Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
21. Mai 2018

Die Wirksamkeit des Heiligen Geistes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der Heilige Geist gilt als der Gnadenspender, und er ist es. Er ist der Spender aller Gnaden. Der Heilige Geist spendet folgende Gnaden: Er verleiht allen Menschen die einwirkende Gnade. Er verleiht vielen Menschen die heiligmachende Gnade. Er verleiht gewöhnlich sieben Gaben, gelegentlich auch außerordentliche Gnadengaben. Er erhält und leitet die katholische Kirche.

Der Heilige Geist spendet allen Menschen die einwirkende Gnade, Beistandsgnade genannt, helfende Gnade, aktuelle Gnade, Tatgnade; diese Ausdrücke besagen alle dasselbe. Es sind Anregungen und Einsprechungen, Mahnungen und Warnungen, die Gott uns durch seinen Heiligen Geist zukommen lässt. Er wirkt bei bestimmten Anlässen auf uns ein, namentlich bei der Predigt, beim Lesen religiöser Bücher, beim Erleben guter Beispiele, bei Bekehrungen und in anderen Fällen. In vielen Männern und Frauen hat der Heilige Geist eine plötzliche innere Umwandlung vorgenommen, eine Bekehrung. Sie konnten mit dem heiligen Cyprian sprechen: „Als der Heilige Geist in meine Seele kam, da wandelte er mich auf einmal in einen anderen Menschen um.“ Der Heilige Geist macht hell unseren Verstand und erwärmt ihn für das Gute. Wir erkennen die Überlegenheit des Himmlischen über das Irdische. Unsere Gedanken werden auf Gott gerichtet. Gottesliebe und Nächstenliebe keimen in unseren Herzen. Am Pfingstfest wirkte der Heilige Geist auf die Apostel ein, er erleuchtete ihren Verstand und stärkte ihren Willen. Zuvor waren sie unwissend. Der Heiland rügte ihre Unwissenheit, ihr langsames Verstehen. Am Pfingstfest aber, da wussten sie alles. Zuvor waren sie furchtsam, verkrochen sich in eine Kammer bei verschlossenen Türen. Am Pfingstfest traten sie unerschrocken vor die Menge. Die feurigen Zungen bedeuten die Erleuchtung. Das Feuer ist ja auch eine Kraft des Lichtes, verscheucht die Finsternis. Der Sturmwind bedeutet die Stärkung der Apostel, denn er entwurzelt die Bäume.

Der Heilige Geist nötigt uns nicht, er lässt uns die vollständige Freiheit. Er ist ein von Gott ausgehendes Licht, aber diesem Licht kann man auch die Augen verschließen. Dem Rufe Gottes beistimmen oder nicht, ist Sache des eigenen Willens. Der Mensch kann mit der einwirkenden Gnade mitwirken oder ihr widerstehen. Saulus wirkte mit der Gnade mit; der reiche Jüngling widerstand ihr. Die Leute, die am Pfingstfest die Apostel verspotteten und sie für betrunken hielten, widerstanden der Gnade. Ebenso verhielten sich die Menschen in Athen, als Paulus auf dem Areopag predigte und von der Auferstehung sprach. „Wir wollen dich ein andermal hören.“ Auch Herodes, der von den Weisen die Geburt Christi erfuhr, widerstand der Gnade. Wer sich der einwirkenden Gnade beständig widersetzt, der begeht eine Sünde wider den Heiligen Geist. Wer mit der einwirkenden Gnade mitwirkt, erlangt noch größere Gnaden. Glücklich, wer mit der Gnade mitwirkt. Wer die erste Gnade benützt, zieht eine Kette von Gnaden nach sich. Unglücklich, wer der Gnade widersteht. Ein furchtbares Gericht kam über Jerusalem, weil es den Tag der Heimsuchung, d.h. der Gnade, nicht erkannt hatte. Wenn wir es versäumen, einen guten Gebrauch von der einwirkenden Gnade zu machen, entzieht uns Gott diese Gnade. Freilich, je größer die Gnaden sind, die Gott uns schenkt, umso größer auch unsere Verpflichtungen und umso größer unsere Verantwortung. Der Heilige Geist wirkt auf jeden einzelnen Menschen ein, sowohl auf die Sünder als auch auf die Gerechten, sowohl auf die katholischen Christen als auch auf die Andersgläubigen und Ungläubigen. Er wirkt auf jeden Menschen ein. „Christus, das Licht der Welt, erleuchtet einen jeden Menschen, der in die Welt kommt“, heißt es im Evangelium. Gott will, dass alle Menschen selig werden und zur Wahrheit gelangen. Wer verlorengeht, geht durch eigene Schuld verloren.

Der Heilige Geist war schon von Anbeginn der Welt zum Heil der Menschen tätig. In reichlicherem Maße kam er am Pfingstfest in die Welt. Als die Juden in Babylon in der Gefangenschaft waren, wirkte der Geist auch auf die Heiden ein. Es ist an die Wunder zu denken, die Gott zur Verherrlichung seines Namens wirkte, z.B. an Daniel in der Löwengrube. Auch die Patriarchen und Propheten waren vom Heiligen Geist erleuchtet; sicherlich auch Sokrates, ein Heide, der an den einen Gott glaubte und deswegen den Schierlingsbecher trinken musste. Auch andere heidnische Männer und Frauen, die edel gesinnt waren und dem Gewissen folgten, waren vom Heiligen Geist erfüllt. Gott hat in Anbetracht der zukünftigen Genugtuung des Erlösers den im Alten Bund lebenden Menschen seine Gnade nicht versagt. Der Heilige Geist teilt nicht allen Menschen gleich viele Gnaden aus. Das jüdische Volk empfing mehr Gnaden als die umliegenden Völker. Die Mutter Gottes erhielt mehr Gnaden als alle anderen Menschen. Die Städte Chorazin und Bethsaida empfingen mehr Gnaden als Tyrus und Sidon. Stephanus war ein besonders begnadeter Mann.

Es gibt allgemeine Gnaden, die allen Menschen zuteil werden, aber es gibt auch besondere Gnaden, die Gott nur wenigen Seelen verleiht, und zwar solchen, die Gott für besondere Aufgaben auswählt. Wir haben vor Jahrzehnten das Zweite Vatikanische Konzil erlebt. Das Konzil nimmt für sich in Anspruch, im Heiligen Geist versammelt zu sein. Hat das Konzil auch auf den Heiligen Geist gehört? Der Mainzer Bischof Volk sagte: „Man hat den Heiligen Geist nicht durch die Konzilsaula tapsen hören.“ Mein Lehrer Klaus Mörsdorf, ein Konzilsberater, der also ganz nah am Konzil war, hatte noch eine andere Meinung. Er sagte: „Das Konzil wird von der Presse geführt.“ Ja, meine lieben Freunde, entweder vom Heiligen Geist oder von der linken Presse! Wenn wir viel Gutes tun, erlangen wir reichere Gnade. Der Heilige Geist teilt dem Einzelnen aus, wie er will, aber auch nach Vorbereitung und Mitwirkung des Einzelnen. Daher kommt es, dass der mehr einwirkende Gnade erlangt, der mehr gute Werke verrichtet. Sehr wirksam ist das Gebet zum Heiligen Geist. Lassen Sie, meine lieben Freunde, nie nach, täglich – täglich! – zum Heiligen Geist zu rufen. Vor 65 Jahren habe ich einmal bei einem frommen Priester Einzelexerzitien gemacht. Er fragte mich: „Wenn Sie in der Straßenbahn sind, was machen Sie da?“ „Ja“, sagte ich, „ich versuche, den Rosenkranz zu beten.“ „Das ist zu schwer“, sagte er. „Sie müssen unermüdlich rufen: Komm, Heiliger Geist! Komm Heiliger Geist!; das können Sie machen.“ Ebenso wirksam ist das Gebet zur Mutter Gottes. Sie ist voll der Gnade und die Ausspenderin der göttlichen Gnaden. Auch die Anbetung des heiligsten Altarsakramentes bringt uns viele Gnaden. Das ist die einwirkende Gnade.

Die zweite Gnade, die der Heilige Geist spendet, ist die heiligmachende Gnade. Die einwirkende Gnade ist vorübergehend, die heiligmachende Gnade ist bleibend. Wenn der Sünder mit der einwirkenden Gnade mitwirkt, kehrt der Heilige Geist in seine Seele ein und verleiht ihr einen Glanz und eine Schönheit, wodurch sie die Freundschaft Gottes erlangt. Diese bleibende Schönheit der Seele infolge des innewohnenden Heiligen Geistes heißt heiligmachende Gnade, d.h. sie macht uns Gott wohlgefällig. Sie ist eine geschaffene, übernatürliche Wirklichkeit, die der Seele in der Weise einer Seinsbeschaffenheit oder Qualität dauernd anhaftet. Die heiligmachende Gnade ist eine uns inhärierende Teilnahme an der göttlichen Natur. Sie ist eine wahre, wenn auch akzidentelle und analoge Mitteilung der göttlichen Natur an die Menschen. Sie macht uns zu Kindern Gottes und zu Erben des Himmels. Sie ist das Kostbarste, was wir auf Erden besitzen können. Und deswegen muss es unsere größte Sorge sein, sie nicht zu verlieren.

Der Heilige Geist verleiht auch die sieben Gaben. Allen, welche die heiligmachende Gnade besitzen, spendet der Heilige Geist die sieben Gaben. Das sind sieben Tüchtigkeiten der Seele, die bewirken, dass sich die Seele leicht vom Heiligen Geist erleuchten und antreiben lässt. Die sieben Gaben sind Weisheit, Wissenschaft, Verstand, Rat, Stärke, Frömmigkeit, Furcht des Herrn. Diese Gaben erleuchten unseren Verstand und stärken unseren Willen.

Der Heilige Geist erhält und leitet die Kirche. Er bewahrt sie vor dem Untergang und schützt sie vor Irrtum. Der Heilige Geist unterstützt die Vorsteher der Kirche in ihrem Amt. Wenn! sie sich vom Heiligen Geist leiten lassen, gibt er ihnen ein, was sie reden sollen, spricht er durch sie ähnlich wie am Pfingstfest durch die Apostel. Wenn! sie auf den Heiligen Geist hören, reden sie nicht aus sich, sondern was ihnen der Heilige Geist einspricht. Der Heilige Geist erweckt der Kirche in gefahrvoller Zeit tüchtige Männer und Frauen. Denken Sie einmal an das 19. Jahrhundert. Wie viele Laien und Priester hat es in dieser Zeit gegeben, die die Kirche wahrhaft erneuerten, von Adolf Kolping angefangen bis zum Bischof Ketteler. Der Geist berief im Mittelalter Katharina von Siena in der Zeit des großen abendländischen Schismas. Er berief Ignatius von Loyola in der Zeit der Glaubensspaltung. Der Heilige Geist bewirkt, dass es in der katholischen Kirche zu allen Zeiten Heilige gibt. An der Einwirkung des Geistes auf die Kirche brauchen wir nicht zu zweifeln, meine lieben Freunde, oder gar irre zu werden. Noch können wir die Wahrheit des Evangeliums hören. Noch können wir gültige Sakramente empfangen. Was uns schmerzt und was wir beklagen, ist die geringe oder fehlende Bereitschaft vieler Kirchenglieder, sich auf das Wirken des Heiligen Geistes einzulassen. Sie fragen nicht, was der Geist will, sondern was die linken Journalisten wollen. Sie lassen sich nicht vom Geist führen, sondern von der Presse. Viele Vorsteher der Kirche reden viel, reden zu viel, aber sie reden nicht die Großtaten Gottes! Und deswegen geht es durcheinander.

Es ist ein unbeschreibliches Glück, den Heiligen Geist zu kennen und ihn zu empfangen. Der im Gnadenstand befindliche katholische Christ ist Geistträger. Die sich vom Geiste führen lassen, sind wahrhaft Kinder Gottes. Der Heilige Paulus mahnt, dass wir die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangen. Er ruft uns warnend zu: „Betrübet den Heiligen Geist nicht, in dem ihr für den Tag der Erlösung versiegelt seid.“ Es soll die heilige Furcht in uns sein. Gottes Gnade könnte einem Unwürdigen gegeben werden. Nein, meine lieben Freunde, es sollte kein Tag vergehen, an dem wir nicht rufen, flehend rufen: „Komm, o Geist der Heiligkeit! Aus des Himmels Herrlichkeit sende deines Lichtes Strahl. Vater aller Armen du, aller Herzen Licht und Ruh, komm mit deiner Gaben Zahl!“

Amen.

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