Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Der Teufel (Teil 1)

7. November 1993

Vom Wesen des Teufels

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Vor einiger Zeit unterhielt ich mich mit einem Mainzer Theologieprofessor. In diesem Gespräch erklärte er mir, er glaube nicht die Existenz des Teufels. Das Böse könne man auch psychologisch erklären. In meiner Erwiderung sagte ich: „Mir genügt, um an die Existenz des Teufels zu glauben, das Wirken von Fernsehen und Zeitschriften wie SPIEGEL und STERN.“ Aber das ist freilich eine rein subjektive Empfindung, die keinen Anspruch auf allgemeine Geltung hat.

Die Existenz des Teufels ist aber ein seit 2.000 Jahren verkündetes Dogma der Kirche, ein Glaubenssatz, der mit höchster Gewißheit vom ordentlichen und vom außerordentlichen Lehramt der Kirche vorgetragen wird. Das außerordentliche Lehramt hat auf dem IV. Laterankonzil im Jahre 1215 gelehrt: „Der Teufel und die anderen bösen Geister sind von Gott ihrer Natur nach gut geschaffen, aber sie sind durch sich selbst schlecht geworden.“

Gott hat die Engel geschaffen. Die Engel waren dazu bestimmt, eine übernatürliche Vollendung zu erlangen. Sie sollten die Gottesschau nach einer Prüfung erlangen. Aber nicht alle Engel haben die Probe, die dafür ausgesetzt war, bestanden. Einige sündigten und wurden in die ewige Verdammnis gestoßen. Diese Lehre der Kirche ist nur der Widerhall des im Neuen Testament Enthaltenen. Im 2. Briefe des Apostels Petrus wird den Irrlehrern ein Strafgericht angedroht, und der Ernst dieses Strafgerichtes wird damit unterstrichen, daß der Apostel hinweist auf die bösen Engel. „Hat ja doch Gott der Engel, die gesündigt hatten, nicht geschont, sondern sie in die finsteren Abgründe der Hölle hinabgestoßen, wo sie bis zum Gerichte gefangen gehalten werden.“ Aber das ist nicht die einzige Stelle. Auch im Judasbrief ist der Engelsturz als ein Beispiel göttlicher Strafgerechtigkeit enthalten: „Auch die Engel, die ihre Würde nicht bewahrten, sondern ihre Wohnstätte verließen, hat er aufbewahrt zum großen Gerichtstage in ewigen Fesseln in der Finsternis.“ Und im Buche der Apokalypse wird von der großen Schlacht zwischen Michael und seinen Engeln gegen den Drachen gesprochen. „Auch der Drache mit seinen Engeln kämpfte. Sie richteten aber nichts aus, und ihr Platz im Himmel ging verloren; und geworfen wurde der große Drache, die alte Schlange, die Teufel heißt und Satan, die alle Welt verführt, geworfen wurde er herab zur Erde und mit ihm gestürzt wurden seine Engel.“

Die Engel haben gesündigt, und das setzt voraus, daß sie die Fähigkeit zu sündigen hatten. Ja, aber wie können Engel fähig sein zu sündigen? Wir müssen bei den Engeln zwischen ihrem natürlichen Wesensbestand und der übernatürlichen Vollendung unterscheiden. Die Engel waren zunächst in ihrem natürlichen Wesensbestand erschaffen. Und sie sollten sich die übernatürliche Vollendung durch ihre freie Entscheidung für Gott verdienen. Gott hat die übernatürliche Vollendung abhängig gemacht von einer Erprobung, von einer Prüfung. Wir wissen nicht, welcher Art sie war, aber wir wissen, daß es eine solche Prüfung gegeben haben muß. Und in dieser Prüfung hat ein Teil der Engel versagt. Wenn nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift jede Sünde mit dem Hochmut beginnt, dann muß wohl auch die Engelsünde mit dem Hochmut begonnen haben. Von dem Widersacher, der sich in den Tempel Gottes setzt, wird ja im 2. Thessalonicherbrief gesagt, daß er sich über alles erhebt, was Gott ist und heilig ist. So muß also auch die erste Sünde der Engel, die sie der Seligkeit, zu der sie bestimmt waren,  verlustig gehen ließ, eine Hochmutssünde gewesen sein.

