Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
25. Dezember 1994

Zu Bethlehem geboren

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Weihnachtsfreude Versammelte!

„Zu Bethlehem geboren ist uns ein Kindelein. Das hab' ich auserkoren; sein eigen will ich sein!“ So singt die Christenheit am Fest der Geburt unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus. „Zu Bethlehem geboren ist uns ein Kindelein. Das hab' ich auserkoren; sein eigen will ich sein!“ Daß der Messias in Bethlehem geboren wurde, war nach Gottes Willen geplant und vom Propheten Michäas vorherverkündigt. „Und du, Bethlehem, die kleinste unter den Gauen Judas, du bist der Ort, aus dem mir der hervorgehen wird, der Israel regieren soll.“ Das ist die Weissagung des Propheten Michäas über den Geburtsort Jesu. Diese Weissagung hat sich erfüllt. Wie uns die Evangelisten Matthäus und Lukas übereinstimmend, aber auf verschiedene Traditionen zurückgehend, berichten, wurde Jesus in Bethlehem geboren. Der Evangelist Lukas erklärt, wie es kam, daß Jesus nicht in Nazareth, wo ja seine Familie lebte, sondern in Bethlehem geboren wurde. „Der Kaiser Augustus ließ den ganzen Erdkreis aufschreiben. Diese Aufschreibung war die erste, die zu der Zeit stattfand, als Quirinius Statthalter von Syrien war. Alle gingen hin, sich aufschreiben zu lassen, ein jeder in seine Stadt. Auch Josef reiste von Galiläa aus der Stadt Nazareth hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, um sich mit Maria, der ihm verlobten Frau, die guter Hoffnung war, aufschreiben zu lassen. Es geschah aber, während sie dort waren, kam für sie die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren erstgeborenen Sohn.“ So berichtet der Evangelist.

Aber anders sprechen heute sogenannte katholische Theologen. Sie sagen: Bethlehem ist nur der theologische Geburtsort, doch der historische Geburtsort ist Nazareth. Anders und deutlicher ausgedrückt: Die Evangelisten haben die Geschichte verfälscht. Sie haben die Geburt Jesu von Nazareth, wo sie wirklich passiert ist, nach Bethlehem verlegt, um auf diese Weise die Erfüllung der Weissagung des Michäas über die Geburt des Messias zu dokumentieren. Sie haben zweitausend Jahre lang die ganze Christenheit in die Irre geführt, die nämlich singt: „Zu Bethlehem geboren ist uns ein Kindelein. Das hab' ich auserkoren; sein eigen will ich sein!“ Wie stützen diese sogenannten katholischen Theologen ihre Behauptung? Sie bringen vier Argumente:

1. Eine allgemeine Aufschreibung des Reiches unter Augustus hat niemals stattgefunden.

2. Eine römische Volkszählung im Gebiet des Herodes ist ausgeschlossen.

3. Quirinius (das ist der lateinische Name, Cyrinus der griechische) war niemals Statthalter von Syrien.

4. Es widerspricht der römischen Zählweise, daß man sich am Abstammungsort und nicht am Wohnort zählen ließ.

Mit diesen vier Behauptungen suchen die Falschlehrer die Angaben der Evangelisten aus den Angeln zu heben: „Zu Bethlehem geboren ist uns ein Kindelein. Das hab' ich auserkoren; sein eigen will ich sein!“ Was ist zu diesen vier Behauptungen zu bemerken?

