Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Sakramente der Kirche (Teil 30)

7. Oktober 2001

Die Bedeutung des Meßopfers

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Kaum ein Gegenstand der katholischen Glaubenslehre wurde von den sogenannten Reformatoren des 16. Jahrhunderts so erbittert bekämpft wie das Meßopfer. Wenn Sie die Bekenntnisschriften der getrennten Brüder lesen, dann finden Sie darin die schärfsten Invektiven gegen das Meßopfer – noch heute. Am weitesten geht der sogenannte „Heidelberger Katechismus“, der das Meßopfer eine „vermaledeite Abgötterei“ nennt. Mit wildem Haß haben Luther und seine Gefolgsleute das Meßopfer bekämpft. Warum? Weil sie behaupteten, das Meßopfer trete dem Kreuzesopfer zu nahe, es werde neben dem einen und einmaligen und immer gültigen Kreuzesopfer ein Menschenwerk aufgerichtet, eben das Meßopfer, und deswegen müsse es ganz erbittert und entschieden abgelehnt werden. Wir haben uns also heute der Frage zu widmen: Wie stehen Kreuzesopfer und Meßopfer zueinander? Ist es so, wie die protestantischen Reformatoren behaupten, daß das Meßopfer dem Kreuzesopfer zu nahe tritt, seinen Glanz verdunkelt und ein Menschenwerk neben ihm aufrichtet, oder hat das Konzil von Trient recht, das diese Anwürfe zurückgewiesen und die katholische Lehre vom Meßopfer lichtvoll dargestellt hat?

Daß Christus am Kreuze ein Opfer dargebracht hat, wird hundertfach in der Heiligen Schrift bezeugt. Der Vater im Himmel hat den Sohn als Sühnopfer für uns hingestellt, und der Sohn hat im Gehorsam gegen den Vater im Opferwillen sich als Opfer für die Sünden des Menschheit dargebracht. Das Kreuzesopfer ist eine unumstößliche Tatsache. Daß dieses Opfer Gott willkommen war, daß er es angenommen hat, das sieht man daraus, daß der Gekreuzigte aus dem Grabe erweckt wurde, daß er in den Himmel geführt wurde und daß er den Geist gesandt hat. Auferstehung, Himmelfahrt und Geistsendung bezeugen die Annahme und die Anerkennung des Kreuzesopfers durch den Vater im Himmel.

Christus hat einmal ein Opfer dargebracht und stirbt nicht mehr. Das Kreuzesopfer ist ein einmaliges, historisches, unwiederholbares Ereignis. Es kann nicht ergänzt werden, und es braucht nicht ergänzt zu werden. Es ist genug für alle Menschen aller Zeiten, für alle Generationen, für die gesamte Geschichte und für die gesamte Menschheit. Die Priester des Alten Bundes mußten immerfort Opfer darbringen, um zu versuchen, Gott zu versöhnen. Und im Mythos wird immer neu versucht, durch Opfer die Gottheiten zu versöhnen. Nicht so im Christentum. Im Christentum gibt es ein einmaliges, keiner Ergänzung fähiges und keiner Ergänzung bedürftiges Opfer, das Kreuzesopfer Jesu Christi, in dem er sich ein für allemal dem Vater im Himmel hingegeben hat. Er tat dies als Repräsentant, d.h. als Vertreter der gesamten Menschheit, ja der gesamten Wirklichkeit. Er hat das Opfer als Repräsentant der gesamten Schöpfung dem Vater im Himmel dargebracht.

Nun müssen aber die Menschen Anteil gewinnen am Kreuzesopfer. Diese Anteilnahme geschieht im Glauben und in den Sakramenten. Durch den Glauben und die Sakramente wird der Segen des Kreuzesopfers den Menschen zugewendet. Den Anfang macht die Taufe. Die Taufe gibt uns Anteil am Kreuzesopfer Christi, am Segen dieses Opfers. Aber sie ist selbst kein Opfer. Die Taufe ist kein Opfer. Die Taufe gibt uns Anteil am Kreuzesopfer Christi, insofern es der Sieg über Sünde und Tod ist. Um an der Opfergabe, an der Opferhingabe Christi Anteil zu gewinnen, ist das Meßopfer eingesetzt. Das Meßopfer ist die Teilnahme am Kreuzesopfer, insofern es ein Hingabeopfer an den Vater war. Im Meßopfer erscheint das Kreuzesopfer. Es wird nicht verdunkelt, sondern es wird zur Erscheinung gebracht. Das Meßopfer ist das Sakrament des Kreuzesopfers. Im Meßopfer wird das Kreuzesopfer in sakramentaler Weise Gegenwart. Nur so kann die Kirche, nur so kann jeder Einzelne eingehen in die Opferhingabe Christi am Kreuze. Das Meßopfer ist das Sakrament des Kreuzesopfers. Es wird nicht ein zweites Opfer neben dem Kreuzesopfer aufgerichtet, sondern es wird das Kreuzesopfer zur Auswirkung gebracht. Das Kreuzesopfer wird im Meßopfer hingestellt, damit die Christen als Opfernde und Geopferte in das Kreuzesopfer eingehen können. Im Meßopfer wird das Kreuzesopfer Gegenwart, damit sein Opfersegen auf die Christen niederfließe.

