Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
12. Dezember 2021

Die Hölle

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!                                                                   

Das Thema Hölle kann von dem Zeugen Christi erst dann behandelt werden, wenn von der Liebe Gottes gesprochen wurde; denn das ist das wirkliche Heilsangebot Gottes an den Menschen. Erst wenn die Offenbarung des liebenden Gottes, der sich für die Sünden der Menschen ans Kreuz schlagen lässt und stirbt, das Leben erfüllt, erst dann kann sich die Frage erheben: Was ist, wenn diese Liebe abgelehnt wird? Wenn der Mensch sich nicht so verhält, wie er es als von Gott geliebte Person tun sollte? Dann gibt es zunächst die Möglichkeit der Umkehr. Diese Tür steht bis ans Lebensende offen, bis zum Augenblick des Todes. Spät, aber nicht zu spät hat mancher Sünder sie aufgeschlagen. Der polnische Komponist Friedrich Chopin war von seiner gottesfürchtigen Mutter fromm erzogen worden, aber glaubenslos geworden. Als er tödlich erkrankte, besuchte ihn ein befreundeter polnischer Priester und suchte ihn zu bewegen, sein Leben zu ordnen und sich für das Erscheinen vor dem göttlichen Richter vorzubereiten. Doch Chopin wollte davon nichts hören. Zu lange schon war er taub geworden für den Ruf der Gnade; nun schien sein Inneres erstorben. Schließlich ergriff der Priester ein Kruzifix, legte es dem Totkranken in die Hand und sprach: „Ich erinnere und beschwöre Sie beim Glauben Ihrer Mutter, rufen Sie wenigstens einmal zu Christus um Barmherzigkeit!“ Bei diesen Worten öffnete sich das Ohr der Seele Chopins. Der seither Verstockte war wie umgewandelt und entschloss sich zum Empfang der Sterbesakramente. Nach der heiligen Handlung sprach er: „Nun bin ich glücklich.“ Und zum Priester gewandt: „Ohne Sie wäre ich verendet wie ein Stück Vieh.“ Man sieht an diesem Beispiel: Die Stundenuhr barmherziger Heilandsliebe schlägt alle Tage 24 Stunden. Aber was ist mit dem, der sie nicht nutzen will? Wer steif und verstockt im Bösen verharren will? Wer Gott ablehnt bis in den Tod hinein? Diesen Menschen zwingt Gott nicht, in der Ewigkeit bei ihm zu sein. Gott respektiert die menschliche Freiheit, und diese Freiheit heißt, dass der Mensch auch „Nein“ sagen kann. Es gibt die Möglichkeit, dass ein Mensch die Seligkeit verspielt, dass er sich selbst die Hölle wählt. Man kann also über Hölle auch ohne Schrift und ohne Lehramt allein aus einer schlichten Überlegung heraus sinnvoll reden.

Doch die Heilige Schrift ist zu dem Thema Hölle so klar, dass es einen fast erschrecken könnte. Die Predigt Jesu ist diesbezüglich so unmissverständlich, dass eigentlich gar keine Zweifel an der Existenz der Hölle aufkommen können. Jesus nennt die Hölle „Gehenna“. Dieser Ausdruck bezeichnete ursprünglich einen geographischen Ort, ein Tal, hatte aber zur Zeit Jesu die Bedeutung, die wir heute mit dem Begriff Hölle verbinden. Jesus spricht vom „ewigen“ oder „unauslöschlichen Feuer“. „Ich aber sage euch“, heißt es in der Bergpredigt, „jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf, soll dem Hohen Rat verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du (gottloser) Narr! soll dem Feuer der Hölle verfallen sein“ (Mt 5,22). Und nur ein paar Verse weiter: „Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg! Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird. Und wenn dich deine rechte Hand zum Bösen verführt, dann haue sie ab und wirf sie weg. Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle kommt“ (Mt 5,29f.). Jesus spricht ganz deutlich davon, dass es unsere eigenen Worte und Taten sind, die dazu führen, dass wir in die Hölle kommen.

