Die Wahrheit verkündigen,
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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
Engel
21. Februar 2021

Die seligen Geister

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Heilige Schrift spricht vom ersten bis zum letzten Buch immer wieder von Geistwesen und berichtet, wie sie zum Unheil und zum Heil in die Geschichte eingegriffen haben. Die guten Geister haben ihre Treue gegen Gott bewährt und sind deshalb in ihrer Seligkeit bestätigt. Sie streben danach, auch den Menschen zu gleichem Glück zu verhelfen. Auf Gottes Geheiß treten sie mit ihnen in innige Verbindung. Diese Geister verdanken ihren Namen nicht ihrem ersten Beruf, Gott zu verherrlichen, sondern ihrer Aufgabe, den Menschen zu dienen. Sie heißen Engel, das heißt Boten, Boten des Lichtes, Boten des Himmels, Boten Gottes. Die Engel sind in den Dienst nicht einiger auserwählter und besonders edler Menschen, nein, in den Dienst eines jeden Menschen gestellt. Die Offenbarung versichert uns mit klaren Worten: „Gott hat seinen Engeln um deinetwillen geboten, dass die dich beschützen auf allen deinen Wegen; sie werden dich auf den Händen tragen, dass dein Fuß nicht an einen Stein stoße“ (Ps 90,11f.). Auf diese Bibelstelle hat sich sogar der Satan berufen, als er zu Jesus in die Wüste kam, um ihn zu versuchen. Er forderte ihn auf, sich von der Tempelzinne in die Tiefe zu stürzen. Jesus aber verwies ihm das Ansinnen mit der Begründung: „Es steht auch geschrieben, du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen“ (Mt 4,7).

Die Aufgabe, die Gott seinen Engeln gesetzt hat, kann also gewiss nicht darin bestehen, uns jede Unbesonnenheit, jeden Leichtsinn, jeden Mutwillen, jede Vermessenheit zu gestatten. Was in des Menschen Macht liegt, sich vor Gefahren zu schützen, das muss er wahrhaftig selber tun, wenn er den Beistand des Engels verdienen will in all den Fällen, in denen er eine Gefahr nicht sieht oder gar nicht ahnt. Es ist ein Gesetz im Reiche Gottes, dass der Mensch zur Bewältigung seines Lebens auf sich selbst, seine Intelligenz und seine Kraft verwiesen ist. Gott nimmt ihm nicht ab, wozu er selbst befähigt ist. Das alltägliche Wirken der Engel bleibt jedem Menschenauge verborgen wie die Vorsehung Gottes selbst. Es kann keiner sagen und aufzählen, wie vielen Gefahren für Leib und Leben, für Gesundheit und Tugend er schon durch die Wachsamkeit seines heiligen Engels entronnen ist.

Bei den Heiligen war der Glaube an den Schutzengel sehr lebendig. Der heilige Petrus Canisius war auf der Reise nach Rom. Sie führte vom Kloster Ettal nach Tirol, und man ritt durch das Loisachtal, das eine Überschwemmung in einen großen See verwandelt hatte, so dass die Fluten den Reitpferden bis an den Leib reichten. Ein Bauer diente als Führer. Pater Franz begleitete seinen Mitbruder. Plötzlich wurde er gewahr, wie Canisius vom Pferde glitt, da sich sein Fuß in dem Steigbügel unlöslich verfangen hatte. Nichts schien Canisius vor dem Tode des Ertrinkens retten zu können. Ein Umkehren der Gefährten, die vorausgeritten waren, wurde von der reißenden Strömung verhindert. Im letzten Augenblick fand sich ein unbekannter Mann ein, befreite den Fuß, führte Ross und Reiter auf eine höher gelegene Bergwiese, von wo der Ritt ungestört weiterging. Als sich Canisius in der Nähe der glücklich erreichten Herberge erkenntlich zeigen wollte, war der Fremde mit einem Mal verschwunden. Pater Franz, der uns die Geschichte überliefert, bemerkt: „Es muss sein Schutzengel gewesen sein.“ Als Knabe hatte sich der heilige Franz Regis auf freiem Feld im Schatten einen Baumes schlafen gelegt. Plötzlich erhob er sich und ging schlaftrunken, schlafwandelnd weiter des Weges, bis er sich von einer Hand jählings erfasst und am Weitergehen gehindert fühlte. In diesem Augenblick wurde er voll wach und sah mit Bestürzung, dass er am äußersten Rand eines Felsens stand, der zu einem Fluss steil abfiel. Der nächste Schritt hätte ihm das Verderben gebracht. Verwundert blickte er sich nach seinem Retter um. Er konnte weit und breit keinen Menschen gewahren. Da kam ihm die klare Erkenntnis, wie Wunderbares ihm geschehen war. Er kniete nieder und betete unter Freudentränen: „O heiliger Schutzengel! Gott vergelte dir, was du mir getan hast. Du hast mich beschützt. Gott sei gedankt.“ Man sage nicht, dass nur leichtgläubige Menschen früherer Jahrhunderte solche Erfahrungen gemacht hätten. Der Apostel der Aussätzigen, Pater Damian de Veuster, erzählt aus seiner Jugendzeit: „An einem sehr kalten, nebeligen Tag kehrte ich flußaufwärts heim. Das Eis war schön und glatt. Die Ufer flogen an dem Schlittschuhläufer mit erstaunlicher Schnelligkeit vorüber. Da gähnt vor meinen Füßen ein offener Schlund. Was ich tue, weiß ich selbst nicht. Zum Stehen gekommen, muß ich sehen, daß mein Schlittschuh haarscharf in kurzem Bogen den äußersten Rand des Eises gestreift hat. Noch heute schaudert’s mich bei dem bloßen Gedanken. Vor Schreck bebend, warf ich mich auf die Knie, um meinem Schutzengel zu danken.“ Der Afrikaforscher Henry Morton Stanley war tausend Gefahren im Dschungel, auf Flüssen und von wilden Tieren entgangen. Er versicherte: „Ich glaube an das Dasein von Engeln, die auf die Erde geschickt waren, mir zum Schutz.“

