Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
18. November 2012

Das Jahr des Glaubens

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier des Königsfestes unseres Herrn und Heilandes Versammelte!

Der Heilige Vater hat ein Jahr des Glaubens ausgerufen. Die Gläubigen sollen wieder an den Glauben erinnert werden. Ihr Wissen um den Glauben soll zunehmen und sich vertiefen. Ihr Leben soll vom Glauben geprägt sein. Sie sollen den Glauben bekennen und weitergeben. Wir alle wissen, wie dringend dieser Mahnruf des Heiligen Vaters ist. Der Glaube ist in vielen Christen geschrumpft oder ganz verlorengegangen. Die katholische Kirche in unserem Vaterlande besteht ganz überwiegend aus Abständigen und Abgefallenen. Dieser Zustand ist alarmierend.

Unser Glaube ist der christliche. Das Christentum ist die Religion, die sich auf Jesus Christus, den Sohn Gottes und Herrn, zurückführt. Jesus Christus ist der menschgewordene Gott. Die Religion, die er gestiftet hat, ist die einzige gottgewollte. Mit ihr kann keine andere Religion konkurrieren. Die nichtchristlichen Religionen sind von Menschen gemacht. In ihnen drückt sich die Sehnsucht nach Gott, das Verlangen nach dem Numinosen aus. Die christliche Religion ist die einzige, die entstanden ist durch die Menschwerdung Gottes. Die Verfasser von Büchern über Religionswissenschaft bilden sich törichterweise ein, die Ähnlichkeit falscher Religionen mit der wahren beweise, dass das Christentum falsch sei. Es ist gerade umgekehrt. Die Ähnlichkeit beweist, dass auch in den falschen Religionen Wahres sich findet, entweder von der Uroffenbarung oder aus dem von Gott in den Menschen gelegten Erkenntnisdrang nach dem Numinosen. Das Christentum unterscheidet sich von den anderen Religionen wesentlich dadurch, dass es den Menschen schwerfällt. Es ist nicht leicht für sie, auf Vergnügen, Wohlstand und Macht zu verzichten und jeden Tag so zu leben, als ob es ihr letzter wäre. Das war niemals leicht und wird niemals leicht sein. Das Christentum darf nie hoffen, eine beliebte Religion zu werden. Das Christentum anzunehmen und es zu bewahren, bedarf erheblicher Anstrengung. Andere Religionen machen es ihren Anhängern leicht und erst recht die Weltanschauungen. In einem Buche von Bruce Marshall erklärt ein Kommunist seinem priesterlichen Freund: „Du kannst deine Überzeugung predigen, bis du blau wirst im Gesicht und kein Mensch schert sich darum. Aber die Arbeiter der ganzen Welt brauchen nur ein einziges Mal unsere Lehre zu hören und begreifen sie sofort.“ Der Priester antwortete ihm: „Ja, weil eine höhere Denkweise schwerer zu begreifen und mühsamer zu befolgen ist.“ Schwerer zu begreifen und mühsamer zu befolgen.

