Die Wahrheit verkündigen,
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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
15. November 2020

Elisabeth von Thüringen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Die verehrungswürdige und Gott so treue Elisabeth, aus vornehmem Geschlecht hervorgegangen, strahlte auf wie der Morgenstern inmitten der Nebel dieser Welt.“ So beginnt der Zisterziensermönch Caesarius von Heisterbach seine Biographie der heiligen Landgräfin von Thüringen, Elisabeth. Sie wurde 1207 geboren. Ihre Eltern waren der ungarische König Andreas II. und Gertrud, eine Tochter Bertholds IV. von Andechs-Meran. Ihre Muttersprache war deutsch. Die heilige Hedwig, Herzogin von Schlesien, war ihre Tante mütterlicherseits. Ihr Bruder Bela trug 1235-70 die Stephanskrone in Ungarn. Wohl schon 1208 wurde Elisabeth aus politischen Gründen einem deutschen Grafensohn Ludwig IV. von Thüringen, Sohn des Landgrafen Hermann I. von Thüringen, verlobt. Die Eltern beiderseits – König Andreas und Königin Gertrud sowie Landgraf Hermann von Thüringen – erhofften sich von der Verbindung ihrer Kinder Zunahme ihres Ansehens und Garantie für ein friedliches Einvernehmen. Die kleine Prinzessin wurde 1211 mit prächtigem Gefolge und mit kostbaren Schätzen aus Preßburg in die neue Heimat geleitet. Auf der Wartburg sollte sie in deutscher Umgebung aufwachsen und erzogen werden, um frühzeitig Sitten und Lebensform ihres künftigen Standes kennenzulernen. Sie wurde am prachtliebenden Landgrafenhof von Hermanns zweiter Gemahlin Sophie, einer Tochter Ottos, des ersten Herzogs von Bayern aus dem Hause Wittelsbach, erzogen. Sophie zog sich als Witwe zu den Zisterzienserinnen in das Katharinenkloster zu Eisenach zurück. Elisabeth erlebte frühzeitig kirchliche Strömungen, die den Schwiegervater wegen seiner Übergriffe auf Kirchengut und wegen Bedrückung der Untertanen verurteilten, und geriet in Gegensatz zu Hof und Adel des Landes. 1217 starb der Schwiegervater im Kirchenbann. Elisabeths Mutter wurde 1213 von feindseligen ungarischen Adligen ermordet.

Elisabeth kam in Thüringen gut an. Liebreiz und fremdländisches Temperament gewannen dem Kind schnell die Zuneigung seiner neuen Familie und seiner Umgebung. Mit Ludwig, ihrem sieben Jahre älteren Bräutigam, verband sie eine herzliche Liebe. Die Landgräfin Sophie beobachtete jedoch mit wachsender Sorge die Andersartigkeit ihres Schützlings. Elisabeth hörte mitten im lebhaften Spiel plötzlich auf, Gott zulieb, wie sie sagte. Sie zeigte den Bediensteten und niedriggestellten Leuten ihre Zuneigung, was damals als unpassend galt. Sie konnte sich auch an manche Dinge nicht gewöhnen, die einer künftigen Landgräfin notwendig zu sein schienen. Sie brachte es nicht fertig, in kleinen Schritten einherzugehen und leise zu reden. Mehr als alle Reigen liebte sie das wilde Reiten. Es fehlte ihr die mâze, jene vielgepriesene Tugend mittelalterlichen Frauentums. Hätte nicht Ludwig sie gegen alle Anfeindungen und Verdächtigungen in Schutz genommen und sich schließlich durch eine frühe Heirat endgültig für sie entschieden, so wäre Elisabeth vielleicht von Thüringen weggeschickt worden. Im Alter von 14 Jahren erfolgte Elisabeths Verheiratung (1221). Durch die Ehe