Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
15. August 2013

Die in die himmlische Herrlichkeit aufgenommene Gottesmutter

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier des Festes der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel Versammelte!

Am 1. November 1950 hat Papst Pius XII. als einen Glaubenssatz der katholischen Kirche verkündigt: „Die unbefleckte, immerwährend jungfräuliche Gottesmutter Maria ist, nachdem sie ihren irdischen Lebenslauf vollendet hatte, mit Leib und Seele zur himmlischen Herrlichkeit aufgenommen worden.“ Der Papst hat das Dogma kraft seiner persönlichen Unfehlbarkeit definiert. Die Definition ist aus sich gültig und bedarf keiner Zustimmung oder Bestätigung. Aber der Heilige Vater hat vorher den gesamten Episkopat der Kirche befragt. Die Bischöfe haben die Definibilität der Lehre fast einstimmig bejaht. Anders stand es um die Theologenschaft. Als bekannt wurde, dass Papst Pius XII. die Lehre von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel in den Rang eines Glaubenssatzes, eines Dogmas erheben wolle, erhob ein deutscher Theologieprofessor Einspruch. Er erklärte, diese Lehre sei eine fromme Meinung (pia opinio), d.h. sie habe zwar ihren Rückhalt in der liturgischen Praxis der Kirche, stehe aber in weitem Abstand zu dem (von jedem anzunehmenden) Glaubensgut der Kirche. Die Ansicht dieses Theologen trifft nicht zu. Die Kirche ist über sie hinweggeschritten. Der Inhalt des heutigen Festes ist Gegenstand des geoffenbarten Glaubens, nicht bloß eine fromme Meinung. Die Definition vom 1. November 1950 ruht auf solidem Grund. Sie konnte sich einmal auf die lebendige und allgemeine Vorlage der Lehre durch die Kirche in der Feier des Festes der Aufnahme Mariens in den Himmel berufen. Seit weit über tausend Jahren besteht dieses Fest. Die Dogmatisierung konnte sich sodann an die Lehre von der unbefleckten Empfängnis und der jungfräulichen Mutterschaft Mariens halten. Maria ist als einziger Mensch nicht von der (einmal zugezogenen) Erbsünde befreit, sondern von ihrer Zuziehung bewahrt worden. „Ganz schön bist du, Maria, denn der Erbschuld Makel ist nicht an dir.“ Das gibt ihr einen einzigartigen Rang unter den Menschen. Der Leib der Frau, der nie in das Verhängnis der Erbsünde hineingezogen wurde, sollte nicht der Verwesung überliefert werden. Maria ist über alle Frauen erhoben und zur Mutter des Erlösers erwählt worden. „Selige Pforte warst du dem Worte“, singt das gläubige Volk. Der Leib der Frau, die den Sohn Gottes geboren hat, sollte nicht der Gewalt des Todes ausgeliefert bleiben. Ein weiteres Argument war die Übereinstimmung der Kirchenväter und der Theologen in dieser Frage. Über viele Jahrhunderte hinweg haben diese Lehrer des Glaubens ihre Überzeugung von der einzigartigen Erhöhung Mariens bekannt. Schließlich urteilte die gläubige Vernunft, dass Maria, die Ersterlöste, auch die Vollerlöste sein sollte. Wir dürfen annehmen, dass Maria gestorben und als Auferweckte in den Himmel aufgenommen wurde. Geschichtliche Nachrichten über Tod und Auferweckung Mariens fehlen. Die sogenannten Transitustexte sind gutgemeinte Erfindungen, aber keine historischen Quellen. Das allgemeine Glaubensbewusstsein der Kirche macht den Aufweis einer lückenlosen Überlieferung seit den Anfängen des Christentums überflüssig. Das Fehlen einer historischen Überlieferung wird aufgewogen durch die Existenz einer dogmatischen Überlieferung, soweit sie für uns greifbar ist. Schließlich ruht auch dieser Glaubenssatz auf der Heiligen Schrift. Diese bietet zwar kein ausdrückliches Zeugnis von dem, was mit Maria nach Beendigung ihres irdischen Laufes geschehen ist. Aber sie zeigt die enge Verbundenheit Mariens mit ihrem Sohne in biologischer und heilsgeschichtlicher Hinsicht. An ihr ist daher die Kraft der Auferstehung Christi voll zum Durchbruch gekommen. Das Dogma von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel hat die biblischen Keime dieser Lehre zur Entfaltung gebracht. An Maria hat sich erfüllt, was in der Auferstehung Christi grundgelegt wurde. Die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel zeigt, wie die Vollendung aussieht, zu der jeder Mensch berufen ist. Nicht nur das Fortleben der Seele, sondern des ganzen Menschen mit Seele und Leib ist seine endgültige Bestimmung. Maria ist die Vollerlöste. Wäre Maria nur mit ihrer Seele verherrlicht, wäre sie nicht im ganzen Umfang ihres Wesens vollendet und beseligt. Was mit Maria geschah, das ist auch uns bestimmt. In der Aufnahme Mariens in den Himmel geschah jene Verherrlichung, die allen Gläubigen für das Ende der Zeiten verheißen ist. Die leibliche Verherrlichung Mariens nimmt jene Verherrlichung vorweg, die für alle übrigen Auserwählten vorgesehen ist. Mit der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel wurde zeitlich vorverlegt, was den übrigen Gläubigen am Ende der Geschichte zuteil werden wird. So ist Maria auch in dieser Hinsicht „unsere Hoffnung“. Sie ist vorangegangen, wir dürfen hoffen, dass wir ihr nachfolgen werden. Wenn die Stunde Gottes schlägt, werden die Seelen der Erlösten einen Leib erhalten und als ganze Menschen Gott eine Ewigkeit anbeten und preisen.

Amen.

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