Das Jahr des Glaubens ruft uns auf, den christlichen Glauben neu zu schätzen und zu würdigen. Es ist ein unersetzlicher Vorteil, meine lieben Freunde, ein Christ zu sein, ein Kenner des wahren Gottes, ein Erlöster Jesu Christi, ein Träger des Heiligen Geistes. Der heilige Paulus bezeichnet die Christen in seinen Briefen als „Geliebte Gottes“ und „berufene Heilige“, als „Hausgenossen und Auserwählte Gottes“, als ein „geheiliges Volk“. Wahrhaftig, wer die Ehre hat, ein Christ zu sein, braucht nicht um Anerkennung und Nachsicht zu betteln. Er hat das Recht, Respekt einzufordern. Das Christentum begegnet den Menschen in der Gestalt der Kirche. Die Kirche ist die Vereinigung der Menschen, die Christus um sich gesammelt hat. Ihre Einheit wird gewährleistet durch denselben Glauben, dieselben Sakramente und dieselbe hierarchische Verfassung. Manche Menschen meinen, sie könnten religiös oder gar christlich sein ohne die Kirche. Es gibt kein wahres Christentum ohne die Kirche. Das Christentum war immer ein kirchliches. Es kann Bestand haben nur in kirchlicher Gestalt. „Das kirchliche Christentum ist ebenso notwendig für die Religion wie die Flasche für den Wein“, schreibt einmal der Schriftsteller Bruce Marshall. „Die Leute leben irrtümlich in der Einbildung, sie müßten die Flasche mittrinken. Sie begreifen nicht, daß man die Form haben muß, um den Geist zu fassen, und den Geist, um die Form zu füllen. Eins oder das andere taugt nicht viel.“ Ja, so ist es, meine lieben Freunde. Die Form ist für den Inhalt unerläßlich. Freilich muß die Form prallvoll mit Geist gefüllt sein. Wenig ist schlimmer, als wenn die Form vom Geiste leer wird. Die Menschen lassen sich eine Form ohne Geist nicht gefallen.

Die Feinde überziehen das christliche Christentum entweder mit ihrem Hass oder mit ihrer Verachtung. Mit Hass, wenn wir Christen sind, mit Verachtung, wenn wir nicht nach dem Christentum leben. In den zweitausend Jahren ihres Bestehens hat die Kirche es als ihre Aufgabe angesehen, die Menschen zu Jüngern Christi zu machen. Alle die Jahrhunderte hat sie für dieses Ziel gebetet und gearbeitet, die Menschen zu überzeugen, daß sie Christus gehorchen sollen. Ihre Sendung ist, die Menschen zu bestürmen, dass sie sich bemühen, für die heiligmachende Gnade empfänglich zu werden. Und es ist die Stärke der Kirche, dass sie allen ohne Unterschied das gleiche Evangelium verkündet hat, dem irischen Bauernknecht wie dem österreichischen Hochadel. Zum Christentum berufen sind alle Menschen. Da gibt es keinen Unterschied der völkischen Herkunft und der sozialen Stellung. In der Kirche haben auch alle Völker und alle Stände ihre Heimat gefunden. Im Brief an die Gemeinde in Korinth schreibt der heilige Paulus: „Da sind“, im Sinne der Welt „nicht viele Weise, nicht viele Mächtige, nicht viele Hochgeborene. Nein, was der Welt  töricht scheint, hat Gott erwählt, um die Weisen zu beschämen. Was der Welt schwach scheint, hat Gott erwählt, um die Starken zu beschämen. Was der Welt niedrig erscheint und was nichts gilt, was überhaupt nichts ist, hat Gott auserwählt, um das, was etwas ist, zunichte zu machen, damit sich kein Sterblicher vor Gott rühmen kann.“ An diesen Verhältnissen hat sich in zweitausend Jahren wenig geändert. Die Kirche ist auch heute eine Kirche der Armen. Die Mehrzahl ihrer Mitglieder zeichnet sich nicht durch Wohlstand, Macht, vielleicht nicht einmal durch Klugheit und hohe Bildung aus. Aber sowohl der Arme wie der Kluge haben von jeher in der Kirche eine Heimat gehabt. Nur der Halbgebildete ist jederzeit zu eingebildet gewesen, um in die Kirche zu kommen.

