Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
7. Juni 2009

Das Geheimnis des dreieinigen Gottes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Verehrung des dreifaltigen Gottes Versammelte!

Soeben haben wir im Evangelium vernommen den Ausspruch des Herrn, dass die Verkündigung des Evangeliums sich vollziehen muss im Namen des dreifaltigen Gottes, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Wir befinden uns hier in einer Dreifaltigkeitskirche. Dieses Gotteshaus ist dem dreifaltigen, oder wie man vielleicht noch besser sagen kann: dem dreieinigen Gott geweiht, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist.

Wir nennen diese Wahrheit der Dreifaltigkeit, der Dreieinigkeit ein Geheimnis, und ein Geheimnis ist es und muss es sein. Ein Geheimnis ist es, weil wir es mit unserem Verstand nicht begreifen können. Wir können nicht begreifen, dass drei göttliche Personen sind und doch nur ein Gott. „Die Dreifaltigkeit ist etwas Unbegreifliches und Unaussprechliches“, hat einmal der heilige Augustinus geschrieben, der wohl einer der tiefsten Geister unserer Kirche war. Aber unbegreiflich bedeutet nicht unvernünftig. Die Lehre wäre unvernünftig, wenn gesagt würde: Drei Personen sind eine Person oder eine Wesenheit sind drei Wesenheiten. Das wäre unvernünftig. Aber gerade so wird nicht gesagt. Es wird gesagt: Drei Personen, aber nur eine Wesenheit. Wer also sagt: Es ist unmöglich, dass drei eins ist und eins drei, der hat die Lehre der Kirche nicht begriffen. Da gelten die Worte der Heiligen Schrift: „Sie lästern, was sie nicht verstanden haben.“

Die Unbegreiflichkeit ist keine zufällige Eigenschaft Gottes; sie ist eine Wesenseigenschaft. Sie ist mit seiner Göttlichkeit gegeben. Die Unbegreiflichkeit ist Ausdruck der Andersartigkeit Gottes, seiner Erhabenheit und seiner Überlegenheit über alles Geschöpfliche. Ja, sie ist Ausdruck seiner Unverfügbarkeit für Engel und Menschen. Gott muss unbegreiflich sein, wenn er Gott bleiben will. Er kann dem menschlichen Verstand nicht begreiflich sein, weil sonst der Wesensunterschied zwischen Gott und Mensch aufgehoben würde.

Dass es unbegreifliche Dinge gibt, wissen wir aus der Erfahrung. Wer kann in einem letzten Sinne uns aufschlüsseln, was Elektrizität ist? Man kann auch die vielleicht schwerste Frage stellen: Warum ist nicht nichts? Warum existiert denn überhaupt etwas? Warum gibt es eine Welt? Warum ist nicht keine Welt? Es gibt auch im Bereich des Geschöpflichen Dinge und Vorgänge, die wir nicht erklären können, die unbegreiflich sind. Um wieviel mehr erst beim Schöpfer der Natur!

Die drei göttlichen Personen haben miteinander gemeinsam die Wesenheit, die Eigenschaften und die Werke nach außen, die Wesenheit, die Eigenschaften und die Werke nach außen. Sie sind allen drei göttlichen Personen gemeinsam. Welches ist das Wesen Gottes? Das metaphysische Wesen Gottes, also jene Grundbestimmung des göttlichen Seins, die nach unserer analogen Auffassung der letzte und tiefste Grund des Gottseins ist, die grundlegend ist und Wurzel, das ist das subsistierende Sein. Was heißt denn das: Gott ist das subsistierende Sein? Oder mit dem Ausdruck, wie ihn die Philosophie gebraucht: Er ist das Ens a se. Das bedeutet: Gott hat sein Dasein nicht von einem anderen empfangen, wie es im geschöpflichen Bereich der Fall ist. Er hat sein Dasein nicht von einem anderen empfangen; er hat das Sein kraft seiner eigenen Vollkommenheit. In ihm fallen Dasein und Sosein zusammen. Es ist undenkbar, dass Gott nicht sein könnte. Gott ist das absolute Sein, das subsistierende Sein, und in ihm ist alles Wirklichkeit. Es gibt bei ihm keine bloße Möglichkeit, die erst noch verwirklicht werden müßte, und deswegen sprechen wir von ihm als dem actus purus – der reine Akt, der ohne jede Beimischung von Möglichkeit existierende Akt. Ens a se und actus purus sind, soweit es unser menschliches Denken vermag, Ausdruck der Wesenheit Gottes.

Die drei göttlichen Personen haben auch die Eigenschaften gemeinsam, also sie sind ohne Unterschied allmächtig, allwissend. Sie sind vollkommen und ewig. Es ist kein Unterschied zwischen dem Vater und dem Sohn und dem Geist, was diese Eigenschaften angeht. Da könnte jemand sagen: Aber steht nicht im Johannesevangelium: „Der Vater ist größer als ich“? Das steht im Johannesevangelium. Aber das bezieht sich selbstverständlich auf den menschgewordenen Logos, auf den Nazarener. Er muss dem Willen des Vaters sich unterwerfen, denn er ist vom Vater gesandt, die Welt zu erlösen. In diesem Sinne trifft tatsächlich die Aussage zu: „Der Vater ist größer als ich.“

Die drei göttlichen Personen haben auch alle Werke nach außen gemeinsam, also die Schöpfung, die Erlösung, die Heiligung. Sie werden von den drei göttlichen Personen gemeinschaftlich vollbracht. Wenn wir einzelne Handlungen wie etwa die Schöpfung einer einzelnen Person zuschreiben, dann hat das seinen Grund in den göttlichen Hervorgängen. Damit komme ich vielleicht auf das schwerste Thema der Dreifaltigkeit zu sprechen, nämlich auf die göttlichen Hervorgänge. Die drei Personen unterscheiden sich nämlich durch den Ursprung. Der Vater hat keinen Ursprung; er ist ursprungslos und geht von keiner anderen Person aus. Der Sohn hat seinen Ursprung im Vater; er geht vom Vater aus. Und der Heilige Geist hat seinen Ursprung im Vater und im Sohn; er geht vom Vater und vom Sohne aus. Um der Ordnung der Hervorgänge willen – um der Ordnung der Hervorgänge willen – sprechen wir davon, dass der Vater die erste göttliche Person, der Sohn die zweite und der Geist die dritte göttliche Person ist. Wir müssen nur von diesen Unterschieden alles fernhalten, was eine Zeitenfolge in sich schließt. Es gibt kein Früher und kein Später in Gott. Alle sind gleich ewig. Und wenn es im Johannesevangelium heißt: „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“, dann ist eben der Anfang des Anfangs, die Ursprungslosigkeit Gottes damit gemeint.

Unsere Redeweise von Gott ist analog, d.h. wir sprechen von Gott mit menschlichen Begriffen. Andere haben wir nicht. Obwohl wir wissen, dass diese Begriffe auf Gott nur in einer Weise zutreffen, die mehr unähnlich als ähnlich ist. Analogie heißt, die Unähnlichkeit ist größer als die Ähnlichkeit. Aber es besteht eine Ähnlichkeit, und deswegen dürfen wir die Aussagen machen, ja wir müssen sie machen, sonst müßten wir schweigen von Gott. Aber wir wollen von ihm reden, denn wir dürfen nicht von ihm schweigen.