Das Konzil von Trient hat diese Wahrheit in mehreren Lehrsätzen ausgesprochen:

„Wer sagt, in der Messe werde Gott nicht ein wirkliches und eigentliches Opfer dargebracht, oder die Opferhandlung bestehe in nichts anderem als daß uns Christus zur Speise gereicht werde, der sei ausgeschlossen.“

„Wer sagt, durch jene Worte: ,Tut dies zu meinem Gedächtnis!‘ habe Christus seine Apostel nicht zu Priestern bestellt oder nicht angeordnet, daß sie selbst und die anderen Priester seinen Leib und sein Blut opferten, der sei ausgeschlossen.“

An einer anderen Stelle hat das Konzil noch eindrücklicher begründet, weshalb das Meßopfer kein zweites Opfer neben dem Kreuzesopfer ist, sondern daß im Meßopfer das Kreuzesopfer zur Darstellung und Auswirkung kommt. „Weil in diesem göttlichen Opfer, das in der Messe gefeiert wird, derselbe Christus enthalten ist und unblutig geopfert wird, der sich selbst am  Kreuzaltar einmal blutig dargebracht hat, so lehrt die heilige Kirchenversammlung: Dieses Opfer ist ein wirkliches Sühneopfer, und es bewirkt, daß wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe, wenn wir mit geradem Herzen, mit rechtem Glauben, mit Scheu und Ehrfurcht, zerknirscht und bußfertig vor Gott hintreten. Versöhnt durch die Darbringung dieses Opfers gibt der Herr die Gnade und die Gabe der Buße, und er vergibt die Vergehen und Sünden, mögen sie noch so schwer sein. Denn es ist ein und dieselbe Opfergabe, und es ist derselbe, der jetzt durch den Dienst der Priester opfert und der sich selbst damals am Kreuze darbrachte; nur die Art der Darbringung ist verschieden. Die Früchte jenes Opfers, des blutigen nämlich, werden durch dieses unblutige überreich erlangt. So wird durch dieses unblutige Opfer jenes blutige in keiner Weise verkleinert.“

Hier haben wir die Erklärung, warum die Angriffe der Reformatoren gegen das Meßopfer ins Leere laufen. Kreuzesopfer und Meßopfer sind im wesentlichen dasselbe. Es ist nämlich derselbe, der geopfert wird, Christus, er ist die Opfergabe; es ist derselbe, der opfert, nämlich Christus, damals in eigener Person, jetzt durch den Dienst der Priester. Verschieden ist nur die Opferweise. Damals war das Opfer ein blutiges, heute ist es ein unblutiges. Die Verschiedenheit betrifft etwas Unwesentliches, nicht das Wesentliche, und man muß noch mehr sagen: Es ist nicht nur derselbe Opferer, es ist nicht nur dieselbe Opfergabe, es ist auch dieselbe Opferhandlung. Es wird nicht eine zweite Opferhandlung gesetzt, sondern die Opferhandlung, die einmal am Kreuze vollzogen wurde, wird im Meßopfer Gegenwart. Deswegen gebraucht das Konzil von Trient die Worte: repraesentatio, memoria, applicatio. Das heißt: repraesentatio – Gegenwärtigsetzung; memoria –Gedächtnis, und zwar Realgedächtnis, und applicatio, das heißt Zuwendung. Hier werden die Früchte des Kreuzesopfers den Menschen zugewendet. Die Identität der Opferhandlung wird deutlich vom Römischen Katechismus, der ja vom Konzil von Trient veranlaßt wurde, ausgesprochen: „Wir bekennen, daß es ein und dasselbe Opfer ist und dafür gehalten werden muß, welches in der Messe vollzogen wird und welches am Kreuze dargebracht worden ist.“ Wir bekennen, daß es ein und dasselbe Opfer ist – gemeint ist ein und dieselbe Opferhandlung – und dafür gehalten werden muß, welches in der Messe vollzogen wird und welches am Kreuze dargebracht wurde.

Wir haben also keinen Anlaß, meine lieben Freunde, das Meßopfer abzuschwächen, die Lehre vom Meßopfer dem Protestantismus anzupassen; denn das Meßopfer tritt dem Kreuzesopfer nicht zu nahe. Es verdunkelt nicht das Kreuzesopfer, sondern es bringt es zur Darstellung. Kreuzesopfer und Meßopfer sind ein und dasselbe, haben also denselben Segen und dieselbe Kraft. Sie sind ein und dasselbe, weil der Opferpriester ein und derselbe ist, weil die Opfergabe ein und dieselbe ist und weil die Opferhandlung ein und dieselbe ist.

O Christus, unser Gott und Heiland, wir danken dir, daß du uns dieses Meßopfer geschenkt hast, daß du uns dein Kreuzesopfer als Testament, als Vermächtnis hinterlassen hast, damit wir in dein Kreuzesopfer vermöge des Meßopfers eingehen als Opfernde und Geopferte.

Amen.

 

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