Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
29. Mai 2022

Christi Himmelfahrt II

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

I. Die endgültige Heimkehr Christi

Am Ende der 40 Tage steht die endgültige Rückkehr Christi in die Herrlichkeit des Vaters. Die Jünger kehrten nach dem „Emporgetragenwerden ihres Herrn mit großer Freude“ nach Jerusalem zurück (Lk 24,52). Sie sahen darin die Bestätigung seiner Gottgehörigkeit und seiner Mittlertätigkeit, den Beweis seiner Erhöhung und die Gewähr seiner Wiederkunft. Diese Himmelfahrt unterscheidet sich beträchtlich von der Trennung Jesu nach jeder seiner Erscheinungen. In diesen entfernte sich Jesus nach seinem Sichtbarwerden durch bloßes Verschwinden, durch Unsichtbarwerden. Den Emmausjüngern „entschwand er aus ihrer Mitte“ (Lk 24,31). Die Jünger erfuhren nicht aus seinem Munde, wohin er ging. Er kam bei verschlossenen Türen (Joh 20,19) und ging bei verschlossenen Türen. Seine verklärte Natur spottete jedem Schloss und Riegel. In der (letzten) Himmelfahrt lässt Jesus seine Rückkehr zum Vater jedoch durch ein sinnlich wahrnehmendes Geschehen erkennen. Lukas und Markus schildern diese Himmelfahrt Jesu nach der letzten Erscheinung (Apg 1; Mk 16,19). Christus hat die Himmelfahrt vor seinen Aposteln vollzogen (Mk 16,19; Lk 24,51; Apg 1,9f.; Eph 4,10; Hebr 4,14). Segnend schied er von ihnen und fuhr in den Himmel hinauf (Lk 24,51). Nach seinem letzten Beisammensein mit seinen Jüngern ist Jesus also nicht plötzlich verschwunden, sondern vor ihren Augen zum Himmel aufgefahren, um dadurch zum Ausdruck zu bringen, dass er nun dauernd beim Vater sein und sich ihnen nicht mehr zeigen werde. Dieses Ereignis entsprach wie das ganze Leben Jesu dem Willen des himmlischen Vaters. Dementsprechend hat er sein Himmelfahrt vorhergesagt (Joh 6,62; 14,2-4; 16,28; 20,17). Die (sichtbare) Himmelfahrt beendet die letzte Erscheinung des Auferstandenen vor seinen Jüngern. Sie beschließt auch das Offenbarungswirken des Herrn. Die Himmelfahrt ist Abschluss der Offenbarungsgeschichte.

Die sichtbare Himmelfahrt (am Ende der 40 Tage) vollzog sich nach oben, in Richtung auf den Wolkenhimmel. Doch der Himmel der Engel und der verklärten Menschen unterliegt nicht den lokalen Bezeichnungen „oben“ und „unten“. Er ist dort, wo Gott sich den Seligen offenbart, dessen Lage wir nicht kennen. Die Geste bzw. die Aussage des Emporschwebens hat also keine Parallele in der Raumfahrt der Astronauten. Sie ist vielmehr ein Symbol der neuen Existenzweise, die Jesus in seiner Auferstehung gewonnen hat. Gegen naturalistisches Missverständnis des Auffahrens schützt die Aussage, er sei „über alle Himmel“ aufgestiegen (Eph 4,10). Der Himmel, in den Jesus aufgefahren ist, transzendiert nicht nur die Erde, sondern auch das Firmament und die Welt der Sterne. So muss es sein, wenn Gott er selbst bleiben soll. Gott ist unsichtbar für menschliche Augen. Die Unsichtbarkeit ist eine Wesens-eigenschaft Gottes. Sie ist Ausdruck seiner totalen Andersartigkeit gegenüber allen Geschöpfen. Ein Gott, der vom Menschen gesehen werden könnte, wäre ein Bestandteil der Schöpfung, verlöre seine Göttlichkeit, seine Unverfügbarkeit für den Menschen. Er wäre angreifbar. Die Welt Gottes, der besondere Wirkraum Gottes, die Stätte seiner einzigartigen Gemeinschaft mit den Menschen hat Teil an seiner Unsichtbarkeit. Der Zugang zu ihr ist Menschen verschlossen, ist allein durch Gottes Allmacht eröffnet. Das eigenmächtige Eindringen in Gottes Welt ist ausgeschlossen.

Die äußere Erhebung in die Lüfte versinnbildet den Übergang Jesu in den jenseitigen Zustand der Seligkeit, aber sie bewirkt ihn nicht. Deren Ursache ist die Verklärung, die Jesus in der Auferstehung erfahren hat. Alle Erscheinungen des Auferstandenen erfolgten vom Himmel her. Sie wurden ausnahmslos beendet durch die Rückkehr in den Himmel. Der Abschluss der Erscheinungen wird dadurch angedeutet, dass himmlische Boten den Blick auf die Wiederkunft Christi (als endzeitlicher Richter) lenken (Apg 1,10f.). Die Heilige Schrift spricht sowohl vom aktiven Hinaufsteigen (Eph 4,10; 1 Petr 3,22; Joh 6,22; 13,3; 20,9) als auch vom passiven Emporgehobenwerden (Mk 16,19; Lk 24,51; Apg 1,9.11; 1 Tim 3,16). Beide Redeweisen haben ihre Berechtigung. Denn Gott ist in jedem Falle die entscheidende Wirkursache, der Mensch lediglich die Werkzeugursache des wunderbaren Vorgangs. Die Kirche legt Wert darauf zu erklären, dass Christus zum Himmel auffuhr aus eigener Kraft. Das ist ein Unterschied zu den Fällen des Hinauf- oder Weggetragenwerdens, die von Elias  (4 Kg 2,11), Habakuk (Dan 14,35) oder dem Diakon Philippus (Apg 8,39) berichtet werden. Jesus bewirkte die Auffahrt zum Himmel aus eigenem Vermögen. Er vollzog sie als Gott und als Mensch. Der göttlichen Macht bot sie keine Schwierigkeit. Seine menschliche Kraft wurde durch die Verklärung, die er in der Auferstehung erfuhr, befähigt, den Leib dahin zu bewegen, wohin ihn der Wille des himmlischen Vaters rief.

