Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
31. Oktober 2021

Christus der König

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Kirche bekennt Jesus Christus als den König des Alls. Dieses Bekenntnis ist so alt wie die Kirche. Polykarp wurde um das Jahr 100 vom Apostel Johannes zum Bischof von Smyrna bestellt. Er starb am 23. Februar 156 als Martyrer. Er erklärte dem heidnischen Richter, er könne, nachdem er Jesus sechsundachtzig Jahre treu gedient habe, nicht am Ende des Lebens dem Herrn und König die Treue brechen, wie ihm zugemutet wurde. Die Apostel blicken mit Vorliebe auf den Erhöhten und nennen ihn fast stets den „Herrn“ (Kyrios), das mit Herrscher und König identisch ist. Johannes sieht in einer Vision, wie Christus im Himmel einen Königsmantel trägt mit der Aufschrift „König der Könige und Herr der Herrscher“ (Apk 19,10). Paulus verlegt die Vollendung seiner Herrschaft in den Augenblick des Gerichts; von jenem Zeitpunkt an heißt es: „Er muss herrschen“ (1 Kor 15,25). Die Kirche bekennt das Königtum Christi in ihren Glaubensbekenntnissen, wenn sie sagt: „Er sitzt zur Rechten Gottes; seines Reiches wird kein Ende sein.“ Allein schon aufgrund der hypostatischen Vereinigung besitzt er die Herrschergewalt über die gesamte Schöpfung. Diese besagt die Vereinigung der göttlichen und menschlichen Natur in der göttlichen Person des Logos. So kann Isaias Jahrhunderte vor Jesu Geburt jubeln: „Ein Kind wird uns geboren, ein Sohn wird uns geschenkt. Die Herrschaft ruht auf seiner Schulter. Seinen Namen wird man nennen: Wunderrat, Gottheld, Vater der Zukunft, Friedensfürst“ (Is 9,6f.). Aber Christus ist nicht nur kraft angeborenen, sondern auch kraft erworbenen Rechtes unser oberster Herr. Die Kirchenväter führen das Königtum Christi mit Recht auf die Schöpfungstat zurück. Andere Kirchenväter begründen das Königtum Christi mit seinem Kreuzesleiden. Schon im Barnabasbrief 8,5 erscheint die Interpolation in Ps 95,10: Er herrscht vom Kreuze.

Christus ist als ewiger Logos und auch als Gottmensch der Herr der Schöpfung. Aber er hat auf die irdische Ausübung einer äußeren Königsherrschaft freiwillig Verzicht geleistet. Er hat sein Herrscheramt (trotz Lk 23,3.38) nur als religiöses ausgeübt, wie es durch die sittliche, nicht politische Gesetzgebung und Rechtsprechung geübt wird, in Auslegung des Dekalogs, in Sündenvergebung und in Gericht. Die irdisch-politische Form der Ausübung seiner Macht lehnt er ab (Mt 4,8-10; Mk 9,33-36; Mt 20,20-25; Joh 6,5). Er anerkennt fremde Königsgewalt (Joh 19,11; Mt 22,21) und weist irdische Rechtshändel als nicht vor sein Forum gehörig ab (Lk 12,14). Einer aus dem Volke sprach zu ihm: „Meister, sage meinem Bruder, er solle mit mir das Erbe teilen.“ Jesus erwiderte: „Mensch, wer hat mich zum Erbteiler über euch gesetzt?“ (Lk 12,13f.). Vor dem römischen Statthalter erklärt er ausdrücklich, sein Königtum sei nicht von dieser Welt. Das Reich Christi ist anderer Art als die irdischen Mächte. Es hat keine bestimmten geographischen Grenzen und tritt nicht mit den Formen auf, wie es die Reiche dieser Erde tun. Als die staunende Volksmenge ihn zum König ausrufen will, geht er ihr aus dem Wege, verbirgt sich, entflieht dem Titel und der Ehrung. Das Königtum Jesu auf Erden ist verborgen, weil er immer nur ist in der Hülle des Knechtes. In seiner Herrlichkeit sitzt er zur Rechten des Vaters. Die unbeschränkte Ausübung des Königsamtes wurde verschoben bis zu seiner Verherrlichung (Eph 1,22; Mt 16,27; 26,64; Joh 5,22). Diese begann mit seiner Auferstehung und Himmelfahrt und dauert fort im Sitzen zur Rechten des Vaters (Hebr 1; Apg 17,14; 1 Kor 15,25).