Die erste lautet: Eine allgmeine Reichszählung unter Augustus hat es nie gegeben. Meine lieben Christen, das ist schlicht falsch. Augustus hat in seiner Regierungszeit dreimal die römischen Vollbürger zählen lassen, nämlich 28 v.Chr., 8 v.Chr. und 14 n.Chr. Die Zählung, die für uns in Frage kommt, liegt natürlich im Jahre 8 v.Chr. Ja, wieso 8 v.Chr.? Weil sich der Mönch Dionysius, der unsere Zeitrechnung gemacht hat, um mehrere Jahre verzählt hatte. Jesus ist nicht im Jahre 1 geboren, sondern er ist im Jahre 7 v.Chr. geboren. Dionysius hat sich bei der Aufstellung seiner Zeitrechnung (ab urbe condita – von der Gründung der Stadt Rom) um mehrere Jahre verrechnet. Wenn wir also den genauen historischen Zeitpunkt der Geburt Jesu angeben wollen, dann müssen wir sagen: Christus ist 7 v.Chr. geboren. Das ändert natürlich nichts an der Geschichtlichkeit seiner Geburt, aber es bestätigt uns den Zusammenhang seiner Geburt mit der Aufschreibung des Reiches durch den Kaiser Augustus, denn diese Aufschreibung im Jahre 8 ist diejenige, die hier von Lukas gemeint ist.

Wir dürfen uns die Aufschreibung der damaligen Zeit nicht wie eine heutige Volkszählung vorstellen, die an einem bestimmten Stichtag beginnt, gleichmäßig durchgeführt wird und an einem anderen Stichtag endet. Nein, so ist Augustus nicht verfahren, sondern die Aufschreibung fand für Vollbürger und für Untertanen getrennt statt. Die römischen Vollbürger, die allein das Bürgerrecht besaßen, waren gewissermaßen die Herren des Reiches; die Untertanen waren nur Menschen zweiter Klasse. Die Vollbürger wurden gezählt, und die Untertanen wurden gezählt, aber das zog sich über Jahre hin. Denn wenn das gleichzeitig in allen Reichsteilen geschehen wäre, dann hätte es zu Aufständen geführt. Warum zu Aufständen? Weil man wußte, wozu die Aufschreibung diente. Sie diente dazu, für die Aushebung zum Militär Daten zu liefern; sie diente dazu, die Besteuerung zu regeln; sie diente dazu, die Frondienste, die man für Kaiser und Reich zu leisten hatte, zu notieren. Das waren natürlich höchst unangenehme Dinge, und es ist mehr als einmal vorgekommen, daß sich infolge von Volkszählungen Aufstände ereignet haben. Augustus war schlau; er hat deswegen die Aufschreibung auf die verschiedenen Teile seines Reiches verteilt und nicht alles gleichzeitig gemacht. Wir wissen sogar, wie das Ergebnis dieser Volkszählung ist. Es ergab nämlich 4.233.000 Vollbürger. Nicht mehr. 4.233.000 Vollbürger. Und neben den Vollbürgern wurden die Untertanen gezählt. Das waren die Menschen, die in den vielen Provinzen des Reiches wohnten und lebten. Man rechnet mit etwa 25 bis 30 Millionen Untertanen. Die Sklaven zählte man nicht. Sie waren natürlich noch viel zahlreicher. Aber die Sklaven galten als Sache, und deswegen wurden sie offiziell nicht gezählt. Der erste Einwand ist also unzutreffend, daß es eine Reichszählung niemals gegeben hat. Es hat drei solcher Reichszählungen gegeben, und eine davon, nämlich die vom Jahre 8, ist genau die, welche Lukas mit seinen Bemerkungen anzielt.

