Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
20. November 2005

Die Wiederkunft des Herrn

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

An vielen vergangenen Sonntagen haben wir das Schöpfungswerk des Herrn betrachtet. Es ist geradezu lächerlich, zu behaupten, das alles sei immer schon da gewesen. Es hat einen Anfang gegeben, und diesen Anfang hat Gott, der allmächtige Schöpfer Himmels und der Erde, gesetzt. Wir haben dann die Erlösung betrachtet durch Jesus Christus, den eingeborenen Sohn des himmlischen Vaters. Wir haben sein Leben, sein Wirken und sein Sterben kennengelernt. Denn durch sein heiliges Blut hat er die Welt erlöst. Und wir haben über die Herabkunft der Heiligen Geistes nachgedacht, den Heiliger. Es bleibt uns jetzt, den letzten Abschnitt des göttlichen Wirkens zu betrachten,, den Abends gleichsam, nämlich die Wiederkunft des Herrn, die Auferstehung der Toten, das große Weltgericht und schließlich das ewige Leben.

Es war immer die Überzeugung der Kirche, dass Christus wiederkommen wird. Seit den Tagen der Apostel heißt es im Glaubensbekenntnis: „Von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten.“ Und an jedem Sonntag beten wir im Credo: „Er wird wiederkommen, Gericht zu halten über Lebende und Tote.“ Es hat kein Jahrhundert gegeben, in dem nicht die Erwartung der Wiederkunft Jesu in der Kirche lebendig war. Es hat kein Religionsbuch gegeben – das diesen Namen verdient! –, in dem nicht von der Wiederkunft des Herrn die Rede ist. Kein Glaubensbekenntnis der Kirche hat je anders geglaubt, als dass der Herr wiederkommen wird. Ja, die Urkirche hat den sehnsüchtigen Ruf (in aramäischer Sprache) erfunden: „Maranatha“ – Komm, Herr Jesus! Die Schriften der Apostel sind erfüllt mit Mahnworten, die sich auf die Wiederkunft des Herrn richten: bei Matthäus und bei Johannes, bei Petrus und bei Paulus. Sie hatten ja den Geist Gottes. Ebenso haben wir die Botschaft aus Engelsmund, dass der Herr wiederkommen wird. Damals am Ölberg, als der Herr zum Himmel fuhr, da sagten ihnen die englischen Boten: „Wie ihr ihn habt auffahren sehen, so wird er wiederkommen.“ Und der Herr selber hat ja von seiner Wiederkunft gesprochen. In seiner feierlichen Stunde vor dem Hohen Rate, da hat er seinen Peinigern, seinen Richtern zugerufen: „Ihr werdet den Menschensohn auf den Wolken des Himmels kommen sehen.“ Da hat er nur wiederholt, was er auch den Jüngern gesagt hatte und was wir eben im Evangelium vorgelesen bekommen haben: „Ihr werdet das Zeichen des Menschensohnes am Himmel sehen, und alle Völker werden wehklagen. Sie werden den Menschensohn kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit großer Macht und Herrlichkeit.“

Jetzt erhebt sich die Frage: Wann wird das sein? Eure Kinder in der Schule bekommen zu hören von der so genannten Naherwartung. Diese Falschlehrer, sie sagen: Jesus und die Apostel haben gemeint, die Wiederkunft des Herrn stehe jetzt, in kurzer Zeit, solange sie noch am Leben sind, bevor. Aber sie haben sich eben getäuscht, denn Jesus ist nicht wiedergekommen. Jesus hat sich getäuscht, und die Jünger haben sich getäuscht, als die Naherwartung seine Wiederkunft in ihre unmittelbare Gegenwart verlegte. Das ist eine ganz gefährliche Irrlehre, meine lieben Freunde, gegen die wir gewappnet sein müssen. Denn sie macht Jesus zu einem irrtumsfähigen Menschen, und sie macht die Kirche zu einer irrtumsfähigen Gemeinschaft, und darin liegt eine ungeheure Gefahr.

Wie ist das zu erklären, dass Jesus sagt: Der Menschensohn wird bald kommen, und dieses Geschlecht wird es noch erleben? Jesus spricht als Prophet. Er war ja auch ein Prophet, nicht nur der Sohn Gottes. Und die Propheten haben in ihrer Verkündigung eine, wie man sagt, verkürzte Perspektive, eine verkürzte Perspektive. Das heißt, sie sehen das, was in fernen Zeiten eintreten wird, ganz nahe, so wie man eben, wenn man vor einem Gebirge steht, die hintersten Gipfel nahe sieht, obwohl man weiß, dass sie weit entfernt sind. Diese verkürzte Perspektive rückt das Kommende in die zeitliche Nähe. Und diese ist bei Jesus zu beobachten. Seine Naherwartung ist eine Stetserwartung. Was jederzeit eintreten kann, ist immer nahe. Ich wiederhole noch einmal diesen fundamentalen Satz: Was jederzeit eintreten kann, ist immer nahe. Deswegen hat sich Jesus nicht getäuscht und hat sich die Urkirche nicht getäuscht. Sie haben nur die Wiederkunft des Herrn ernst genommen. Die Naherwartung der Urkirche war auch keine konkrete Überzeugung, dass in bestimmter Zeit der Herr kommen wird. Es war eine Hoffnung, eine persönliche Hoffnung. Und diese Hoffnung müssen wir genauso haben, wie sie die Urkirche gehabt hat. Die Naherwartung ist berechtigt, weil das Kommende stets auf uns zukommt. Es erfordert Wachsamkeit und Bereitschaft. Die berechtigte Naherwartung weiß Gott stets am Handeln, und wehe dem, der nicht mit dem Wiederkommen des Herrn rechnet!

