Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Januar 1995

Erscheinung des Herrn

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Festfreude Versammelte!

Epiphanie heißt das Fest des heutigen Tages. Dieses griechische Wort wird im Lateinischen als manifestatio übersetzt, und das wiederum bedeutet Kundgabe, Sichtbarwerden, Erscheinung. Wir wollen uns am heutigen Fest der Erscheinung drei Fragen stellen und sie beantworten, nämlich

1. Wer ist es, der erscheint?

2. Bei welchen Gelegenheiten erscheint er?

3. Was fordert die Erscheinung von uns?

Die erste Frage lautet: Wer erscheint? Die Antwort ist leicht gegeben, es ist die Erscheinung des Herrn. Der Herr, von dem hier die Rede ist,  ist niemand anderer als der große, gewaltige Gott. Kyrios ist ja der Gottesname, denn die griechische Bibel, die Übersetzung des Alten Testamentes ins Griechische, setzt immer da, wo im Alten Testament der hebräische Name Jahwe (der Gottesname) steht, Kyrios. Also wenn vom Kyrios die Rede ist, dann ist damit der erhabene Gott gemeint. Wer erscheint ist klar. Es erscheint Gott. Es geht also nicht darum, daß da irgendein Bewohner von Galiläa in die Öffentlichkeit tritt. Es geht auch nicht um eine Messiasweihe, wie ungläubige Theologen uns weismachen wollen, sondern es geht darum, daß der himmlische Vater auf seinen Sohn Jesus Christus zeigt, damit alle in ihm das Erscheinen des einen und einzigen Gottes erkennen. Es soll hier in diesem Fest das festgehalten werden, was im Prolog des Johannesevangeliums mit den Worten ausgedrückt wird: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater.“ Also noch einmal: Wer erscheint hier? Es erscheint im Fleische des Galiläers der große, gewaltige Gott.

Bei welchen Gelegenheiten erscheint Gott? Es sind ihrer drei. Einmal bei der Ankunft der Magier (Magoi heißen sie in der Bibel), der Weisen aus dem Morgenlande, dann bei der Taufe Jesu im Jordan und drittens bei der Hochzeit zu Kana. Es wäre grundlos und sinnlos, würde Gott den Glauben daran, daß in Christus er selbst auf Erden erschienen ist, fordern, ohne irgendwelche Hinweise zu geben. Er will, daß die Menschen einen vernünftigen Gehorsam leisten. Zu diesem Zweck hat er Zeichen aufgestellt, Zeichen, die auf den in Christus erschienenen Gott hinzeigen. Welche Zeichen sind es, die bei der Geburt auf den im Futtertrog der Tiere liegenden erschienenen Gott hinweisen? Einmal die Weissagung des Propheten, daß er in Bethlehem geboren würde. Nicht in Jerusalem, auch nicht in Nazareth, sondern in Bethlehem wurde er geboren. So hat es der Prophet Michäas vorausgesagt. „Du, Bethlehem im Stamme Juda, bist keineswegs die kleinste unter den Fürstenstädten, denn aus dir wird mir hervorgehen der Fürst, der mein Volk Israel regieren wird.“

Das zweite Zeichen ist der Wunderstern. Die Heiden aus dem Morgenlande kannten ja nicht das Alte Testament, wußten nichts von den Weissagungen, hatten nicht die Stimme des Michäas vernommen. Aber auch für sie hat Gott ein Mittel ersonnen, damit sie den Weg zu dem Krippenkinde finden. Er läßt einen Stern erscheinen; und wir wissen, daß das Morgenland in der Sternenkunde weit vorangeschritten war. Die Babylonier hatten Sterntürme gebaut, von denen sie den Lauf der Sterne beobachteten und die Zeiten berechneten. Sie waren in der Astronomie zu Hause, sie waren vorzügliche Mathematiker. Und diese Männer haben einen Stern gesehen, dem sie die Bedeutung geben, die von Gott gewollt ist. „Wir haben seinen Stern“, nämlich den Stern dieses neuen Königs, „gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten.“ Das sind Zeichen, die auf den Knaben, der da in Bethlehem geboren wurde, hinweisen, die Weissagung des Propheten und das Erscheinen eines Wundersterns.

Auch bei dem zweiten Ereignis, nämlich bei der Taufe Jesu im Jordan, zeigt Gott gewissermaßen mit einem riesigen Finger auf diesen unbekannten, namenlosen Fremdling, der sich da in die Schar der Taufwilligen einreiht, hin. Es war eine große Volksbewegung entstanden in Jerusalem. Die Menschen spürten die Last der Sünde und wollten davon frei werden. Da hörten sie von der Bußtaufe des Johannes, und sie strömten hinaus an den Jordan, und unter ihnen stand einer, den niemand kannte. Auch er hatte sich der Taufbewegung, der Bußbewegung, angeschlossen. Und da setzt Gott ein Zeichen. Denn bei niemandem, nur bei einem, weigert sich Johannes der Täufer, die Taufe zu spenden. Er lehnt es ab. Bei Jesus sagt er: Ich habe es nötig, von dir getauft zu werden, und du kommst zu mit? Das ist ein Zeichen, ein Zeichen, daß der Sündenlose der Befreiung von der Sünde nicht bedurfte, daß derjenige, der die Sündenvergebung brachte, selbst nicht unter die Schar der Sünder eingereiht war. Diese Weigerung ist ein Zeichen Gottes von der Qualität dieses namenlosen Fremdlings aus Nazareth. Und damit nicht genug; denn als dieser, um aller Gerechtigkeit Genüge zu leisten, darauf besteht, sich die Taufe geben zu lassen und Johannes sie ihm spendet, da zerreißt der Himmel, es ertönt eine Stimme, es neigt sich eine Gestalt wie eine Taube auf ihn herab, und man vernimmt den Ausruf: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe.“ Ein Zeichen Gottes. Es soll offenbar werden, daß der, der hier im Wasser steht und von Johannes untergetaucht wird, nicht einer aus der großen Schar der Buß- und Taufwilligen ist, sondern daß er der Sohn Gottes ist. Das ist wahrhaftig Erscheinung des Herrn. Hier erscheint Gott und offenbart sich in dem Jesus von Nazareth.