Das gläubige Nachdenken hat drei Weisen gefunden, wie diese Sünde zu erklären sein mag. Einmal ist es denkbar, daß die bösen Engel mit ihrer Geschöpflichkeit unzufrieden waren, daß sie sein wollten wie der Schöpfer – „Ihr werdet sein wie Gott!“ das war ja die Versuchung der Schlange im Paradiese – daß sie also ihre Geschöpflichkeit verneinten und ablehnten und in dieser Weise sich gegen den Schöpfer empörten. Sie wollten nicht geschöpfliche, abhängige Wesen sein.

Die zweite Erklärung geht auf die ihnen bestimmte übernatürliche Vollendung. Die Theologen, die diese Meinung vertreten, sind der Ansicht, daß die Engel sich die Vollendung nicht schenken lassen mochten. Sie wollten nicht von der Liebe Gottes etwas entgegennehmen, sie wollten selbstgenügsam sein; und da sie sich die Vollendung nicht schenken lassen wollten, gingen sie der Vollendung überhaupt verlustig.

Eine dritte Meinung der gläubigen Theologen geht aus von dem Kampf, den die Teufel gegen Christus führen. Sie haben ja versucht, ihn schon am Anfang seiner öffentlichen Tätigkeit zu Fall zu bringen, und sie sind heute noch genauso am Werk, seine Schöpfung, die Kirche, zu besudeln, zu beflecken und in die Verworfenheit ihrer eigenen Schlechtigkeit hineinzuziehen. Die Engel haben gewußt, daß der Gipfel der Schöpfung nicht ein reiner Geist sein wird, also ein Engel, sondern daß der Gipfel der Schöpfung ein Mensch sein wird, nämlich der Gottmensch Jesus Christus. Und sie wollten sich diesem Menschen Jesus Christus nicht unterwerfen. Sie haben es abgelehnt, aufgrund ihrer eigenen hohen und herrlichen Natur, in Christus die Krone der Schöpfung, die Herzmitte der Schöpfung anzuerkennen.

Das sind drei Versuche, meine lieben Freunde, zugegebenermaßen ansprechende, auf theologischen Gründen beruhende Versuche, den Inhalt der Engelsünde zu erklären. Die Folge der Engelsünde ist, daß es reine Geister gibt, die in Verworfenheit und Zerrissenheit in ewiger Verdammnis, fern von Gott, leben und darauf ausgehen, die Schöpfung Gott abtrünnig zu machen, die Menschen zu versuchen und aus dem Frieden Gottes zu reißen.

Die Zahl der Engel ist uns nicht bekannt, die Zahl der abtrünnigen Engel noch weniger. Im Alten Testament ist eigentlich immer nur von einem Teufel die Rede, im Buche Job, im Buche Zacharias, im Buche Sirach und im Buche Leviticus, an vier Stellen. Wenn vom Anhang des Teufels die Rede ist, dann sind doch wohl meistens, vielleicht auch immer, die bösen Menschen gemeint, die sich in seine Knechtschaft und in seine Gefolgschaft begeben haben. Im Unterschied zu den Vorstellungen vom Bösen, die in der Umwelt des Alten Testamentes existierten, werden Unheil und Unglück im Alten Testament nicht auf den Teufel, sondern auf Gott zurückgeführt. Unheil und Unglück sind Heimsuchungen Gottes. Die Umwelt des Alten Testamentes dachte ganz anders. Danach gehen Unheil und Unglück auf Unholde zurück, also auf böse Wesen, deren der Mensch sich erwehren muß, die er zu besänftigen versuchen muß. Das sind Ideen, die  mit dem Alten Testament nichts zu tun haben. Das Alte Testament ist nicht abhängig von den Vorstellungen der Dämonen in seinem Umkreis. Diese Ansichten mögen ein schwacher Widerhall der Uroffenbarung sein, aber sie haben jedenfalls das Alte Testament nicht geprägt.

Im Neuen Testament ist von vielen Teufeln die Rede. Nach dem Neuen Testament gibt es ein Reich des Teufels. Der oberste der Teufel ist Beelzebul, und ein Besessener hat einmal das Geheimnis seiner Besessenheit preisgegeben, als es aus ihm hervorfuhr: „Wir sind ihrer Legion!“ Legion ist eine militärische Einheit von 6.000 Mann. Wir sind ihrer Legion, das bedeutet also: Wir sind ihrer viele. Nach dem Neuen Testament gibt es also viele Teufel. Wie viele es sind, ist uns nicht geoffenbart. Die Annahme, daß die Zahl der bösen Engel größer sein könnte als die der guten,  ist wohl kaum verträglich mit der Weisheit und Würde des Schöpfers. In jedem Falle aber muß man davon ausgehen, daß es eine höllische Heerschar gibt, so wie es eine himmlische Heerschar gibt, die im Kampfe miteinander stehen.

