Die Wahrheit verkündigen,
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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
15. Oktober 2023

Die heilige Hedwig, Patronin von Schlesien

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Hedwig war die Tochter des Grafen Berthold IV. von Meranien (1180-1204) und wurde etwa im Jahre 1174 auf Schloss Andechs in Oberbayern geboren. Mit fünf Jahren wurde sie den Benediktinerinnen in Kitzingen zur Erziehung und Bildung übergeben. Sieben Jahre lang erfuhr sie dort ihre Ausbildung. Besonders eifrig widmete sie sich dem Studium der Heiligen Schrift, wobei der Heilige Geist ihr Lehrmeister war. Dies ist die Quelle, aus der sie ein langes Leben hindurch unermüdlich heilige Kraft schöpfte. Die Eltern fanden für Hedwig einen Gemahl: Herzog Heinrich der Bärtige (1201-1238) von Schlesien. Schlesien war damals ein von Slawen besiedeltes Land. Bis 1163 hatte es vorwiegend unter polnischer Herrschaft gestanden. Allerdings bestanden vielfache familiäre und politische Beziehungen zwischen den schlesischen Piasten und deutschen Fürstenhäusern; selbst im staufischen Kaiserhaus gab es Verwandte des jungen Herzogs. Sein Vater, Boleslaus I. (1163-1201), war gewillt, das nunmehr selbständig gewordene Land eng mit dem deutschen Reich zu verbinden. Er hatte siebzehn Jahre in Deutschland in der Verbannung gelebt. Als er nach Schlesien zurückkehrte, nahm er deutsche Ritter und Geistliche, die seine Freunde geworden waren, mit in den Osten. Aber sie allein vermochten nicht, deutsche Kultur im slawischen Land heimisch zu machen. Boleslaus wird wohl aus dieser Erkenntnis heraus seinem Sohn eine deutsche Gattin gesucht haben. Hedwig ist ein Kind des sonnigen Südens. Noch nicht 15 Jahre alt, muss sie in den rauhen Norden hinaufziehen. Aus politischer Berechnung wird sie an den Fürsten von Schlesien verheiratet. Heimweh quält sie im fremden Land, dessen Sprache sie nicht versteht, dessen Gewohnheiten ihr fremd sind. Das Heimweh drängt sie näher zu Gott. So wartete neben allem fremdartig Neuen eine ungeheure Aufgabe auf die Gräfin. Wir wissen aus den ersten Jahren ihres Aufenthalts in Schlesien nur dies, dass sie ihren Gemahl als einen tugendhaften und dem Volk nützlichen Mann in Gott liebte und sieben Kinder gebar. 

1201 starb Boleslaus, ihr Schwiegervater, und sein Sohn Heinrich, der Gatte Hedwigs, wurde Herzog. Er hatte heftige Kämpfe mit anderen Piasten auszutragen, deren Ergebnis die Erweiterung Schlesiens zu vorher nie erreichter Größe war. Heinrich verwaltete sein Land klug und vorsichtig. Besonnenheit gegenüber seinen Ratgebern, Milde und Gerechtigkeit gegenüber seinen Untertanen werden als seine besonderen Herrschertugenden gerühmt. Um das Land wirtschaftlich und kulturell zu heben, glaubte Heinrich nichts Besseres tun zu können, als deutsche Siedler herbeizurufen. Überall in Schlesien entstanden neue Dörfer und Städte mit deutschen Bauern und Bürgern. Sie zu betreuen, ihnen in jeder Notlage zu helfen, war die vornehmste Aufgabe der Herzogin. Auf die rein politischen Taten ihres Gatten hatte sie keinen Einfluss. Sie unterstützte ihn bei der Vertiefung des christlichen Lebens und der kulturellen Hebung des schlesischen Landes. Sie begleitete ihn auf seinen Reisen durch das Land, saß mit ihm zu Gericht. Auch der Ärmste und Verlassenste wusste, dass seine Bitten an das Ohr des Herzogs gelangten durch Hedwig. Ihre unermüdliche Güte und Hilfsbereitschaft gewannen ihr die Zuneigung auch ihrer slawischen Untertanen. In ihr erblickten sie das edelste Abbild deutschen Wesens. Zahlreiche Orden wurden in das Land gerufen: Augustiner, Dominikaner, Franziskaner, Prämonstratenser, Templer und Zisterzienser. Schon früh erkannte Hedwig, dass ihrem Land etwas fehlte, was die Verwurzelung christlicher Lebensform in ihrer deutschen Heimat so wesentlich gefördert hatte: die Frauenklöster. So gab es für die Töchter des Adels nicht jene Stätten der Erziehung und der Möglichkeit heiliger Lebensvollendung. Sie veranlasste ihren Gatten zur Gründung des Zisterzienserinnenklosters Trebnitz (1202). Durch Hedwigs Vermittlung wurden Ordensfrauen aus Bamberg nach Schlesien entsandt, an ihrer Spitze Petrussa, die einstige Lehrmeisterin Hedwigs aus Kitzingen. Für die Herzogin wurde das Kloster Trebnitz in vielfacher Weise der Ort, wo sie wahrhaft daheim war.

