Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Leben in christlicher Gemeinschaft (Teil 2)

15. Oktober 2006

Die Voraussetzungen zur Ehe

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Ehe, so haben wir gesehen, ist ein erhabenes Geheimnis. Sie ist heiliges Land. Nur die Besten sind eigentlich berufen, eine Ehe zu gründen. In heiliger Verantwortung muss sich ein jeder prüfen, ob er die Voraussetzungen hat, um eine Ehe schließen zu können. Zur Eheschließung genügt nicht ein Geschlechtsapparat; es sind viele andere Eigenschaften erforderlich.

An erster Stelle Gesundheit. Es wäre großes Unrecht, wenn Menschen zur Ehe schreiten würden, die ansteckende Krankheiten haben, mit denen sie den Ehegatten gefährden, oder wenn sie von Erbanlagen erfüllt sind, die Erbkrankheiten hervorrufen, wenn sie diese an die Kinder weitergeben würden. Solche Leute sollten nicht heiraten. In der Zeit des Dritten Reiches wurden diese Menschen vom Staat abgehalten zu heiraten. Man hat sie kastriert, ihnen die Geschlechtskraft genommen. Das war Unrecht. Aber jeder sollte aus eigener Verantwortung die Finger von der Ehe lassen, wenn er spürt, er ist körperlich nicht geeignet, eine Ehe zu schließen. Lieber unverheiratet durchs Leben gehen, als verheiratet andere in Gefahr bringen.

Eine weitere Voraussetzung ist die Reinheit. Die Jugend sollte rein verbracht werden. Absolute Keuschheit macht die jungen Menschen stark und charakterfest. Das Fundament einer glücklichen Ehe, meine lieben Freunde, wird in den Seelen der Knaben und Mädchen gelegt. Aber ebenso das Fundament einer unglücklichen Ehe; nämlich in den Jahren der Kindheit und Jugend wird das vorbereitet und grundgelegt, was in der Ehe benötigt wird. In Amerika ist eine Bewegung junger Menschen entstanden. „Wahre Liebe wartet.“ Das ist das Motto dieser Bewegung. Damit will sie darauf aufmerksam machen, dass nicht vor der Ehe vorweggenommen werden darf, was allein in die Ehe gehört, nämlich die körperliche, die geschlechtliche Beziehung. Die Fruchtbarkeit eines Volkes ruht auf der Fruchtbarkeit seiner Ehen. Die Fruchtbarkeit der Ehen aber ruht auf der keuschen Lebensführung vor der Ehe und in der Ehe. Der Eingang zum Ehestand ist mit dem Blute Christi gesalbt, da darfst du nicht mit unreinen Füßen die Schwelle überschreiten. Man darf nicht mit einem von Leidenschaft verbrauchten und verderbten Herzen zum Traualtar schreiten. Der Weg zum Traualtar soll im Zeichen des weißen Schleiers stehen. Die Ehe ist ein gottgegebener Beruf, eine heilige Verantwortung, nicht eine Faschingstaumelei oder ein Abenteuer.

Wer eine Ehe schließen will, muss sich auch vorbereiten, indem er Tugenden erwirbt. Tugenden sind Fertigkeiten im Guten, Fertigkeiten im sittlichen Leben. Das Eheglück hängt weniger von Eigenschaften des Verstandes als vielmehr von Eigenschaften des Herzens ab. Wer eine Ehe schließen will, sollte die Tugenden erwerben, die für eine Ehe unerlässlich sind. Ich erwähne an erster Stelle die Zucht, die Selbstbeherrschung. Wer sich selbst nicht beherrschen kann, wie wird der sich in der Ehe beherrschen können? „Sich selbst beherrschen ist wahres Herrschertum“, hat einmal der Heide Seneca geschrieben. Die Schöpfungsordnung will, dass die Seele von der Vernunft beherrscht wird und dass die Vernunft über den Körper herrscht.

