Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. März 1992

Über Ehe und Familie

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Erde ist voll von Gesellschaften. Man spricht von der Menschheitsgesellschaft, von der Gesellschaft im Staate und von den Gesellschaften, die Staat und Kirche selbst sind, von Erwerbsgesellschaften, Aktiengesellschaften, Handelsgesellschaften usw. Alle Gesellschaften haben etwas gemeinsam, nämlich sie sind von einem Zweck geprägt. Der Zweck ist das Band, welches die Glieder der Gesellschaft zusammenhält. Unter den Gesellschaften gibt es natürliche, notwendige und vollkommene. Natürliche Gesellschaften sind jene, die sich aus der Menschennatur, vor allem aus der menschlichen Hilfsbedürftigkeit, ergeben. Die Familie ist eine notwendige Gesellschaft; der Staat ist eine notwendige Gesellschaft; die politische Gemeinde ist eine notwendige Gesellschaft. Natürliche Gesellschaften sind aus der Natur des Menschen hervorgehend. Notwendige Gesellschaften sind diejenigen, die unerläßlich sind, damit der Mensch zu seinem Ziele kommen kann. So ist die Kirche eine übernatürliche Gesellschaft, die notwendig ist, weil nur durch die Kirche die Gnade und die Wahrheit weitergetragen werden. Eine vollkommene Gesellschaft ist jene, die ein eigenes Ziel und alle Mittel besitzt, um dieses Ziel zu erreichen.

Der Staat ist eine vollkommene Gesellschaft; denn er hat ein Ziel, nämlich das Gemeinwohl zu schaffen, und er besitzt die Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Auch die Kirche ist eine vollkommene Gesellschaft; denn sie hat ein Ziel, die Ehre Gottes und das Heil der Menschen, und sie besitzt alle Mittel, um der Ehre Gottes zu dienen und die Menschen zu ihrem Heil zu führen.

Die Gesellschaft, die uns seit dem Anfang unseres Lebens am nächsten steht, ist die Familie. Man hat lange darüber gestritten, wie das Wort Familie zu erklären sei. Man ist z.B. auf die originelle Deutung gekommen, daß man sagt, die Familie ist eine Hungerabwehrgemeinschaft. Wie kommt man auf eine solche Erklärung? Weil im Lateinischen das Wort Hunger fames heißt, und fames und familia sind stammverwandt. So kommt man dazu, die Familie als Hungerabwehrgemeinschaft zu erklären, was ja nicht unsinnig ist. Wie immer es auch um die Etymologie bestellt sein mag, der Mensch braucht die Familie, er wird in die Familie hineingeboren; er braucht die Familie, um aufzuwachsen, denn niemand ist ja so hilfsbedürftig wie ein Kindlein. Der Mensch braucht die Familie für die Erziehung, und in der Familie findet er normalerweise Geborgenheit und Schutz. Die Familie hat auch von Gott eine bestimmte Ordnung empfangen. Es wird heute nicht gern gehört, und es wird auch von Kirchenmännern unterschlagen, daß es eine solche gottgewollte Ordnung gibt. Der heilige Paulus läßt keinen Zweifel darüber, daß es eine solche Ordnung in der Familie gibt, wenn er schreibt: „Ihr müßt wissen, daß das Haupt eines jeden Mannes Christus ist. Das Haupt der Frau aber ist der Mann.“ Im Zeitalter der Gleichheit und der Gleichberechtigung will man es nicht mehr hören, daß nach apostolischer Verkündigung der Mann das Haupt der Frau ist, daß der Mann also eine Führungsstelle in der Familie hat.

Im Epheserbrief schreibt derselbe Apostel: „Die Frauen sollen ihren Männern untertänig sein wie dem Herrn; denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie Christus das Haupt der Kirche ist, er, der Erlöser seines Leibes. Wie die Kirche Christus unterworfen ist, so seien es die Frauen ihren Männern in allem.“ Selbstverständlich ist das nur eine Seite der Wahrheit bezüglich der Familie. Die andere Seite fügt der Apostel gleich hinzu: „Ihr Männer, liebet eure Frauen, so wie Christus die Kirche geliebt hat und sich selbst für sie hingegeben hat, um sie zu heiligen. So sollen die Männer ihre Frauen lieben wie ihren eigenen Leib.“ Also die hierarchische Struktur der Ehe, in der der Mann das Haupt der Frau ist, wird innerlich gefüllt und von allem Herrschertum weit abgehoben durch die an die Männer gerichtete Aufforderung, die Frauen zu lieben, wie Christus die Kirche liebt. Wenn ein Mann seine Frau liebt, wie Christus die Kirche liebt, wie kann er dann seine Hauptfunktion in ungerechter Weise ausüben? Wie kann er sich durchsetzen um jeden Preis? Wie kann er berechtigte Anliegen der Frau vernachlässigen? Wie kann er dann unnachgiebig sein und rücksichtslos?

