Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
12. Juni 2022

Der dreieinige Gott

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Offenbarung der Tatsache, dass Gott ein Mensch geworden ist, brachte uns die überraschende und zunächst ganz unbegreifliche Tatsache, dass in Gott, dem Einen und Einzigen, eine gewisse Mehrheit besteht, eine Zweiheit, ja sogar eine Dreiheit, die aber die Einzigkeit und Unteilbarkeit Gottes in keiner Weise aufhebt. Drei sind es, von denen die Selbstoffenbarung Gottes spricht, der Vater, der Sohn und der Geist. Und diese Drei sind verschieden voneinander, so sehr, dass die Menschwerdung nur einem von ihnen zukommt, dem Sohn, nicht dem Vater und nicht dem Geist. Nur der Sohn, das Wort, der Logos, wie Johannes ihn nennt, ist Mensch geworden. Obwohl diese Drei voneinander verschieden sind, ist doch jeder von ihnen wirklich und wesentlich göttlicher Natur und Würde. Und zwar besitzen sie alle drei das gleiche göttliche Sein, so dass es in der Tat doch nur ein göttliches Sein, eine göttliche Wesenheit, eine einzige Gottheit gibt. Die drei Personen sind Eins nicht wie drei menschliche Individuen, die in derselben Art übereinkommen oder die gleiche Gesinnung und Willensrichtung haben oder ein Triumvirat bilden; so wären sie drei Götter. Ihre Einheit ist die Einheit des einen Wesens, Identität der Substanz, Homousie. Dieselbe göttliche Substanz ist sowohl Vater als Sohn als Heiliger Geist. Mit den begrifflichen Hilfsmitteln der griechischen Philosophie wurde die erstaunliche Tatsache so formuliert: Es gibt nur eine göttliche Natur, aber drei göttliche Hypostasen, drei persönliche Träger dieser einen göttlichen Natur. Diese Wahrheit ist in der Heiligen Schrift erkennbar. Das doppelte „und“ in der Taufformel sowie die Wiederholung des Artikels „des“ zwingt, Vater, Sohn und Heiligen Geist als real unterschiedene Personen zu fassen; verbietet anderseits ein Unterordnen der zweiten Person und der dritten Person unter die erste. Dass aber die Taufe in einer Kraft und Autorität („auf den Namen“, Singular) der drei Personen gespendet wird, spricht die Einheit der Natur aus. Getreu dem Auftrag des Herrn predigten die Apostel, beginnend mit dem Pfingstfest, und die Kirche in allen Jahrhunderten den dreipersönlichen Gott als die Grundwahrheit des Christentums und tauften in dessen Namen. Schon das Athanasianische Glaubensbekenntnis formuliert klassisch: Natureinheit und reale Personendreiheit. Die Einheit ist eine Einheit des Wesens, der Attribute und der Tätigkeit. Die Verschiedenheit bezieht sich auf die Personen, auf die Ausgänge (Ursprünge) und die Besitzweise des göttlichen Wesens. Der Vater ist „ein anderer“ als der Sohn und der Heilige Geist, aber ganz und gar „dasselbe“ wie der Sohn und der Heilige Geist. Hieraus ergibt sich notwendig die vollkommene Gleichheit der drei Personen in Größe und Dauer, aber auch die Einheit der Tätigkeit, denn die Substanz ist Tätigkeitsprinzip in den Dingen. Alle drei Personen sind darum nur „ein Prinzip der Welt, ein Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge“ (4. Lat.). Das der Zahl nach eine und einzige göttliche Wesen ist so vollkommen und unendlich, dass es von drei real verschiedenen Personen zwar auf verschiedene Weise, aber in gleicher Vollkommenheit besessen wird. Vater, Sohn und Heiliger Geist sind jeder wahrhaft Gott und doch nur ein Gott. Die Einheit ist so unendlich vollkommen, dass sie durch die Dreiheit nicht getrennt wird, und die Dreiheit ist so real, dass sie durch die Einheit nicht vernichtet wird. Die Mehrheit von persönlichen Trägern des einzigen Seins in Gott können wir nicht erleben oder erfahren. Sie kommt in dem ganzen Bereich unserer Erfahrung nicht vor. Sie kann niemals Gegenstand unserer Erfahrung sein, ist also niemals völlig begreiflich und durchschaubar. Wir wissen davon nur durch die Mitteilung Gottes. „Wer die Majestät erforschen will, den erdrückt ihre Herrlichkeit.“ So muss es sein. Ein Gott, den wir begreifen und durchschauen könnten, verlöre seine Göttlichkeit; er wäre ein Gemächte unserer Gedanken. Ein endliches Wesen ist unfähig, ein unendliches Wesen zu begreifen. „Gott ist unbegreiflich“, sagt das Erste Vatikanische Konzil.