Noch einmal sei die biblische Lehre von den Teufeln abgegrenzt von den Religionslehren der Umgebung des biblischen Glaubens. In der griechischen Religion ist die Rede von Dämonen. Die Dämonen sind launische, unberechenbare Wesen. Sie treten zu außergewöhnlichen Zeiten und an außerordentlichen Orten, in außerordentlichen Ereignissen auf. Der Mensch muß sie zu besänftigen  oder sich zu erwehren suchen. Die griechische Philosophie hat diese Vorstellungen umzubiegen versucht, indem sie die Dämonen als Zwischenwesen zwischen Gott und den Menschen ansiedelt. Sie sind in irgendeiner Weise Gott verwandt und Gott gleichartig. In der persischen Religion treten zwei Götter auf, ein guter Gott und ein böser. Der gute  Gott heißt Ormuzd, und der böse Gott heißt Ahriman. Der gute Gott hat ein Reich des Lichtes und der Helligkeit geschaffen, der böse Gott ein Reich des Dunkels und der Finsternis. Zwischen diesen beiden Reichen besteht ein nie endender Kampf. Die Gezweiung geht durch das Sein und  durch die Geschichte. Ormuzd und Ahriman kämpfen miteinander, und erst am Ende der Geschichte wird Ormuzd den Ahriman überwinden und vernichten. Hier sind also zwei Prinzipien, zwei Urprinzipien angenommen, und das ist eben der große, der unüberbrückbare Unterschied zum biblischen Glauben an den Teufel. Der Teufel ist nach der Offenbarung kein Urprinzip, sondern ein Geschöpf Gottes, das durch seinen eigenen freien Willen von Gott abgefallen ist.

Niemand hat das besser ausgedrückt, meine lieben Freunde, als der heilige Kirchenlehrer Basilius. „Gabriel ist ein Engel und steht ohne Unterlaß bei Gott. Der Satan war ein Engel, verlor aber seine Stellung ganz. Ersteren hielt seine freie Wahl im Himmel, letzteren stürzte seine Wahlfreiheit in die Hölle. Es hätte auch Gabriel abtrünnig werden können und Satan nicht abfallen müssen, allein ersteren hielt seine unbegrenzte Liebe zu Gott, letzteren machte seine Abkehr von Gott verdammungswürdig. Der Teufel ist böse, weil er sich bewußt und frei für die Bosheit entscheidet, nicht weil seine Natur dem Guten entgegengesetzt ist.“ Durch diese Sätze aus einer Predigt des heiligen Basilius wird ganz treffend der kirchliche Glaube wiedergegeben: Es gibt keine böse Urmacht, es gibt kein böses Urprinzip, sondern es gibt nur gute, von Gott gut erschaffene Wesen, die aber wegen ihrer Wahlfreiheit auch das Böse haben wählen können und dann eben, die Engel wegen ihrer besonderen Intelligenz, für immer und ewig verloren gegangen sind.

In dem Bühnenstück „Des Teufels General“ von Carl Zuckmayer gibt es eine interessante Szene. Da fragt ein junger Hauptmann den General: „Glauben Sie an Gott?“ Der General antwortet: „Ich weiß es nicht. Ich bin ihm nie begegnet, aber das lag wohl an mir. Den Teufel aber,“ sagt er, „den kenne ich!“ Es scheint manchmal leichter, an den Teufel zu glauben als an Gott. Die Welt ist in einem Zustand, daß der Teufelsglaube für den, der die Wirklichkeit ohne ideologische Scheuklappen zur Kenntnis nimmt, näher liegt als der Glaube an Gott. Aber wir machen uns ja unsere Weltsicht und unsere Weltanschauung nicht selbst. Wir nehmen sie entgegen aus der Hand Gottes in der Offenbarung, die von der Kirche unfehlbar vorgelegt wird. Und davon wissen wir, daß Gott der Schöpfer aller Wesen ist, daß er die Geschöpfe gut geschaffen hat, daß er sie aber frei geschaffen hat, und daß die Geschöpfe in ihrer Freiheit zu wählen haben zwischen Gut und Böse. Die Guten, die sich zu Gott bekennen und in seiner Liebe verweilen, werden aufbewahrt für eine unaussprechliche Seligkeit. Die Bösen aber, die sich dem Satan anschließen und seinen Satrapen, werden für immer und ewig verloren sein, wenn sie sich nicht rechtzeitig bekehren.

Amen.

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