mit dem Vetter König Friedrichs II. trat sie in verwandtschaftliche Nähe zum staufischen Kaiserhaus. Ludwig war Friedrich eng verbunden und stand ihm wiederholt, auch in Italien, zur Seite. Mit der Verheiratung war das Glück Elisabeths vollkommen. Sie überließ sich in kindlicher Seligkeit ihrem Gatten. Mit ihm verband sie mehr als nur der Wille der Eltern und die gemeinsam verbrachte Jugendzeit; sie war ihm in aufrichtiger Liebe zugetan. Elisabeth gebar in ihrer kurzen Ehe drei Kinder. 1222 wurde sie Mutter des Landgrafen Hermann II., 1224 der Landgräfin Sophie (der späteren Gemahlin des Herzogs Heinrich II. von Brabant) (und Stammmutter der Landgrafen von Hessen), 1227 der seligen Gertrud, der späteren Äbtissin von Altenberg bei Wetzlar. Ihre Liebe machte sich frei von manchem Zwang höfischer Etikette. Sie ritt dem heimkehrenden Gatten weit entgegen und begrüßte ihn stürmisch jubelnd. Er führte sie zur Burg und duldete es allen Hofleuten zum Trotz, dass sie mit ihm an einem Tisch speiste. Ihr Gatte musste es dulden, dass er das Herz seiner geliebten Frau zwar ganz besaß, aber nicht allein. Er war groß genug, Gottes Anspruch an Elisabeth nie im Wege zu stehen. Er sah es ihr nach, wenn sie nachts bisweilen ihr Lager an seiner Seite verließ und sich auf den kalten Boden legte, nur um seine liebe Nähe aus Liebe zu Gott für eine Zeit zu entbehren. Er tadelte sie nicht, wenn sie hungrig an der Tafel saß, weil sie sich durch ein Gelübde verpflichtet hatte, nichts zu essen, was ihren Untertanen auf ungerechte Weise abgefordert worden war. Er stellte sich mit seiner ganzen Autorität hinter sie, als sie im Hungerjahr 1225/26 die Speicher öffnete, um die Armen zu speisen. Diese Haltung Ludwigs war nicht nur ein Geschehenlassen, sondern erwuchs aus einem inneren Verständnis. Das erfahren wir aus folgender Szene: In der Abwesenheit ihres Gatten hatte Elisabeth einen Aussätzigen im Schloss aufgenommen und in das Bett Ludwigs gelegt, um ihn bei Tag und Nacht pflegen zu können. Da kehrte der Landgraf unerwartet heim. Man erzählte ihm von der seltsamen Tat Elisabeths. Ein leiser Groll erwachte in ihm. Als er dann in sein Gemach kam, öffnete Gott der Herr ihm die inneren Augen, und er sah den gekreuzigten Christus in seinem Bett liegen. Da blickte er Elisabeth freundlich an und sprach: „Elisabeth, meine liebe Schwester, solche Gäste sollst du gar oft in mein Bett legen, das ist mir wohl zu Dank.“ Es bleibt das Geheimnis Elisabeths, wie sie Gottesliebe und Gattenliebe in höchster Vollendung in Einklang brachte. Man hat versucht, dieses Geheimnis zu erklären, indem man von wachsender Vergeistigung ihrer Liebe zu Ludwig sprach. Aber dieser Versuch scheitert. Er fällt zusammen unter der Wucht des Schmerzes, der beim Abschied von Ludwig aus Elisabeth hervorbrach, als dieser 1227 zum Kreuzzug auszog. Sie mag geahnt haben, was bald darauf Wirklichkeit wurde. Ludwig starb noch bei der Einschiffung in Otranto am 11. September 1227 an einer Seuche. Kaum wagte man, der Landgräfin die Nachricht zu überbringen. „Ach, Herre Gott, nun ist mir alle Welt tot.“ Mit diesem Schrei irrte sie fassungslos durch die Gemächer der Burg. Da ist nichts von Vergeistigung; da ist nur ein bis in die letzten Tiefen getroffenes Herz.