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich viele Christen von der wahren Kirche getrennt, haben eigene Gemeinschaften gebildet. Die wahre Kirche erkennt man an ihren Merkmalen: Sie ist eins, sie ist heilig, sie ist katholisch und sie ist apostolisch. Und noch eins: Sie ist immer eine leidende Kirche. Das Leid kommt über sie von außen und von innen: Nachstellung, Unterdrückung, Verfolgung waren das Los der Kirche in allen Jahrhunderten. Daran erfüllt sich ihre Verbundenheit mit dem leidenden Herrn. Gerade die Zeiten der Verfolgung sind Hochzeiten der Kirche. Dort, wo ihre Martyrer sterben, erblüht Gottes Reich. Die Feinde der Kirche wissen es. Eine Kirche in den Katakomben ist gefährlicher als eine Kirche in den Kathedralen. Dass die Kirche in diesem Haß nicht gewankt hat, dass sie in allen Stürmen dem Herrn treu geblieben ist, das macht ihren Ruhm aus. Gewiss, es hat Menschen gegeben, die schwach geworden sind. Auch in der Kirche gibt es eitle, feige, ehrgeizige und auf sich bedachte Menschen. Aber niemals hat die Kirche die Lampe Gottes erlöschen lassen. Niemals hat sie gelehrt: Hass, Lust, Lüge und Diebstahl seien Recht, sondern immer hat sie gelehrt: Hass, Lust, Diebstahl und Lüge seien schwere Verbrechen. Die Kirche kann nicht versagen. Aber ihre Glieder können versagen. Sie können den Sieg hemmen, den Sieg der Kirche, vor allem wenn der Klerus die Gläubigen nicht aufruft, zu einem strengen und entschiedenen Leben im Glauben zurückzukommen. Dazu soll das Jahr des Glaubens nützen. Es darf nicht vorübergehen, ohne dass unsere Verbindung zur Kirche vertieft wird. Dass wir der Kirche dankbar sind für das, was sie ist und was sie tut. Dass wir die Kirche mehr schätzen lernen und inniger lieben lernen als bisher. Das soll das Jahr des Glaubens bewirken, dass wir mutiger für unsere Kirche eintreten als bisher. Dass wir sie verteidigen gegen die Anwürfe des Satans. Die Kirche ist eine leidende Kirche, weil sie die wahre Kirche ist. Mit den Amateuren gibt sich der Satan nicht ab. Er hält sich an die Profis.

Die Kirche wird konstituiert durch den Glauben. Sie ist die Gemeinschaft der Glaubenden. "Glaube ist die feste Zuversicht auf das, was man erhofft, die Überzeugung von  Dingen, die man nicht sieht", so heißt es im Brief an die Hebräer. Die  Zuversicht auf das, was man erhofft, die Überzeugung von dem, was man nicht sieht. Darin liegt natürlich auch die Schwierigkeit des Glaubens, dass er sich auf Zukünftiges und auf Unsichtbares bezieht. Aber ich erinnere an das Wort des französischen Dichters Victor Hugo: „Glauben ist schwer, nicht glauben ist unmöglich.“ Glauben ist schwer, nicht glauben ist unmöglich. Warum unmöglich? Weil dem Nichtglaubenden eine ganze Wirklichkeit verschlossen bleibt. Die Rätsel des Lebens lösen sich nur im Glauben. Der Glaube vermittelt Kenntnisse, die mit dem Suchen und Forschen des Verstandes nicht zu erreichen sind. Der Glaube eröffnet eine Wirklichkeit, die über dem Meßbaren und Wägbaren liegt. Wer glaubt, sieht weiter, wer glaubt, blickt tiefer. Die Augen des Ungläubigen sehen nur das Irdische. Mir sagte einmal eine Nachbarin: „Ich glaube nur an die Fliege an der Wand.“ Das Auge des Christen blickt hinein in die Ewigkeit. Durch den Glauben werden wir bewahrt für das Heil. Der Glaube gewinnt das ewige Leben. Es ist genug Licht da, um zum Glauben zu kommen. Es ist aber auch genügend Dunkelheit da, um den Nichtglaubenden als scheinbares Alibi zu dienen. Der schottische Schriftsteller Bruce Marshall, den ich in dieser Predigt ausgiebig zitiere, schreibt einmal: „Gott muss dem Unglauben immer einen Spielraum lassen, wenn der Glaube ein Verdienst bleiben soll.“ Und an einer anderen Stelle schreibt er: „Glaube bedeutet zugunsten Gottes am Zweifel zu zweifeln.“ Zugunsten Gottes am Zweifel zu zweifeln.