Das Dogma der allerheiligsten Dreifaltigkeit ist in das alltägliche religiöse Leben eingegangen. Sooft wir das Kreuzzeichen machen, sooft wir das Taufsakrament vollziehen, sooft wir einen christlichen Segen spenden, bekennen wir uns zu diesem Dogma, indem wir sprechen: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Es gab Zeiten, in denen der christliche Glaube mit den alltäglichsten Dingen und Geschäften in Verbindung gebracht wurde. Die Gläubigen unternahmen keine ernste und wichtige Sache, ohne den Namen des dreipersönlichen Gottes anzurufen. Urkunden und Testamente, Verträge und Friedensschlüsse begannen mit diesen heiligen Worten. Das Instrument des Westfälischen Friedens vom Oktober 1648 beginnt mit den Worten: Im Namen der heiligsten und ungeteilten Dreiheit. Amen. Diese Zeiten sind vergangen. Aber die Wahrheit vom dreieinigen Gott besteht unverändert weiter. Gott fordert seine Anerkennung, aber er ist nicht davon abhängig.

Die Lehre von der Dreifaltigkeit bedeutet ein inneres Leben von unvorstellbarer Größe, Weite und Kraft. Wir können hineinblicken in das innere Leben Jesu Christi und durch ihn in das innere Leben der Gottheit und von hier aus in das innere Leben eines jeden gottverbundenen Christen. 1. Das innere Leben Jesu war ein Leben im dreipersönlichen Geheimnis Gottes. Jesus lebte nur in der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Heiligen Geiste. Beim Vater ist er schon, bevor Abraham ward, ja schon vor Erschaffung der Welt. Vom Vater ist er gesandt, und zum Vater nimmt er seinen Heimgang mit den letzten Worten, die er sterbend spricht: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Aus dem Vater und ihm selbst entspringt der Strom des Heiligen Geistes. Dieses dreipersönliche Leben ist die Heimatwelt all seiner Gedanken und Entschlüsse, seines ganzen inneren Lebens. Er kommt zu den Menschen nur, weil der Vater ihn sendet, und er liebt uns, weil der Vater uns ihm ans Herz gelegt hat; nur durch den Vater und den Geist (den er ausgehen lässt) werden wir ihm verbunden. Hier liegt seine tiefste Freude: „Ich weiß, dass der Vater mich liebt“, gesteht er mit zitternder Innigkeit der Seele und der Stimme. Hier liegen seine letzten und höchsten Normen: „Vater, dein Wille geschehe.“ Hier beginnen und münden alle seine Gebete: „Ich danke dir, Vater, für diese Stunde.“ Es sind ihrer zwei, er und der Vater, und doch sind sie eins. „Der Vater ist in mir und ich bin in ihm.“

2. Von hier, von der Seele Jesu aus, können wir den Blick wagen in den Lebensraum Gottes. Das Wesentliche des inneren Lebens Gottes ist das Schenken und das Empfangen. Der Sohn geht vom Vater aus, indem er von ihm alles empfängt, ewige, göttliche Herrlichkeit. Und der Geist geht vom Vater und vom Sohne aus, indem er in Empfang nimmt, was der Vater mit dem Sohn ihm schenkt. Das ist also Gottes inneres Leben: dass Gottes Wesen und Sein ausgeht und eingeht, von einem zum andern, dass es mitgeteilt wird. Das Aussprechen und Lauschen, das Hineinsagen und Antwortgeben, das zwischen Vater und Sohn strömt, ist von einer unendlichen Wärme und Innigkeit, von einer unvorstellbaren Zärtlichkeit der Liebe. Und das ist das dritte Du im göttlichen Lebenskreise, der Geist, der Heilige Geist im wörtlichsten Sinne, nämlich das heilige Atmen Gottes ist er, in dem der Vater und der Sohn die ganze Wärme ihrer seligen Verbundenheit ein- und ausatmen. Er ist der Pulsschlag, der Tonfall, in dem der Vater und der Sohn zueinander sprechen.

