Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
9. November 1986

Das Recht auf Eigentum

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Du sollst nicht stehlen!“ lautet das 7. Gebot Gottes im Dekaloggesetz. Es ist mit diesem Gebot wie mit den anderen auch: Es will nicht punktuell und beschränkt auf den Wortlaut ein einziges bestimmtes Verhalten verbieten, etwa nur den Diebstahl, sondern das 7. Gebot hat seine Intention darin, so hat es die Kirche immer verstanden, die Eigentumsordnung unter den Menschen aufzurichten. Es versteht sich von selbst, daß das 7. Gebot das Stehlen verbietet und erst recht den Raub, der ja schlimmer ist als Diebstahl, verboten wissen will. Aber darüberhinaus hat das Gebot auch einen positiven Sinn, und dieser Sinn besagt: Habe Achtung vor dem Eigentum!

Der Mensch hat ein Recht auf Eigentum. Dieses Recht ist ein Naturrecht. Es ist mit der Natur des Menschen und mit der Schöpfungsordnung Gottes gegeben. Der Mensch hat das Recht – und auch die Pflicht –, sich selbst zu erhalten. Er kann dies aber unter normalen Umständen nur, wenn er das besitzt, was zur Nahrung, zur Kleidung, zur Wohnung vonnöten ist. Er braucht für seine persönlichen Bedürfnisse Güter. Diese Güter sind sein Eigentum, er kann darüber verfügen. Auch aus anderen Gründen benötigt der Mensch Eigentum. Er soll ja sein ewiges Ziel anstreben, er soll für den Himmel arbeiten. Das ist aber nicht möglich, wenn er fortdauernd und in jedem Augenblick nur für den unmittelbaren Lebensunterhalt besorgt sein muß. Es muß ihm die Möglichkeit gegeben sein, daß er beispielsweise am Sonntag seine Hände ruhen läßt und sein Gemüt zu Gott erhebt.

Der Mensch hat sodann auch die Pflicht, für seinen Nächsten zu sorgen. Die pflichtmäßige Sorge für den Nächsten ist nur möglich, wenn die Mittel dafür vorhanden sind, Geld und Gut, Eigentum.

Schließlich ergibt sich die Institution des Eigentums auch aus der Sorge für den Frieden unter den Menschen. Wenn die Menschen fortwährend die Güter unter sich teilen müßten, wäre der Streit ohne Ende programmiert. Wenn sich Kinder um das Erbe streiten müßten, wenn sie sich ständig neu um das Wasser in einem Brunnen, der in einem Hause angelegt ist, streiten müßten, wenn der Besitz immer wieder geteilt werden müßte, dann wäre der Unfriede für alle Zeiten festgelegt. Deswegen besteht nach Gottes Willen eine Ordnung des Eigentums so wie es eine Ordnung der Ehe und eine Ordnung der Obrigkeit gibt. Strittig ist weniger das persönliche als das Eigentum an Produktionsmitteln. Da ist ja, wie Sie wissen, im vorigen Jahrhundert eine Bewegung entstanden, der Kommunismus, der das Eigentum an Produktionsmitteln schlechthin verwirft und das eingängige Wort geprägt hat: Eigentum ist Diebstahl. Die Kirche hat diese Lehre als eine Irrlehre verworfen. Nicht das Eigentum an Produktionsmitteln ist an der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen schuld, wie der Kommunismus meint, sondern das Vergessen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, die kapitalistische Raffgier, die liberalistische Rücksichtslosigkeit ist es, die das Elend, das im vorigen Jahrhundert unter den Lohnarbeitern herrschte, verschuldet hat.

Kapitalismus ist im Kommunismus in der reinsten Form verwirklicht, nämlich der Staatskapitalismus. Im Kommunismus gibt es nur einen allmächtigen und alles beherrschenden Kapitalisten, das ist der Staat, der von der kommunistischen Partei gelenkt wird. Unter den anderen wirtschaftlichen Systemen, die Eigentum an Produktionsmitteln zugeben, kann der Lohnarbeiter wählen, ob er zu diesem oder jenem Unternehmer geht. Im Kommunismus kommt er immer an ein und denselben Unternehmer, er ist ihm rechtlos und schutzlos ausgeliefert, und das ist der Kapitalist Staat.

Der frühere Kommunist Djilas in Jugoslawien hat ein Buch geschrieben „Die neue Klasse“. Wenn Sie dieses Buch lesen, fällt es Ihnen wie Schuppen von den Augen. Sie sehen, wie hier ein Insider, ein Mann, der das ganze System jahrzehntelang beobachtet hat, die Schäden, ja die Unmöglichkeit des Staatskapitalismus, Kommunismus genannt, aufweist. In diesem Buch heißt es unter anderem sinngemäß: „Die Kommunisten verfahren mit dem Staate so, als ob es ihr Privateigentum wäre. Sie lassen sich vom Staat Häuser und Autos und Angestellte zur Verfügung stellen, als ob sie Unternehmer wären, und auf diese Weise holt die schlimmste Form des Kapitalismus den Kommunismus ein.“

Es gibt also, das sei als erstes festgehalten, ein Recht auf Privateigentum. Freilich muß das Eigentum auf rechte Weise erworben sein. Zum Erwerb von Eigentum führen drei Wege. Erstens, die Besitzergreifung von herrenlosem Gut. Als die Erde noch wenig bevölkert war, sind die Menschen eben ausgezogen und haben von dem Land, das sie vorfanden, Besitz genommen. Sie sind damit legitime Besitzer geworden. Die Besitzergreifung von herrenlosem Gut ist auch heute noch in bescheidenem Umfang möglich. Ich verweise Sie nur auf die zweimal im Jahr stattfindende Abfuhr von Sperrmüll. Was die Menschen als Sperrmüll vor die Häuser stellen, ist aufgegebenes Eigentum. Und zum Erstaunen vieler fährt dann Auto um Auto an dem Sperrmüll vorbei, und ein jeder sucht sich heraus, was er noch für brauchbar hält und für sich erwerben möchte. Das ist legitim. Das ist Besitzergreifung von herrenlosem Gut.