Die Apostel haben Auskunft vom Herrn geheischt, wann die Wiederkunft sein wird. Wann wird dies geschehen, und welches ist das Zeichen deiner Wiederkunft? „Den Tag und die Stunde kennt niemand“, sagt der Herr, „auch die Engel im Himmel nicht, sondern nur der Vater.“ Er hat also die Fehldeutung der Naherwartung ganz klar abgewiesen. „Der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr es nicht erwartet.“ Er kommt unerwartet wie ein Dieb; er kommt unerwartet und plötzlich wie ein Blitz; er kommt unerwartet wie die Sintflut; er kommt unerwartet wie das Feuer über Sodoma. Aber die Menschen haben immer versucht, aus der Heiligen Schrift herauszulesen, wann er kommt. Ich denke etwa an den Gründer der Adventisten. Die Adventistensekte ist in Amerika entstanden, der Gründer hieß Miller. Er hat die Wiederkunft Christi vorausgesagt in der Zeit vom 21. März 1843 bis zum 21. März 1844. Die Anhänger dieses Miller ließen ihre Äcker unbestellt, sie verkauften ihren Besitz, denn sie waren überzeugt: In dieser Zeit kommt der Herr. Aber der 21. März 1844 verging, und der Herr war nicht gekommen. Da hat ein anderer selbsternannter Prophet,  Snow hieß er, gemeint: Man muss noch ein halbes Jahr warten. Bis zum 22. Oktober 1844 muss man noch warten, dann kommt der Herr. Aber auch dieser Termin verging, und die Menschen mußten erfahren: Den Tag und die Stunde kennt niemand. Auch der Gründer der Zeugen Jehovas, also der Ernsten Bibelforscher, auch dieser Gründe, Russell, hat eine Voraussage gemacht. Er hat die Wiederkunft Christi auf das Jahr 1874 angesetzt. Dann kommt Christus, und dann richtet er nach 40 Jahren sein Friedensreich auf, und dann kommt das Ende der Welt. Das Jahr 1874 verging, ohne dass Christus kam. Und nach 40 Jahren, im Oktober 1914, war nicht das Friedensreich aufgerichtet, sondern da brüllten die Kanonen. Nein, meine lieben Freunde, wenn dann jemand zu euch sagt: Hier ist Christus, dann glaubt es nicht. Wenn jemand sagt, er ist in der Wüste, dann geht nicht hinaus, und wenn euch jemand sagt, er ist in den Gemächern, dann geht nicht hin! Es werden falsche Christusse und falsche Propheten auftreten. Den Tag und die Stunde kennt niemand.

Dennoch hat uns der Herr Vorzeichen geoffenbart, Vorzeichen seiner Wiederkunft. Ich werde Ihnen gleich drei dieser Vorzeichen nennen. Aber auch diese Vorzeichen sind so gehalten, dass sie eine Berechnung des Zeitpunktes nicht gestatten. Ich wiederhole noch einmal diesen Satz: Die Vorzeichen sind so gehalten, dass sie eine Berechnung des Zeitpunktes der Wiederkunft des Herrn nicht gestatten.

Das erste Vorzeichen ist die Verkündigung des Evangeliums auf der ganzen Welt. Der Herr sagt ja: „Dieses Evangelium vom Reiche wird in der ganzen Welt verkündet werden zum Zeugnis für alle Völker. Dann erst kommt das Ende.“ Wie steht es um dieses Vorzeichen? Man kann annehmen, dass es erfüllt ist; denn die Botschaft des Evangeliums ist zu allen Völkern gedrungen. Es müssen sich nicht alle bekehren, es müssen nicht alle in die Kirche eintreten, aber es muss ihnen die Gelegenheit geboten sein, das Evangelium zu hören. Und das scheint bereits der Fall zu sein. Aber wann dann das Ende kommt, weiß man trotzdem nicht.

Das zweite Vorzeichen ist die Bekehrung der Juden. Paulus hat sich im Römerbrief mit der Verstockung der Juden befasst und die Antwort gegeben: Es wird nicht immer so sein. Einmal wird auch das jüdische Volk den Schleier vom Gesicht genommen bekommen, und das ist dann der Fall, wenn die Vollzahl der Heiden in die Kirche eingetreten ist. Das Volk der Juden bleibt nicht immer verblendet, sondern es wird einmal seine Heimkehr finden. Wann die Vollzahl der Heiden in die Kirche eingetreten ist, das wissen wir auch nicht. Gewiß hat die Kirche sich ausgebreitet, hat sich auf alle Erdteile ausgebreitet. Sie ist gewachsen, aber wann die Zahl der Heiden voll ist, das können wir nicht mit Sicherheit sagen. „Euch kommt es nicht zu, den Tag und die Stunde zu bestimmen, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat“, sagt der Herr.

