Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Wer ist dieser Jesus (Teil 11)

17. Dezember 2000

Die besiegten Feinde Christi

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Seit geraumer Zeit treibt uns eine Frage um, die Antwort heischt: Was dünkt euch von Christus? Darauf gibt der selige Bischof Johann Michael Sailer von Regensburg die Antwort: „Entweder keinen Christus oder den apostolischen. Und der apostolische ist der Übermann der Sünde, des Todes und der Hölle.“ Das ist eine klare Antwort. Entweder keinen Christus oder den apostolischen. Der apostolische aber ist der Übermann der Sünde, des Todes und der Hölle. Wir haben am vergangenen Sonntag Christus als den Sieger uns vor Augen geführt. Es bleibt uns heute die Aufgabe, die einzelnen Feinde, die er besiegt hat, noch einmal ins Blickfeld treten zu lassen.

Der erste Feind, den Christus besiegt hat, ist der Teufel. Der Teufel war sein Gegenspieler von Anfang an. Er suchte Christus zum Bösen zu verführen; die Versuchungen in der Wüste waren sein Werk. Aber es gelang ihm nicht, den Versuchten zur Sünde zu verführen. In Christus hat sich die Macht dieses Versuchers erschöpft. Auch die Feindschaft, die Christus traf, war vom Teufel eingegeben, und sie brachte ihn ja schließlich ans Kreuz. Das Todesurteil, das Pilatus über ihn fällt, kam vom Satan her. Aber der Tod vermochte ihn nicht zu halten. In ihm erschöpfte sich die Macht des Todes, des Trabanten des Teufels; denn in ihm war keine Todesschuld. So ist der Teufel von Christus besiegt worden. Er hat in den einzelnen Austreibungen von Dämonen schon während seines irdischen Lebens gesiegt und erst recht in seinem Tode. Im Tode ist der Teufel von Christus entmächtigt worden. Christus hat den Teufel besiegt. „Er hat ihn an deiner Statt, für dich und in dir besiegt“, sagt der heilige Augustinus. Christus ist der Sieger über den Satan, nicht in dem Sinne, wie es die Mythologien darstellen. Da kämpft auch Gut gegen Böse, Licht gegen Finsternis, aber das ist ein endloser Kampf. Wenn das eine Lager gesiegt hat, dann erholt sich das andere wieder und der Kampf beginnt von neuem. Nicht so bei Jesus. Er hat den Teufel ein für allemal besiegt, und die Macht ist nicht gleich. Er hat die Übermacht über der Macht des Satans.

Der zweite Feind, den Christus besiegt hat, ist der Tod. Alle Menschen sterben einen Straftod. Ihr Tod ist Strafe für die Sünde. Der Tod ist der Sold der Sünde, denn der Tod ist durch Satan in die Welt gekommen. Indem er die Sündenmacht einführte, hat er gleichzeitig die Todesmacht aufgerichtet. Jetzt ergreift der Tod einen jeden, der sich in die Nähe Satans begeben hat. Wiederum war Christus anders. Er hatte keine Todesschuld; er brauchte keinen Straftod zu sterben. Sein Tod war ein Sühnetod für andere, und deswegen hat sich in ihm die Macht des Todes erschöpft. In seiner Auferstehung ist der Tod endgültig und für immer besiegt worden. Weil er nicht wie alle anderen des Todes schuldig war, konnte der Tod ihn nicht halten. Und deswegen heißt es in der Apokalypse: „Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige; ein Toter bin ich geworden, doch siehe, lebendig bin ich in alle Ewigkeit und halte die Schlüssel des Todes.“ Christus ist der Sieger über den Tod. Für ihn selbst bedeutete der Tod den Überschritt zum neuen Leben. Nun ist er aber das Haupt der Schöpfung. Was an ihm geschieht, muß an der ganzen Schöpfung geschehen. Deswegen wurde sein Tod für alle die Stelle, an der sie den Übergang vom vergänglichen zum unvergänglichen Leben tun können. In diesem Sinne heißt es im zweiten Timotheusbrief: „Er hat den Tod vernichtet, dagegen unvergängliches Leben ans Licht gebracht durch die Heilsbotschaft, für die ich, Paulus, als Herold bestellt bin.“ „Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“, so jubelt die Kirche an Ostern. „Verschlungen ist der Tod im Sieg.“

Christus hat als dritten Feind das Leid besiegt, denn auch das Leid ist auf die Satansherrschaft zurückzuführen. Es gab eine Zeit, in der die Menschen ohne Leid lebten. Erst als die Sünde in die Welt kam, durch Satan eingeführt, kam das Leid, die Trauer, der Schmerz, die Klage in diese Welt. Jesus hat das Leid überwunden. Wodurch? Indem er, der keinen Anteil am Bösen hatte, sich willig dem Leiden auslieferte. Er war ein Leidender, wie es keinen auf Erden je gegeben hat noch je geben wird. Von ihm heißt es im ersten Petrusbrief, daß er nicht schmähte, als er geschmäht wurde, daß er nicht drohte, als er litt. In ihm hat sich Macht des Leides erschöpft.