Also, ich glaube, daß man auch heute die Wahrheit von der Führerstellung des Mannes predigen muß, wenn man sich nicht am Evangelium versündigen will; daß man aber ebenso hinzufügen muß, die Hauptfunktion, die Christus dem Manne zugedacht hat, ist eine ähnliche, wie sie Christus ausübt. Und wie liebt denn Christus seine Kirche? Er liebt sie bis zum Tode, er liebt sie bis zur Selbstaufgabe. Er liebt sie so, daß er den letzten Blutstropfen für seine Kirche vergossen hat. Ja, wenn so die Hauptstellung des Mannes verstanden wird, von einer grenzenlosen, sich opfernden Liebe, dann ist sie eigentlich durchaus verständlich, leicht begreiflich, ja notwendig.

Die Heilige Schrift gebraucht für die Gesellschaften gern das Bild vom Leib, legt also die organische Theorie nahe. Das heißt, so wie am Leibe verschiedene Glieder sind – alle sind sie notwendig, aber jedes hat seine eigene Funktion –, so ist es auch in der Gesellschaft. In der Gesellschaft gibt es viele Glieder. Wenn wir beispielsweise die staatliche Gesellschaft ansehen, da gibt es die Regierenden und die Regierten, da gibt es ein Parlament, da gibt es Gerichte. Jedes dieser Organe hat seine Funktion, seine unerläßliche Funktion, aber keines darf sich gegen das andere empören und sagen: Ich allein bin alles und bestimme alles, sondern alle zusammen, im gemeinsamen Zusammenwirken, bilden die Einheit der Gesellschaft. Das ist ein erhellender Gedanke, vom Apostel Paulus ausgeführt im 1. Korintherbrief: „Wie nämlich der Leib einer ist und doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber doch einen Leib bilden, also auch Christus. Denn in einem Geiste sind wir alle zu einem Leibe getauft.“ Und jetzt kommt gleich die Nutzanwendung: „Wenn der Fuß sagte: Weil ich nicht Hand bin, gehöre ich nicht zum Leibe, so gehört er darum doch zum Leibe. Und wenn das Ohr sagte: Weil ich nicht Auge bin, gehöre ich nicht zum Leibe, so gehört es darum doch zum Leibe. Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo wäre das Gehör? Wenn der ganze Leib Gehör wäre, wo wäre der Geruch?“

Aus diesen Beispielen sehen wir, worauf der Apostel hinaus will. Er will sagen, jeder muß an seiner Stelle wirken, darf sich nicht gegen andere empören und darf nicht diese verruchte Gleichheit für sich beanspruchen, die in einem Leibe, wo verschiedene Organe sind, nicht durchzuführen ist. Es muß in einer Gesellschaft Autorität und Führung geben, und es muß in einer Gesellschaft Unterordnung und Gehorsam geben. Wo beides aufhört, löst sich die Gesellschaft auf, wie wir es ja jetzt in unserer Kirche beobachten können.

In der Ehe, meine lieben Freunde, kommen ein Mann und eine Frau zusammen, um sich zu einem unauflöslichen Bunde zu finden. Die Ehe ist eine Urgemeinschaft, gewissermaßen die Keimzelle der Familie, der Gemeinde und des Staates, aber auch der Kirche. Es ist heute nicht überflüssig, zu sagen, daß die Ehe eine Gemeinschaft eines Mannes und einer Frau ist. In einer Zeit, wo die Verwirrung ungeheure Ausmaße annimmt, wo sich Gleichgeschlechtliche ihrer Schande rühmen, in einer solchen Zeit muß man sagen, daß die Ehe eine Verbindung zweier geschlechtsverschiedener Personen ist. Alles andere ist Perversion, Abfall, bedauernswerte Schwäche, die man aber niemals legitimieren und anerkennen darf. Man muß den Menschen helfen, aus dieser Erbärmlichkeit herauszukommen, aber man darf sie nicht darin bestärken. Die Ehe ist die Verbindung zweier geschlechtsverschiedener Personen zu einem unauflöslichen Bunde. Die Werte der Ehe hat der heilige Augustinus für immer gültig beschrieben, indem er drei Begriffe auf sie anwandte, nämlich fides, proles, sacramentum. Das sind die drei Ehegüter, und sie hat die Kirche zweitausend Jahre lang niemals zu ändern brauchen. Fides, das ist die gegenseitige Treue, die gegenseitige Hilfe, die gegenseitige Liebe zwischen den Gatten. Proles, das ist die Nachkommenschaft. Die Ehe ist eingesetzt, damit sich das Volk Gottes mehre. Sacramentum, das ist die sakramentale Würde der Ehe, die sich in der Unauflöslichkeit wie in einer Spitze erhebt.