Nicht nur mit dem Verstand erfasst man Gott, sondern auch mit dem Verhalten. „Das Tun des Willens Gottes besitzt Erkenntniskraft.“ Das schreibt schon der heilige Apostel Johannes. „Wenn jemand bestrebt ist, Gottes Willen zu tun, wird er erkennen, ob meine Lehre aus Gott ist.“ Wenn jemand bestrebt ist, Gottes Willen zu tun, wird er erkennen, ob meine Lehre aus Gott ist. Das Eingehen auf Gottes Willen führt zum Glauben, das Abgehen von Gottes Willen entfernt vom Glauben. Die meisten Sünder meinen, sie hätten wegen ihrer Sünden das Recht auf den Glauben verwirkt. Ein französischer Priester erklärte: „Bei uns ist es nicht nur so, dass der Glaube keinen Einfluß auf unser Verhalten hat, sondern wir lassen sogar zu, dass unser Verhalten den Glauben beeinflußt.“ Der Pariser Unternehmer, der die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel durch einen Ausflug mit seiner Sekretärin feiert, meint, er habe das Recht verwirkt, an den Heiligen Geist und an die Apostel zu glauben. "Die Sünde entfernt vom Glauben."

Seit jeher werden unterschiedliche Rezepte angeboten, um den Glauben anziehender zu machen. Man empfiehlt der Kirche, sie solle doch die schwer verständlichen Dogmen fallen lassen: das Dogma vom Dreifaltigen Gott, das Dogma von der Gottheit Jesu, das Dogma von der Gegenwart Christi in der Eucharistie. Viele protestantische Theologen haben diese Dogmen fallen gelassen. Ist dadurch der Protestantismus anziehender geworden? Ein Priester schlug vor, man solle die Ausdrucksweise der Verkündigung ändern. Die alten Wahrheiten müssten in einer neuen Sprache hervorgebracht werden. Ein langjähriger Pfarrer schüttelte darüber den Kopf und entgegnete: „Nicht wegen unserer Ausdrucksweise wollen die Leute nicht auf uns hören, sondern weil die Befolgung unserer Lehre sie in ihren Vergnügungen stören würde.“ Weil die  Befolgung unserer Lehre sie in ihren Vergnügungen stören würde. Dann schildert Bruce Marshall ein Beispiel, das sich in Paris zugetragen hat. Ein Kontrolleur in der Untergrundbahn sprach mit einem Priester und schimpfte auf die Politik. Die Politik sei eine ekelhafte Sache. Der Priester fragte ihn: „Ja, warum versuchen Sie es nicht mal mit der Religion?“ Der Kontrolleur entgegnete, er habe tatsächlich oft daran gedacht, es mit der Religion zu versuchen, aber er sei entmutigt worden, denn die Religion sei gegen zu viele Dinge. Er habe gelesen, die Religion sei gegen Faulheit, gegen Missmut, gegen Hochmut, gegen freie Liebe. Das wäre ein bißchen viel, meinte er, wogegen die Religion sei. Der Priester entgegnete, er verstehe das falsch. Die Religion sei nur gegen diese Dinge, weil sie für andere sei. Sie sei für Fleiß, für Anstand, für Beherrschung, für Enthaltsamkeit, für Demut, für Keuschheit. Da antwortete der Kontrolleur: „Ja, die Dinge, für die sie sei, seien ja  noch viel schrecklicher als die, gegen die sie ist. Und da wolle er sich lieber an die Politik halten. Da wende man sich sowieso nur gegen Leute, die man nicht leiden kann.“ Dieses Gespräch ist sehr aufschlußreich. Das Christentum ist anstrengend. Sein Anspruch ergreift das ganze Leben, die Jugendzeit ebenso wie das Alter. Das Christentum läßt auch keine Pause zu. Ein Klostervorsteher meinte einmal: „Das Schwerste für einen Christen ist, dass er immerfort ein Christ sein muss.“ Ja, so ist es. Der erwähnte Kontrolleur fragte nämlich den Priester bei einer anderen Gelegenheit, ob die Vorschriften der Religion nicht einmal vorübergehend aufgehoben werden könnten, damit die Gläubigen eine Atempause haben. Der Priester versicherte ihm: „Das sei eben das  Schwierige an der Religion, dass es niemals eine Atempause gebe.“ Vom Christentum gibt es weder Urlaub noch Dispens. Das ist das eigentlich Schwierige im Christentum, dass man immer und überall Christ sein muß.

