er fordert: die Kreuzigung des niederen Menschen, des sinnlichen Menschen. Hat es Sinn, hier anzufangen? Petrus mag gezweifelt haben, aber er hat den Befehl des Herrn in seinem Kopfe: „Wirf dein Netz aus! Wirf es aus auch in der Weltstadt Rom! Fahr hinaus auf das hohe Meer, in die Welthauptstadt.“ Das Wunder zu wirken, liegt beim Herrn. „Du aber erfülle deinen Auftrag!“ Und das Wunder geschieht wie damals am See. Das Christentum breitet sich aus. Schon im 1. Jahrhundert nehmen Angehörige des Kaiserhauses das Christentum an. Schwer wird die Arbeit, übermenschlich schwer. Petrus möchte fliehen, aber das Bild des Gekreuzigten mahnt ihn, auszuhalten. Er bleibt. Er bleibt bis zum Tode am Kreuze, zu dem Tode, in dem er seinem Meister nachfolgt.

Petrus stirbt, aber der Papst lebt. Linus tritt für ihn ein, Cletus, Clemens und dann 265 andere Nachfolger. Wir schreiben das Jahr 96. In Korinth gibt es Tumult. Aufrührer haben die Presbyter, die Priester, abgesetzt. Wer sollte eingreifen? In Ephesus lebt noch Johannes, der Apostel. Aber nicht er greift ein, sondern der Bischof von Rom, Clemens. Er schreibt einen Brief voll mitfühlender Liebe und gleichzeitig voll ernster Autorität. Und die Gemeinde in Korinth fügt sich, denn sie weiß: In Clemens spricht Christi Stellvertreter, in Clemens spricht das Oberhaupt der Kirche. Ignatius ist der Vorsteher der Kirche von Antiochien, der Episcopos, der Bischof. Aber stellt er sich auf eine Stufe mit dem Bischof von Rom? O nein, meine Freunde: „Rom“, so schreibt er, „ist die Vorsitzende des Liebesbundes.“ Rom die Vorsitzende des ganzen Liebesbundes, der ganzen Kirche auf dem sich weiten Erdkreis.

Gegen Ende des 2. Jahrhunderts muss Irenäus, der Bischof von Lyon, der noch die Apostelschüler kennengelernt hat, gegen Irrlehrer die Wahrheit verteidigen. Er weiß, wohin er die Irrenden, wohin er die Suchenden zu führen hat: nach Rom. Dort ist die Kirche, welche die Vormachtstellung und die Führung hat, die das Charisma der Wahrheit besitzt, mit der jeder übereinstimmen muss, der Christi Namen trägt. So steht es in seinem Buch „Adversus Haereses“. Mit Rom muss jeder übereinstimmen, der Christi Namen trägt.

Im Osten bricht der Osterfeststreit aus. Man streitet darüber, wann das Osterfest zu feiern ist, ob immer am 14. Nisan oder wechselnd je nach dem Eintreten des Ostervollmondes. Der Papst Victor von Rom greift ein. Er droht mit Ausschluß aus der Kirche. Manche halten sein Vorgehen für zu streng, aber alle beugen sich. Auch die Griechen beugen sich seinem Spruch. In Afrika ist Cyprian der Primas, der Erste von Afrika. Er ist ein mutiger Glaubenszeuge und ein beredter Lehrer. Er weiß auch in Meinungsverschiedenheiten sich mit dem Papst auseinanderzusetzen. Aber umso gewichtiger ist sein Zeugnis, dass Cornelius, also der römische Bischof, Inhaber des Primates ist, dass Rom jene Kirche ist, von der alle Einheit ausgeht. So schreibt er: die Kirche, von der alle Einheit ausgeht.