Der zweite Einwand lautet: Im Herrschaftsgebiet des Herodes konnte eine römische Zählung nicht stattfinden. Richtig. Herodes war zu dieser Zeit noch ein eigener Herrscher. Erst 6 n.Chr. wurde das Gebiet, das er verwaltet hatte, unter seinem Nachfolger Archelaos dem römischen Reich zugeschlagen. Er war also ein eigener Herrscher, ein Selbstherrscher. Aber auch Herodes hat Aufschreibungen veranstaltet, denn er war ein großer Bauherr. Er hat ungeheure Bauten errichtet, Wasserleitungen, Burgen, Kanäle. Vor allem hat er den Tempel bauen lassen. Zehntausend Mann hat er aufgeboten, um den Tempel bauen zu lassen. Für diese Bauten brauchte er Geld, und woher sollte er es nehmen? Von seinen Untertanen. Man rechnet mit etwa 1,5 bis 2 Millionen Untertanen. Aus ihnen hat er herausgepreßt, was er für seine riesigen Unternehmungen brauchte. Er konnte es natürlich nur herausholen, wenn er wußte, was sie besaßen. Er konnte nur wissen, was sie besitzen, indem er eine Aufzeichnung vornehmen ließ. Und so hat also auch Herodes, und zwar immer in einem Abstand von 6 Jahren, Aufschreibungen seines Herrschaftsgebietes vornehmen lassen. Das waren Personenstandsaufnahmen, das waren Schatzungen des Vermögens, und im Jahre 7 v.Chr., das für uns die brisante Zeit ist, hat er auf Geheiß des Kaisers Augustus die Aufschreibung mit einem Treuschwur gegen den Kaiser verbunden. Offenbar war sich der Kaiser dieser störrischen Juden nicht sicher, und so verlangte er, daß Herodes von ihnen einen Treuschwur auf ihn, und natürlich auch auf den König Herodes, ablegen ließ. In dem Jahre 7 fallen also in Palästina zwei Dinge zusammen, die von Herodes angeordnete Aufschreibung (Schatzung, Personenstandsaufnahmen) und der von Augustus befohlene Treuschwur, um diese rebellische Gegend sicher im römischen Reiche zu halten. Für diese Aufgabe, den Treuschwur zu überwachen, bestellte Augustus einen Mann namens Quirinius.

Das ist nämlich jetzt die dritte Behauptung: Quirinius war niemals Statthalter von Syrien. Was ist zu dieser Behauptung zu sagen? Der Statthalter, der zur Zeit Jesu Syrien regierte, hieß tatsächlich Saturninus. Wir kennen seinen Namen; er war von 9 bis 6 v.Chr. Statthalter von Syrien. Ihm folgte Varus, den wir ja kennen aus der Schlacht im Teutoburger Wald. Jedenfalls zu der Zeit, die für uns in Frage kommt, war Saturninus Statthalter von Syrien. Aber das schließt nicht aus, daß es neben ihm einen zweiten Beamten, einen Sonderbeauftragten von Rom gab, und das war eben Quirinius. Syrien war die wichtigste Außenposition des römischen Reiches. Es war die Vormacht im ganzen Osten. Alles, was im Osten des Reiches lag, wurde von Syrien aus bestimmt. Immer wieder gab es dort Aufruhr. Zur Abwehr dieser Rebellionen hatte Augustus einen hervorragenden Mann, nämlich Quirinius, ins Land gesandt. Der hatte sich schon in Nordafrika bewährt, als er dort aufrührerische Stämme niedergeworfen hatte, und so sandte er ihn jetzt auch nach dem Osten, damit er neben dem Statthalter von Syrien als Feldherr und Sonderbeauftragter des Kaisers Ruhe schaffe. Quirinius konnte gar nicht anders als mit den vier Legionen, die in Syrien standen, die Homonadenser im damaligen Kleinasien (in der heutigen Türkei) niederzuwerfen. Er mußte die Truppen haben, die in Syrien standen, denn das war die gewaltigste Truppenmacht, die es im ganzen Osten gab, vier Legionen. Infolgedessen ist es durchaus berechtigt, von Quirinius in einer volkstümlichen Redeweise als dem Statthalter von Syrien zu sprechen. Er war eben Mit-Statthalter. Er stand nicht über dem Saturninus, er stand auch nicht unter ihm, er stand neben ihm. Und als solcher hat er eine ähnliche Befehlsgewalt ausgeübt wie Saturninus. Später wurde er dann auch noch, als Palästina römische Provinz geworden war, Statthalter in Palästina. Deswegen sagt der Evangelist Lukas: Das war das erste Aufschreiben. Als Statthalter von Palästina hat er nämlich eine zweite vorgenommen, wiederum im 6-Jahres-Rhythmus, der nun eingeführt war. Die Behauptung, Lukas berichte falsch, wenn er Quirinius als Statthalter von Syrien bezeichnet, ist nicht aufrechtzuerhalten. Man muß Syrien im vollen Begriffe nehmen, das bedeutet eben als Vormacht im ganzen römischen Osten.