3. In dem Lebensraum der Menschen wohnt ein Nachhall und soll ein Nachbild des göttlichen Lebensraumes geschaffen werden. a) Ein Nachhall. Im Leben der Schöpfung und der Menschenseele ist vieles, was an das göttliche Leben und seinen Dreiklang erinnert. Auch in unserer Welt gibt es ein Zeugen und ein Sprechen, eine Vater- und Mutterschaft, ein Vatersagen und ein Kinderreden. Freilich, es ist nur ein ferner, sehr ferner Nachhall. Es gibt eine leibliche und sogar eine geistige Zeugung in uns und ein Hervorbringen eines Ebenbildes, in dem wir uns selbst wiederfinden. Ebenso gibt es auch ein Wehen und Atmen und Pulsen der Liebe, das uns an das Atmen der göttlichen Liebe erinnert. b) Die Menschenseele soll ein Nachbild des dreipersönlichen Lebens in Gott werden. In den Geheimnissen der Gnade und Begnadung wird das göttliche Leben selbst uns mitgeteilt und so ein gleichartiges Nachbild der göttlichen Lebensvorgänge in uns erschaffen. Der menschgewordene Gott kehrt mit dem Vater in uns ein und nimmt Wohnung in uns und lässt in unserer Seele den Heiligen Geist ausströmen. Der Lebensraum unserer Seele wird zu einem Lebensraum Gottes. In der begnadeten Seele begibt sich das dreipersönliche Leben Gottes. Indem sich der göttliche Lebensprozess in unserer Seele begibt, wird sie selbst eingefügt und hineingenommen in diesen Lebensgang. Sie wird teilhaftig der göttlichen Natur, wie es die Heilige Schrift in einem Wort von fast erschreckender Kühnheit nennt. „Wisst ihr nicht“, schreibt der Apostel Paulus an die Hafenarbeiter von Korinth, „dass ihr Gottes Tempel seid und dass der Geist Gottes in euch wohnt?“

Diese Wallungen des göttlichen Lebens sind unzugänglich für unser bewusstes Denken und erst recht für unsere Sinne. Aber von diesen innersten Bezirken gehen Wirkungen aus. Von einem Menschen, der das Mysterium des trinitarischen Gotteslebens in sich trägt, stellen sich Formungen und Gestaltungen ein, die nach dem Bild und Gleichnis des dreipersönlichen Gottes geartet sind. Sein Leben wird zu einem Strömen und Verströmen, eine Gemeinschaft und eine Verbundenheit. In unserem ganzen Leben, in unserem Familien- und Eheleben, in unserem Volksleben, selbst in unserem Arbeits- und Wirtschaftsleben muss und kann eine geistgetragene Verbundenheit, ein treues Füreinander und Miteinander Platz greifen. „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott empfangen habt; und dass ihr nicht mehr euch selbst gehört? Ihr seid um einen hohen Preis erkauft; verherrlicht also Gott mit eurem Leibe.“ Da sieht man, wie das Dogma von dem dreipersönlichen Gott in unseren menschlichen Lebensraum hineinragt. Alles Lebendige und Starke, alles Geistvolle und Beglückende in dieser Welt ist ein Symbol und ein Erinnerungszeichen der Lebenswunder, die sich im Schoße des dreipersönlichen Gottes begeben. Und alle gottgeschenkte Liebe, alle Herzensbündnisse und alles einträchtige Zusammenwirken der Gotteskinder ist noch mehr als ein Symbol: Es ist eine Auswirkung und Offenbarung der Gemeinschaft, die in Gott ist. So sollte es unter uns sein, dass wir nicht nur jeder für sich Stirn, Mund und Brust segnend bezeichnen, sondern dass wir es auch einander tun und mit lebendiger Tat zueinander sagen: Gesegnet seist du im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!

Amen.

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