Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Juni 2021

Das eucharistische Opfersakrament II

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der Kirche hat der Herr das eucharistische Opfer anvertraut. Die Eucharistie ist das Opfer des ganzen Leibes Christi. Die ganze Kirche dient Christus bei der Vergegenwärtigung des Opfers Christi als Werkzeug. Die ganze Kirche vollzieht hierbei priesterliche Dienste. Aber die Gemeinschaft handelt immer durch die Einzelnen. Wenn die kirchliche Gemeinschaft Eucharistie feiert, dann tut sie dies als Gemeinschaft, aber sie tut es durch ganz bestimmte Glieder. Es ist von Anfang an Überzeugung der kirchlichen Gemeinschaft gewesen, dass Christus mit dem Wort „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ die Apostel zu Priestern einsetzte und ihnen zugleich ihre wichtigsten priesterlichen Vollmachten übertrug. Diese wurden von ihnen ihren Nachfolgern, den Bischöfen, und deren Gehilfen im Priesteramt weitergegeben, und nur ihnen. Nur der Amtspriester kann das eucharistische Opfersakrament gültig vollziehen. Nur der Priester dient bei der Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers Christus unmittelbar als Werkzeug. Doch sind alle Glieder der Kirche am Opfer beteiligt. In dem von Christus hierfür ermächtigten Priester opfert die kirchliche Gemeinschaft als solche. Der Priester stellt Christus dar. Aber er vertritt hierin zugleich das ganze Wir der Kirche. Daher ist jedes Glied der Kirche am eucharistischen Opfer handelnd beteiligt. Der große Papst Pius XII. hat diesen Zusammenhang mit gewohnter Klarheit beschrieben. „Die unblutige Hinopferung, in der durch die Wandlungsworte Christus im Zustand des Opfers auf dem Altare gegenwärtig wird, ist das Werk des Priesters allein, insofern er die Person Christi vertritt.“ „Doch an der Opferdarbringung des Priesters nehmen die Gläubigen auf ihre Art und in zweifacher Hinsicht teil: Sie bringen nämlich das Opfer dar durch die Hände des Priesters und zusammen mit ihm.“

Voraussetzung für die Teilnahme am Opfergeschehen ist die Eingliederung in den Leib Christi, die Kirche. Die Eingliederung geschieht durch Glaube und Taufe. In einer Zeit der Verwirrung ist es unerlässlich zu sagen: Um Glied der Kirche zu sein, ist das Bekenntnis des gesamten katholischen Glaubens unerlässlich. Wer nicht im Glauben der Kirche steht, zählt nicht zum mystischen Leibe Christi. Der auferstandene Christus belehrt seine Jünger: „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden“ (Mk 16,16). Der Glaube ist das erste Erfordernis der Kirchengliedschaft. Er steht noch vor der Taufe. Der Glaube muss der Taufe normalerweise vorangehen. Die Apostelgeschichte liefert für diesen Zusammenhang ein instruktives Beispiel. Der äthiopische Kämmerer, der nach Jerusalem gekommen war, um Gott anzubeten, hatte von dem Diakon Philippus die Lehre von Jesus erfahren. Als sie an einem Wasser vorbeikamen, bat er darum, getauft zu werden. Der Diakon erwiderte: Wenn du von ganzem Herzen glaubst, darf es geschehen. Er bekannte seinen Glauben und empfing die Taufe. Die Teilnahme am Messopfer der katholischen Kirche setzt den Glauben an das Messopfer voraus. Es ist ausgeschlossen, Personen am Opfer Christi zu beteiligen, die nicht eines Sinnes mit ihm sind. Die nicht sein Selbstverständnis teilen und seine Lehre bejahen. Infolge der Glaubensspaltung im 16. Jahrhunderts ist bei jenen, die sich von der katholischen Kirche getrennt haben oder in der Trennung verharren, der Glaube der katholischen Kirche verlassen worden. Mit ihm ist auch der Glaube an das eucharistische Opfersakrament untergegangen. Von den Anschauungen Luthers, Kalvins und Zwinglis führt keine Brücke zum Glauben der katholischen Kirche.

Um Glied in der Kirche zu sein, ist sodann der Empfang der Taufe unerlässlich. Die Taufe gliedert in die Gemeinschaft mit Christus und den Christgläubigen ein. Sie macht den Menschen christusförmig. Glaube und Taufe geben dem Menschen die Befähigung und die Verpflichtung, sich an dem von der Kirche Gott dargebrachten Opfer zu beteiligen. Die Kirche deutet in ihrem Sonntagsgebot diese Verpflichtung dahin aus, dass sie jeden Sonntag betätigt werden muss.

