Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
15. März 2020

Der König der Dornen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Geißelung des Heilands ist vorüber. Die Soldaten haben Befehl, Jesus bis zu Verurteilung bei sich zu behalten und zu bewachen. Sie binden ihm die Hände und führen ihn ins Prätorium. Wie ein blutiger Schatten wankt der Gegeißelte über den Weg. Die Gewandstücke reiben an den Wunden und erzeugen neue Qual. Im Prätorium gähnt die Langeweile. Die Soldaten versuchen sich die Zeit zu vertreiben. Da blitzt einem ein Gedanke auf. Die Soldaten haben den Prozess vor dem Prokurator verfolgt. Sie haben vernommen, wie die jüdischen Ankläger Jesu Auftreten ins Politische gewendet haben. Nur damit konnten sie bei dem Vertreter der römischen Macht in Palästina eine Verurteilung erreichen. „Er wiegelt das Volk auf. Er stört die öffentliche Ordnung. Er lehnt sich gegen den Kaiser auf. Er verbietet, ihm Steuer zu bezahlen.“ Diese Anklagen, diese Vorwürfe kommen bei den Soldaten an. Sie sind Angehörige des römischen Heeres. Sie unterstehen dem Kaiser als ihrem obersten Befehlshaber. Wer sich gegen ihn wendet, greift auch sie an. So erklärt sich die Erregung und die Entrüstung der Soldaten. Sie wollen es Jesus heimzahlen, sein angemaßtes Königtum dem Spott und der Verachtung preisgeben.

An dem Spaß müssen alle teilnehmen. „Sie riefen die ganze Kohorte zusammen.“ Die Soldaten eilen neugierig herbei. Dann geht es los. Ein König sitzt auf einem Thron. Woher den Thron bekommen? Da liegt ein Stein. Sie packen den Herrn und stoßen ihn auf den Stein. Ein König trägt einen Purpurmantel. Ein Soldat schleppt einen alten Soldatenmantel herbei. Herunter mit den Kleidern! Sie reißen dem Heiland die Kleider vom Leibe, die an den offenen Wunden festgeklebt sind. Von neuem bluten die Wunden. „Und sie zogen ihn aus und legten ihm einen Scharlachmantel um.“ Jetzt eine Königskrone. Die Unholde überlegen hin und her, wie sie an eine Krone kommen. Da kommt einem die Eingebung: Windet ihm eine Krone aus Dornen! Aus Akanthuszweigen flechten sie einen Dornenkranz und setzen ihn auf sein Haupt. Die Spitzen der Dornen stechen wie glühende Nadeln in das Haupt, in die Schläfen. Ein König führt ein Zepter. Ein Stück Bambus tut es auch. Ein Soldat packt die rechte Hand des Gebundenen und steckt es hinein. „Und sie gaben ein Rohr in seine Rechte.“ Nun haben sie ihn soweit. Der „König der Juden“ sitzt vor ihnen auf einem „Thron“, gekleidet in einen „Purpurmantel“, eine „Krone“ auf dem Haupt, das „Zepter“, das Zeichen der Macht, in der Hand. Das Vergnügen ist vollständig. Doch nur beinahe. Denn Untertanen haben ihren König zu verehren. Das fehlt noch. So nehmen die Soldaten den Helm ab, werfen sich auf die Knie und rufen im Chor: „Ave, Rex Judaeorum!“ Sei gegrüßt, König der Juden.

Regungslos, vornübergebeugt, sitzt der „König“ inmitten der lärmenden Schar. Er schweigt. Er spricht kein Wort des Schmerzes oder der Entrüstung. Sein Schweigen reizt die Soldaten. Sie legen es als Selbstbewusstsein und als Geringschätzung aus. Wut kommt über sie. „Und sie spien ihn an.“ Einen Menschen anspucken ist Ausdruck der Verachtung. Der Heiland sagt nichts zu dieser Schmach, keine Regung der Abwehr. Sein klagloses Dulden bringt seine Peiniger erst recht gegen ihn auf. „Und sie gaben ihm Backenstreiche.“ Das heißt: Sie prügeln ihn. Zum Spott tritt der Schmerz. Er wehrt sich nicht. Das dornengekrönte Haupt schlägt hin und her. Die Dornen stechen tiefer. Aber der Heiland sagt nichts. Er duldet schweigend. „Da nahmen sie das Rohr und schlugen auf das Haupt.“ Das Spottzepter wird zum Prügelinstrument. Der Herr fährt in jähem Schmerz zusammen, tiefer und tiefer sinkt sein Haupt. Glühende Nägel bohren sich in die Schläfen. Das Blut sickert hervor, fließt über Schläfen und Wangen durch die Augen. „O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz, bedeckt mit Hohn. O göttlich Haupt, umwunden mit einer Dornenkron. O Haupt, das andrer Ehren und Kronen würdig ist, sei uns mit frommen Zähren, sei tausendmal gegrüßt.“

Die Henker hätten geschworen: Der mit Dornen gekrönte „König“ hat seine Rolle ausgespielt. Seine Anhänger meinten: Nun ist alles verloren, Jesus von Nazareth und sein Werk sind ein für allemal zerbrochen. Doch Gottes Gedanken sind nicht der Menschen Gedanken, der Menschen Wege sind nicht Gottes Wege. Die Dornenkrönung ist nicht das Ende; sie ist der Anfang. Geduldet euch nur noch einige Tage; dann werdet ihr die Thronerhebung des Königs der Dornen erleben. Dann wird ihm der strahlende Mantel göttlicher Herrlichkeit umgelegt. Dann reicht ihm der himmlische Vater die Fülle der Macht über das All. Dann beginnt der Siegeszug derer, die ihm zurufen: Christus, unser König und Herrscher.

Jesus ist ein König und bleibt ein König, ob mit einer Dornenkrone ausstaffiert oder zur Rechten Gottes thronend. Er besitzt ein Reich, ob verspottet und verhöhnt – oder angebetet und gefolgt. Das Reich Christi ist nicht von dieser Welt, aber es lebt in dieser Welt. Wo immer sein Wille geschieht, wo immer ihm Gehorsam geleistet wird, da offenbart sich seine Herrschaft. Er ist der Schöpfer des Alls. Alles, was geworden ist, das ist durch ihn geworden. Alles, was existiert, hat seinen Bestand in ihm. Er ist der Herr der Natur; sie gehorcht seinen Gesetzen. Christus ist der König des Sittengesetzes. Er hat es gegeben, und er verlangt den Gehorsam gegen dieses Gesetz. Dieser König macht es seinen Reichsangehörigen nicht leicht. Seine Gebote erfordern das Aufgebot aller sittlichen Kraft. Er verlangt Glaubenstreue, und wenn es das Leben kostet. Und nun kommt das Unerhörte: Tausende und Abertausend folgen diesem König, bekennen sich zu ihm trotz Verachtung und Verfolgung, führen den Kampf um Reinheit und Heiligkeit. In Afrika wird ein Mädchen auf den Namen Elisabeth Sina getauft. Es hat den heißen Wunsch, sein Taufkleid unbefleckt zu bewahren. Dreizehn Jahre alt wird es vom Vater an einen Mann verkauft, der schon mehrere Frauen besitzt. Der christliche Glaube verbietet Elisabeth, solch einem Mann zu folgen. Sie entflieht in den Urwald, hält sich tagelang verborgen. Nach der Rückkehr wird sie vom Vater mit der Nilpferdpeitsche geschlagen und viele Stunden eingesperrt. Das Mädchen bleibt standhaft. Um Christi willen. Christus muss und will es mehr gehorchen als dem Vater. Das Kind wird an einen Baum gebunden. Zerschnitten und zersägt. Der Quäler wühlt in seinen Wunden herum. Elisabeth Sina bleibt in unsäglichem Schmerz bis zum Martyrertode Christus treu. Christus, wahrhaftig, du hast große Seelen! Du bist der König der Könige!

Dieser König hat Männer und Frauen, die ihr Eheleben rein bewahren und tapferen Herzens die gottgegebenen Opfer bringen. „Und wenn ich sterben muss, das Kindlein soll leben!“ So erklärt eine Frau in der Bonner Klinik, als der Arzt vor der Geburt des Kindes warnend den Finger hob. Dabei hatte sie schon zehn Kinder. Christus, der König, der die große Mutterseele sah, ließ sich in Großmut nicht übertreffen. Er bewahrte Mutter und Kind.

Christus, wahrhaftig, dir gehören große Seelen! Du bist der König der Könige! Christen, die in unsäglichem Leid die Probe bestehen, die ihr Kreuz gottergeben Christus nachtragen. Auf den Solowetzkiinseln im nördlichen Eismeer befindet sich Bischof Boleslav Sloskan in der Verbannung. Bei Tage müssen die Gefangenen in den Wäldern bei karger Kost harte Fronarbeit leisten. In der Nacht kampieren sie in kalten Löchern und Kerkern. Bischof Sloskan schreibt an seine Mutter, sie solle nicht um ihn weinen. Gott schenke ihm viele innere Freude. Er habe gelernt, für seine Quäler zu beten, ja sogar sie zu lieben. Welch große Seele schaut aus diesen Worten. Eine Seele, die durch Leid geläutert und bewährt, zur Größe Christi emporsteigt. Christus, wahrhaftig, dir gehören große Seelen, du bist der König der Könige!

Gläubige, die ihr Blut für Christus hingeben! Ein Jüngling, der in Jalisco (Mexiko) den Martyrertod starb. Soldaten binden ihn hinten ans Auto, weil er nicht rufen will: „Nieder mit Christus!“ und fahren los. In ihrer Bosheit halten sie am Haus der Mutter. Hinter dem Auto liegt blutüberströmt der junge Held. Die Soldaten schreien ihn an: „Sag: Nieder mit Christus!“ In ihrer Wut bearbeiten sie ihn mit Bajonettstichen. Er kennt nur ein Antwort: „Ich bin Katholik, es lebe Christus, der König!“ Da kommt die Mutter aus dem Hause gelaufen. Entsetzt sieht sie ihr Kind in solchem Zustand. Und doch ruft sie, so laut sie kann, ihm zu: „Und wenn sie dich töten, verleugne den Glauben nicht. Der Glaube ist mehr wert als das Leben!“ Der Junge hört die Worte der Mutter, richtet sich mit letzter Kraft ein wenig auf und ruft: „Es lebe Christus, der König!“ sinkt zurück und ist tot. Christus, wahrhaftig, du hast große Seelen, du bist der König der Könige!“

Wir müssen zurück zum Prätorium. Was haben die Soldaten aus dem Schönsten der Menschenkinder gemacht? Ein Bild des Jammers und der Schmach. Seine Jünger sind geflohen, halten sich versteckt. Petrus wagt sich in seine Nähe. Er wärmt sich am Feuer, denn die Nacht ist kalt. Petrus hofft, unerkannt zu bleiben. Doch einer der Umstehenden erkennt ihn: „Du bist einer von ihnen.“ Petrus entgegnet: „Mensch, ich weiß nicht, was du sagst!“ Auch eine Frau erkennt ihn und spricht: „Auch dieser war mit ihm.“ Petrus weist sie ab: „Ich kenne diesen Menschen nicht.“ Als er das sagte, krähte ein Hahn. Da wird Jesus vorbeigeführt und schaut Petrus an – schweigend. Kein Wort hat er gesagt, kein Wort. Nicht: Simon Petrus, nicht: mein Jünger, nicht: mein Freund, gar nichts. Aber dieser schweigende Blick! Der Herr schaute ihn an. Welch eine Frage lag in diesem Blick: Simon, Sohn des Jonas, denkst du noch an die Tage vom See Genesareth? Denkst du noch an meine Verheißungen und deine Beteuerungen? Wo sind jetzt dein Apostolat und dein Primat? Jetzt, wo du mich nicht mehr kennst? Simon Petrus, kennst du mich wirklich nicht? Nur ein Blick war es, ein fragender Blick, kein zorniger Blick, kein strafender, aber ein todtrauriger Blick. Er genügte. Da ging Petrus hinaus und weinte bitterlich. Wer kann diesen Blick Gottes aushalten, aus dem eine Frage spricht: Menschenkind, wo sind jetzt deine Vorsätze? Wo ist deine Treue? Wo ist deine Liebe? Es ist mir, als spräche Jesus zu uns mit den Worten des Buches von der Nachfolge Christi: Jesus hat jetzt viele Jünger, die im himmlischen Reiche gern mit ihm herrschen möchten, aber wenige, die sein Kreuz auf Erden tragen wollen. Viele, die seinen Trost begehren, aber wenige, die in der Trübsal mit ihm aushalten wollen. Viele, die mit ihm essen und trinken möchten, aber wenige, die mit ihm fasten wollen. Alle möchten mit ihm Freude haben, wenige wollen für ihn leiden. Viele folgen Jesus nach bis zum Brotbrechen beim Abendmahl, aber wenige bis zum Trinken aus dem Leidenskelche. Viele rühmen die Wunder, die er getan, aber wenige teilen mit ihm die Schmach des Kreuzes.

Sind wir mutiger, bekenntnisfreudiger als Petrus? Wie würden wir uns verhalten, wenn wir auf die Probe gestellt würden, zwischen dem Bekenntnis zum König der Dornen und dem friedlichen und behaglichen Leben auf dieser Erde zu wählen? Noch ist es nicht so weit. Noch strafen uns unsere Feinde nur mit Nichtberücksichtigung und Geringschätzung, noch suchen sie uns lediglich von der Verkündigung der christlichen Wahrheit und dem Bekenntnis in der Öffentlichkeit fernzuhalten. Aber wir wissen nicht, was morgen oder übermorgen sein wird. Der Unglaube wuchert in den Massenmedien wie in den Herzen; die Kinder werden in der Schule mit dem Darwinismus und mit der Praxis beliebigen sexuellen Verhaltens vertraut gemacht; die Jugendlichen werden zuerst entsittlicht und dann entchristlicht. Die Feinde der Religion wissen: Wenn wir die Menschen heute unkeusch machen, werden sie morgen ungläubig. Wie sagt der hl. Augustinus: Die Welt wäre nicht ungläubig, wenn sie nicht unkeusch wäre.

Wehe uns, wenn die Saat, die hier gesät wird, einmal aufgeht. Wie sagt Karl Marx richtig: „Die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift.“ Die Ungläubigen sind unduldsam. Sie sprechen von Toleranz, solange sie nicht die Macht in den Händen haben. Wenn sie aber mit oder ohne Stimmzettel zur Regierung kommen, gehen sie daran, die Religion systematisch auszurotten. Wir haben Erfahrungen. Die Machthaber der DDR haben die Mehrzahl der Christen ohne große Mühe von Religion und Kirche abgebracht. Wir wissen, wie sie vorgehen. Wer vom Glauben abfällt, wer aus der Kirche austritt, genießt die Förderung und die Vorteile des Systems. Wer sich als Christ bekennt, wird zurückgesetzt und übergangen. Die gesamte Öffentlichkeit, die Schule, die Erziehung, das Bildungswesen ist von der Gottlosigkeit geprägt. Wo es notwendig scheint, wird mit Druck und Gewalt nachgeholfen.

Wir haben die Herrschaft des militanten Atheismus in der Sowjetunion erlebt. Religion wird von Amtes wegen gelästert. „Religion ist Opium des Volkes.“ So steht es am Kreml eingemeißelt. So liest man es in allen Zeitungen. So hämmern es Radiosprecher Millionen Zuhörern ein. So reden es Lehrer den Kindern in der Schule und den Rekruten in der Kaserne vor. So predigen es Kino und Theater ihren Besuchern. Kirchen werden abgerissen oder in Klubs und Magazine verwandelt. Die Sonntagsruhe wird abgeschafft. Die Priester werden entrechtet, verbannt oder ermordet. In der Sowjetunion ist der Karfreitag angebrochen. Er wirft seine Schatten auch in andere Länder wie Mexiko und Spanien. Die Sowjetunion ist zusammengebrochen, an innerer Schwäche zerborsten. Aber die Erinnerung bleibt. Und wer kann ausschließen, dass vergleichbare Verhältnisse morgen oder übermorgen wiederkehren? Etwa im Reich der Mitte mit über einer Milliarde Chinesen, die im Besitz der Kernwaffen sind? Es ist denkbar, dass Gesetze erlassen werden, welche die Ausübung der Religion verbieten. Alle Bürger sollen im atheistischen Gleichschritt marschieren.

Wie können wir uns vorbereiten für die Stunde der Bewährung? Auf dreifache Weise:  Erstens, indem wir Christen werden, die diesen Namen verdienen. Die Christus in ihren Herzen (und nicht bloß auf den Lippen) tragen. Indem wir uns einen unerschütterlichen Glauben erwerben. Der Glaube ist die Überzeugung von dem, was man nicht sieht, die Zuversicht auf das, was man erhofft. Der Glaube richtet sich auf Unsichtbares und Zukünftiges. Darin liegt seine Schwierigkeit. Edmund Stoiber, der ehemalige bayerische Ministerpräsident, wurde gefragt, wie er zur Religion steht. Er antwortete: Ich bin überzeugter katholischer Christ. Das ist es: überzeugt muss man sein von unserem Glauben. Überzeugt ist, wer vom Glauben durchdrungen ist, dessen Glaube entschieden und unerschütterlich ist. Überzeugt ist, wer den Glauben als alternativlos und denknotwendig ansieht. Überzeugt ist, wer des Glaubens gewiss und im Glauben unbeirrbar ist. Wie können wir uns bereiten auf die Stunde der Bewährung?

  Zweitens, indem wir bereit sind, jederzeit über unseren Glauben Rechenschaft zu geben. Das heißt: Wir müssen Antwort geben können, wenn wir über Gegenstände des Glaubens befragt werden. Dazu braucht es Wissen und Mut. Wissen sammelt man durch Lesen und Studieren. Es gibt viele solide und verständlich geschriebene Bücher über die Gegenstände des Glaubens. Aber man muss sie lesen. Unser Glaube ist keine dumpfe Gestimmtheit. Unser Glaube ist keine Ansicht, keine Meinung, keine Einstellung. Unser Glaube ist Licht und Wahrheit. Unser Glaube hat die höchste Stufe der Gewissheit. Sein Garant ist die Weisheit und Allwissenheit Gottes. Der Glaube ist kein blinder Akt der Leichtgläubigkeit, sondern verlangt den täglichen Einsatz des Verstandes. Der Glaube erklärt die Wirklichkeit besser als die materialistischen Darstellungen es können. Die Religion ist der wichtigste Verbündete der Vernunft. Lassen Sie sich nicht irremachen mit der längst widerlegten Behauptung, die Religion müsse der Wissenschaft weichen. Zwischen dem Wissen des Verstandes und dem Wissen des Glaubens besteht eine unauflösliche Einheit, weil es nur eine Wahrheit gibt. Vernunft und Glaube stehen nicht gegeneinander; sie ergänzen und vervollständigen sich gegenseitig. Die empirischen Wissenschaften haben kein Monopol über Wissen und Wahrheit. Die Mathematik beispielsweise beantwortet Fragen, welche die Naturwissenschaft nicht beantworten kann. Auch die Philosophie erforscht Regionen, die jenseits des empirisch Beobachtbaren liegen. Ebenso befasst sich die Religion mit Problemstellungen, die nicht in die Zuständigkeit naturwissenschaftlicher Forschung fallen. Zum Wissen über den Glauben muss der Wille treten, den Glauben zu bekennen. Mut ist der Einsatz zur Überwindung drohender Gefahr. Die Überzeugung von der Wahrheit und der Geltung des Glaubens macht mutig. Mut riskiert wirtschaftliche oder gesellschaftliche Nachteile. Wie können wir uns vorbereiten für die Stunde der Bewährung?                

Drittens, indem wir aus dem Glauben leben. Das Leben aus dem Glauben, das Leben nach dem Glauben befestigt uns im Glauben. Wie geschieht leben aus dem Glauben? Indem wir täglich, nein, unaufhörlich fragen: Herr, was willst du, dass ich tun soll? Indem wir unsere Absichten, Handlungen und Betätigungen nach Gottes Willen ausrichten. Indem wir Gott vor allem und über alles lieben. Indem wir ihm nichts vorziehen. Das Leben aus dem Glauben wirkt anziehend und werbend für den Glauben. Das stärkste Argument für die Wahrheit des Christentums kommt nicht aus der Feder von Theologen, sondern von den Lippen und den Taten heiliger, vom Geist erfüllter Christen. Noch immer gilt das Wort des hl. Petrus: Führt einen guten Wandel unter den Heiden, damit sie, die euch als Übeltäter verleumden, an euren guten Werken eines Besseren belehrt werden und Gott die Ehre geben am Tage der Heimsuchung. Wir wollen den König der Dornen nicht verleugnen. Wenn wir mit ihm gesehen werden, wollen wir nicht sagen: „Ich kenne ihn nicht.“ Nein, wenn wir gefragt werden: „Du betest einen Dornengekrönten an?“ Dann wollen wir antworten: „Ja, ich bete ihn an. Denn er ist mein Gott und Heiland.“

Amen.

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