Es ist kein Einwand gegen das Christentum, dass viele, die den Christennamen tragen, sich nicht an das christliche Sittengesetz halten. Eine Lehre wird nicht dadurch falsch, dass ihre Anhänger nicht danach leben. Nach dem letzten Krieg konnte man häufig die Rede hören: „Das Christentum hat versagt.“ Darauf antwortete der General Gareis, ein katholischer General: „Nicht das Christentum hat versagt, sondern die Menschen haben sich als unfähig erwiesen, es zu leben.“ Vielleicht kommt ein Teil des Übels daher, dass die falschen Leute die richtige Sache und die richtigen Leute die falsche Sache vertreten. Sich für eine gute Sache einzusetzen trotz all derer, die sie auch verfechten, dazu gehört wirklich Mut.

Das Jahr des Glaubens, meine lieben Freunde, ist dazu angetan, den Glauben besser kennenzulernen, das Glück des Glaubens zu erfahren, Festigkeit im Glauben zu gewinnen, Zweifel zu überwinden. Es soll dazu benutzt werden, um Nichtglaubende und Schwankende und Zweifelnde zum Glauben zu führen. Wir dürfen das Evangelium nicht bloß denen verkündigen, die schon gläubig sind, sondern wir müssen es auch denen predigen, die es nicht hören wollen. Ich habe nie begriffen, warum die katholische Kirche in Deutschland mit ihren reichen Mitteln den Glauben nicht an Litfaßsäulen und in der Presse und im Fernsehen verkündet. Ich habe das nie verstanden.

