Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
25. Juli 2010

Die Gesetzespflichten des Staates

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Gott ist der Gesetzgeber. Er hat die physischen Naturgesetze gegeben. Die Tiefdruckgebiete bewegen sich nach seinem Willen. Er hat aber auch das sittliche Naturgesetz gegeben, Die Menschen sollen sich danach richten. Das sittliche Naturgesetz bedarf der Einschärfung, der Konkretisierung und der Auslegung durch menschliche Gesetze. Deswegen hat Gott auch den Menschen die Gewalt gegeben, Gesetze zu geben. Aber anders als die Gewalt Gottes zur Gesetzgebung ist die Gewalt der Menschen zur Gesetzgebung nicht schrankenlos. Sie ist in dreifacher Weise gebunden. Nämlich der menschliche Gesetzgeber ist gebunden an Gott. Er hat ja seine Gewalt von Gott, und der Bereich, in dem er diese Gewalt ausüben darf, ist ebenfalls von Gott bestimmt, nämlich im Rahmen des göttlichen Gesetzes. Deswegen muss der menschliche Gesetzgeber bei seiner Gesetzgebung immer bedenken, dass er im Auftrag und in der Vollmacht Gottes Gesetze gibt.

In der Präambel unseres Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland heißt es immerhin, die Verfassung sei beschlossen worden „Im Bewußtsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen“. Der Wille Gottes, die Gebote Gottes müssen der Maßstab und die Schranke der menschlichen Gesetzgebung sein.

Der menschliche Gesetzgeber ist zweitens gebunden an das Ziel des Gesetzes. Was ist denn das Ziel der Gesetze? Das Gemeinwohl. Es sollen die Voraussetzungen, die Bedingungen, die Veranstaltungen geschaffen werden, die dafür dienen, dass die Menschen, jeder einzelne Mensch, sein Auskommen findet, sein Berufung erkennt, sein Bestimmung erfüllen kann und seine Eigentätigkeit ausüben darf. Das Ziel aller Gesetze ist das Gemeinwohl. Die Gesetze müssen der Gemeinschaft dienen und nützen, für die sie gegeben werden.

Der dritte Gegenstand, an den der menschliche Gesetzgeber gebunden ist, ist der Inhalt des Gesetzes, der Gegenstand des Gesetzes. Die Gesetzgebung muss sachlich sein, sachgebunden. Sie muss sich an der Sache, die sie ordnen will, ausrichten. Ein Beispiel. Wenn ein Forstgesetz gemacht wird, muss sich das Gesetz danach richten, was notwendig ist, um den Wald zu schützen, zu erhalten und womöglich zu vermehren. Ein Forstgesetz kann nicht zuerst die Interessen der Jäger im Auge haben. Der Wildbestand muss sich nach den Bäumen richten, nicht die Bäume nach dem Wildbestand. Ähnlich ist es beim Waffengesetz, das ja neuerdings umstritten wird. Ein Waffengesetz muss den Gebrauch, den Besitz von Waffen regeln, aber es darf nicht einseitig die Sportschützen begünstigen. Es muss auch die Gefahr gesehen werden, die davon ausgeht, dass Privatpersonen tödliche Waffen in ihrem Hause bergen.

Das sind die drei Bedingungen, an die sich menschliche Gesetze halten müssen: Gott, das Ziel des Gesetzes und der Gegenstand das Gesetzes. Die Gesetze müssen sich am Naturrecht und am sittlichen Naturgesetz ausrichten. Das ist die Schranke, die sie nicht überschreiten dürfen; das ist der Rahmen, in dem sie tätig werden können. Wenn sie das tun, sind sie auch auf Christus ausgerichtet, denn Christus ist der König auch der Gesellschaften. Der Staat untersteht dem sozialen Königtum Christi. Seine Gesetzgebung muss deswegen auf Christus ausgerichtet sein.