Nun freilich könnte mir jemand entgegenhalten: Aber die Menschen sterben doch immer noch, und das Leid ist doch auf der Erde geblieben trotz Jesu Kommen, trotz seiner Überwindung von Tod und Leid, trotz seines Sieges über den Satan. Gewiß, der Tod und das Leid sind geblieben, aber sie sind verwandelt. Sie dienen jetzt nicht mehr dazu, den Menschen ins Unheil zu stürzen, sondern sie besitzen verwandlerische Kraft. Wer das Leid und den Tod im Anschluß an Jesus auf sich nimmt, für den ist Leid und Tod der Überschritt zum unvergänglichen Leben. Es kommt alles darauf an, daß man das Leid in dem Sinne trägt, wie Christus es getragen hat. Man muß sich an ihn anschließen, man muß in seine Fußstapfen treten, man muß sich in seine Nachfolge begeben, dann wird das Leid verwandelt, dann wird der Tod verwandelt, dann können wir ebenso wie Christus sagen: Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? Verschlungen ist der Tod im Siege.

Der vierte Gegner, den Jesus überwunden hat, ist die Sünde. In ihm war keine Sünde. Er hat als der Sündlose die Sünde in seinem Gehorsam gegenüber dem Vater überwunden. Er hat durch seine Liebe die Herrschaft der Sünde gebrochen. Er hat durch seine Demut die Sündenmacht überwunden. Jesus als Überwinder der Sünde wird uns in jubelnder Weise immer wieder in der Heiligen Schrift vorgestellt. „Wie also durch des einen Sünde auf alle Menschen Verdammnis kam, so kommt auch durch eines Menschen Gerechtigkeit auf alle Menschen Rechtfertigung zum Leben. Wie nämlich durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern geworden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechtigkeit gemacht.“ An einer anderen Stelle sagt Paulus: „Betrachtet euch als solche, die der Sünde abgestorben sind, für Gott aber leben in Christus Jesus. Wir wissen, daß Christus nach seiner Auferstehung von den Toten nicht mehr stirbt, daß der Tod keine Macht fürder über ihn hat. Insofern er starb, starb er ein für allemal für die Sünde“ – das heißt eben zur Tilgung der Sünde, zur Überwindung der Sündenmacht –, „insofern er aber lebt, lebt er Gott.“ Und schließlich noch an einer anderen Stelle schreibt Paulus: „Demnach gibt es keine Verdammnis mehr für diejenigen, die in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des lebendig machenden Geistes in Christus Jesus hat mich vom Gesetz der Sünde und des Todes befreit.“ Jesus ist der Überwinder der Sünde, wie es auch der Apostel Petrus verkündet: „Er hat keine Sünde getan, und kein Trug ist in seinem Munde gefunden worden. Da er gescholten wurde, schalt er nicht wieder; da er litt, drohte er nicht, sondern stellte seine Sache dem gerechten Richter anheim. Er hat unsere Sünden an seinem Leibe auf das Holz hinaufgetragen, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr geheilt.“ Und noch an einer anderen Stelle: „Ist doch Christus einmal für unsere Sünden gestorben, der Gerechte für Ungerechte, damit er uns zu Gott führe. Dem Fleische nach wurde er getötet, dem Geiste nach aber lebendig gemacht.“

Auch hier freilich kann man wieder den Einwand erheben: Ist denn die Sünde seit dem Siege Jesu verschwunden? Gibt es keine Sünden mehr auf Erden? Jeder weiß, daß die Antwort nur heißen kann: Es gibt Sünde auf Erden! Aber es gibt eben auch die Möglichkeit, die Sünde zu meiden. Es gibt auch die Möglichkeit, die Sünde zu überwinden. Es gibt jetzt auch die Kraft, der Sünde zu widerstehen. Das ist das Neue, was durch Christus gekommen ist. Es gibt jetzt die Möglichkeit, ihm in seinem Sieg über die Sünde nachzufolgen.

Man mache mir nicht den Einwand: Auch die Christen sündigen. Natürlich sündigen auch die Christen. Aber ich, der ich seit 50 Jahren Beichtvater bin, ich weiß, daß die Christen auch kämpfen, daß sie ringen, daß sie gegen die Sünde angehen. Ich lasse mir meine Überzeugung nicht nehmen, daß die Christen in die Gefolgschaft Jesu eingetreten sind, um seinen Sieg über die Sünde auch zu ihrem zu machen. Es ist nicht wahr, wenn man sagt, die Christen seien nicht besser. Sie sind besser.