Der Schlüssel zu Elisabeths Wesen liegt in ihrer tiefinnerlichen, mystischen Erfassung des Evangeliums und seiner selbstlosen buchstäblichen Erfüllung. Sie wandte sich bereits zu Lebzeiten ihres Gatten der Bewegung der Beginen und der Franziskaner zu, deren Eisenacher Niederlassung sie förderte. Während des Hungerjahres 1225/26 übte Elisabeth eine heroische Liebestätigkeit im Hospital unter der Wartburg. Die Fürsorge für die Armen speiste sie aus ihrem persönlichen Besitz. Der Ernst Elisabeths und der Gegensatz zu ihrer Umgebung verstärkten sich. Ihr geistlicher Führer Rüdiger OFM brachte ihr franziskanische Gedanken bei. Sein Nachfolger (1226), der harte Konrad von Marburg, verschärfte mit einem Speiseverbot Elisabeths Seelennot und den Gegensatz zum Hof. Die landgräfliche Familie hielt sie für verrückt. Ohne den Schutz Ludwigs konnte Elisabeth ihr bisheriges Leben auf der Burg nicht weiterführen; so ging sie freiwillig und ungesehen weg, ins Elend. Nach dem Tod des Gatten wurde Elisabeth von den thüringischen Großen ihrer Witwengüter beraubt. Sie litt in Eisenach bittere Not. Ihre Tante, die Äbtissin Mechthild von Kitzingen, verbrachte sie 1228 unter die Obhut des Bischofs Eckbert von Bamberg, ihres mütterlichen Oheims. Er plante, sie gegen ihren Willen wieder zu vermählen, was Elisabeth vehement ablehnte. Unter dem Schutz der thüringischen Kreuzfahrer konnte sie nach Thüringen zurückkehren, Durch Vermittlung des (von Papst Gregor IX. zu ihrem Defensor ernannten) Konrad von Marburg erhielt sie für die entzogenen Witwengüter eine größere Geldsumme und Güter um Marburg zum Nießbrauch. In Marburg erbaute sie im Winter 1228/29 (nach vorübergehendem Aufenthalt in Wehrda) das Franziskushospital. Dort umgab sie sich mit nichtadeligen Frauen im grauen Habit der Beginen, tat selber Spitaldienste und begründete eine Spitalgemeinschaft mit halbklösterlicher Ordnung und der Verpflichtung zur Arbeit. Dort verzehrte sie ihre geschwächte Lebenskraft in aufopfernder Liebestätigkeit im Dienste der Armen, Kranken und Aussätzigen. Sie tröstete, pflegte und wusch die abstoßendsten Kranken. In der Nachfolge Jesu vollzog sie am Gründonnerstag die Fußwaschung, Speisung und Tränkung der Armen. Liebes- und Leidensnachfolge Jesu in der Welt, ein Leben als „Schwester in der Welt“, ist der Leitgedanke der Marburger Zeit. Auf der letzten Wegstrecke gewann Magister Konrad von Marburg entscheidende Bedeutung. Der Papst hatte ihm persönlich die Sorge für die Landgräfin übertragen. Noch zu Lebzeiten Ludwigs hatte sich Elisabeth seiner Leitung anvertraut und 1226 in seine Hände das Gelübde des Gehorsams abgelegt. 1228 folgte sie ihm nach Marburg. Konrad war ein ernster, von heiligem Eifer durchdrungener Priester, auch ein theologisch gebildeter Magister und Prediger, päpstlich bevollmächtigter Kreuzprediger, Inquisitor und Visitator. Er lebte selbst arm und in strenger Askese. Er sah es als seine große Aufgabe an, der in Elisabeth angelegten Heiligkeit zum vollen Durchbruch zu verhelfen. Mit unerbittlicher Strenge leitete er sie. Wo immer er eine natürliche Neigung entdeckte, suchte er sie zu ersticken. So nahm er ihr zuletzt sogar die beiden liebsten Dienerinnen, die ihr als einzige