Und schließlich die dritte Gelegenheit bei der Hochzeit in Kana. Kana liegt etwa eine Stunde von Nazareth entfernt, ein kleiner Flecken. Da war eine Hochzeit, und dazu wird die Verwandtschaft und die Bekanntschaft eingeladen. Da geht es lustig zu; da wird mehrere Tage gefeiert mit Essen und Trinken, und Jesus war mitten unter diesen seinen Heimatgenossen. Aber auch hier zeigte es sich wieder, daß er von anderer Art war als die fröhlichen Zecher und Schmauser. Denn als der Wein ausgeht – bei so vielen Menschen kein Wunder –, da naht sich ihm seine Mutter und macht ihn auf die Verlegenheit aufmerksam. Seine Antwort ist wiederum ein Zeichen: „Frau, was habe ich mit dir zu tun? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Wieso ist das ein Zeichen? Es ist ein Zeichen, daß sein Leben nicht bestimmt wird von menschlichen Bedürfnissen und von irdischen Wünschen, sondern daß sein Leben gelenkt wird vom Willen des Vaters. Er muß warten, bis der Vater zu ihm gesprochen hat. Er muß warten, bis die Stunde gekommen ist, die der Vater in seinem Plan bestimmt hat. Das ist ein Zeichen, mit dem Gott auf diesen unter den Haus- und Stammesgenossen befindlichen Hochzeitsgast hinweist. Als dann seine Stunde gekommen ist, da gibt er Befehle, und niemand lacht ihn aus. Niemand wundert sich darüber; alle tun, was er sagt. Und da zeigt es sich, daß der, der hier Befehle gibt, derselbe ist, der am Anfang der Schöpfung sprach: „Es werde!“ – und es ward. „Es werde Licht!“ – und es wurde Licht. Und so ist es auch hier. Aus Wasser wandelt er Wein. Der Schöpfer ist auf Erden eingekehrt. Der Schöpfer vermag die Elemente zu bestimmen. Die Natur gehorcht ihm. Das ist ein Zeichen dafür, daß derjenige, der hier als ein Bauhandwerker aus Nazareth auftritt, der allmächtige Gott ist. Der himmlische Vater deutet mit diesem Zeichen auf ihn.

Und jetzt kommt die dritte Frage: Was bedeutet diese Erscheinung für uns? Was sie für uns bedeutet, ist vorhergesagt in den Worten des Johannesevangeliums: „So machte Jesus den Anfang seiner Wunder, er offenbarte dadurch seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn.“ Diese Zeichen sind geschehen, damit wir glauben, so wie seine Jünger an ihn geglaubt haben. Der himmlische Vater deutet auf seinen Sohn Jesus, auf den Nazarener, hin, damit wir Glauben fassen.

Meine lieben Freunde, die Älteren von Ihnen brauchen sich nicht mit den Aufstellungen von Falschlehrern und ungläubigen Theologen zu befassen. Aber unsere Kinder und unsere Studenten werden mit diesen Aufstellungen ständig und immer neu konfrontiert. Alles, was ich bisher in dieser Predigt von den Zeichen Gottes gesagt habe, wird von den Falschlehrern bestritten. Die Magier sind danach niemals erschienen, Jesus ist niemals mit einer himmlischen Stimme im Wasser des Jordans beschenkt worden, und Jesus hat niemals Wasser in Wein verwandelt. Das lehren die Falschlehrer! Das ist ein Ausschnitt aus der verzweifelten Lage, in der sich unsere Kirche befindet. Sie lehren es ohne wirksame Gegenwehr derer, die sie daran hindern müßten. Sie lehren es ohne Richtigstellung durch jene, denen das Evangelium in unverkürzter Gestalt zu verkündigen anvertraut ist.

Lassen wir uns, meine lieben Freunde, nicht irremachen. Es gibt keinen durchschlagenden Grund, alle diese Geschehnisse, diese Zeichen, die Gott gesetzt hat, zu bestreiten oder zu leugnen. Nur wer mit der vorgefaßten Meinung darangeht, solche Zeichen könne es nicht geben, der muß sie natürlich bestreiten. Aber wir sind offen für Gott und sein Wirken. Wir glauben, daß das Wort Fleisch geworden ist und daß die Jünger seine Herrlichkeit gesehen haben, die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater.

Amen.

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