Sittlichkeit und Recht sind zwei verschiedene Ordnungen menschlichen Verhaltens. Die Sittlichkeit ergreift den Menschen in jeder Beziehung, in der Beziehung zu Gott, zu sich selbst und zu den anderen Menschen. Das Recht hat es allein mit der Ordnung des gesellschaftlichen Verhaltens zu tun, also mit dem Leben in der Gemeinschaft. Aber das gesellschaftliche Verhalten des Einzelnen ist von seiner moralischen Substanz bestimmt. Wie einer sittlich gebaut ist, so bringt er sich auch ein in die Gesellschaft. Das Recht kann darum nicht absehen von der Bildung und Ausbildung der Sittlichkeit im einzelnen Menschen. Es ist nur die Frage, wie weit das sittliche oder unsittliche Verhalten des Einzelnen die Gemeinschaft betrifft. Es ist ohne weiteres einleuchtend, dass ein sittlich hochstehender Mensch der Gemeinschaft nützlicher ist als ein verkommener. Wie weit muss das Recht die Sittlichkeit, das sittliche Verhalten des Einzelnen fördern bzw. regeln? Wie weit muss das Verhalten des Einzelnen vom Gesetz geregelt werden, damit er ein nützliches Glied der Gemeinschaft wird und bleibt und ihr nicht zur Last fällt? In bezug auf die körperliche Gesundheit erlaubt sich der Staat, wie wir wissen, weite Eingriffe. Er gibt Vorschriften über das Rauchen, über den Gebrauch von Alkohol. Er ist streng im Kampf gegen Besitz, Handel und Gebrauch von Rauschgiften. Für die seelische Gesundheit verwendet der Staat weit weniger Aufmerksamkeit. Die Türen zur Verführung stehen weit offen – in der Lektüre, im Film, im Fernsehen, im Internet, im Umgang miteinander. Da hat nun der Bundesgerichtshof im Jahre 1969 ein berühmtes Urteil gefällt. In diesem Urteil – es ist das bekannte Fanny-Hill-Urteil – heißt es. „Das Strafgesetz hat nicht die Aufgabe, auf geschlechtlichem Gebiet einen moralischen Standard des erwachsenen Bürgers durchzusetzen, sondern es hat die Sozialordnung der Gemeinschaft vor Störungen und groben Belästigungen zu schützen.“ Ich muss diesen wichtigen Satz noch einmal wiederholen: „Das Strafgesetz hat nicht die Aufgabe, auf geschlechtlichem Gebiet einen moralischen Standard des erwachsenen Bürgers durchzusetzen, sondern es hat die Sozialordnung der Gemeinschaft vor Störungen und groben Belästigungen zu schützen.“ Und diese Belästigungen, diese Störungen sieht der Gesetzgeber, der Gesetzgeber von 1969, nicht mehr gegeben bei Ehebruch, nicht mehr gegeben bei Homosexualität, nicht mehr gegeben bei Unzucht mit Tieren, nicht mehr gegeben bei Erschleichung des außerehelichen Beischlafs. Weil sich die Einstellung der Gesellschaft – und das ist ja unbezweifelbar – zu den geschlechtlichen Dingen geändert hat, folgt das Gesetz ihr nach. Hat der Bundesgerichtshof, hat der Gesetzgeber im Bundestag recht? Woher kommen denn die Störungen und Belästigungen der Sozialordnung? Kommen sie nicht aus der moralischen Schwäche, aus dem sittlichen Versagen des Einzelnen? Ist es für die Gesellschaft gleichgültig, was der Einzelne im Bereich der Sexualität tut? Gehört das geschlechtliche Tun des Einzelnen nicht zur sozialen Ordnung? Ist Sexualität nicht immer auf andere ausgerichtet, die sie gebraucht, benützt, verführt, schädigt? Wissen wir nicht, dass der Mißbrauch der Geschlechtskraft eine Flut von Tränen und Blut über diese Erde bringt?

Der demokratische Staat ist davon unbeeindruckt. In den 60er Jahren habe ich folgendes beobachtet. In München wurde ein Journalist bestraft, weil er seine Wohnung dem Chefredakteur einer großen Zeitung zur Verfügung gestellt hatte, damit dieser dort mit einer Angestellten Unzucht treiben konnte. Warum wurde er bestraft? Weil er Kuppekei betrieben hatte. Kuppelei ist die Förderung zwischenmenschlicher Unzucht. Kuppelei war streng verboten. Die Hotels durften ein Paar nur dann in ein gemeinsames Zimmer lassen, wenn sie sich als verheiratet auswiesen. Bis 1973. Da wurde von der glorreich regierenden sozial-liberalen Koalition die Kuppelei abgeschafft. Seit 1973 wird Kuppelei nur noch bestraft, wenn es sich um Minderjährige handelt. Man hat also diesem Journalisten und diesem Chefredakteur in München Recht gegeben. Ist es für die Gesellschaft gleichgültig, wenn Menschen, wie man sagt, ohne Trauschein zusammenleben? Ist es für die Gesellschaft unbeachtlich, wenn die eheliche Treue verraten wird? Im Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, also einem führenden Kommentar der Juristen, habe ich gelesen: In Deutschland suchen etwa eine Million Männer täglich 200.000 Prostituierte auf. Nimmt die Gesellschaft keinen Schaden, wenn Ehen zerbrechen? Bringt die gleichgeschlechtliche Unzucht dem Volke Nutzen oder Schaden? Die Abschaffung der Straftatbestände, die den Bereich der Sexualität betreffen, ist von größter und schlimmster Wirkung. Sie eliminiert die sittliche und versittlichende Aufgabe des Rechtes. Sie eliminiert die sittliche und versittlichende Aufgabe des Rechtes. Sie ermuntert den Mißbrauch der Geschlechtskraft. Sie schafft den Übertätern ein gutes Gewissen. Die Masse des Volkes sagt: Was nicht verboten ist, das ist erlaubt. Was nicht bestraft wird, das kann ich tun. So untergräbt der Staat mit seinem Rückzug aus dem Strafrecht die Sittlichkeit des Volkes.