Die katholische Kirche hat eine anspruchsvolle Sittenlehre. Sie verkündet Gottes Willen bezüglich des Verhaltens der Menschen ohne Abstriche und Umdeutungen. Es gibt auf dieser Erde keine einzige Religion, deren Verhaltenscodex mit der Moralverkündigung unserer Kirche auch nur entfernt konkurrieren könnte. Alle machen den menschlichen Schwächen Konzessionen und verraten damit Gottes Willen. Der Protestantismus führt diese Leute an. Protestantische Theologen erklären das Leben Jesu als einen Mythos, also als eine erfundene Geschichte. Es gibt keine Menschwerdung, es gibt keine Auferstehung. Jawohl, das lehren evangelische Theologen. Der Protestantismus schafft eine himmelschreiende Sünde ab, weil die Meinungsführer der Gesellschaft sie abgeschafft haben wollen. Der oberste Protestant in Deutschland, der Präses Schneider, hat soeben, ich lese das hier in einer Zeitung, hat soeben erklärt, die Kirche solle die Selbsttötung eines Schwerkranken seelsorgerlich begleiten. Sie soll also auf ihre Weise Beihilfe leisten zum Selbstmord. Dagegen haben sich auch evangelische Christen empört. Ein Vorsitzender der bekennenden Gemeinschaften hat ausgeführt: „Der Chef der evangelischen Kirche bringt hier ein Seelsorgeverständnis zum Ausdruck, das Sünde begleitet, anstatt ihr entgegenzutreten. Die ökumenische Gemeinsamkeit, jede Form aktiver Sterbehilfe zu vermeiden, sei fahrlässig aufgegeben worden. So werde die Trennung zwischen den Konfessionen vertieft.“ Die Kirche könnte sich leicht Beliebtheit oder wenigstens Duldung verschaffen, wenn sie ihre Moralverkündigung den Wünschen der Massen angleichen würde. In einem Buch von Bruce Marshall wird ausgemalt, was geschehen könnte, wenn die Kirche das Sittengesetz nach dem Geschmack der entchristlichten Massen  manipulieren würde. Bruce Marshall schreibt da: „Der Kardinal von Paris hatte einen Traum. Er träumte, der Papst sei gestorben und ein Amerikaner sei Papst geworden. Seine erste Kundgebung an die Welt sei verblüffend gewesen. Er habe nämlich der Stadt und der Welt verkündet, alle seine Vorgänger hätten sich in einer theologischen Lehrmeinung geirrt. Die freie Liebe sei keine Todsünde, sondern eine unsterbliche Tugend. Auf diese Äußerung hin war die Einheit der Christenheit im Nu wiederhergestellt worden. Ketzer und Abgefallene hatten ihre Irrtümer abgeschworen. Die Türken hatten sich wie ein Mann bekehrt. Und Schottland war nicht weit dahinter zurückgeblieben. Rußland hatte dem Kommunismus abgeschworen. Das unentwegt fromme Argentinien hatte Schlachtschiffe geschickt, die in der Tibermündung Salut schossen. Und Port Said hatte sich ein Feuerwerk abgerungen. Einen solchen Traum hatte der Kardinal geträumt.“ Das ist natürlich eine literarische Erfindung. Die Kirche wird niemals sich so verhalten, wie hier beschrieben ist. Aber die Kirche weiß, daß sie mit solcher Anpassung Menschen gewinnen würde, die sie dulden oder die sie sogar verehren. Das Bequeme und Eingängige findet immer seine Anhänger. Das Beschwerliche und das Erhabene stösst die Menschen ab. Die Kirche hält am Willen Gottes fest. Sie bleibt sein Herold, ob sie deswegen angeschwärzt und verfolgt wird. Schmähungen und Verfolgungen sind das Ehrenzeichen dieser Kirche.

Mit dem Boss im Himmel, sagen manche, mit dem Boss im Himmel könnten sie auskommen, aber sie reiben sich am Bodenpersonal. Damit sind die Bischöfe und Priester gemeint. Sie sind ja die tragenden Glieder unserer Kirche. Die katholische Kirche ist eine Bischofskirche. Die Bischöfe sind die Repräsentanten Christi. Man kann an den Bischöfen Kritik üben und vielleicht muss man das manchmal. Schließlich hat der Kardinal Seper, der wichtigste Mann an der Römischen Kurie, einmal das Wort gesprochen: „Die Krise der Kirche ist eine Krise der Bischöfe!“ Die Mängel und Schwächen der Bischöfe sind bekannt. Aber so berechtigt sie häufig sind, die andere Seite besteht darin, dass die Bischöfe die Macht haben, den Heiligen Geist weiterzugeben. Das ist es, wodurch die Kirche und die Sakramente und die Gnade Christi weitergehen und heil bleiben. Bruce Marshall schreibt einmal: „Was bedeutet es schon, dass die Kirche wackelt, solange es noch etwas zum Wackeln gibt. Je mehr sie wackelt, ohne umzukippen, desto deutlicher erweist sich, dass der Heilige Geist sie vor dem Umkippen bewahrt.“

