Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
16. Mai 2021

Dienet einander!

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In der Epistel des heutigen Sonntags spricht der Apostel Petrus zu uns in seinem ersten Briefe. Er sagt: „Dienet einander, jeder mit der Gnadengabe, die er empfangen hat, als gute Verwalter der mannigfachen Gnade Gottes.“ Der Text spricht erstens vom Dienen, zweitens von den Gnadengaben und drittens von der Verwaltung. Wir wollen überlegen, wie diese Aussagen zu verstehen sind.

Der Apostel fordert die Christen zum gegenseitigen Dienst auf. Wer dient, dient stets einem anderen. Dienen heißt anderen in ihren Bedürfnissen zu Hilfe zu kommen. Gott hat es so eingerichtet, dass jeder Mensch des anderen bedarf. Wir sind alle aufeinander angewiesen. Wir brauchen einander. Kein Mensch ist so reich, dass er keines anderen Hilfe bräuchte. Kein Mensch ist so arm, dass er sich seinen Mitmenschen nicht irgendwie nützlich machen könnte. Das Dienen ist das Grundrecht jeder Gemeinschaft von Menschen. Die sittliche Grundlage des gegenseitigen Dienens ist das Gebot der Nächstenliebe. Das Hauptgebot heißt uns Gott und den Nächsten lieben. Die Liebe zwingt zum Dienen. Nach der Lehre Christi ist jeder der Nächste, der unsere Hilfe braucht, mag er uns nahe stehen oder fern, mag er unser Volksgenosse sein oder nicht, Freund oder Feind. Wenn jeder dem anderen helfen wollte, wäre allen geholfen (Ebner-Eschenbach). Der Dienst Gottes ruft nach dem Dienst an den Menschen. „Dienet einander!“ ruft uns Petrus zu. „Dienet einander!“ fordert Paulus. Dieser Dienst beginnt in der Familie. Eltern müssen ihren Kindern dienen. Ihr Dienst vollzieht sich durch ihr Vorbild und Beispiel, durch Regeln der Erziehung und der Lenkung, durch Belohnen und Strafen. Kinder müssen ihren Eltern dienen. Ihr Dienst geschieht durch Willigkeit und Gehorsam, durch Aufmerksamkeit und Fürsorge. Zum Dienst in der Familie gesellt sich der Dienst an der Gemeinschaft. Er vollzieht sich in Arbeit und Beruf. Der Mensch ist von Gott zur Arbeit geschaffen und verpflichtet. Die Arbeit ist sein Dienst. Der Mensch muss vor allem jene Arbeiten verrichten, die ihm sein Beruf oder Stand auferlegt. Die genaue Erfüllung der Berufspflichten führt zur Vollkommenheit. Durch nichts kann man schneller heilig werden als durch treue Erfüllung seiner Berufsarbeiten. Wer nicht arbeiten will, dem hilft kein Beten. Recht verstanden, ist jeder Beruf, jedes Amt, jede Tätigkeit Dienst, Dienst am anderen, Dienst an der Gesellschaft. Es gibt ganze Berufe, die nichts anderes zu tun haben, als unmittelbar hilflosen Menschen zu dienen. Denken wir an Krankenschwestern und Krankenpfleger.

Christus hat das Dienen vorgelebt. Sein Leben und Sterben war ein Dienst an der Menschheit. Er erklärt von sich: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen“ (Mk 10,45). Jesu Sein und Leben ist vorbildlich für seine Jünger. Er hat es seinen Jüngern unverblümt gesagt: „Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener, und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht“ (Mt 20,27f.). „Der Größte unter euch werde euer Diener“ (Mt 23,11). Wer auf Befehl Gottes den Menschen dient, der dient Gott, der dies befohlen hat. Der Apostel Paulus war ein gelehriger Schüler seines Meisters. So wiederholt er dessen Mahnung: „Dienet einander in Liebe. Denn das ganze Gesetz wird in dem einen Gebot erfüllt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Gal 5,13f.). „Jeder von uns sei dem Nächsten gefällig zur Erbauung im Guten“ (Röm 15,2). „Einer nehme sich des andern an, wie auch Christus sich euer annahm zur Ehre Gottes“ (Röm 15,7). Von sich selbst sagt Paulus (1 Kor 4,1): „So halte man uns für Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes.“ Der Dienst fordert regelmäßig Demut. Man muss sich gleichsam erniedrigen, um anderen zu dienen. Viele Menschen wollen lieber bedient sein, wollen sich bedienen lassen, statt selbst anderen zu dienen. Wer anderen dient, muss auf dessen Bedürfnisse, Nöte und Ansprüche schauen. Das ist nur möglich, wenn er von sich selbst absieht. Wer dient, muss selbstlos sein. Sobald du dich in irgendeinem Dinge suchst, findest du lauter Dürre und Ohnmacht zum Guten. Anders die selbstvergessenen Diener Gottes. Zu ihnen spricht der Herr: „Die mir aus freien Stücken dienen, erhalten von mir Gnade um Gnade“ (Nachfolge Christi).