Zwei Gruppen von Menschen waren es, in denen Hedwig die Gegenwart Christi besonders nahekam: die Priester und die Armen. Der Grund für ihre hohe Achtung der Priester lag wohl in ihrer Wertschätzung des heiligen Messopfers. Besonders wandte sich Hedwig den Elendesten unter den Elenden zu. In Breslau wurde auf ihre Veranlassung hin das erste Hospital in Schlesien gebaut. Ein Aussätzigenheim in Neumarkt folgte. Hedwig diente den Armen und Kranken eigenhändig. Ihre Diener beauftragte sie nur dann und dort mit guten Werken, wenn und wo sie nicht alles selbst tun konnte. Sie hatte ständig dreizehn Arme bei sich. Selbst auf ihren Reisen durch das Herzogtum mussten sie ihr nachfahren. Kam man dann in eine Burg oder in eine Herberge, so sorgte Hedwig zuerst für die Armen, und dafür nahm sie nicht selten das für sie selbst gerichtete Mahl. Unter den Hofjunkern ging deshalb das Wort: Lieber als Bettler bei der Herrin essen als vom Tisch des Herrn.

Der Heroismus, mit dem Hedwig Christus in seinen Brüdern diente, war jedoch gleichsam nur der Mantel, unter dem die eigentliche Gestalt ihrer Heiligkeit, die Verähnlichung mit Christus, sich verbarg. Mit innerer Notwendigkeit ging sie Schritt um Schritt auf dem Weg der Kreuzesnachfolge. Sie scheute sich nicht, ein Opferlamm aus inniger Liebe zu ihm zu werden, der aus überströmender Liebe für alle Menschen gekreuzigt wurde. Von hier aus wird die Härte verständlich, mit der sie gegen sich selbst vorging. Ihre Strenge in Nahrung, Kleidung und Lebensweise überschritt jedes Maß. Es ist auffallend, wie sicher Hedwig ohne jede Führung von außen und gegen sehr viele Widerstände diesen Weg ging. Auf die Vorhaltungen des Archidiakons  von Breslau, dass sie zu viel faste, antwortete sie kurz: „Ich esse, was mir genügt.“ Ihr Gatte ehrte und bewunderte seine Ehefrau. Von ihr übernahm er die selbstlose Christusliebe. Beide legten nach zwanzigjähriger Ehe das Gelübde der Enthaltsamkeit ab.