Wir wollen nun die Seiten des Königtums Christi im Einzelnen betrachten. Christus ist König, weil er der Schöpfer des Alls ist. Von ihm heißt es am Anfang des Evangeliums nach Johannes: „Alles ist durch das Wort (den Logos) geworden und ohne es ward auch nicht eines von dem, was geworden ist“ (Joh 1,3). Die Königsherrschaft Christi erfüllt die ganze Welt, da er die gesamte Schöpfung mit der Herrlichkeit Gottes erfüllt hat. Dieser neuen Situation entspricht es, dass die geschaffenen Ordnungen gestaltet werden nach dem Willen des Vaters; d.h. nach den ihnen innewohnenden Gesetzen, in denen sich der schöpferische Wille Gottes ausspricht. Ein Widerspruch hierzu ist daher nicht bloß eine Verletzung des göttlichen Schöpferwillens, sondern auch eine Auflehnung gegen die Königsherrschaft Christi. Unter dieser Hinsicht übt also Christus Einfluss aus auf die Gestaltung irdischer Dinge.

Jesus ist König, weil er der Erlöser ist. Die Erlösung beinhaltet Sündenvergebung und Versöhnung, Begnadigung im Heiligen Geist und Wiedergeburt. Durch den Sündenfall geriet der Mensch unter die Herrschaft Satans. Christus hat ihn daraus befreit. Durch die Sünde verfiel der Mensch der Herrschaft des Todes. Christus hat den Tod durch seine Auferstehung überwunden. Zwar bleibt er als Straffolge bestehen, doch er ist jetzt der Durchgang zum Leben. Durch sein erlöserisches Wirken hat er die gesamte Menschheit sich erworben. Der unerlöste Mensch wird durch Glaube und Taufe der Herrschaft Satans entrissen und dem Herrentum Christi eingegliedert. Der Erlöste wird Christus zugeeignet und untertan. Er wird wiedergeboren für Christus und sein Reich. „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“ (Joh 18,37).

Jesus ist König, weil er der höchste Gesetzgeber ist. Er selbst ist das Gesetz der Gläubigen. Der Gläubige gehorcht nicht erstlich und letztlich einer unpersönlichen Vorschrift, sondern dem personalen lebendigen Christus, der ihn in Pflicht genommen hat. Die Einzelvorschriften, die Christus oder in seinem Namen die Kirche gibt, sind konkrete Fassungen des Gesetzes, das Christus selbst ist. Wenn der Christusgläubige Gesetzesvorschriften erfüllt, so ist das Gehorsam gegen Christus. In den Geboten, die Christus gibt, etwa in der Bergpredigt, offenbart er uns, wie sich derjenige, der sich ihm überantwortet hat, in bestimmten Lagen des Lebens, z.B. dem Mitmenschen oder den irdischen Gütern gegenüber, verhalten muss. Das christliche Verhalten wird so zu einer Auswirkung und Betätigung der Christusverbundenheit. Königtum und Lehramt Christi hängen eng zusammen. Die Offenbarungen Christi sind Anrufe Gottes, denen wir uns in Gehorsam beugen müssen. Indem Christus Lehrer ist, ist er König, der Gesetze gibt. Indem Christus Gesetzgeber ist, ist er Offenbarer Gottes. Zu den Aufgaben seines Königtums gehört auch das Zeugnis für die Wahrheit, d.h. die Erschließung der Wirklichkeit Gottes.