Wir sollen Gott dienen „jeder mit der Gnadengabe, die er empfangen hat“. Damit ist die körperliche und geistige Ausrüstung, die ein jeder mitbekommen hat, gemeint. Die Anlagen, Kräfte und Fähigkeiten sind jedem Menschen von Geburt an mitgegeben. Jeder hat seine besondere Gabe von Gott, der eine diese, der andere jene (1 Kor 7,7). Unsere körperliche und geistige Ausstattung ist weitgehend geprägt durch die Abstammung von unseren Eltern. Die Gaben, die Gott uns gibt, zeigen die Aufgaben, deren Erfüllung er von uns erwartet. Wir können nicht nach Leistungen und Fertigkeiten streben, die uns infolge unserer körperlichen und seelischen Beschaffenheit unerreichbar sind. Wir müssen uns bescheiden. Neben den angeborenen Talenten gibt es die erworbenen Fähigkeiten. Alle Menschen sind aufgerufen, zu lernen, sich auszubilden, Fertigkeiten zu erwerben, die sie zu nützlichen Gliedern der Gesellschaft machen. Auch was wir an Können durch Ausbildung, Schulung und Übung gewinnen konnten, ist nur durch Gottes Beistand möglich geworden. Die menschliche Gesellschaft gleicht einem Körper, wovon jedes Glied seine besondere Verrichtung hat. Es muss Arbeit mit den Händen getan werden; sonst könnte keiner von uns leben. Es muss Arbeit mit dem Gehirn getan werden; sonst würde unser Leben nicht lebenswert sein. Und dieselben Menschen können häufig nicht beides tun. Ein altes Sprichwort sagt: „Kannst du nicht Dombaumeister sein, behau' als Steinmetz deinen Stein. Fehlt dir auch dazu Geschick und Verstand, so trage Mörtel herbei und Sand.“ Der Mensch ist verehrungswürdig, der den Posten, wo er steht, ganz ausfüllt. Sei der Wirkungskreis auch noch so klein, er ist in seiner Art groß (Schiller). Fürwahr, ein jeder Stand ist gut, wenn man nur Rechtes in ihm tut.

Wir sollen dienen „als gute Verwalter der mannigfachen Gnade Gottes“. Damit wird angegeben, in welcher Gesinnung und Haltung wir unseren Dienst verrichten sollen. Verwaltung ist eine Tätigkeit, die im Rahmen bestimmter Normen eines Lebensgebiets ordnet und gestaltet. Einem guten Verwalter ist immer bewusst, dass er nicht Herr der Gnadengabe ist, mit der er nach Belieben umgehen kann, sondern dass er die Gabe nach dem Willen und der Absicht des Gebers benutzen muss. Vom Verwalter wird Sorgsamkeit gefordert. Er muss das anvertraute Gut bewahren und es nach Möglichkeit mehren. Vom Verwalter wird gefordert, dass er treu befunden wird. Treue in der Verwaltung besagt Verantwortlichkeit und Gewissenhaftigkeit, Beständigkeit und Ausdauer. Sie schließt Leichtfertigkeit und Schlendrian, Eigennutz und Unterschleife aus. In Geldangelegenheiten wird vom Verwalter erwartet, dass er Einnahmen und Ausgaben auf Heller und Pfennig belegen kann. Der Verwalter des reichen Mannes im Evangelium geriet in den Verdacht, die Güter seines Herrn zu verschleudern. Der Herr ließ ihn kommen und entzog ihm die Verwaltung. Ein guter Verwalter hat stets die Regeln und Vorschriften seiner Tätigkeit vor Augen. Er will seine Verwaltung gewissenhaft und tadelfrei führen. Wer sich selbst kennt und sein Verhalten genau beobachtet, der wird regelmäßig von Sorge erfüllt sein, ob er seinen Pflichten als Verwalter allezeit tadelfrei nachgekommen ist. Der Knecht im Evangelium, den sein Herr hart anfuhr, hatte das ihm anvertraute Gut nicht verloren oder verschleudert. Er hatte nur nicht damit gearbeitet und es gemehrt. Diese Unterlassung genügte, dass es ihm abgenommen wurde. Der Verfasser des Buches von der Nachfolge Christi bricht an einer Stelle in den Seufzer aus: „Ach, könnte ich doch dir auch nur einen einzigen Tag würdig und gebührend dienen!“ Für den Verwalter wird es eines Tages heißen: Verwalter, gib Rechenschaft von deiner Verwaltung: Was hast du mit deinen Gaben, Talenten und Fähigkeiten gemacht? Wie hast du dein Leben, deine Zeit, dein Geld verwendet? Wer von uns kann sagen: Ich war allezeit ein guter Verwalter der Gnadengaben Gottes? Ich habe meine Kräfte, meine Zeit, mein Vermögen stets nach Gottes Willen eingesetzt und gebraucht? Müssen wir nicht schmerzlich unserer Fehler, Versäumnisse, Schwächen gedenken? Muss uns nicht unser Ungenügen, unsere Unzulänglichkeit schmerzen? Glücklich die Menschen, die am Ende ihres irdischen Lebens sprechen können: Ich habe Gott und den Menschen gedient mit der Gnadengabe, die ich von Gott empfangen habe, als guter Verwalter der mannigfachen Gnade Gottes. Manche haben gemeint, es sagen zu können. Albert Einstein starb mit den Worten: „Ich habe meine Sache hier getan.“ Kaiser Karl V. war nicht so selbstsicher. Als gläubiger katholischer Christ sprach er im Sterben: „Das ist die Stunde. Ich komme, Herr. Hier bin ich.“ Samuel Hahnemann, der Erfinder der Homöopathie, starb mit den Worten: „Gott schuldet mir nichts. Ich schulde ihm alles.“

Amen.

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