Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
21. Juni 2020

Das heiligste Herz Jesu

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der Monat Juni ist in der kirchlichen Überlieferung und in der Volksfrömmigkeit der Verehrung des heiligsten Herzens des Erlösers geweiht. Wenige Tage nach der Feier des Herrenleibes richtet sich der Blick der betenden Kirche auf das Herz des Herren. Die Herz-Jesu-Verehrung ist biblischen Ursprungs. Seitdem der Evangelist Johannes seine Erfahrung des am Kreuze gestorbenen Heilands der Christenheit übermittelte, hat diese nicht aufgehört, auf das von der Lanze durchbohrte Herz Jesu zu schauen. Die Kirchenväter sehen in dem Blut und Wasser, das aus der Seitenwunde Jesu floss, die Sakramente der Taufe und der Eucharistie vorgezeichnet. Damit verbindet sich die Lehre von der Geburt der Kirche aus der Seitenwunde Christi. Die Herz-Jesu-Verehrung blühte im Mittelalter auf. Der Evangelist Johannes wurde ihr Patron. Mechthild von Magdeburg, Mechthild von Hackeborn und Gertrud von Helfta umfingen das Herz des Herrn mit mystischer Glut und theologischer Tiefe. Die Andacht zum Herzen Jesu erfasste weite Kreise. Aus ihrer Frömmigkeit entstanden Herz-Jesu-Gebete und -Lieder. In der Neuzeit waren es vor allem französische Mystiker und Theologen, welche die Herz-Jesu-Verehrung, ihre Übungen, Gebetsformen und Andachtsbilder verbreiteten. Die Visionen der heiligen Margareta Maria Alacoque machten diese Verehrung volkstümlich. Sie erhielt vom Herrn den Auftrag, die allgemeine Verehrung des Herzens Jesu in der Form der Monatsfreitage, der Heiligen Stunde und in einem eigenen, von der ganzen Kirche zu feiernden Fest zu fördern. Sie tat es mit Erfolg. Die Päpste erkannten Sinn und Segen der Verehrung des Herzens Jesu und zeichneten sie durch Messformulare und Kirchenfeste aus. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts setzte eine volkstümliche Herz-Jesu-Verehrung ein; zahlreiche Herz-Jesu-Bruderschaften wurden gegründet, die sich ihr widmeten. In vielen Pfarreien war der Herz-Jesu-Freitag eine feste Institution. Der erste Freitag im Monat war der Herz-Jesu-Verehrung gewidmet. Zahlreiche Männer und Frauen hatten die Gewohnheit, zu beichten, die heilige Messe zu besuchen, die heilige Kommunion zu empfangen und die Litanei vom Heiligsten Herzen Jesu zu beten. Sie waren sich bewusst, dass sie sich dadurch dem Herzen Jesu weihen und dass sie seinen Segen nach Hause tragen. Hat ihnen doch der Herr verheißen: „Ich werde den Verehrern des heiligsten Herzens Jesu und ihren Familien den Frieden schenken.“ Meine Großeltern kannten die Verheißung, die Christus der heiligen Margareta Maria Alacoque gegeben hatte: „Ich werde die Häuser segnen, in denen das Bild meines heiligsten Herzens aufgestellt und verehrt wird.“ Und sie stellten dieses Bild in ihrer armen Wohnung auf. Ich selbst habe seit meinem ersten Priesterjahr 1951 gelernt und geübt, den Herz-Jesu-Freitag mit Messe (und früher vor ausgesetztem Allerheiligsten) zu feiern.