Zur Ehe sind Rücksichtnahme, Takt, Feingefühl notwendig. Wer einen anderen Menschen an sich binden will, der muss wissen, das eigene Ich muss zurücktreten hinter dem Du. Jeder Ehegatte muss besorgt sein, zuerst besorgt sein um den anderen und dann erst um sich selbst. Vor allem, was er will und tut, muss er daran denken: Wie wirkt das auf den anderen? Zartgefühl, Feingefühl, Takt, Rücksichtnahme ist erforderlich. Und Versöhnlichkeit! Es wird wenige Ehen geben, in denen es nicht auch zu Meinungsverschiedenheiten kommt. Das ist normal. Aber nicht normal ist es, wenn Meinungsverschiedenheiten zu Groll werden, wenn ein anhaltender Groll die Seelen vergiftet und auf diese Weise das Eheleben zugrunde richtet. „Laß dich nicht vom Bösen überwinden“, mahnt der Apostel Paulus im Römerbrief, „sondern überwinde das Böse durch das Gute!“ Und wir haben eben in der heutigen Epistel gehört: „Laß die Sonne nicht untergehen über deinem Zorn!“ Das heißt, wenn es zum Streit gekommen ist, am Abend – spätestens am Abend! – muss man sich wieder versöhnt haben. Laß die Sonne nicht untergehen über deinem Zorn!

In der Ehe muss man auch nachgeben können. Man darf nicht auf seinem Willen, auf seinen Plänen, auf seinen Programmen beharren. Es gibt viele Dinge, es gibt zahllose Dinge, meine lieben Freunde, die kann man so oder anders erledigen. Nicht um jeden Preis auf dem eigenen Willen beharren; jeder sollte vielmehr zum Nachgeben bereit sein. Die guten Ehen sind die, wo mindestens einer stets bereit ist zum Nachgeben. Zur Nachgiebigkeit gehört auch die Geduld. Man muss warten können; man muss dem anderen Zeit lassen und man muss standhaft bleiben im Leiden. Man darf die Früchte am Baum nicht pflücken, bevor sie reif sind. Da ist Geduld notwendig. Ungeduld trübt die eheliche Gemeinschaft.

Dann braucht es auch Selbstlosigkeit. In der Ehe muss jeder zuerst um das Wohl des anderen besorgt sein. „Die Liebe“, heißt es im ersten Korintherbrief, „sucht nicht das Ihre.“ Ja, was sucht sie dann? Ja, eben das des anderen, das Wohl des anderen. Und im selben Briefe heißt es: „Niemand suche seinen eigenen Vorteil, sondern den des Nächsten.“ Selbstlosigkeit ist meines Erachtens eine der ergreifendsten Tugenden, die es gibt, wenn einer sagt: Ich will nichts für mich, ich will alles für den anderen. „Willst du glücklich sein im Leben, trage bei zu anderer Glück. Freude, die wir anderen geben, kehrt ins eigene Herz zurück“, so hat der Dichter uns belehrt.

Zur Ehe gehört auch Arbeitsamkeit, Fleiß. Die wirtschaftliche Grundlage muss gelegt werden; dazu gehört, dass man durch fleißige Berufsarbeit den Gatten, eine Familie erhalten kann. „Wer in der Jugend Bäume pflanzt, der kann im Alter sich in seinen Schatten setzen.“ So sagt ein schönes Sprichwort. Und so ist es eben notwendig, arbeitsam zu sein, Fleiß zu beweisen. Faulheit erzeugt Fäulnis. Fleiß bringt Brot, Faulheit Not.

Schließlich ist auch das religiöse Fundament von ausschlaggebender Bedeutung. Wir nennen die Beziehung zu Gott Religiosität oder Frömmigkeit. Die Frömmigkeit besteht in dem entschlossenen Willen, Gottes Geboten nach zu leben. Frömmigkeit besteht darin, dass man fragt: Was will Gott von mir? Was will er jetzt von mir? Was will er in meiner Ehe von mir? Und der wichtigste Ausdruck der Frömmigkeit ist das Gebet. Gebet ist der sicherste Weg zu Gott. Es ist ein und dasselbe: das Gebet aufgeben und den Weg zu Gott verlassen. Das Gebet, meine Freunde, hat vier heilsame Wirkungen. Es vergibt die Sünden, es schwächt die Versuchungen, es macht uns vertraut mit göttlichen Dingen, und es verschafft uns das ewige Heil. Ohne Beziehung zu Gott ist eine gute Ehe kaum denkbar.

Das bedingt eben auch die Glaubenseinheit. Die Kirche hat immer – jahrtausendelang! – vor der bekenntnisverschiedenen Ehe gewarnt. Sie hat strenge Tafeln aufgerichtet bis in unsere Zeit. Seit einigen Jahrzehnten ist die Kirche auf diesem Gebiet von ihrer Strenge abgekommen. Nicht aus Überzeugung, sondern unter dem Druck, der auch infolge des Ökumenismus entstanden ist – nicht zum Heile der Menschen. Diese Nachgiebigkeit der Kirche gegenüber der religionsverschiedenen und der bekenntnisverschiedenen Ehe ist nicht zum Heil der Menschen und nicht zum Heil der Kirche. Wie sollen Menschen eine Einheit bilden, die nicht im selben Glauben verankert sind? Wie soll man in Übereinstimmung kommen, wenn der Glaube verschieden ist, wenn der Weg zum Gotteshaus verschieden ist, wenn die Gebote verschieden sind? Vergessen Sie auch nicht, meine lieben Freunde, der Protestantismus hat eine ganz andere Ethik als die katholische Kirche. Auch die Ethik ist es, die bekenntnisverschiedene Gatten trennt. Der Protestant ist überzeugt, dass er Empfängnisverhütung frei verüben kann, um nur ein Beispiel zu erwähnen. Er ist überzeugt, dass jede Ehe auflösbar ist. Das ist Protestantismus: Jede Ehe ist ohne Ausnahme auflösbar. Wenn unter Ehegatten keine Übereinstimmung hinsichtlich der göttlichen Dinge herrscht, kann auch hinsichtlich der menschlichen Dinge keine volle und wahre Übereinstimmung herrschen. Leider lassen sich viele junge Leute nicht raten, wenn sie gemischte Bekanntschaften machen. „Ratet mir gut“, sagt die Braut, „aber ratet mir nicht ab!“ Ja, so ist es.

Die Kirche hat, wie ich sagte, auch Ehehindernisse aufgestellt. Sie hat die Vollmacht dazu, denn was sie auf Erden bindet, das ist im Himmel gebunden. Die Ehehindernisse sind Umstände, die nach Überzeugung der Kirche eine volle Harmonie und eine glückliche Ehe und eine gute Familie schwer oder gar nicht zustandekommen lassen. Ich erwähne zum Beispiel das Ehehindernis der Blutsverwandtschaft. Der Volksmund hat schon gewusst, dass Verwandte sich nicht heiraten sollen. „Nahes Blut tut selten gut.“ So hat der Volksmund formuliert. Nahes Blut tut selten gut. Ich habe in meiner Verwandtschaft solche Fälle erlebt, wo sich Cousin und Cousine geheiratet haben mit Erlaubnis des Heiligen Stuhles. Aber diese Ehen waren in aller Regel unfruchtbar.

Nur nach gründlicher Vorbereitung sollen die Brautleute in die Ehe treten, damit sie wirklich fähig sind, sich entsprechend ihrem Stand in den Wechselfällen des Lebens zu stützen und noch vielmehr sich gegenseitig zu helfen in der Sorge für das ewige Heil. Wir Seelsorger sehen mit Schmerzen, wie Menschen unvorbereitet oder schlecht vorbereitet in die Ehe treten. Wir sehen, wie Ehen geschlossen werden, die nach gewissenhaftem Urteil nicht gut ausgehen können. Könnten wir doch allen, die vorhaben, eine Ehe zu schließen, ein Sprichwort ins Herz rufen, das in der Bretagne in Frankreich gang und gäbe ist: „Gehst du in den Krieg, so bete einmal. Gehst du zur See, so bete zweimal. Gehst du aber in die Ehe, so bete dreimal!“

Amen.

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