II. Der Himmel des erhöhten Christus

Christi Himmelfahrt geschah nicht nach seiner göttlichen, sondern nach seiner menschlichen Natur. Der göttlichen Natur nach hat er, der als Gott Himmel und Erde erfüllt, den Himmel nie verlassen. Seiner menschlichen Natur nach war er vor der Auffahrt nicht im Himmel, d.h. in der Welt Gottes. Mit der Auferstehung und Himmelfahrt tritt zum erstenmal ein Mensch, der Mensch Jesus, ein in die Herrlichkeit des himmlischen Vaters. Damit wird eine neue Wirklichkeit geschaffen. Denn Christus kehrt nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt nicht in einen schon vorher existierenden Himmel zurück. Vielmehr schafft er dadurch den Himmel als die Stätte des verklärten Christus und aller derer, denen er Anteil an seiner Gegenwart gibt. Seiner menschlichen Natur nach, also nach Leib und Seele, begründet er den Ort der gemeinsamen Seligkeit der Engel und Menschen. Jesus bereitet den Seinen ein Heim und erschließt ihnen den Weg zu diesem Heim (Joh 14,2f.; Hebr 6,20). Richtig erklärt Joseph Ratzinger, „daß ‚Himmelʻ als die Dimension des Einsseins von Gott und Mensch überhaupt erst durch die Himmelfahrt Christi und die darin geschehene Einbeziehung des Menschen in die Wesensweise Gottes gegründet wurde“.

Die Menschen mögen fragen, wo Christus nach seiner Himmelfahrt weilt. Nach seiner menschlichen Natur kann er nicht allgegenwärtig, muss er an einem bestimmten Ort gegenwärtig sein. Dieser Ort ist unserer Erfahrung nicht zugänglich. Niemand vermag anzugeben, wo sich die menschliche Natur Christi befindet. Michael Schmaus meint, dass die Erhöhung Christi „eine lokale Versetzung der verklärten menschlichen Natur Christi an einen ihrem verklärten und seligen Zustand entsprechenden Ort innerhalb der Schöpfung“ ist. Daniel Feuling spricht ähnlich von einem „Ort in dieser materiellen Welt, den Gott bestimmt hat für den Menschensohn und für die Seligen, die zur Vollendung kommen“.

III. Der Heilswert der Himmelfahrt Jesu

Was bedeutet die Himmelfahrt Christi für uns? Haben wir Gewinn, Nutzen daran? Die Auferstehung Jesu ist seine Inthronisation zum Messias und Herrn (Apg 2,35f.; Hebr 1,5). Sie hat ihm „Herrlichkeit“ (doxa) (Röm 8,17; 1 Petr 1,21; 1 Tim 3,16) und „Kraft“ (dynamis) (Röm 1,4) verschafft. Jetzt hat er einen Namen über alle Namen empfangen, auf dass jedes Knie sich vor ihm beuge und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus der Herr ist in der Herrlichkeit Gottes des Vaters (Phil 2,9-11). Er ist jetzt zum „Herrscher und Heiland“ erhöht, „um Israel Buße und Vergebung der Sünden zu ermöglichen“ (Apg 5,31). Er hat uns „in Christus miterweckt und miteingesetzt im Himmel“ (Eph 2,4-6). Durch seine Erhöhung ist er nun wahrlich „der Sohn Gottes in Kraft“ (Röm 1,4). Nun erfüllt sich sein Wort: „Wenn ich von der Erde erhöht sein werde, werde ich alles an mich ziehen“ (Joh 12,32). Als Erhöhter ist er das Haupt seiner Kirche, belebt und leitet er seine Glieder. Nun kann er jene retten, die durch ihn Gott nahen; denn er lebt, um als Fürbitter für sie einzutreten (Hebr 7,24f.). Der zur Rechten Gottes befindliche Jesus legt Fürsprache für uns ein (Röm 8,34). Die Wirksamkeit seiner Bitte zeigt sich an der machtvollen Sendung des Heiligen Geistes am Pfingsttage. Er sendet den Aposteln den Heiligen Geist (Joh 14,16; 16,7). Er teilt den Seinen reiche Gnaden mit, Geistesgaben und Dienstämter (Eph 4,7f., 11). Jesus hat den Menschen den Weg zum Himmel gezeigt und eröffnet (Hebr 6,20). Er bereitet den Seinen eine Stätte im Himmel (Joh 14,2f.). Mit ihm zogen auch die Gerechten des Alten Bundes in den Himmel ein (Eph 4,8). All dies geschah nach dem Willen des himmlischen Vaters, den Christus kannte und bejahte. Der himmlische Vater hat ihn zum Richter der Lebendigen und der Toten bestimmt (Mt 13,41-43; 25,31-46; Lk 21,36; Apg 10,42; 17,31; Joh 5,22. 27). Jesus hat sein einstiges Kommen aus dem Himmel vor seinen irdischen Richtern vorhergesagt (Mt 26,64). Er harrt auf seine Wiederkunft und auf das Weltgericht, deren Termin der himmlische Vater bestimmt hat. Er wird uns im Endgericht retten (1 Thess 1,10).

Amen.

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