Aber in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte der Absturz ein. Er wurde ausgelöst durch Theologen. Vor allem die Liturgiewissenschaftler waren und sind dem Herz-Jesu-Fest als sog. Ideenfest wenig gewogen. Unter dem Einfluss der Liturgischen Bewegung und durch die sog. Liturgiereform ging die Herz-Jesu-Verehrung drastisch zurück und hörte vielerorts ganz auf. Die Feier des Herz-Jesu-Freitags ist weithin verlorengegangen. Die Kirche hat durch den Rückgang bzw. das Aufhören der Herz-Jesu-Verehrung Unersetzliches eingebüßt. Das leibliche Herz des Herrn ist anbetungswürdig durch die Verbindung mit der Gottheit in der hypostatischen Union. Die Verehrung richtet sich also nicht auf das isolierte, sondern auf das lebendige, mit der göttlichen Person vereinigte Herz. Im Sinn der Andacht ist „Herz“ kein physiologischer, sondern ein ganz menschlicher Begriff. Herz ist ein Urwort, das in einem das Geistige und das Leibliche am Menschen nennt. Mit Herz ist nicht der Herzmuskel, sondern die innerste Mitte der leibhaftigen Person gemeint. Das lebendige, von der Person Christi nie getrennt zu denkende Herz, durch Liebe und Schmerz beeinflusst, lebendiges Symbol der gottmenschlichen Liebe, verdient Verehrung und Anbetung, wobei die Anbetung begründet ist durch die hypostatische Union, d.h. die Vereinigung von Gottheit und Menschheit in der Person des Erlösers. Es gilt also festzuhalten: Alle Verehrung, die dem Herzen Jesu erwiesen wird, gilt der Person des Herrn, dem ganzen Christus. Die Herz-Jesu-Verehrung ist ein latreutischer Kult, d.h. Anbetung und Praxis der göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe. Besonders werden auch die Weihe, die Sühne und die Nachahmung betont.

Die Motive dieser Verehrung sind Würdigung der Erlöserliebe, Nachbildung der Tugenden, Mitvollzug der Sühne, Leben in Bekehrung und Buße. Die Herz-Jesu-Verehrung erstrebt eine umfassende Hingabe an das Herz des Herrn zur möglichst tiefen Einheit der Liebe und des Lebens mit ihm. Sie soll sich auswirken in Wirk- und Opfergemeinschaft mit dem Erlöser für das Heil der Welt. Die Sühne richtet sich besonders auf das verschmähte Herz, das von unseren Sünden durchbohrte Herz. In dem Hymnus, den wir Priester am Herz-Jesu-Fest beten heißt es: „Die Lanze, die der Soldat schwingt, lenken unsere Sünden. Die Spitze des schrecklichen Spießes schärft die Todsünde.“

Die Herz-Jesu-Verehrung hat eine ganze Reihe von Übungen der Frömmigkeit ausgebildet. Vielleicht die wichtigste Äußerung ist das Halten und Beobachten des Herz-Jesu-Freitags. Der Herz-Jesu-Freitag lässt das heiligste Herz unseres Heilands nicht in Vergessenheit geraten. Er erinnert am Anfang jeden Monats an das Herz voll Güte und Liebe, den Quell des Lebens und der Heiligkeit, dem wir unsere Zeit und unsere Arbeit weihen sollen. Der Herr versprach der heiligen Margareta Maria Alacoque besondere Gnaden in der Sterbestunde für die, welche neun Monate hintereinander am Herz-Jesu-Freitag die Sühnekommunion empfangen. Eine besondere Qualität hat die Weihe an das heiligste Herz Jesu. Sie ist feierlicher Akt der Hingabe an das Herz des Herrn. Es besagt: Wir wollen ihm gehören und ihm folgen. Die Weihe ist zu verstehen als eine Teilnahme an der Liebe Jesu zum Vater und zu den Menschen im mystischen Leibe. Seit Papst Leo XIII. die Weihe der Welt an das Herz Jesu vollzogen hat, wird diese Weihe jeweils am Christkönigsfest erneuert. „O liebster Jesus, Erlöser des Menschengeschlechtes, blicke gnädig auf uns herab, die wir in Demut vor deinem Altare knien. Dein sind wir, dein wollen wir bleiben. Damit wir aber noch inniger mit dir verbunden werden, so weiht sich heute jeder von uns freudig deinem heiligsten Herzen.“ Zu den wertvollsten Herz-Jesu-Gebeten gehört die Herz-Jesu-Litanei mit ihrem betont biblischen Charakter. Herz-Jesu, mit dem Worte Gottes wesenhaft vereinigt. Herz-Jesu, brennender Feuerherd der Liebe. Herz-Jesu, geduldig und von großer Erbarmung. Herz-Jesu, Sühne für unsere Sünden. Herz-Jesu, mit Schmach gesättigt. Herz-Jesu, unser Friede und unsere Versöhnung. Am Herz-Jesu-Fest ist das Sühnegebet zum heiligsten Herzen Jesu zu verrichten. Es ist der Versuch, die frevelnde Kälte der Menschen und all das Unrecht, mit dem das Herz des Herrn überhäuft wird, in einem besonderen Ehrenerweis zu sühnen, wiedergutzumachen, was die Menschheit gegenüber diesem Herzen fehlen lässt.