Die unentbehrlichen Helfer der Bischöfe sind die Priester. Eine Kirche ohne Priester wäre nicht die Kirche Christi. Der Priester leiht Gott sein Herz und seinen Verstand, seinen Mund und seine Hand. Er führt die Menschen zu Christus. Er ist Diener, nicht Herr. Er tritt völlig hinter dem Dienst, der ihm aufgetragen ist, zurück. Deswegen, meine Freunde, deswegen ist es so angebracht, dass der Priester bei der heiligen Messe sein Antlitz dem Altar und dem Kreuz zuwendet. Der Priester am Altar hat kein Antlitz, weil er es dem Herrn zuwendet. Dem guten Priester ist es darum zu tun, die flackernde Flamme weiterzugeben und eine Kerze an der anderen zu entzünden. Er will nicht selbst eine Kerze sein. Der Priesterberuf hat seine besonderen Schwierigkeiten. Der Priester befriedigt ja keine elementaren Bedürfnisse. Er sorgt nicht für Nahrung, Kleidung, Wohnung. Viele Menschen meinen, deswegen den Priester nicht nötig zu haben. Der Priester verkündet Gott, den Allherrscher, der in unsichtbarem Lichte lebt. Die meisten Menschen halten sich an das Sichtbare, Greifbare, Materielle. Der Priester hat keine Machtmittel zur Verfügung. Er kann nur an die Einsicht und an den guten Willen appellieren. Er muss stets auf Widerstand, Geringschätzung, Ablehnung und Verleumdung gefasst sein. Viele Menschen lassen es den Priester spüren, dass sie ihn nicht mögen. Die einen schauen ostentativ weg, die anderen blicken ihn frech und herausfordernd an. Diese Feindseligkeit, die den Priester trifft, ist in der Hauptsache seinem Beruf zuzuschreiben. Man steht auf gegen Gott, aber weil man Gott nicht erreichen kann, hält man sich an seine Diener. Priester werden durch eine Weihe Christus verähnlicht. Wer einmal zum Priester geweiht ist, bleibt es immer. In diesem Sinne gibt es keinen Berufswechsel der Priester. Aber, meine lieben Freunde, Sie alle wissen, dass nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil Zehntausende, Zehntausende von Priestern ihren Beruf aufgegeben haben. Warum? Weil der Glaube in ihnen eingebrochen ist. Die priesterliche Persönlichkeit steht und fällt mit dem Glauben. In wem der Glaube zerfällt, der kann nicht weiter Zeuge des Glaubens sein. Zum Glück haben manche Priester, die den Abendmahlssaal verlassen haben, zurückgefunden. Sie haben die Kraft zur Rückkehr von Gott erhalten. Ein Priester sagte: „Ich bin zur Kirche zurückgekehrt, weil ich das Siegel auf meiner Seele spürte.“ Hier müßte im Jahr des Glaubens angesetzt werden. Die Bischöfe haben ja Listen der Priester, die sich entfernt haben. Was geschieht, um sie zurückzuholen? Wesen und Würde des Priesters müssen den Menschen wieder nahegebracht werden. Im Weihesakrament wird der Geweihte Christus verähnlicht und mit Vollmachten ausgestattet, die Wahrheit und die Gnade den Menschen zuzuwenden. Aber der Priester ist stets angefochten. Der Teufel hält sich an die Priester, nicht an die Religionsdiener. Er sucht sie zu verunglimpfen. Was bedeutet es, meine lieben Freunde, wenn der Limburger Bischof in der Mainzer Zeitung als „Neokonservativer“ bezeichnet wird, was bedeutet das?  Konservativ ist heute ein Schimpfwort geworden. Und der Bischof von Limburg, der den Glauben der Kirche über der Ehe verkündet, wird als neokonservativ ausgegeben. Das Jahr des Glaubens erinnert uns an unsere Verantwortung für die Priester. Sie, meine Gläubigen, müssen sich hinter die Priester stellen, müssen ihnen zur Seite stehen, müssen sie verteidigen, müssen Leserbriefe schreiben, müssen in der Öffentlichkeit sich zu den Priestern bekennen.

Das ist Ihre Aufgabe im Jahr des Glaubens! Das Jahr des Glaubens lenkt unseren Blick auf die Letzten Dinge. Jeder Tag bringt uns dem Tode näher. Auf den Tod folgt das Gericht. Wer möchte dort verworfen werden? Also leben wir so, dass der göttliche Richter uns annehmen kann. Nützen wir die Zeit, kaufen wir sie aus, denn die Tage sind böse.

Amen.

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