Gefährtinnen geblieben waren. Ihre eigenen Kinder hatte sie hergegeben, da sie ihnen nicht die standesgemäße Erziehung zuteilwerden lassen konnte. Es war für Konrad nicht leicht, Elisabeths Überschwang in erträglichen Grenzen zu halten. Im Dienst an den Kranken opferte sie sich auf. Ihr Verlangen nach Armut überschritt jede Grenze. Sie bat Meister Konrad, er solle ihr erlauben, von Tür zu Tür betteln zu gehen. Als er dies verweigerte, legte sie am Karfreitag 1228 die Hände auf den Altar in der Kapelle der Minoriten und entsagte ihrem eigenen Willen und aller Pracht der Welt. Durch ihre Askese und ihre Frömmigkeit gab Elisabeth den adligen Führungsschichten das Beispiel eines echten christlichen Lebens, das die Fähigkeit der Herrenschicht zum Seelenadel und zur religiösen Innerlichkeit überzeugend darstellte. Im November 1231 erkrankte Elisabeth. Die letzten Tage ihres Lebens waren überstrahlt von einer kindlichen Heiterkeit. Sie verschenkte ihre letzte Habe und tröstete ihre Gefährtinnen. Am 16. November, gegen Mittnacht, starb sie mit 24 Jahren.

Sogleich nach ihrem Tode setzte ihre Verehrung ein. Die Mitwelt empfand ihr Beispiel als Mahnruf an alle Frauen, die auf den Burgen saßen. Bereits 1233 berichteten Menschen von Wundern, die sich ereignen, wenn Elisabeth um Fürsprache bei Gott angerufen wird. Konrad von Marburg und Konrad von Thüringen (Elisabeths Schwager und späterer Hochmeister des Deutschen Ordens) brachten den Kanonisationsprozess in Gang. 106 naturwissenschaftlich unerklärbare Vorfälle trugen päpstliche Beauftragte in den Jahren gleich nach ihrem Tod nach Rom. Am 27. Mai 1235 sprach Papst Gregor IX. Elisabeth in Perugia heilig und setzte ihr Fest auf den 19. November fest. Es war die fünfte beglaubigte Heiligsprechung einer Frau. Der Deutschorden als Rechtsnachfolger ihrer Marburger Gründung legte am 14. August 1235 den Grundstein zu ihrer monumentalen Grabeskirche. Ihr Leib wurde bald nachher in einem kostbaren Schrein geborgen. Am 1. Mai 1236 erfolgt in Marburg die Erhebung der Gebeine Elisabeths im Beisein Kaiser Friedrichs II. Marburg wurde jetzt eines der besuchtesten Pilgerziele des Mittelalters. Elisabeth wurde eine der beliebtesten weiblichen Heiligen des Spätmittelalters. Im 14./15. Jahrhundert erlangte sie zusätzliche Bedeutung als Hospitalheilige, der zahlreiche Spitäler geweiht wurden. Die hessischen Landgrafen als unmittelbare Nachkommen Elisabeths erhoben sie zur Stammmutter ihrer Dynastie und im 15. Jahrhundert zur Patronin der Landgrafschaft und des Landes Hessen. Der zum Protestantismus abgefallene Landgraf Philipp von Hessen machte 1539 der öffentlichen Verehrung Elisabeths ein Ende, indem er die Gebeine fortnahm. 1548 nach der Niederlage der Schmalkaldener musste er sie dem Deutschen Orden zurückgeben. Die Reliquien wurden jedoch früh zerstreut. Elisabeth gehört zu jenen Heiligen, deren Strahlkraft nie nachgelassen hat, zu der Menschen aller Zeiten ohne Rücksicht auf Alter und Stand sich hingezogen fühlen. Sie ist ein Beispiel dafür, auf welche Höhen der Gottesliebe und der Nächstenliebe der Herr einen Christen führt, der sich Gott ganz und völlig überlässt.

Amen.

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