Zwei Bitten sind es, die wir heute und alle Tage an das Herz unseres Erlösers richten sollen. Erstens. Heiligstes Herz Jesu, bilde mein Herz nach deinem Herzen! Von diesem Herzen kann und muss man lernen. Seine Gesinnungen, seine Absichten, seine Strebungen sollen die unseren werden. Die Litanei vom heiligsten Herzen Jesu sagt uns, wie dieses Herz beschaffen ist. Es ist ein heiliger Tempel Gottes, ein Zelt des Allerhöchsten; es ist ein Feuerherd der Liebe, eine Wohnstätte der Gerechtigkeit und Liebe; es ist geduldig und von großer Erbarmung; es ist gehorsam geworden bis zum Tode. Der große Bischof Johann Michael Sailer sprach oft das Gebet: „Gib mir, o Herr, ein kindliches Herz zum Glauben, ein mütterliches Herz zum Lieben, ein männliches Herz zum Handeln!“ Johannes Vianney, der heilige Pfarrer von Ars, pflegte seine Danksagung nach der heiligen Messe in die Worte zusammenzufassen: „Mein Herr, nun trag du den armen Menschen, der dich trägt.“ Ach, dass wir doch nicht ganz und gar unähnlich diesem Herzen wären! Dass wir seine Gesinnungen, seine Tugenden, seine Haltungen annähmen und bewahrten! Gott wird unsere Gebete erhören. Er wird seinen Verehrern die Erfüllung ihrer gerechten Bitten schenken. Christus hat doch den Herz-Jesu-Verehrern verheißen: „Die lauen Seelen werden eifrig werden. Die eifrigen Seelen werden sich rasch zur Vollkommenheit erheben.“ Zweitens. Die zweite Bitte, die wir an unseren Herrn richten, lautet: Heiligstes Herz Jesu, ich vertraue auf dich. Christus ist unser Alles. Willst du eine Wunde heilen – er ist der Arzt. Wirst du von Fieber erhitzt – er ist die Quelle. Wirst du von Sündenschuld bedrückt – er ist die Rechtfertigung. Brauchst du Hilfe – er ist die Kraft. Fürchtest du den Tod – er ist das Leben. Verlangst du nach dem Himmel – er ist der Weg. Suchst du Speise – er ist die Nahrung. Darum kostet und seht, wie lieb der Herr ist. Selig, wer auf ihn vertraut! (Ambrosius). O meine lieben Freunde! Lasst uns aufrichtige und treue Verehrer des heiligsten Herzens Jesu werden. Nur durch sein Herz kann man ihn und seine Liebe verstehen. Christus wird den Dienst, den wir ihm in der Herz-Jesu-Verehrung erweisen, nicht unbelohnt lassen. Er steht zu den Verheißungen, die er seiner Dienerin Margareta Maria Alacoque gegeben hat: „Die Namen derer, die diese Andacht verbreiten, werden in mein Herz eingeschrieben und nie wieder daraus gelöscht werden.“

Amen. 

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