Menschliche Gesetze müssen bestimmte unerläßliche Eigenschaften haben. Sie dürfen nur sittlich Erlaubtes, nichts Sündhaftes befehlen. Denn sie schöpfen ja ihre bindende Kraft aus dem Willen Gottes, und nach Gottes Willen darf Sündhaftes nicht geschehen. Deswegen hat die Kirche immer daran festgehalten: Ein unmoralisches Gesetz ist kein Recht und kann kein Recht sein. Ein unmoralisches Gesetz ist kein Recht und kann kein Recht sein. Solche unmoralischen Gesetze gibt es zuhauf. Der Staat, der sich anmaßt, die Ehe, die gültige Ehe dem Bande nach zu trennen, der schafft ein unrechtes und ungültiges Gesetz. Der Staat, der die Vernichtung von Menschen in einem frühen Stadium ihres Lebens geschehen läßt, der schafft ein unrechtes und ungültiges Gesetz. Der Staat, der die Tötung behinderter und leidender Menschen zuläßt, der schafft ein unrechtes und ungültiges Gesetz. Alle diese Verstöße, meine lieben Freunde, sind nicht harmlos. Sie verletzten Gottes Willen, sie empören sich gegen Gottes Gesetz. Gott läßt seiner nicht spotten. Er hat nicht alle Tage Zahltag, aber wenn er heimzahlt, dann zahlt er mit gewaltiger Münze.

Das Gesetz darf zweitens nicht gegen klare menschliche Rechte verstoßen. Auch der Mensch hat Rechte. Er hat angeborene Rechte, er hat erworbene Rechte. Angeborene Rechte sind zum Beispiel das Recht auf Würde, das Recht auf Leben, das Recht auf Eigentum, das Recht auf Bildung, das Recht auf Berufswahl. Erworbene Rechte sind etwa das Recht auf den Arbeitslohn, das Recht auf die Rente, das Recht auf den Beamtenstatus, das Recht auf Urheberschaft bei Kunstwerken, bei literarischen Erzeugnissen. Diese Rechte muss der Staat achten.

Drittens: Das Gesetz, das der Staat gibt, muss für die öffentliche Wohlfahrt notwendig oder erheblich förderlich sein. Wir sehen ein, dass er bestimmte Gesetze gibt, die unbedingt notwendig sind. Steuergesetze müssen nun einmal sein, denn wovon soll der Staat leben? Schulgesetze müssen sein, denn die Bildung ist nun einmal erforderlich. Förderliche Gesetze sind zum Beispiel das Patentschutzgesetz, dass Patente, die einer anmeldet, auch tatsächlich gegen Nachahmung und Mißbrauch bewehrt werden. Kunstförderungsgesetze sind auch förderlich. Beim Strafgesetz sind nicht alle Gesetzes notwendig, die erlassen werden, man könnte sich denken, dass die Bagatellvergehen nicht unbedingt bestraft werden müssen, also ein Schimpfwort, ein einmaliger Ladendiebstahl, eine geringfügige Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit. Man könnte sich denken, dass diese Bagatellvergehen nicht unbedingt bestraft werden müssen, denn die Gesetze schränken ja immer die Freiheit ein, und um die Freiheit einzuschränken, bedarf es eines genügenden Grundes.