Die vierte Behauptung lautet: Die römische Zählweise war anders als die von Lukas berichtete, nämlich man ließ sich zählen am Wohnort und nicht am Abstammungsort. Richtig. Durchaus richtig. Aber in Palästina war eben zu der Zeit, als Jesus geboren wurde, nicht die römische Zählweise eingeführt, sondern die palästinensische, die herodianische, und diese sah vor, daß sich zumindest bestimmte Familien an ihrem Abstammungsort einzufinden hatten. Warum? Weil Herodes ein außerordentlich mißtrauischer Herrscher war. Er war ja ein Emporkömmling. Er war gar kein Jude. Er regierte als Nichtjude das Judenland und hatte deswegen mit der Feindschaft seiner Untertanen zu rechnen; er war ein Idumäer. Und deswegen seine fortwährende Sorge, es könne ein echter Jude, gar einer aus dem Stamme Davids, ihm den Thron streitig machen. Wir erinnern uns, wie es beim Besuch der Magier heißt: Herodes erschrak, als er von dem neugeborenen König hörte, und die ganze Stadt Jerusalem mit ihm. Natürlich erschrak er, weil er Angst hatte, vom Throne gestürzt zu werden durch einen echten Davididen, durch einen Messias, der aus dem Geschlechte Davids kam. Und so mußten sich alle 6 Jahre die Abkömmlinge aus dem Geschlechte Davids in Bethlehem, in ihrem Stammort, einfinden. Und das hat nun eben auch Josef getan. Er ist von dem Wohnort in Nazareth nach Bethlehem gezogen; dort war der Stammort der Davididen, dort hatten sie Grundbesitz. Sie mußten ja die Brennstofflieferung an den Tempel bestreiten für das dort immer flammende Feuer. Sie hatten die Aufgabe der Brennstofflieferung, und dazu braucht man natürlich Besitz, und dieser Besitz lag eben in der Nähe. So wurde also im 6-jährigen Rhythmus eine Aufschreibung der Personen und eine Schatzung des Vermögens vorgenommen, die den großartigen Plänen und Unternehmungen des Herodes als Unterlage diente.

Wir haben keinen Anlaß, meine lieben Freunde, das Lied abzuschaffen „Zu Bethlehem geboren ist uns ein Kindelein. Das hab' ich auserkoren; sein eigen will ich sein!“ Jesus ist wahrhaftig in Bethlehem geboren. Das läßt sich mit rationalen Gründen glaubhaft machen. Nur wer von vornherein der Überzeugung ist, daß Weissagungen sich nicht erfüllen können, der muß die Behauptung aufstellen: Die Evangelisten Matthäus und Lukas haben aus der Ankündigung des Propheten Michäas die Geburt Jesu herausgesponnen. Sie haben sie erfunden. Sie haben diese Weissagung zum Anlaß genommen, einen fiktiven Geburtsort Jesu zu schaffen anstelle des wirklichen Geburtsortes. Nur wer von vornherein überzeugt ist, daß, was Gott angekündigt hat, nicht in Erfüllung gehen kann, der muß zu solchen gewagten Konstruktionen greifen.

Nein, wir wollen uns nicht irremachen lassen. Wir wollen weiter im Rosenkranz beten: „Den du, o Jungfrau, zu Bethlehem geboren hast“, wir wollen weiter im Kirchenlied singen: „Zu Bethlehem geboren ist uns ein Kindelein. Das hab' ich auserkoren; sein eigen will ich sein!“

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt