Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
5. September 2004

Niemand kann zwei Herren dienen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In seinem berühmten Exerzitienbüchlein schildert der heilige Ignatius von Loyola zwei Heerlager, die sich feindlich gegenüberstehen: auf der einen Seite das Heerlager Gottes, über dem das Banner Gottes weht, auf der anderen Seite das Heerlager des Satans, des Fürsten dieser Welt, über dem die Fahne des Teufels flattert. Diese beiden Mächte ringen um jede Menschenseele. Solange es einen Menschen auf Erden gibt, dauert der unerbittliche Kampf, und jeder Mensch hat sich zu entscheiden, zu welchem Heerlager er gehören möchte.

Dieses Bild des heiligen Ignatius in seinem Exerzitienbüchlein ist eine Illustration des heutigen Evangeliums, in dem der Herr uns belehrt, daß niemand zwei Herren dienen kann, sondern nur einem. „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon." Mammon, das bedeutet den Inbegriff alles Irdischen. Die irdischen Schätze und Möglichkeiten, die irdischen Vorteile und Genüsse, die sind unter dem Begriff Mammon zusammengefaßt. Wenn Christus sagt: „Ihr dürft nicht zwei Herren dienen“, dann schließt er damit aus, daß der Mensch sich sowohl zu Gott bekennt, als auch dem Mammon unterworfen sein will. Er sagt nicht: Ihr dürft nichts erwerben. Er sagt nicht: Ihr dürft nichts erarbeiten. Er sagt noch nicht einmal: Ihr dürft nichts genießen. Er sagt: Ihr dürft dem Mammon nicht dienen. Ihr dürft nicht seiner Herrschaft unterworfen sein. Ihr dürft nicht seine Sklaven sein.

Dem Mammon dienen, heißt, im Erwerben und Genießen der irdischen Schätze aufgehen, nichts anderes kennen als die irdischen Möglichkeiten, nichts anderes erstreben als die irdischen Genüsse, über dem Irdischen das Himmlische vergessen und im Genuß des Irdischen seinen Lebenssinn suchen. „Ihr könnt nicht zwei Herren dienen." Gott ist nämlich ein eifersüchtiger Gott. Er will den Menschen für sich haben, und er duldet nicht, daß er auch dem Satan einen Teil seiner Kraft und seiner Zeit widmet.

Diese Aussage des Herrn hat einen schönen Widerhall gefunden in dem wunderbaren Büchlein von der Nachfolge Christi. Dort steht der gewichtige Satz: „Siehe, du kannst nun einmal nicht doppelte Freude genießen: dich hier auf Erden ergötzen und drüben mit Christus herrschen." Wahrhaftig, ein treffender Kommentar zu dem Wort des Herrn. „Siehe, du kannst nun einmal nicht doppelte Freude genießen: hier auf Erden dich ergötzen und drüben mit Christus herrschen."

Die Geschichte der Menschheit zeigt, wie dieser Kampf zwischen Gott und dem Mammon sich in den letzten Jahrhunderten zu besonderer Intensität entwickelt hat. Die Menschen früherer Zeit haben auch gearbeitet und sind auch teilweise zu einem bescheidenen Wohlstand gekommen. Aber sie haben sich von dem Irdischen nicht beherrschen lassen; sie sind Herr geblieben über das Irdische, und sie haben das Irdische so besessen, daß sie das Himmlische nicht verloren haben. Seit einigen Jahrhunderten hat sich das geändert. Die Maschine kam auf, das Maschinenzeitalter, die Industrialisierung, jetzt in unserer Zeit sogar die Globalisierung, also die weltweite Vernetzung der Wirtschaft, und diese Entwicklung hat einen ideologischen Überbau erhalten; den nennt man Liberalismus. Der Liberalismus ist jene Weltanschauung und auch jene Wirtschaftsauffassung, wonach in der Wirtschaft die Gesetze der Moral nicht gelten. Die Wirtschaft, sagt man, hat ihre eigenen Gesetze, und das sind die Gesetze des rücksichtslosen Kampfes, das sind die Gesetze der Zusammenraffung von Werten, der Anhäufung von Schätzen. Das ist die Welt des Kapitalismus. Der Kapitalismus ist nichts anderes als Mammonismus, nämlich Herrschaft des Geldsacks, Herrschaft des Irdischen. Auf der anderen Seite freilich ist die Herrschaft des Mammons nicht weniger ausgeprägt. Sozialismus und Kommunismus sind auch Herrschaft des Mammons, aber eben auf der anderen Seite. Sie alle sehen im Geld, im Genießen, im Besitzen den höchsten Wert des Daseins und gehen darin auf. Wer sich dem Kapitalismus und dem Sozialismus und dem Kommunismus verschrieben hat, der macht den Mammon zu seinem Gott. Er wird ein Sklave der Erdengüter.