Das dritte Vorzeichen ist das Auftreten des Antichristen. Antichristen gibt es in der Kirchengeschichte immer. Schon immer gab es falsche Propheten; schon immer sind falsche Christusse aufgetreten. Aber einmal wird das Böse eine solche Dimension annehmen, dass auch die Auserwählten irregemacht werden könnten. Einmal wird der Satan seine ganze Macht zum Entscheidungskampf aufbieten, dann, wenn der Sohn des Verderbens sich in den Tempel setzt und sich als Gott ausgibt. Wann dieses Vorzeichen erfüllt ist, wissen wir nicht. Das weiß man immer erst nachher. Natürlich haben wir im ganzen Lauf der Kirchengeschichte Vorläufer des Antichristen erlebt, falsche Propheten, falsche Christusse. Das Geheimnis der Gottlosigkeit ist immer am Werk, manchmal stärker, manchmal weniger stark. Aber seinen Höhepunkt erreicht es erst am Ende, und wir wissen nicht vorher, wann dieser Höhepunkt erreicht ist. Also die Vorzeichen sind uns gegeben, aber sie sind so gehalten, dass wir nur das eine sicher wissen: Der Herr kommt wieder. Aber wann er kommt, weiß niemand.

Mit der Ankunft des Herrn, mit der zweiten Ankunft wird es anders sein als mit der ersten. Damals kam er in Armut und Niedrigkeit, in der Stille der Heiligen Nacht in Bethlehem. Dann aber kommt er im Lichtglanz seiner Herrlichkeit. Dann werden die Elemente Zeugnis von ihm ablegen. Sonne und Mond verlieren ihren Schein, die Sterne fallen vom Himmel, Millionen seiner Engel und Heiligen werden ihn begleiten, werden mit ihm zum Gerichte kommen. Wie ein siegreicher König kommt er mit einem Heer, und die Menschen, die seiner gespottet haben, die Menschen werden erschrecken und zittern und wehklagen.

Ja, Herr, du wirst kommen. Du wirst kommen, wie der Blitz aufzuckt im Osten und bis zum Westen leuchtet, so wirst du kommen. Du wirst kommen wie das Schicksal kommt, denn du bist das Schicksal, unentrinnbar. Du kommst über alle, die sich sahen und doch nicht sahen, die dich hörten und doch nicht verstanden, über Spötter und Hasser, über Trunkene und Träumende, über Zweifelnde und Verzweifelte, du, der Ausgestoßene, der Verspottete, der Geächtete, der Totgeschwiegene, der Gekreuzigte. Wie der Blitz wirst du hineinleuchten in die Nacht ihrer Seelen. Wie der Blitz wirst du sie samt ihren Götzen zerschmettern. Wie brennende Glut wirst du ihr morsches Sein verzehren. Wie rollender Donner wird die Sprache deines Gerichtes sein. Und wenn das alles anhebt, dann erhebet eure Häupter, denn es naht eure Erlösung.

Ja, Herr,  wir werden wissen, dass du es bist. Du glühend Geliebter, du heiß Ersehnter, du Gott über allen Götzen, du nie Gesehener und doch Gekannter, du unendlich Ferner und doch Allernächster, du ewiger Gott und doch unser Heiland, unser Bruder und unser Freund. Wir mussten, dass du kommst. Die Augen unseres Inneren spähten ab die grauen Horizonte nach dem ersten Schimmer deines Lichtes. Wir gingen dir entgegen in der Hoffnung auf dein Wort. Wir ließen hinter uns die satte Welt und bauten in der Wüste unsere Stadt, ragend weit ihre Tore. Geheimer König, wenn dein Banner über der Erde flattert, dann kehren wir Verbannte heim. Deinetwegen haben wir das Tier nicht angebetet, haben uns nicht preisgegeben um feilen Lohn. Wir kehren heim und bringen dir den Lobpreis deiner Größe dar. Auch du warst tot, geächtet und gemartert, und du lebst. Du kommst, Tod und Trauer von uns zu nehmen und Klage und Schmerz. Du kommst, uns zur ewigen Hochzeit zu führen, wo wir trinken werden aus lebendigen Wassern, wo unser Glaube zum Schauen wird. Und wir werden dein Antlitz sehen und dürfen deinen Namen tragen auf unserer Stirn, und du, Herr,  wirst unser Licht sein und unser Gott.

Ja, Herr, schon weilst du in unserer Mitte, verborgen zwar, aber schon schauen wir den Lichtsaum des Gewandes deiner Herrlichkeit. Maranatha – Komm, Herr Jesus!

Amen.

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