Kinder werden geboren. Nun hat sie liebende Sorge und geht ganz in der Erziehung und Pflege der Kinder auf. Da nimmt ihr der Tod die Kinder. Demütig beugt sich Hedwig unter den Schlägen Gottes. „Wie Gott will!“ Das Leid macht ihre Seele reif und stark. Weitere Kinder kommen. Es folgt eine kurze Zeit des Friedens und der Freude. Aber dann hageln die Leiden auf sie nieder. Ihre Schwester Gertrud, die Königin von Ungarn, wird ermordet. Kaum ist der Schicksalsschlag verwunden, da stirbt ihre andere Schwester Agnes, die Königin von Frankreich, reuelos und in der Sünde. Das ist das Allerschrecklichste. Zu Hause ist die Burg in Flammen aufgegangen. Ihr Bruder Heinrich II. von Istrien irrt geächtet in fremden Landen umher. Das Leid verschont ihre eigene Familie nicht. Ein Sohn empört sich gegen die Eltern. Auf der Jagd bricht er sich das Genick. Ihr Mann kommt in den Kirchenbann, weil er sich gegen die Kirchengüter verfehlte, und stirbt im Kirchenbann (1238). Wie hat die tiefgläubige Gattin unter diesem Schlag gelitten! Sechs ihrer Kinder starben vor ihr. Noch einen Sohn hat sie, Heinrich. Auf ihn ist sie stolz. Er ist der Mutter nachgeschlagen. Heinrich muss in die Schlacht, um das Land gegen die wilden Mongolen zu schützen (9. April 1241), und fällt. Des Nachts geht die Mutter über das Schlachtfeld der Wahlstatt bei Liegnitz und sucht ihren Sohn unter den Toten. Verstümmelt, entstellt, blutüberströmt findet sie ihn und birgt ihn weinend auf ihrem Schoß. Die Gottesmutter auf Golgotha scheint wieder auf die Erde gekommen zu sein. Kein Vorwurf gegen Gott drängt sich über die Lippen der schmerzgebeugten Frau. Sie betet im tiefsten Leid: „Es muss uns gefallen, was Gott gefallen hat.“ Hedwig hat einen Enkel, Boleslaus II., einen rechten Taugenichts. Er wird Heinrichs Nachfolger (1241-1278). Der Enkel zerschlägt alles, was sie aufgebaut hat. Sie kann es nicht hindern. Hedwig zieht sich in das Kloster Trebnitz zurück. Dort betet, opfert, sühnt sie für andere und stirbt als Heilige unter dem Schleier einer heiligen Verwandten, ihrer Nichte, Elisabeth von Thüringen (1207-1231), am 15. Oktober 1243, fast siebzig Jahre alt.

Die sofort einsetzende Verehrung und zahlreiche wunderbare Begebenheiten an ihrem Grab führten rasch zur Einleitung des Heiligsprechungsprozesses. Er wurde 1267 durch Papst Clemens IV. (1265-1268) mit der Aufnahme der Herzogin unter die Heiligen der Kirche beendet. Die Oration des Festes der hl. Hedwig fasst in wunderbar präziser Form Geheimnis und Botschaft ihres Lebens zusammen: O Gott, du hast die heilige Hedwig gelehrt, mit ganzem Herzen vom Prunk der Welt zur demütigen Kreuzesnachfolge überzugehen. Lehre uns durch ihr Beispiel und Verdienst, die vergänglichen Freuden der Welt mit Füßen zu treten und in der Umarmung deines Kreuzes alles, was sich wider uns erhebt, zu überwinden. Hedwig ist Patronin von Schlesien. Die Liebe der Schlesier hat sie niemals vernachlässigt oder vergessen. Viele Frauen und Mädchen aus Schlesien tragen ihren Namen. Die Verehrung der heiligen Hedwig ist nicht auf die Schlesier beschränkt. Sie sollte von allen Christen geübt werden, die um ihre Heiligkeit wissen und ihre Tugenden nachahmen wollen.

Jetzt, Christen, stimmet an, es singe, wer da kann: Schutzfrau des Schlesierlands,    

Krone des Fürstenstands, o Sankt Hedwig!

O große Heilige du, dein Ruhm nimmt immer zu. Sind’s gleich achthundert Jahr,           

dich preist man immerdar, o Sankt Hedwig!

Wer fromm wie du gelebt, der Tugend nachgestrebt, bleibt für die Christenheit

ein Vorbild allezeit, o Sankt Hedwig!

Amen.

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