In der nachösterlichen Predigt kommt verstärkt die Hoffnung zum Ausdruck, aufgrund des Kreuzesopfers Christi gerettet zu werden. So heißt es im ersten Brief an Timotheus: „Gott, unser Retter, will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen; denn es gibt nur einen Gott und nur einen Mittler zwischen Gott und den Menschen, den Menschen Jesus Christus, der sich als Lösegeld für alle hingegeben hat“ (2,4f.). Was geschieht nun? Wird der Mensch gerettet oder nicht? Werden alle Menschen aufgrund des Kreuzesopfers, das ja „für alle“ dargebracht wurde, gerettet oder werden sie nach dem Wort „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes kommt“ (Mt 19,24) verworfen? Leugner der Hölle hat es zu allen Zeiten gegeben. So auch heute. Die heutigen „Höllenprobleme“ sind alle schon einmal dagewesen. Origenes leugnete die Ewigkeit der Höllenstrafe. Spätere Autoren schränkten die Hölle in verschiedener Weise ein. Heute erschrickt man vor der Unkenntnis über die katholische Glaubenslehre. Das Thema Hölle wird totgeschwiegen. Die Existenz der Hölle wird beim Erstkommunionunterricht und in der Firmvorbereitung nicht mehr behandelt; sie ist kein Thema der Predigt mehr. Wo sollen die Christen dann noch ernsthaft von der Hölle hören? Wenn heute die Hölle von vielen Menschen, vielleicht von der Mehrheit geleugnet wird, so ist das völlig unbeachtlich. Wir Katholiken gehören nicht zu einer Religion, in welcher die Mehrheit der Menschen oder der Prediger darüber entscheidet, was zu glauben ist. In der katholischen Religion entscheidet die von Christus gestiftete Kirche, das vom Heiligen Geist gesteuerte Lehramt, das in seinen Aussagen an Schrift und Tradition gebunden ist, was Inhalt des katholischen Glaubens ist. Die Glaubenskongregation hat 1979 die eschatologischen Fragen behandelt und den Bischöfen ins Gedächtnis gerufen, was die Kirche hierzu glaubt. Von höchster Bedeutung, also bindend, sind zwei kirchliche Dokumente. Einmal das Glaubensbekenntnis, welches das Vierte Laterankonzil 1215 gegen die Irrlehren der Albigenser und Katharer abgelegt hat. Sodann die Definition, die Papst Benedikt XII. in der Konstitution „Benedictus Deus“ 1336 formuliert hat. In diesen Dokumenten wird der katholische Christ zu nichts anderen verpflichtet, als die Aussagen der Heiligen Schrift zu glauben. 4. Konzil im Lateran 1215 (DH 800-809): Christus wird kommen als Richter der Verworfenen und der Erwählten. Jene empfangen mit dem Teufel die ewige Strafe, diese mit Christus die immerwährende Herrlichkeit, je nach ihren Werken, ob sie gut waren oder schlecht. Konstitution „Benedictus Deus“ (DH 1000-1002): Wir definieren, dass nach allgemeiner Anordnung Gottes die Seelen der in einer aktuellen Todsünde Dahinscheidenden sogleich nach ihrem Tod zur Hölle hinabsteigen, wo sie mit den Qualen der Hölle gepeinigt werden.

Welchen Inhalt hat die Lehre der Kirche über die Hölle? Man kann die verbindliche Lehre der Kirche von der Hölle in drei Punkten zusammenfassen.

1. Wer im Zustand der Todsünde stirbt, wird verurteilt.

2. Diesen real existierenden Zustand nennt man Hölle.

3. Die Hölle wird nie ein Ende nehmen; sie ist ewig.

An erster Stelle ist die Wahrheit vom Gericht Gottes über den Einzelnen nach dem Tode zu glauben. Wer von Gott abgewandt vor dem Richter steht, muss des Verlustes der ewigen Seligkeit gewärtig sein. Sodann ist zu glauben, dass die Hölle Wirklichkeit ist. Sie ist keine Erfindung der Theologen, kein Trick der Kirche, um Furcht und Schrecken einzujagen; sie ist real. Der Täufer (Mt 3,12) und später Jesus (Mt 18,8) sprechen davon, dass in der Hölle ein unauslöschliches, ewiges Feuer brennt. Deshalb heißt sie auch Feuergehenna (Mt 5,22; 18,9) oder Feuerofen (Mt 13,42-50). In ihr herrschen Finsternis (Mt 8,12; 22,13; 25,30), Heulen und Zähneknirschen (Mt 8,12; 13,42-50; 22,13; 24,51; 25,30; Lk 13,28).

Die Hölle existiert; das ist die zweite Wahrheit über die Hölle. Ein Freigeist meinte zu einem Priester: „Ich glaube nicht an die Hölle; es ist noch keiner wiedergekommen und hat uns davon berichtet.“ Der Priester entgegnete: „Geben Sie acht! Was Sie da sagen, beweist nicht, dass es keine Hölle gibt, wohl aber beweist es, dass einer, der einmal in der Hölle ist, nicht mehr aus ihr herauskommt!“ Doch nirgends steht, dass man sich die Hölle so vorstellen muss, wie dies in der Literatur oder auf Bildern geschieht. Jesus selbst hat wiederholt vom ewigen Feuer gesprochen; daran ist fest zu glauben. Aber er hat nicht gesagt, wie dieses Feuer aufzufassen ist. Es ist kein Verstoß gegen den Glauben, es in übertragenem Sinne zu verstehen, also von schmerzlicher Pein. Über die Art der Höllenstrafe existieren keine eigentlich dogmatischen Bestimmungen. Papst Innozenz III. (D 410; DH 780-781) weist auf die zwei Komponenten hin: Entzug der Gottesschau und Qual. Sie werden von der Theologie als poena damni und poena sensus bezeichnet: Die Strafe für die Ursünde ist das Entbehren der Schau Gottes, die Strafe für die tathafte Sünde aber ist die Marter der ewigen Hölle.