Die analoge Redeweise ist also zu beachten, wenn wir von Gott als dem Vater und von Gott als dem Sohn sprechen und sagen: Der Sohn geht vom Vater hervor durch Zeugung. Ein gefährliches Wort, ein mißverständliches Wort. Aber es ist das einzige, das wir haben, um zu zeigen, dass der Sohn nicht geschaffen ist, sondern dass er gleichwesentlich mit dem Vater ist. Die Zeugung in Gott ist kein körperlicher Vorgang, kein sexueller Vorgang. In Gott gibt es keine Körperlichkeit und keine Sexualität. Gott ist unendlicher Geist. Alles, was Körper und Sexualität heißt, ist völlig fern von ihm. Die Zeugung ist also ein geistiger Vorgang, und der große Augustinus ist der Begründer der psychologischen Trinitätslehre, d.h. er sagt: Der Sohn geht vom Vater hervor dadurch, dass der Vater sich selbst erkennt und ein gleich wesentliches Bild von sich hervorbringt. Wir sprechen von Zeugung, um damit auszusagen: erstens dass der Sohn nicht geschaffen ist, er ist kein Geschöpf. Zweitens dass er dem Vater wesensgleich ist. Mehr wird dadurch nicht ausgesagt. Der Sohn ist nicht geschaffen, und er ist dem Vater wesensgleich. Man kann ruhig mit Aristoteles, dem größten griechischen Philosophen, sagen: Zeugung ist der Ursprung eines Lebendigen von einem verbundenen lebendigen Prinzip zur Gleichheit der Natur – der Ursprung eines Lebendigen von einem verbundenen lebendigen Prinzip zur Gleichheit der Natur.

Die Begriffe Vater und Sohn sind uns in der Heiligen Schrift geoffenbart. Wir müssen sie annehmen. Gott hätte sich vielleicht – vielleicht – auch anderer Begriffe bedienen können, um das Verhältnis der drei göttlichen Personen zueinander zu beschreiben. Aber die anderen Begriffe sind offensichtlich weniger geeignet, um das Verhältnis der ersten zur zweiten göttlichen Person zu beschreiben. Der Brief an die Hebräer versucht – versucht! – auch andere Begriffe einzuführen. Er sagt: „Der Sohn ist das Ebenbild des Vaters.“ Eine sehr treffende Bezeichnung. Damit wird ja eben die Wesensgleichheit von Vater und Sohn ausgesagt. Und der Heilige Geist, ebenfalls nach der psychologischen Trinitätslehre des Augustinus, der Heilige Geist geht hervor durch die Liebe zwischen Vater und Sohn. Die Liebe zwischen Vater und Sohn ist nicht bloß ein Affekt, sie ist personal.

Wegen dieser Hervorgänge schreiben wir den drei göttlichen Personen auch in der Schöpfung bestimmte Handlungen zu. Wir sagen: Gott ist der allmächtige Vater, er hat die Welt geschaffen, der Sohn hat die Welt durch sein Leiden erlöst, der Geist hat sie geheiligt. Das ist nicht falsch, denn diese Zuschreibungen entsprechen eben den Hervorgängen, aber man muss bei allem immer im Gedächtnis behalten, dass alle Werke der Dreifaltigkeit nach außen allen Personen, allen drei göttlichen Personen gemeinsam sind.

Um die Dreifaltigkeit wissen wir nicht durch unsere natürliche Erkenntnis. Wir wissen um sie nur durch Offenbarung. Der Herr sagt es ja selbst im Matthäusevangelium. „Niemand kennt den Vater als der Sohn, und den Sohn kennt niemand als der Vater.“ In der Himmelfahrt hat sich der Herr ausdrücklich zum dreifaltigen Wesen Gottes bekannt. Er hat die Taufe im Namen des dreifaltigen Gottes angeordnet.