Das erste Segensgut, die Treue, die gegenseitige Hilfe, die Liebe der Gatten zueinander, ist etwas Wunderbares auf dieser Erde. In einer glücklichen Ehe können tatsächlich diese Werte einzigartig verwirklicht werden. Vor einiger Zeit feierten ein Maurermeister und seine Frau ihr 30jähriges Ehejubiläum, und sie sind heute so glücklich wie am Anfang. Worauf führen die beiden das zurück? Der Maurermeister erzählte, am Abend des Hochzeitstages, als sie allein waren und der Lärm zurückgeblieben war, nahm er seine Frau Hedwig bei der Hand, schaute ihr tief in die Augen und dann sagte zu ihr: „Hedwig, wir sind zusammengekommen, um es uns leichter zu machen, nicht schwerer, verstehst du?“ Und sie fiel ihm um den Hals und sagte: „Jawohl, Reinhold, leichter, nicht schwerer.“ Als er wenige Tage später nach Hause kam, hatte sie diesen Spruch an die Wand geheftet: „Leichter, nicht schwerer!“ Und so ist es dreißig Jahre lang in dieser Ehe gewesen.

Die Nachkommenschaft, das Gut der Nachkommenschaft, ist so wesentlich mit der Ehe verknüpft, daß ohne die innere Zweckhaftigkeit, die auf die Nachkommenschaft geht, eine Ehe überhaupt nicht bestehen kann. Die Ehe ist von Gott dafür eingesetzt, daß sie Nachkommen erzeugt, daß das Volk Gottes durch sie wächst und daß die Erde dadurch erfüllt wird. Wir werden am kommenden Sonntag über diesen Punkt noch ausführliche Überlegungen anstellen.

Sacramentum schließlich ist die Unauflöslichkeit. Die einmal geschlossene, gültig geschlossene und vollzogene Ehe unter Christen kann durch keine menschliche Macht aufgelöst werden. Einheit und Unauflöslichkeit sind die beiden  wesentlichen Eigenschaften der Ehe. Die Einheit besagt, daß eben ein Mann mit einer Frau verbindet. Das erscheint uns Gläubigen eine Selbstverständlichkeit, ist es aber keineswegs. Es gibt Formen der Verbindung von Mann und Frau, die man als Polyandrie und Polygamie bezeichnet. Polyandrie ist die Vielmännerei, wo eine Frau mehrere Männer hat, und Polygamie ist die Vielweiberei, wo ein Mann mehrere Frauen hat. Solche Verirrungen sind heute gang und gäbe. Der Islam erklärt es ausdrücklich als erlaubt, daß der Mann vier legitime Frauen hat. Und daneben kann er sich noch so viele andere Konkubinen suchen wie er will. Mohammed hat es seinen Anhängern vorgelebt. Doch das ist eine Verirrung, die man sich schlimmer nicht denken kann. Diese Verirrung versucht natürlich auch in unser christliches Abendland einzudringen. Dadurch wird die Würde der Frau herabgesetzt, dadurch ist der Familienfriede gestört. Und bei der Vielmännerei ist, wie wir an den Prostituierten sehen, die Nachkommenschaft aufs höchste gefährdet; gewöhnlich bleibt sie völlig aus.

Das sind Verirrungen, die man als solche brandmarken muß. Aber, meine lieben Freunde, auch hier steht und kämpft unsere Kirche weitgehend allein. Es sei nicht verschwiegen, daß Martin Luther grundsätzlich auf dem Standpunkt stand, es könne ein Mann auch mehrere Frauen haben. Dafür gibt es Stellen in seinen Werken. Und wir wissen, daß er dem Landgrafen von Hessen gestattet hat, sich eine zweite Frau anzutrauen. Für Luther gab es kein ausnahmsloses Gesetz, daß ein Mann nur eine Frau haben kann, sondern er hat es grundsätzlich für möglich gehalten, daß ein Mann sich mehrere Frauen zulegt.

Genauso ist es mit der Unauflöslichkeit. Auf der ganzen Erde gibt es keine einzige Institution, die an der Unauflöslichkeit so festhält wie die katholische Kirche. Alle haben sich gebeugt, der standesamtliche Staat, die Synagoge, der Protestantismus. Nur eine steht unerschüttert, die katholische Kirche. In jahrhundertelanger Erziehungsarbeit hat unsere Kirche – im christlichen Mittelalter – die Menschen soweit gebracht, daß sie die Forderung Gottes und Christi – „Der Mann darf seine Frau nicht entlassen, und er darf keine Entlassene heiraten“ –, aufgenommen und verwirklicht haben. Erst die sogenannte Reformation, also das Auftreten Luthers, hat diese jahrhundertelange Erziehungsarbeit zunichte gemacht. Im Jahre 1524 wird schon aus Nürnberg berichtet, daß dort in den protestantisch gewordenen Gemeinden Männer ihre Frauen davonjagten und sich andere Frauen zulegten. Und so ist es geblieben. Es gibt, das sei gesagt, im Protestantismus nicht eine einzige Ehe, die nicht geschieden werden kann. Der Protestantismus erkennt zwar das Ideal der Unauflöslichkeit an, dem man nachstreben soll, aber wenn man will, kann man jede Ehe – jede! – durch Scheidung beenden. Das ist die Wahrheit über die protestantische Ehelehre, und ich habe sie weiß Gott studiert.

So verhalten sich denn auch die Menschen, und wir wissen, welcher Schaden daraus erfolgt. Schon bei der Eingehung der Ehe ist große Leichtfertigkeit üblich, weil man sagt: „Wenn es nicht geht, lassen wir uns scheiden.“ In der Ehe werden die Tugenden des Ausharrens, der Geduld und des Opferns überhaupt nicht mehr erstrebt und gelebt, weil man sagt: „Wenn es nicht geht, lassen wir uns scheiden.“ Und welche Schäden entstehen für die Millionen Scheidungswaisen, für die Kinder! Welche Schäden entstehen für die zertretenen Frauen und für die mißhandelten Männer! Welche Schäden aus der unseligen Irrlehre, daß Ehen geschieden werden können, die der Staat vom Protestantismus übernommen hat.

So verhalten sich dann auch die Menschen. Ich will Ihnen zwei Beispiele geben, wie sich ein von diesen Gedanken imprägnierter Mensch verhält und wie sich ein gläubiger Mensch verhält. Im Jahre 1945 wurde der Reichsjugendführer des Dritten Reiches, Baldur von Schirach, zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, die er in Spandau abbüßen mußte. Seine Frau, die ihm vier Kinder geboren hatte, ließ sich von ihm scheiden und ging eine zweite, zivile Ehe ein. Sie hatte das Glück mit ihm geteilt, aber das Unglück mochte sie nicht mit ihm teilen. Ganz anders ein finnischer Fürst aus dem Mittelalter. Finnland gehörte damals zu Schweden, machte sich aber selbständig, es kam zum Kampfe. Der Fürst wurde vom schwedischen König gefangengenommen und gefangengehalten. Die Frau dieses finnischen Fürsten begab sich zu dem schwedischen König und bat, seine Gefangenschaft teilen zu können. Der König sagte ihr: „Das ist eine lebenslängliche Gefangenschaft.“ Da streifte die Frau den Ring von ihrem Finger, und auf dem Ring stand eingraviert „Mors sola“ – der Tod allein kann uns scheiden. Und so ist diese Frau zu ihrem Manne gegangen und hat sein hartes Schicksal mit ihm geteilt.

Wir dürfen, meine lieben Freunde, stolz sein auf unsere Kirche und dankbar sein für unsere Kirche, daß sie unerschütterlich, trotz größter Verluste und trotz unerhörter Anfeindungen, am Gesetze Gottes und Christi festgehalten hat. Das ist eben der Unterschied zwischen einer von Menschen gemachten und einer von Gott gestifteten Religion. Es ist lächerlich zu sagen, man müsse barmherzig sein und Scheidungswilligen die Scheidung gestatten. Ja, das ist ja die Barmherzigkeit Gottes, daß er die Ehe unauflöslich gemacht hat. Das ist ja der Erweis seiner Liebe zur gefallenen Kreatur. Deswegen ist die Ehe unauflöslich, weil Gott barmherzig ist. Wir können doch nicht barmherziger sein als Gott! Freilich, wenn die Menschen die Barmherzigkeit Gottes nicht annehmen, wenn sie ihren eigenen Gelüsten folgen, wenn sie rechtliche Maßnahmen an die Stelle von Tugenden setzen, dann ist ihnen nicht zu helfen. Dann müssen sie eben den Weg des Untergangs gehen, wie ihn alle Völker gegangen sind, die sich an Ehe und Familie versündigt haben.

Amen.

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