Jesus ist König, weil er der Richter des Alls ist. Ja, er ist in Person das Gericht. Im Glauben an ihn und im Unglauben gegen ihn entscheidet sich Heil und Unheil. Sein Gerichtswort ist die Aussprache dessen, was er ist. Ihm ist alles Gericht vom Vater übertragen (Joh 5,22-30). Das Endgericht bereitet sich schon in der Gegenwart vor. Es entscheidet sich in der Stellungnahme des Menschen zu Jesus. Wer an ihn glaubt, d.h. sich ihm vorbehaltlos übergibt, wird nicht gerichtet. Wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, weil er nicht glaubt an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes (Joh 3,13). Den Höhepunkt wird die Richtertätigkeit Christi erhalten beim Letzten Gericht, beim Weltgericht. Der Herr und König hat die Schlüssel des Todes und der Unterwelt (Apk 1,18). Er vermag aus beidem zu erretten. Bei seiner Wiederkunft wird er die Bösen verwerfen, die Guten aber einführen in sein Reich, das ihnen bereitet ist von Anfang an.

Jesus ist König, weil er Inhaber der vollziehenden Gewalt ist. Er besitzt das Hoheitsrecht über die Gesamtheit der öffentlichen Angelegenheiten. „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden“ (Mt 28,18). Seiner Befehlsgewalt müssen alle Folge leisten. Gegen die Widerspenstigen wird die Verhängung von Strafen angedroht, denen niemand entrinnen kann. Seinen Aposteln gebot er: „Gehet hin und lehret alle Volker. Lehret sie alles halten, was ich euch befohlen habe“ (Mt 28,19). Als Inhaber der vollziehenden Gewalt ist Christus der himmlische Quartiermacher. „Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen. Ich gehe hin, euch einen Platz zu bereiten. Wenn ich hingegangen bin und einen Platz bereitet habe für euch, komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit auch ihr seid, wo ich bin“ (Joh 14,2-4).

Jesus ist König, der König aller Könige, der Herr aller Herrscher. Ihm ist alles untertan. Ihn sollen anbeten jeder Mensch, jede Familie, jede Gemeinde, jedes Volk, jeder Staat und jede Obrigkeit. Wenn die königliche Gewalt Christi im privaten und öffentlichen Leben anerkannt wird, durchdringen gerechte Freiheit, Ordnung und Ruhe, Eintracht und Frieden die bürgerliche Gemeinschaft und die Völkerfamilie. Leider ist dies nicht und immer weniger der Fall. Darum flehen wir im Weihegebet an das heiligste Herz-Jesu: Sei du, o Herr, König nicht nur der Gläubigen, die nie von dir gewichen sind, sondern auch der verlorenen Söhne und Töchter, die dich verlassen haben. Gib, dass sie bald ins Vaterhaus zurückkehren. – Sei du König über die, welche durch Irrtum getäuscht oder durch Spaltung von dir getrennt sind. Rufe sie zum sicheren Hort der Wahrheit und zur Einheit des Glaubens zurück. – Sei du König aller, die im Dunkel des Heidentums oder des Islams befangen sind. Entreiße sie der Finsternis und führe sie zum Lichte deines Reiches. In der Zeit des nationalsozialistischen Regimes versammelte sich die katholische Jugend am Dreifaltigkeitssonntag zum Gottbekenntnis. Dabei sang sie das Christköniglied: „Jesus, König! O dein Herz ruft uns alle himmelwärts. Königsherz, dem keines gleicht, zu uns komm dein Königreich. Jesus, König hocherhoben, Lieb und Treue wir geloben. Jesus, König hocherhoben, Lieb und Treue wir geloben. Ja, wir folgen dir als Herrn, deinem Königsbanner gern. Jesus, du allein regierst und du siegst und triumphierst. Jesus, König hocherhoben, Lieb und Treue wir geloben.“ Zur gleichen Zeit tobte in Mexiko eine grausame Verfolgung der katholischen Christen. Man befahl zwei Jugendlichen zu rufen: „Nieder mit Christus!“ Sie aber riefen laut: „Es lebe Christus, der König!“ Daraufhin schnitten ihnen die Verfolger die Ohren ab. Blutüberströmt riefen sie weiter: „Es lebe Christus, der König!“ Da riss man ihnen die Zunge heraus. Jetzt konnten sie nicht mehr rufen. Aber voll Ehrfurcht bezeichneten sie sich mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes. Dann wurden sie erschossen. Die Zeugen Christi sterben. Aber Christus der König lebt und ruft sie in sein himmlisches Reich.

Amen.

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