Das Recht betont die äußere Seite, die Sittlichkeit die innere. Aber es ist nicht so, dass das Recht gegen das Innere gleichgültig wäre. Alles wahre Recht drängt darauf, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich im Gewissen befolgt zu werden. Die innere Gesinnung ist dem Recht nicht gleichgültig. Sie ist sogar wichtig für die Beurteilung, z.B. bei Strafen. Es wird niemand bestraft, der nicht schuldig geworden ist. Die innere Gesinnung spielt auch sonst im staatlichen Recht eine beträchtliche Rolle, z.B. in der Forderung von Treu und Glauben, im Verbot der Schikane, im Schutz dessen, was die guten Sitten gebieten. Die innere Absicht ist manchmal sogar unerläßlich im staatlichen wie im kirchlichen Gesetz. Wenn jemand einen Eid leistet, dann ist es unbedingt notwendig, dass die innere Gesinnung mit der äußeren Handlung übereinstimmt. Und in der Kirche ist es etwa so bei der Sakramentenspendung. Man muss, wenn man eine Ehe schließt, nicht nur äußerlich das Ja geben, sondern auch innerlich den Eheschließungswillen haben, sonst ist die Ehe ungültig.

Fünftens: Ein allgemein verpflichtendes Gesetz kann nur das befehlen, was durchführbar ist, was für das Gros der Menschen erfüllbar ist. Nun, die Antwort darauf ist sehr leicht, denn alle Gebote Gottes sind erfüllbar. Gott gibt keine Gebote, die nicht erfüllbar sind. Was Gott gebietet, das ist möglich. Gott gebietet nichts Unmögliches. Freilich, der Mensch ist schnell bei der Hand, zu sagen: Das ist zu schwer für mich, das kann ich nicht, das darf man mir nicht zumuten. Meine lieben Freunde, was einem zugemutet werden kann, das sieht man an den Krankenbetten der unheilbar Kranken. Was Gott den Menschen zumutet, das sieht man bei Erdbeben und Tsunamis. Das muss der Mensch aushalten. Und so muss er auch die Gebote Gottes beachten. Unter gewöhnlichen Umständen, sagt man, kann der menschliche Gesetzgeber keine heroischen, keine heldischen Akte gebieten. Das mag ja sein in gewöhnlichen Umständen. Aber es gibt eben sehr viele außergewöhnliche Umstände. Er gibt Berufe, die lebensgefährlich sind. Im Jahre 2008 gab es in Deutschland die meisten tödlichen Arbeitsunfälle im Bereich des Verkehrs. Vor allem Berufskraftfahrer leben gefährlich. Sehr zahlreich sind die Unfälle bei Maurern, die in der Höhe arbeiten, von denen viele abgestürzt sind. Dazu kommen ganze Berufsgruppen, die geradezu auf Gefahr spezialisiert sind: Feuerwehrleute, Polizisten, Kriegsreporter, Gerüstebauer. Soldaten müssen bereit sein zur Hingabe des Lebens, sonst brauchen sie nicht in den Wehrdienst einzutreten. Vom Arzt wird erwartet, dass er auch unter Einsatz seiner Lebens Verunglückten Hilfe bringt. Bei Unglücken in Bergwerken müssen die Rettungsmannschaften selbst unter Lebensgefahr die Verunglückten zu bergen versuchen. Die Männer des Kampfmittelräumdienstes müssen Fliegerbomben entschärfen, auch wenn sie dabei zerrissen werden – wie mein Nachbar. Der Priester ist gehalten, auch bei Gefahr der Ansteckung zu Schwerkranken zu eilen. Der Mainzer Bischof Josef Ludwig Colmar, der in Mainz von 1802 bis 1818 regiert hat, legte sich in der großen Typhusepidemie 1813 auf verfaultes Stroh neben die Typhuskranken und Sterbenden, um ihnen die Beichte abzunehmen und sie in de Ewigkeit zu geleiten.

Irgendjemand hat den Ausspruch getan: „Glücklich das Volk, das keine Helden braucht.“ Und viele sprechen es ihm nach. Dieser Ausspruch ist ebenso dumm wie falsch. In jedem Volke wird es immer Helden brauchen, weil es in jedem Volke Verhältnisse und Fälle gibt, die nur von Helden bewältigt werden können. Auch jeder von uns kann in Situationen, Lebenslagen, Verhältnisse gestellt werden, die nur mit Heroismus zu bewältigen sind. Da gilt das Wort von Friedrich Nietzsche: „Wirf den Helden in deiner Brust nicht weg!“  Amen.

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