Das Konzil zu Ephesus findet statt. Papst Cölestin schickt seine Gesandten, nicht als Mitberater, sondern als Entscheidende. Sie sollen dort seine Entscheidung vorlegen. Und die stolzen Griechen beugen sich vor ihm, dem Römer. Wenig später das Konzil zu Chalcedon. Die dort versammelten Väter empfangen einen Brief von Papst Leo. Was sagen sie? „Petrus hat durch Leo gesprochen.“ Petrus hat durch Leo gesprochen. So schallt es durch die Versammlung, und das entscheidet. „Wo Petrus ist, dort ist die Kirche“, schreibt der gewaltige Ambrosius von Mailand. Das ist das zusammengefasste Urteil der ganzen ersten Jahrhunderte der Kirche.

Man möchte heute, meine lieben Freunde, all jenen, die sich vom Felsen Petri losgesagt haben, zurufen: Kommt, ihr getrennten Bischöfe des Ostens. Warum sprecht ihr nicht wie eure Vorfahren aus den ersten Jahrhunderten? Kommt, ihr Christus liebenden Wahrheitssucher aus dem Protestantismus. Ihr sucht die Kirche Christi. Aber sie ist nicht dort, wo Spaltung, Irrtum und Schwäche und Zerfall ist. Sie steht auf dem Felsen der Einheit. Sie ist dort, wo Petrus ist. Kommt, möchte man rufen, ihr Altkatholiken. Ihr wolltet die Kirche Christi, die Urkirche, wiederherstellen. Warum ist bei euch nicht das vorhanden, was der Urkirche selbstverständlich war, nämlich der Primat Petri? Einheit der Christenheit, ein wunderbarer Gedanke, die Sehnsucht Christi und das Verlangen der Besten im heutigen Christentum. Aber diese Einheit setzt nicht auf Weltkonferenzen; sie zeigen nur, wie weit die Christen auseinander sind. Diese Einheit kann nur hergestellt werden, indem alle zurückkehren zum römischen Stuhl, indem sie alle sich bekennen zu Petrus, der in seinem Nachfolger heute noch lebendig ist.

Da höre ich die Einwände, meine lieben Freunde. Wir haben gesprochen von Petrus, vom Papst und seiner Vollmacht und seinen Funktionen. Aber wo bleibt denn da Christus? Wird nicht Christus verdeckt durch den Papst? Ist es nicht so, dass der Papst Christus verdunkelt? Meine Freunde, das Verhältnis Christi zum Papst ist ähnlich wie sein Verhältnis zum Priester. Christus ist der innere, unsichtbare Spender aller Sakramente. Er ist es, der das Messopfer vollzieht. Er ist es, der tauft. Er ist es, der von den Sünden losspricht. Aber er bedient sich dazu eines menschlichen Werkzeugs. Er hat Menschen zu äußeren, sichtbaren Spendern der Sakramente bestellt. Ähnlich ist es mit dem Papsttum, mit der Kirche. Christus leitet sie durch seinen Heiligen Geist, durch das innere Walten des Heiligen Geistes. Dennoch hat er einen Menschen als seinen Stellvertreter und Inhaber seiner Macht an die Spitze gestellt, denn die sichtbare Kirche bedarf eines sichtbaren Hauptes. Und deswegen, meine Freunde: Das Bekenntnis zum sichtbaren Stellvertreter Christi auf Erden stellt das Bekenntnis zu Christus nicht unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter. Der römische Papst verdeckt nicht Christus, er macht ihn präsent. Christus handelt durch Petrus und seine Nachfolger, und deswegen ist es richtig, zu sagen: Die katholische Kirche ist eine Papstkirche. Der Papst ist der Bischof der Bischöfe, ihm sind alle Bischöfe und jeder einzelne unterstellt – Gott sei Dank. Der Papst ist der Universalbischof der Kirche. Er ist in einem richtigen Sinne episcopus catholicae ecclesiae, der Bischof der katholischen Kirche. Das kann kein anderer als Bischof von sich sagen. Die anderen Bischöfe sind Bischöfe von Mainz oder von Limburg, aber der Papst ist nicht nur Bischof von Rom, er ist Bischof der katholischen Kirche.