Christus ist der Sieger über die Sünde. Er ist letztens auch noch der Sieger über das Gesetz. Das ist schwierig zu verstehen, wieso Christus das Gesetz besiegt haben soll. Paulus sagt ja vom Gesetz, vom alttestamentlichen Gesetz: „Es ist gut, heilig und gerecht.“ Ja, wie kann man dann dieses Gesetz besiegen wollen, wie kann es Christus besiegt haben? Die Sündenmacht bediente sich des Gesetzes in zweifacher Weise. Einmal reizte die Sündenmacht den Menschen durch das Verbot. Der Mensch ist ja immer geneigt, sich gegen das Gebot zu erheben, und schon im Paradiese wissen wir, daß der Satan die Menschen aufgereizt hat, sich gegen das Gebot Gottes zu erheben. „Keineswegs werdet ihr sterben, wenn ihr von diesem Baum esset, sondern Gott will nur nicht, daß euch die Augen aufgehen“, so sagt die Schlange. Und so ist es immer geblieben. Die Sündenmacht reizt den Menschen, indem sie ihm das Gesetz vorstellt und die darin liegende Beschränkung seiner Freiheit. Sie verlockt ihn, seine Selbstherrlichkeit gegen das Gesetz zu stellen. Das ist die erste Weise, wie sich die Sündenmacht des Gesetzes zum Unheil bedient.

Die zweite Weise liegt darin, daß derjenige, der meint, das Gesetz zu erfüllen, sich vor Gott brüstet, daß er sich rühmt: Ich bin ein Gesetzeserfüller, daß er seine vermeintliche Gerechtigkeit gegen Gottes Anspruch aufbaut, daß er im Hochmut sich über Gottes Willen erhebt. Das ist die zweite Weise, wie die Sündenmacht sich des Gesetzes bedient, und deswegen hat Christus das Gesetz überwunden, daß es nicht mehr in der Lage sein kann, von der Sündenmacht benutzt zu werden, um die Sünde hervorzurufen, um den Menschen zum Hochmut zu verleiten. Er hat das Gesetz bis zum i-Tüpfelchen erfüllt, und darin hat er es überwunden. Er hat das Gesetz durch seinen Gehorsam gegenüber dem himmlischen Vater entmächtigt. Nicht so, meine lieben Freunde – das wäre ein Mißverständnis –, nicht so, als ob die sittlichen Forderungen des Alten Testamentes nicht mehr gelten würden. Der Wille Gottes bleibt immer gültig, aber die sittlichen Forderungen Gottes treten jetzt nicht mehr an den Menschen von außen heran, sondern sie sind gleichsam in sein Inneres verlegt worden durch die Gnade. Der in der Gnade lebende Mensch bedarf gewissermaßen nicht mehr der Gebote, weil er das tut, was ihn die Liebe zu Christus ohnehin zu tun heißt. Statt der Buchstaben des Gesetzes hat er ein neues Gesetz gewonnen, nämlich die Person Jesu Christi. Christus ist das personale Gesetz des Christen. Es bringt ihn von innen zur Erfüllung dessen, was das Gesetz von außen geboten hat.

Das also, meine lieben Freunde, sind die Feinde, die Christus überwunden hat: den Satan, den Tod, das Leid, die Sünde, das Gesetz. Wenn Irrlehrer in der heutigen Zeit den Sieg Christi herabzuspielen bemüht sind, da kann uns das nicht irremachen. Wir wissen, daß Christus durch sein heiliges Leben, durch seinen heilbringenden Tod die alten Mächte entmächtigt hat und uns dem Vater im Himmel zugeführt hat. Er wird auch die Irrlehrer unserer Zeit besiegen. Als der Kaiser Julian Apostata – Julian der Abtrünnige – in der Mitte des 4. Jahrhunderts einen Feldzug gegen die Perser führte, da war in seinem Gefolge der heidnische Philosoph Libanius, sein Ratgeber. Libanius traf in Antiochien einen christlichen Lehrer. Übermütig fragte er ihn: „Na, was macht jetzt euer Zimmermannssohn?“ Da antwortete ihm der christliche Lehrer: „Was er macht? Er zimmert einen Sarg.“ Kurze Zeit danach war Kaiser Julian Apostata tot. Ich bin überzeugt, daß der Zimmermannssohn auch heute noch manchen Sarg zimmrt. Er zimmert ihn für alle die Irrlehrer, die den Sieg Christi bestreiten und bezweifeln. Er zimmert ihn auch für jenen Herrn in Wien, der behauptet, es sei ein Hoffnungszeichen, wenn aufmüpfige Theologen gegen das Lehramt angehen. Auch für ihn zimmert der Zimmermannssohn einen Sarg. Denn Christus ist und bleibt der Sieger auch über den Irrtum, wie er selbst in der Apokalypse sagt: „Ich sitze mit meinem Vater als Sieger auf einem Thron.“

Amen.

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