Die zweite Weise, sich Eigentum zu erwerben, ist die Arbeit. Gott hat die Erde so geschaffen, daß sie das Ihrige nur hergibt, wenn der Mensch arbeitet. Wer aber arbeitet, soll auch den Lohn seiner Arbeit genießen. Er soll die Frucht seiner Arbeit haben. „Der Arbeiter ist seines Lohnes wert,“ heißt es schon in der Heiligen Schrift. So ist also normalerweise das Eigentum erarbeitet, und es wäre ungerecht, dem, der arbeitet, das Eigentum vorzuenthalten oder zu versagen, zu beschneiden oder zu entziehen.

Der dritte Weg, sich Eigentum zu erwerben, ist die Schenkung. Schenkung ist vor allem üblich zwischen Angehörigen. Der Vater übergibt dem Sohn oder der Tochter sein Gut für den Erbfall. Es gibt ein Erbrecht. Und sogar die kommunistischen Staaten haben wieder ein Erbrecht eingeführt, nachdem sie es am Anfang abgeschafft hatten. Das Testament und das Vermächtnis sind legitime Weisen, wie Eigentum vom einen zum anderen, vom Erblasser auf den Erben übertragen wird.

Das sind die drei Wege, wie man Eigentum erwirbt: Besitzergreifung von herrenlosem Gut, Arbeit und Geschenk. Auch der Staat hat etwas mit dem Eigentum zu tun. Er ist nicht der Obereigentümer, aber er hat ein Überwachungsrecht, kein Verfügungsrecht, wohl aber ein Ausichtsrecht über das Eigentum. Er hat darüber zu wachen, daß das Eigentum in rechter Weise erworben und nicht in unrechter Weise verwendet wird. Die Verteilung des Eigentums erfolgt nicht immer nach Gottes Willen. Die Verteilung des Eigentums ist manchmal ungerecht. Dann darf, dann muß der Staat eingreifen.

Wir haben nach dem Kriege ein in der ganzen Welt gerühmtes Eingreifen des Staates in das Eigentum in Deutschland erlebt, nämlich bei dem sogenannten Lastenausgleich. Zwölf Millionen Menschen aus den Ostgebieten strömten völlig mittellos in das Gebiet der Bundesrepublik ein. Diejenigen, die auch gelitten hatten durch Bombenschäden und andere Verluste, waren immer noch besser dran als die Massen dieser aus den Heimatgebieten vertriebenen Menschen. So hat der Staat veranlaßt, daß sie von ihrem Gut, das sie noch besaßen, etwas abgaben zugunsten der Vertriebenen. Das war eine große soziale Tat und hat das Recht des Staates, über die Verteilung des Eigentums und über seine Verwendung zu wachen, klar und deutlich herausgestellt.

Dasselbe tut der Staat, wenn er Steuern einnimmt. Die Besteuerung ist auch ein Mittel der Eigentumslenkung, und der Staat hat das Recht der Besteuerung. Die Grenzen dieses Rechtes sind freilich umstritten. Das ist auf allen Rechtsgebieten so, meine lieben Freunde, an den Grenzen gibt es immer Unschärfen, aber auch Härten. Das ändert nichts daran, daß der Staat berechtigt ist, Steuern zu erheben. Er hat weiter über die Sozialpflichtigkeit des Eigentums zu wachen. Man kann mit seinem Eigentum nicht unbegrenzt tun, was man will. Man darf sein Haus nicht anzünden, man darf seine Kühe nicht töten, etwa um aus der Versicherung Geld herauszuholen. Der Staat hat das Recht, über die Verwendung, über den Gebrauch des Eigentums zu wachen. Er muß die Menschen an die Sozialpflichtigkeit, an die Gemeinverbindlichkeit des Eigentums erinnern. Und die Menschen haben die heilige Pflicht, mit ihrem Vermögen Bedürfnislosen, Hungernden, Frierenden zu Hilfe zu kommen. Es muß eine Solidarität unter den Besitzenden sein. Sie müssen ihr Eigentum so verwalten, wie es der Apostel Paulus verlangt: „Die da kaufen, müssen sein, als ob sie nichts besäßen; denn die Gestalt dieser Welt vergeht.“

Im Evangelium finden sich viele Worte über den Umgang mit Geld und Gut. Eines der schönsten lautet: „Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit sie euch, wenn es ausgeht, in die ewigen Wohnungen aufnehmen!“

Ja, meine lieben Freunde, wollen wir das Eigentum, das Gott uns beschieden hat, in der rechten Weise verwenden, damit uns der Herr einmal beim großen Gericht sagen kann: „Wohlan, du kluger, du guter, du treuer Knecht, wohlan, du kluge, du treue, du gute Magd, weil du über weniges getreu gewesen, will ich dich über vieles setzen. Geh ein in die Freude deines Herrn!“

Amen.

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