Der Papst ist in einem wahren Sinne unersetzlich und unentbehrlich. Und nur er. Jeder andere Bischof kann entbehrt werden. Und es sind ja in der Tat immer auch in der Kirchengeschichte Hunderte von Bischofsstühlen eingegangen. Einer ist stehengeblieben, musste stehenbleiben, der Stuhl Petri. Ein Bischof ist unentbehrlich, der oberste von ihnen, der Papst.

Mehr als einmal ist der Papst aus Rom vertrieben worden oder hat die Stadt aus eigenem Antrieb verlassen. Von 1309 bis 1377 befanden sich die Päpste in Frankreich, in Avignon. Noch heute kann man dort den Papstpalast besichtigen, den er in dieser Zeit bewohnte. Das Papstamt haben sie durch den Ortswechsel nicht verloren. Einer dieser Päpste, die sich in Avignon befanden, nämlich Johannes XXII., hat das richtige Wort geprägt: „Ubi Papa, ibi Roma.“ Wo der Papst ist, da ist Rom. Während seines Streites mit Papst Pius VII. sagte Napoleon eines Tages zu einem französischen Bischof: „Nicht wahr, die Kirche kann auch ohne Papst auskommen.“ Der Bischof antwortete: „Gewiß, genauso wie die französische Armee ohne Napoleon.“ Die Päpste haben ihre Aufgabe im Laufe von 2000 Jahren wahrlich erfüllt. Sie waren das Prinzip und das Fundament der Einheit. Ohne ihren Dienst hätte sich die Kirche längst in Nationalkirchen aufgelöst. Ohne ihren Dienst wären, wie es in allen Abspaltungen geschieht, die Wahrheit und die Gnade längst vergessen, wäre die Fülle und die Reinheit der Wahrheit verlorengegangen.

Es ist so, wie der heilige Thomas Morus an seinen König Heinrich VIII., diesen Abtrünnigen, schrieb: „Es gibt keinen Feind des Christentums, der den Heiligen Stuhl nicht gründlich haßt. Aber es gibt auch keinen Feind Roms, der nicht früher oder später auch an der christlichen Religion zum Verräter wird.“ Sie sind alle defizient: die Othodoxen, die Anglikaner, die Protestanten, die Altkatholiken. Es fehlt ihnen allen etwas. Sie alle stehen nicht mehr in der Fülle und der Reinheit der Wahrheit. Ihr Grundfehler ist: Sie wollen es den Menschen recht machen, nicht Gott. Deswegen sind sie vom Felsen Petri weggegangen.

Im 19. Jahrhundert lebte der große Philosoph Friedrich Wilhelm Josef Schelling. Er stammte aus einem protestantischen Hause. Seine Vorfahren waren beiderseits protestantische Pastoren. Von Schelling stammt das Wort: „Wollt ihr wissen, was ich vom Papsttum halte? Ich halte vom Papsttum, dass ohne dasselbe das Christentum von der Erde längst verschwunden wäre.“ Das ist der Ruhm der Päpste, dass sie mit höchster Standhaftigkeit wie ein Bollwerk sich entgegenstellten, damit die menschliche Gesellschaft nicht in Barbarei und Aberglaube zurückfalle. In den Katakomben von Rom hat man eine Lampe gefunden aus den ersten christlichen Zeiten. Auf dieser Lampe steht geschrieben: „Petrus stirbt nicht.“ Petrus stirbt nicht. Nein, Petrus stirbt nicht. Solange diese Weltzeit dauert, wird er einen Nachfolger haben. Wie oft ist das Papsttum totgesagt worden. 1799 starb Papst Pius VI. in der Gefangenschaft in Südfrankreich. Die revolutionäre Zeitung von Grenoble schrieb damals: „Die Macht seines Thrones ist in den Abgrund gestürzt. Er wird sich nicht mehr erheben. Die Finsternis ist vorüber.“ Kurze Zeit später bestieg Papst Pius VII. den päpstlichen Thron, und er erneuerte die französische Kirche. Und so erfüllte sich in ihm das Wort: „Petrus stirbt nicht!“

Amen.

 

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt