Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
28. März 2016

Jesus stirbt nicht mehr

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Das Osterfest lebt von der Wirklichkeit, dass unser Heiland und Erlöser Jesus Christus wahrhaft vom Tode auferstanden ist. Für menschliches Denken und Urteilen ist das eine Zumutung, eine fast unerträgliche Zumutung, denn zu gern beruft sich der menschliche Verstand auf den scheinbar plausiblen Satz: Es ist noch niemand aus dem Tode zurückgekehrt. Soll man an etwas glauben, was sich noch nie zutrug? Als der Völkerapostel Paulus in Athen weilte und dort mit den Philosophen diskutierte, sprach er von der Auferstehung Christi und stieß auf die Verweigerung, diese Wahrheit anzunehmen. Die einen spotteten, die anderen sagten: „Wir wollen dich ein andermal hören.“ Aber einige wurden gläubig. Gegen alle menschliche Erwartung hat sich die Auferstehung Christi vom Tode ereignet. Er ist aus dem Tod zum Leben, zum Leben der Unsterblichkeit wiedergekehrt. Er ist in ein Leben eingekehrt, in dem er nicht mehr stirbt. Lazarus musste wieder sterben, die Tochter des Jairus musste wieder sterben, und der Jüngling von Naim ist auch wieder gestorben, aber Jesus ist nicht mehr gestorben; er lebt und stirbt nicht mehr. Und das ist es, meine Freunde, was wir uns heute vor Augen führen wollen. „Wir wissen, dass Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt, denn der Tod hat keine Macht mehr über ihn“, schreibt Paulus im Brief an die römische Gemeinde. In den Glaubensbekenntnissen sprechen wir: „Jesus ist aufgefahren mit Leib und Seele in den Himmel und sitzt nun zur Rechten des Vaters.“ Diese Aussagen bezeugen tatsächliche Geschehnisse. Aber sie sprechen in bildlicher Weise. Wir können überhaupt nicht anders sprechen von Gott, als indem wir Begriffe von unserer Erde auf ihn anwenden, die natürlich dann immer nur analog, also in einer Ähnlichkeit, wobei die Unähnlichkeit größer ist als die Ähnlichkeit, gebraucht werden. Das sage nicht ich, das sagt das IV. Laterankonzil, dass all unsere Aussagen über Gott und Christus ähnlich-unähnlich sind, wobei die Unähnlichkeit größer ist als die Ähnlichkeit. Dennoch bleiben sie richtig, aber sie erschöpfen nicht ihren Gegenstand, sie sind nicht adäquat, wie die Theologie sagt. Der Himmel, in den Christus einging, ist nicht der Ort der Wolken und der Raumfahrt. Der Himmel, der Jesus aufgenommen hat, ist die Lebenswirklichkeit Gottes. Das Wort Himmel ist hier in einer übertragenen Weise gebraucht: nicht der Wolkenhimmel, nicht der Spatzenhimmel, sondern der Lebensraum Gottes. Die Rechte des Vaters, wo Christus Platz genommen hat, ist nicht die rechte Hand eines Menschen, denn Gott ist ja kein Mensch. Damit ist ausgedrückt, dass er in die Herrlichkeit und Macht des Vaters eingegangen ist. Die Rechte ist ein Bild, ein Symbol für die Macht und Herrlichkeit Gottes. Der lebendig Gewordene hat sich nicht in den Ruhestand begeben, er ist nicht gleichsam pensioniert worden, nein, er entfaltet höchste Aktivität. Der lebt jetzt in der Welt Gottes, der von sich sagen kann: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden.“ Im Himmel und auf Erden übt Jesus seine Macht über Lebende und Tote aus. Ständig ist er in unserer Geschichte gegenwärtig. Jesus hat sich nicht in ein gesichertes jenseitiges Leben zurückgezogen, nein, er stirbt nicht mehr und lebt unter uns und vergegenwärtigt sich in jener Geschichte, die vom Kampf gegen das Böse, von Verblendung und Bekehrung, von freiwilliger Schuld und von gnadenvoller Hingabe an Gott, von Gotteshass und Gottesliebe des Menschen durchwirkt ist. Das Weiterleben des auferstandenen Herrn ist also nicht nur ein jenseitiges Weiterexistieren, sondern es ist die vielfache Gegenwart Christi in der Welt.

Ich möchte an fünf Beispielen zeigen, wie die Lebendigkeit Christi sich auswirkt. Sie ist erstens nämlich ein Sieg über den Zweifel. Der zweifelnde Mensch wird heute oft in den Vordergrund gestellt, und dieser zweifelnde Mensch hat seine Schwierigkeiten mit den Sinnen und mit der Vernunft. Wir können uns irren; Gott irrt nicht. Wir können uns täuschen; Gott täuscht nicht. Wir können uns versehen; Gott versieht sich nicht. Die geheimnisvolle Wirklichkeit der Auferstehung Christi ist wirklich, auch wenn die Akzeptanz der menschlichen Sinne fehlt und die Plausibilität des menschlichen Urteils ausbleibt. Aber Gott entrückt Jesus nicht in die jenseitige Wirklichkeit, sondern er lebt weiter und will unseren Zweifel besiegen. Er will ihn besiegen durch sein Handeln, durch sein Wirksamwerden. Das Weiterleben des auferstandenen Herrn ist wirksam. Wenn in der Priesterweihe der Bischof die Hände auf das Haupt des zu Weihenden legt, um ihn zum Verwalter der Geheimnisse Gottes zu machen, da geschieht etwas, da wird etwas bewirkt. Da wird ein „character indelebilis“, ein unauslöschliches Zeichen in die Seele des Geweihten eingeprägt, und das macht Christus. Wenn der Priester die verwandelten Gestalten in der heiligen Messe in die Höhe hebt, da wird Christus tätig, er hat sein Ja gesprochen zu der Wandlung. Nicht der Priester wandelt, Gott wandelt durch den Priester. Der Priester ist das Werkzeug, die Macht und die Kraft stammt von Gott, von Christus. Er setzt sich selbst gegenwärtig. Wir glauben diese Wirklichkeiten, und dass wir daran glauben, ist der Gegenwart des auferstandenen Herrn zu verdanken, ist seinem Einwirken auf unsere Vernunft und unseren Willen geschuldet. Es ist ein Dogma, ein Glaubenssatz der Kirche, dass man nur glauben kann, wenn Gott, wenn Christus den Glauben wirkt. Der Glaube ist eine Überwindung des Zweifels.

Dass wir glauben, dass wir glauben können, dass wir im Glauben verharren, das ist der Wirksamkeit des lebendigen Christus zuzuschreiben. Deswegen ist die Auferstehung eben auch ein Sieg durch den Glauben. Der Apostel sagte ja: „Das ist der Sieg, der die Welt überwindet: unser Glaube.“ Der auferstandene Herr bleibt gegenwärtig und teilt die Geschicke der Menschen. Er ist gegenwärtig in der Entscheidung zwischen Glaube und Ablehnung. Er ist gegenwärtig in der Entscheidung zwischen Gnade und Selbstherrlichkeit. Er ist gegenwärtig in der Entscheidung zwischen Heil und Verderben. Christus stirbt nicht mehr. Dass wir den Glauben besitzen, dass wir den Glauben bewahren, dass wir aus dem Glauben leben, dass wir unser Leben hingeben, weil wir gläubig sind, das ist der Wirklichkeit und der Wirksamkeit des auferstandenen Christus zuzuschreiben. „Ich lebe“, sagt Paulus, „aber nicht ich, Christus lebt in mir.“ Immer wird derselbe Glaube an Jesus Christus uns halten und tragen, immer wird er die Gläubigen zur Gemeinschaft der Kirche zusammenführen. Die Auferstehung ist Sieg durch den Glauben.

Sie ist aber auch drittens Sieg in der Wahrheit. Wir hören heute oft, dass Menschen sagen: Es gibt nur Meinungen, es gibt keine Wahrheit, jeder hat seine eigene Ansicht. Wir sind Suchende, niemals werden wir finden. Sie sagen wie Pilatus: „Was ist Wahrheit?“ Sie essen und trinken, das verstehen sie, aber das Geistige, das Übernatürliche, die Wahrheit, das ist den meisten Menschen das Gleichgültigste. Es ist ein Verdacht gegen die Wahrheit, ein Vorurteil gegen die Wahrheit, das viele Menschen beherrscht. Und doch, meine lieben Freunde, es gibt Wahrheiten, die von Menschen sicher erkennbar sind, sowohl ewige als auch irdische, allgemeingültige Wahrheiten. Heute redet man fortwährend von der Geschichtlichkeit der Wahrheit. Daran mag ja etwas sein, selbstverständlich wird die Wahrheit in jeder Epoche etwas verschieden aufgefasst, aber die Wahrheiten selbst halten sich durch in allen Epochen, sie vergehen nicht mit einer Epoche. Wahrheiten bilden einen Grundwert und eine Grundbedingung der menschlichen Existenz. Sie verbieten uns alles Zuwiderhandeln gegen sie in unserem Denken, Reden und Tun. Die ewigen Wahrheiten schaffen sogar Pflichten. Die heute überall betonte Geschichtlichkeit der Wahrheit hindert nicht, dass Wahrheiten durch alle Zeiten sich durchhalten. Ich habe immer eine besondere Vorliebe für die Physik gehabt. Die Physik ist ja eine wunderbare Wissenschaft. Sie besteht ihre Bewährungsprobe in der Technik. Wenn wir keine physikalischen Gesetze hätten, könnten wir keine Brücken bauen und keine Türme aufrichten. Es ist das Wunderbare, dass sich die Wahrheiten, auch diese irdischen Wahrheiten durchhalten, aber auch die ewigen; sie sind nicht weniger wahr als die irdischen. Die leibhaftige Auferstehung Christi bleibt auch nach 2000 Jahren wahr, wie sie am ersten Tage wahr gewesen ist. Viertens ist die Auferstehung Christi ein Sieg in der Treue. Die Menschen unserer Zeit behaupten oft, Treue sei nicht möglich. Mit dieser Behauptung vollziehen viele den Abfall vom Glauben, den Auszug aus der Kirche, den Ehebruch. Wie sagte doch Udo Jürgens: „Treue ist Mangel an Gelegenheit.“ Untreue zum gelobten Ehelosigkeitsstand im Priestertum. Meine lieben Freunde, was ist es erschütternd, wenn jemand, der das heilige Zeichen Christi eingeprägt bekommen hat, diesen heiligen Stand verlässt! Viele sind untreu in der Nachfolge Christi. Sie machen das Experiment der freien Selbstentfaltung, der Selbstverwirklichung, wie man heute sagt. Sie verraten ihr Selbst, dem sie keine Treue zutrauen. Mit der banalen Formel wird die Unzuverlässigkeit zum Standard jener, die heute wie Monaden des Egoismus durch ihre Welt ohne Würde, ohne Normen und ohne Mitte tanzen. Jesus aber ist treu. Er lebt, er bleibt bei uns, er hält bei uns aus. Wenn unsere Kirche nicht von Christus gehalten würde, wäre sie längst zusammengebrochen, hätte sie sich in eine der zahllosen protestantischen Denominationen verwandelt. Dass sie immer noch steht, dass sie allen Anfechtungen – auch von Theologen – zum Trotz an der Wesensverwandlung, ja, an dem Begriff Transsubstantiation festhält, dass sie das Papstamt nicht dem überbordenden Ökumenismus geopfert hat, das ist der Treue Christi zu verdanken. Nicht menschliche Klugheit, nicht irdische Berechnung, sondern die Treue unseres Heilandes ist es, was die Kirche hält in der Wahrheit. Christus stirbt nicht mehr: „Ich bleibe bei euch alle Zeit bis ans Ende der Welt.“ Fünftens ist die Auferstehung auch der Sieg über Sünde und Schuld. Wer spricht heute schon von Sünde und Schuld? Man spricht von Strukturen, die falsch sind; man macht Vergangenheitsbewältigung; man sucht einen Sündenbock in der Vergangenheit, aber wir heute, so sagt man, wir sind schuldlos, wir sind auf dem rechten Weg, wir sind ja Demokraten. Der heilige Johannes spricht anders. Er sagt: „Wenn wir sagen, wir hätten keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.“ Es gibt eine Schuld, und das ist das furchtbarste Verhängnis, was über die Menschen und über die Menschheit kommen kann. „Der Übel größtes ist die Schuld.“ Aber der Auferstandene ist der Sieger über die Schuld. Er hat ja unsere Sünden an seinem Leib ans Kreuz getragen, er hat den Schuldschein, der gegen uns lautet, ans Kreuz geheftet, und damit ist er erledigt. „Wenn wir unsere Sünden bekennen“, schreibt Johannes, „ist er getreu und gerecht. Er vergibt uns unsere Sünden.“ Christus stirbt nicht mehr. Er lebt als der Hohepriester, der allezeit für uns eintritt, um jene in seine Erlösung hineinzuziehen, die sich zu ihm bekennen. Er legt Fürsprache für die Sünder ein, denn er hat ein unvergängliches Priestertum. Er rettet jene, die durch ihn sich Gott nahen. Der Apostel Paulus hat oft und oft von der Sündenvergebung Christi gesprochen. Christus stirbt nicht mehr. Christus erlöst uns, er hat uns befreit von der Sündenschuld, von der Furchtbarkeit des Gottfernseins. „Jesus lebt, mit ihm auch ich. Ihm ist das Reich über alle Welt gegeben; mit ihm werd ich zugleich ewig herrschen, ewig leben. Gott erfüllt, was er verspricht; dies ist meine Zuversicht.“

Amen.

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