Die dritte Wahrheit über ist Hölle lautet: Die Hölle ist endlos. Die Hölle ist ewig. Die Heilige Schrift spricht häufig von der ewigen Dauer der Strafe. Das Wort von dem Wurm, der nicht stirbt, und von dem Feuer, das nicht erlischt, bei Is 66,24 wird zur Grundlage von den Peinen des ewigen Feuers und lebt fort in Jdt 16,21 und Mk 9,47f. In der Hölle hört jede Besserung auf. Auch fehlt dort jedes Mittel, Gott zu versöhnen, da es keine Betätigung des freien Willens mehr gibt (Leo). So das Vierte Laterankonzil (1215): Die Verworfenen erleiden mit dem Teufel die ewige Strafe. So das Zweite Konzil von Lyon (1264): Die Seelen derer, die in einer Todsünde oder allein mit der Ursünde verscheiden, steigen alsbald in die Hölle hinab. So das Konzil von Florenz (1442): Es lehrt das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist. So das Konzil von Trient (1545-1562): Es erwähnt die ewigen Strafen. Der sofortige Eintritt der Strafe nach dem Tod (d.h. kein Aufschub bis zum letzten Gericht) wurde erst 1336 durch die Bulle „Benedictus Deus“ (D 531) zum Dogma erhoben (vgl. vorher schon D 464). Man hat versucht, die Stimmung der verworfenen Seelen in Worte zu fassen. „Wir wiesen des Ewigen Ruf zurück und starben als sündige Toren. Wir waren geladen zum Himmelsglück – nun haben wir alles verloren. Vorbei ist die Zeit und vorbei ist die Gnad’, vorbei ist der Tag unseres Lebens. O dreh dich zurück, du schreckliches Rad. Doch jammern wir ewig vergebens.“

Wer ist in der Hölle? Wer erleidet diesen Zustand? Von einem weiß man mit Gewissheit, dass sein Zustand die Hölle ist: der Teufel. Dem Menschen ist es möglich, mit Gottes Hilfe der teuflischen Versuchung zu widerstehen und begangenes Unrecht zu bereuen. Diese Reue kann auch noch in letzter Minute erfolgen; kein Mensch braucht davon etwas zu erfahren. Wir wissen nicht, welche Menschen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben. Daher hat die Kirche nie von einem Menschen behauptet, er weile in der Hölle. Der Versuch nachzuweisen, dass jemand – ein Mensch wie du und ich – sein Heil verspielt haben könnte und für die Ewigkeit verloren sei, ist furchtbar. Die Kirche hat sich nie angemaßt, auch nicht für Judas Iskariot, der den Sohn Gottes ausgeliefert hat, das Heil für jemanden kategorisch auszuschließen. Doch so wenig von einem anderen die ewige Verdammnis behauptet werden kann, so wenig kann man sie für sich selbst ausschließen. Selbstverliebtheit, Selbsttäuschung, Selbstüberhebung können uns blenden und verblenden. Das ist zunächst einmal eine Mahnung, das eigene Leben verantwortungsvoll zu gestalten. Das eigene Heil nicht zu verspielen. Das ist sodann die flehentliche Bitte an Gott, uns vor der Hölle zu verschonen. In jeder heiligen Messe richten wir unser Gebet an Gott. Vor der heiligen Wandlung flehen wir Christen: „Leite unsere Tage in deinem Frieden, bewahre uns gütig vor der ewigen Verdammnis und reihe uns ein in die Schar deiner Auserwählten.“ In den Gebeten vor dem Empfang des Herrenleibes leitet uns die Kirche an, unseren Herrn Jesus Christus darum anzuflehen, „dass die heilige Kommunion uns nicht zum Gericht und zur Verdammnis gereiche“. Wir dürfen und sollen den heiligen und gerechten Gott fürchten. Die berechtigte Gottesfurcht kann und soll uns vom Bösen abhalten und zum Guten hinziehen. Unsere Schwäche ist groß; aber größer ist das Erbarmen Gottes. Wir haben einen Herrn und Heiland, von dem der Prophet Isaias vorherverkündet hat: „Das geknickte Rohr wird er nicht brechen, den glimmenden Docht nicht löschen.“ Der heilige Pfarrer von Ars lehrt: „Gott ist mehr bereit, einem reuigen Sünder zu verzeihen, als eine Mutter, ihr Kind aus dem Feuer zu retten“ (Johann Baptist Vianney). Niemand, der ernstlich bittet, findet die Pforten der göttlichen Barmherzigkeit verschlossen. Wer auch nur einen Funken guten Willen hat, wird nicht auf ewig verloren gehen. Das Te Deum, der große Lobgesang auf Gott, schließt mit den Worten: Auf dich, Herr, habe ich gehofft. Ich werde in Ewigkeit nicht zuschanden werden.

Amen.

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