Dass alle gläubigen Getauften am eucharistischen Opfer beteiligt sind, tritt überall dort deutlich in Erscheinung, wo in den liturgischen Texten das Wir des Leibes Christi als Opferer auftritt. Vor der Wandlung heißt es: „Nimm dieses Opfer von uns, deiner Dienerschaft (= Priester), aber auch von deiner ganzen Familie gnädig an.“ Ähnlich heißt es nach der Wandlung: „Daher sind wir eingedenk, Herr, wir, deine Diener, aber auch dein heiliges Volk des heilbringenden Leidens, der Auferstehung und der glorreichen Himmelfahrt deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus, und bringen so ein reines, heiliges und makelloses Opfer dar.“ Das große Gebet, das die Feier der Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers umrahmt, der Kanon, wird vom Priester im Namen der ganzen Gemeinde gesprochen. Dem feierlichen Zwiegespräch zu Beginn des Kanons entspricht es, dass am Schluss alle Teilnehmer durch das „Amen“ ihre Zustimmung geben. In diesen Antworten wird das Messopfer als Opfer aller Gläubigen erwiesen. So zeigt sich die Teilnahme an der öffentlichen Feier der kirchlichen Gemeinschaft sichtbar und hörbar. Lange Zeit drückte sich die Teilnahme der Gläubigen am Messopfer in der Darbringung von Gaben, die als Opfergaben verstanden wurden, aus. Sie brachten Brot und Wein, aber auch andere Gegenstände dar. Ein Nachklang der früheren Gabendarbringung sind das Messstipendium und das Geldopfer bei der Kollekte. Diese Geldbeiträge zum Opfer sind, richtig verstanden, eine Weise, wie die Christusgläubigen ihre tätige Teilnahme am Opfer vollziehen und bekunden. Die Kirche ist wesentlich dadurch geprägt, dass sie in der Eucharistie das Herrenleiden begeht. Die Kirche ist die Gemeinschaft derer, die das Herrenleiden feiern und am Herrenmahl teilnehmen. Die Kirche ist nicht nur die Darbringerin des eucharistischen Opfers. Sie ist auch die dargebrachte Gabe. Denn sie ist der Leib Christi. Wenn von der Kirche Fleisch und Blut des Herrn dargebracht werden, bringt sie sich in der Hinopferung des Hauptes selbst dem Vater dar. Die Kirche lernt durch Christus sich selbst opfern.

Die Kirche auf Erden ist nicht allein, wenn sie das eucharistische Opfer feiert. Sie stimmt in der Feier der Eucharistie ein in den ewigen Lobpreis, den Christus vor dem Vater ausspricht und den alle Engel und Heiligen mitvollziehen. Der Kult der pilgernden Kirche ist Nachbild der himmlischen Liturgie und Teilnahme an ihr. In der Eucharistie kommt der Lobpreis der Menschen zu jenem der Engel und Heiligen hinzu. Die Engel und Heiligen nehmen den Preisgesang der pilgernden Kirche auf und tragen ihn weiter. Die Kirche gliedert sich im eucharistischen Opfer in die große Ordnung des Himmels ein. Umgekehrt nehmen die Engel auch teil an dem Opfer der Kirche, in dem das Kreuzesopfer (die Einleitung zum immerwährenden himmlischen Opfer Christi) gegenwärtig wird. Die Engel umstehen den Altar. „Das ganze Heiligtum und der Raum um den Altar ist angefüllt mit himmlischen Scharen, dem zu Ehren, der auf dem Altare liegt“ (Chrysostomus). Wir können sie mit den Augen des Leibes nicht sehen. Aber wir wissen mit der Sehkraft des Geistes, dass sie bei uns sind.

Die Eucharistie als das gegenwärtig gesetzte Kreuzesopfer ist die Erfüllung aller anderen Opfer, sowohl der von Menschen selbst erdachten als auch der von Gott im Alten Bund angeordneten. So verschiedenartig die Opfer sind, in denen die Menschen sich Gott zu nähern versuchten, lässt sich doch das Opfer im allgemeinen bestimmen als eine sinnbildliche Handlung, in welche der Mensch eine Gabe, die ihm gehört, Gott schenkt und weiht und darin seine eigene Hingabe an Gott ausdrückt. Durch die im Opfer sinnbildlich vollzogene Hingabe des Menschen an Gott soll Gott als der Herr, als der Heilige anerkannt und gepriesen werden. Der Opfernde hofft hierdurch mit Gott in Gemeinschaft zu gelangen und so von der Sünde frei und des Heiles teilhaftig zu werden. Aber nur das Opfer Christi konnte die durch die Sünde zerstörte Gemeinschaft mit Gott wirklich wiederherstellen. Wer daher die (im menschlichen Wesen begründete) Opferhingabe an Gott in wirksamer Weise vollziehen will, kann es nur tun, indem er an der Opferhingabe Christi teilnimmt. Christus hat durch die Stiftung des eucharistischen Opfers die Möglichkeit hierzu geschaffen. Dadurch dass der Mensch an dem in der Eucharistie gegenwärtig gesetzten Kreuzesopfer teilnimmt, wirkt er sein eigenes, auf die Hingabe angelegtes Wesen aus. Er kann freilich sein Wesen nicht in dieser Weise der Opferhingabe auswirken, wenn er nicht schon zuvor durch Glaube und Taufe mit Christus verbunden und Christus gleichgestaltet und so befähigt worden wäre, in das Opfer des Herrn einzugehen. Wenn aber der durch Glaube und Taufe christusförmig gewordene Mensch in das Opfer Christi eingeht, dann gelangt er zur Erfüllung seines eigenen gottentstammten Wesens. Die Teilnahme an der Eucharistie ist die von Gott bestimmte und gewirkte Selbstverwirklichung des gläubigen Getauften. Wir ersehen aus diesem Zusammenhang, welche überragende Bedeutung die Mitfeier des eucharistischen Opfers hat. Hier erlebt der Christ die Würde und die Begabung, die ihm durch Christus zuteil geworden ist. Ein höheres und erhabeneres Tun gibt es nicht und kann es nicht geben.

Amen.

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