Trotz solcher Bekenntnisse will manchem Menschen vielleicht das zweifelnde oder mitleidige Lächeln nicht von den Zügen verschwinden. Er fragt sich: Wenn es einen Schutz durch Engel gibt, wie lässt sich die Unzahl der Unglücksfälle erklären? Was bedeuten einige auffallende Errettungen gegenüber der Unsumme der Opfer des Verkehrs, der Berufsarbeit, der Verbrechen? Wo bleiben die Engel, die wir so oft brauchen? Ich gebe darauf zwei Antworten. Erstens. Die Engel bleiben aus, weil sie nicht gerufen werden. Den Menschen in ihrer schwachen Gläubigkeit oder ihrem völligen Unglauben scheinen andere Mächte eher zur Hilfe nahe als die Engel Gottes. Nur wo der Glaube an Gott, der Berge versetzen kann, lebendig ist, wo das kindliche Vertrauen auf die ewige Vorsehung, ohne deren Willen kein Sperling vom Dache fällt, sich unbegrenzt erweist, dort ist auch die Bereitschaft vorhanden, sich helfen zu lassen, Hilfe zu erwarten und zu erbitten und überhaupt zu erkennen. Der Vater eines besessenen Knaben brachte seinen Sohn zu Jesus. Der stumme Geist zerrte ihn hin und her, er schäumt und knirschte mit den Zähnen, dann lag er starr da. Der Vater sagte zu Jesus: Wenn du etwas vermagst, dann habe Mitleid mit uns und hilf uns. Jesus antwortete ihm: Alles ist dem möglich, der glaubt. Da rief der Vater des Knaben unter Tränen aus: Ich glaube, hilf meinem Unglauben. Jesus sagte dem unreinen Geist: Ich befehle dir, fahre von ihm aus. Da schrie er, schüttelte ihn heftig und fuhr aus. Zweitens. Nehmen wir einmal an, es gäbe den Automatismus: Der Mensch begibt sich in Gefahr und Not, und die Engel stehen bereit, ihn daraus zu erretten, jedes Mal und ohne Rücksicht auf die Verantwortung und die geistige Verfassung des Menschen. Was wäre die Folge eines solchen Mechanismus? Die Menschen würden sich unbedenklich und mutwillig in die größten Gefahren begeben, weil sie die Gewissheit hätten, die Engel holen sie aus ihnen heraus. Die Engel würden zu Bediensteten des Übermuts und der Vermessenheit der Menschen gemacht. Das ist mit ihrer Würde und ihrer Aufgabe unvereinbar. Gott lässt sich nicht zwingen, aber er lässt auch seine Boten nicht zwingen.

Die Engel sind Diener Gottes und seine Boten an uns. Selten und nur in außerordentlichen Fällen setzt Gott sie ein, um dem Lauf der Welt oder dem Verlauf eines Menschenlebens eine entscheidende Wendung zu geben. Dies geschieht nach seiner unergründlichen Weisheit und seiner weisen Vorsehung. Immerfort jedoch sind sie tätig im Dienst des Reiches Gottes. Soviel bedeutungsvoller das Heil der Seele als das Wohl des Leibes ist, soviel mehr mühen sich die Engel um unser Seelenheil als um unser leibliches Wohlergehen. In Gottes Augen und damit auch im Urteil seiner Engel ist es ein geringeres Unglück, wenn ein Kind in einen Abgrund stürzt, an dessen Rand es gespielt hatte, als wenn es in den Abgrund der Todsünde gefallen ist und sein eigenes Unglück nicht einsieht. Äußeres Missgeschick kann der Seele oft zum Heil und Gewinn werden. Manchmal erkennt der Mensch im Rückblick auf einen Abschnitt seines Lebens, den er bisher als ärgste Heimsuchung betrachtet hatte, dass er eine Quelle des Segens war.

Der Schutzengel ist unser unentbehrlicher Freund und Wohltäter. Die Heilige Schrift mahnt uns: „Du aber habe acht auf ihn und lausche auf seine Stimme und meine nicht, ihn verschmähen zu dürfen“ (Ex 23,21). Wenn wir den Schutzengel fragen könnten, wie wir ihn am besten zu ehren vermögen, würde er sicherlich antworten: Indem du auf meine Ermahnungen hörst und meine Warnungen nicht in den Wind schlägst. Oft und oft spricht er leise, aber doch vernehmlich zu dir: Fliehe die Gefahr! Lass dich nicht verführen! Halte dich im Zügel! Vergilt nicht Böses mit Bösem! Sondern überwinde das Böse durch das Gute! O meine Freunde, vertrauen wir auf Gott und seine Engel. Es sollte unsere selbstverständliche Gewohnheit sein, jeden Morgen und jeden Abend das Gebet und den Schutz des heiligen Engels zu erbitten und ihm zu danken. Engel Gottes, mein Beschützer, dem die Vaterliebe Gottes mich anvertraut hat, erleuchte, beschütze, regiere und lenke mich.

Amen.

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