Die uralten Sagen der Menschheit wissen vom Fluch des Goldes zu erzählen. Und in diesen Sagen der Menschen vom Fluch des Goldes drückt sich eine tiefe Wahrheit aus. Nicht das Gold an sich ist ein Schaden, aber der falsche Gebrauch des Goldes, der macht es zum Schaden. Das Gold kann Arznei und Gift sein, es kann zum Segen und zum Schaden ausschlagen, es kann Fesseln lösen, und es kann Fesseln schlagen. Es kann heilen und verwunden. Alles kommt darauf an, wie wir uns innerlich zum Gelde stellen, ob wir des Geldes Herr oder des Geldes Sklave sind. Der schlesische Dichter Angelus Silesius hat diese Wahrheit in einen schönen Vers gefaßt, nämlich: „Mensch, was du liebst, in das wirst du verwandelt werden. Gott wirst du, liebst du Gott, und Erden, liebst du Erden." Noch einmal dieser ergreifende Vers: "Mensch, was du liebst, in das wirst du verwandelt werden. Gott wirst du, liebst du Gott, und Erden, liebst du Erden."

Es kommt darauf an, daß wir die innere Freiheit gegenüber dem Besitz bewahren, daß wir uns nicht vom Besitz oder vom Gelde beherrschen lassen, sondern daß wir den Besitz und das Geld beherrschen, daß wir die Güter der Erde so verwenden, wie es Verwalter tun müssen, die einmal Rechenschaft davon legen müssen. Was unser Eigentum ist, ist uns von Gott zur Verwaltung übertragen, und eines Tages heißt es: „Verwalter, gib Rechenschaft von deiner Verwaltung! Du kannst nicht länger Verwalter sein." Wie mancher reich Gewordene hat den Fluch dieser Herrschaft des Geldes, dieser Knechtschaft an sich erfahren. Er glaubte dem Glück nachzujagen, und als er dieses vermeintliche Glück eingefangen hatte, erkannte er zu spät, viel zu spät, daß er Wertvolleres darüber verloren hatte: die Güter der Seele, die man mit keinem Gelde der Welt kaufen kann. Wir sollen innerlich unabhängig werden von den Schätzen dieser Erde.

Dabei fallen wir nicht ins Bodenlose, denn es ist ja bezeichnend, daß im heutigen Evangelium, wo die Warnung vor der Herrschaft des Mammons an unser Ohr klingt, gleichzeitig das Vertrauen auf den Vater im Himmel angemahnt wird. „Seid nicht ängstlich besorgt, was ihr essen, was ihr anziehen, womit ihr euch bekleiden werdet. Seid nicht ängstlich besorgt! Euer Vater im Himmel weiß ja das alles." In den Bedürfnissen dieses Lebens wissen wir: Unser Leben ist in Gottes Hand. Wir fallen niemals tiefer als in die Hand Gottes. Er weiß um jede Not, die uns bedrückt, und auch in der bedrückendsten Not bleibt er unser Vater, der für uns sorgt. Diese starke, großherzige, unerschütterliche Zuversicht muß in uns bleiben in allem, was über uns kommt. Das beharrliche Vertrauen des Menschenkindes auf den Vater darf niemals wanken. "In deiner Hand sind meine Geschicke, auf dich vertraue ich." So lehrt uns der Psalmist beten. Der heilige Pfarrer von Ars hat seine Danksagung nach der heiligen Messe in die Worte gefaßt: „Mein Gott, jetzt trage du den armen Menschen, der dich getragen hat." So können auch wir sprechen: „Mein Gott, trage du den armen Menschen, der dich getragen hat."

Amen.

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