Gegen die    Lehre vom dreieinigen Gott sind Irrlehrer aufgestanden und haben Erklärungen gesucht, die das menschliche Denken befriedigen, die aber der Gottheit zu nahe treten. Der bekannteste dieser Irrlehrer war Arius, und nach ihm ist der Arianismus benannt. Er lehrte: Der Logos, also der Sohn Gottes, ist nicht von Ewigkeit her. Er ist nicht aus dem Vater gezeugt, sondern ein Geschöpf des Vaters, vor allen anderen Geschöpfen geschaffen, dennoch aber ein Geschöpf. Er ist seinem Wesen nach dem Vater ungleich, veränderlich, entwicklungsfähig. Er ist deswegen nicht im wahren und eigentlichen Sinne Gott, sondern nur in einem uneigentlichen Sinne, weil er nämlich wegen seiner Verdienste von Gott angenommen wurde. Die Irrlehre des Arius wurde im Jahre 325 auf dem Konzil von Nizäa verworfen. Seitdem beten wir das nizänisch- konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis, und darin heißt es: „ Wir glauben an Jesus Christus, den Sohn Gottes, geboren aus dem Vater – das heißt aus dem Wesen des Vaters – Gott von Gott, Licht vom Lichte, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater.“ Und das ist der entscheidende Begriff. Griechisch heißt das „homoousios“, lateinisch „consubstantialis“, und das ist die Bezeichnung der katholischen Lehre, das ist die Bezeichnung der Katholiken geworden. Sie sind Homoousianer, weil sie das homoousios bekennen. Ein Jahrhundert lang hat der Kampf um dieses homoousios getobt, aber dann hat es sich durchgesetzt.

Leider, leider gehören die Irrlehren, die sich auf Christus beziehen, nicht der Vergangenheit an. Sie werden immer vorgebracht, immer wieder vorgebracht. Es fehlt auch in der Gegenwart nicht an Theologen, die sich gegen die göttliche Wahrheit verfehlen. Der bekannteste ist der Tübinger Irrlehrer Küng. Dieser Tage erst hat der wichtigste Mitarbeiter des Heiligen Vaters, der Kardinal Tarcisio Bertone, hervorgehoben, dass man vor dem Wiederaufleben des Arianismus warnen müsse. Der Arianismus wird heute von so manchen katholischen oder sich katholisch nennenden Theologen vertreten: Jesus sei der menschlichste der Menschen; das Prädikat billigt man Jesus zu. Nein, er ist der göttliche der Menschen, der einzig göttliche. Bertone hat in seinem Aufsatz geschrieben: „Wenn die Göttlichkeit Christi in Zweifel gezogen wird, dann wird die Grundlage des Christentums in Zweifel gezogen.“ Die Grundlage des Christentums ist die Lehre vom dreieinigen Gott.

Lassen wir uns, meine lieben Freunde, von den Irrlehrern nicht beirren. Wir wollen, dass Gott Gott bleibt und dass er nicht auf Menschenmaß erniedrigt wird. Er bleibt aber nur Gott, wenn er unbegreiflich ist. Und wir sind nur erlöst, wenn uns der Gottmensch erlöst hat. Gott muss ein unaufhebbares Geheimnis bleiben, wenn er Gott bleiben will. Und so wollen wir diesen Glauben an den dreifaltigen Gott bekennen. Wir Priester haben heute morgen schon das große athanasianische Glaubensbekenntnis gebetet. Es ist benannt nach dem Vorkämpfer für die katholische Lehre gegen den Arianismus, dem Bischof Athanasius von Alexandrien. Den Glauben an den dreifaltigen Gott bekennen wir jedesmal, wenn wir das Kreuzzeichen machen. Wir bekennen ihn, wenn wir das Glaubensbekenntnis jetzt gleich wieder in der heiligen Messe beten. Bei jedem Sakrament wird der dreifaltige Gott angerufen, und bei jeder Weihung, bei jeder Segnung. So viele Kirchen sind dem dreifaltigen, dem dreieinigen Gott geweiht. In katholischen Landen stehen Dreifaltigkeitssäulen, um diesen Glauben zu bekennen. Das Geheimnis der Dreieinigkeit ist tatsächlich die Grundlage unserer Religion.

Deswegen, meine lieben Freunde, sprechen wir oft und oft, aber immer mit Bewußtsein und in gläubigem Vertrauen: „Die Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste, jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit.“

Amen.

      

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