10. Dezember 2000
Über Christus als den Sieger über Sünde, Tod und Teufel
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
„Was haltet ihr von Christus? Was dünkt euch von Christus?“ Das ist die Frage, die uns seit geraumer Zeit beschäftigt. Von der Antwort auf diese Frage hängt vieles – nein, hängt alles ab. Denn wie man Christus einschätzt, so wird man auch auf ihn hören. Wenn man ihn als einen von vielen Propheten oder Religionsstiftern ansieht, dann wird man ihn in eine Reihe mit diesen Männern und Frauen stellen und dazu kommen, daß man ihn entweder als gleich gültig oder als unbeachtlich abtut.
Ich denke immer an die gegenwärtige Diskussion um die sogenannten Rechtsradikalen. Wir als Christen sind selbstverständlich gegen jegliches Unrecht, ob es einem Volksangehörigen oder Fremden angetan wird. Wir sind gegen jegliches Unrecht. Aber ich halte es ganz für verkehrt, die Diskussion auf eine bestimmte winzige Splittergruppe zu richten, die sich gegen Sitte und Gesetz verfehlt, und darüber zu vergessen, daß es das Böse überall gibt. Das Böse findet sich nicht bloß bei sogenannten Rechtsradikalen; das Böse findet sich auch bei Linksradikalen und bei Radikalen der Mitte! Ich sehe das Böse in der neuen Mitte von Herrn Schröder. Da sehe ich den bösen Radikalismus, wenn er die Tötung Ungeborener erlaubt, wenn er die Homosexualität, ein himmelschreiendes Laster, gesetzlich sanktioniert. Da sehe ich das Böse am Werk. Wer Christus richtig versteht, der wird das Böse überall verurteilen, nicht nur am rechten Rande, sondern in jeder Hinsicht und bei allen Menschen. Denn Christus, das ist die Antwort, die wir heute auf unsere Frage versuchen werden, ist der Sieger über Sünde, Tod und Teufel.
Die Gestalt Johannes des Täufers, die uns im heutigen Evangelium vor Augen tritt, ist für das Verständnis Jesu von großer Bedeutung. Denn Johannes hat den angekündigt, der da kommen soll. Er hat von ihm gesprochen als von dem, der das Reich Gottes heraufführt, der das Böse vernichtet, der das Gericht bringt und die Gnade. Um in das Königtum des Vollstreckers der Gottesherrschaft einzugehen, bedarf es anderer Werte als bloß des Blutes, der Volkszugehörigkeit. Um in dieses Königtum einzugehen, bedarf es der Bekehrung in der Wurzel. Wer sich nicht bekehrt, der wird vom Gericht erfaßt werden. Die Volksmassen haben das Königtum Gottes seit geraumer Zeit falsch verstanden. Die Massen neigen ja immer dazu, undifferenziert zu denken, sich gängigen Tendenzen anzuschließen, das Grob-Sinnliche dem Hohen und Erhabenen vorzuziehen. Und so war auch in der Zeit Jesu die Reich-Gottes-Hoffnung verweltlicht, verirdischt. Man erwartete nicht mehr den Sieg der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Liebe, sondern man hoffte darauf, daß die Besatzungsmacht aus dem Lande getrieben werde. Man hatte die transzendent-universale Reichshoffnung aufgegeben zugunsten einer irdisch-nationalen. Als dann Jesus kam, waren die Massen enttäuscht, und die Führer waren es erst recht. Denn er brachte nicht die Erfüllung dessen, was sie erwarteten, nämlich die Befreiung vom irdischen Joch, sondern er kündigte die Herrschaft Gottes an als ein Reich der Wahrheit, der Heiligkeit, der Gerechtigkeit und der Liebe. Er ist der Verkünder der Gottesherrschaft; er ist der Träger der Gottesherrschaft; er ist ihr Vollstrecker, ja, er ist ihre Erscheinung. In ihm ist das Reich Gottes herbeigekommen. „Wenn ich durch den Finger Gottes die Dämonen austreibe, dann ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.“ Er ist die Verwirklichung des Reiches Gottes in seiner Person. Er ist ein König, aber nicht ein König, der den Massen Brot und Spiele verschafft; er ist ein König anderer Art. Er ist ein König im Reiche des Geistes und der Wahrheit. König ist Christus, das ist überhaupt keine Frage. Als er das Lasttier bestellt, das ihn nach Jerusalem hineintragen soll, da läßt er dem Besitzer sagen: „Der Herr bedarf seiner.“ Und dieser Herr ist er. Und als Pilatus ihn nach seinem Königtum fragt, da bejaht er die Frage; er ist ein König, freilich ein König anderer Art, als Pilatus meint, der nur in irdischen Machtkategorien zu denken imstande ist. Auch die Jünger mußten sich in einem schmerzlichen Prozeß von ihren falschen Reichs- und Königshoffnungen lösen, um endlich zu verstehen, welcher Art das Königtum Christi ist.
Das Königtum Christi ist einem anderen Herrschertum entgegengesetzt, nämlich dem Herrschertum des Satans. Satan ist der Herrscher dieser Welt, weil die Menschen sich ihm ausliefern durch das Böse, das sie tun. Durch die Sünde liefern sich die Menschen dem Satan aus, erkennen sie ihn als ihren Herrscher an, unterwerfen sie sich seiner Macht. Gegen diesen Herrscher zu kämpfen ist Christus gekommen. Er wollte die Sünde, den Tod und das Leid überwinden. An erster Stelle hat er den Kampf gegen die Sünde aufgenommen. Die Sünde ist ja dem Satan zuzuschreiben. An Jeder Sünde ist irgendwie Satan beteiligt, und die erste Sünde ist durch ihn in die Welt gekommen. Wenn Jesus also die Sünde bekämpft, dann bekämpft er die Teufelsherrschaft.
Er hat den Kampf gegen die Sünde in mehrfacher Weise geführt. Er hat den Sündern, die sich reuig zeigten, die Sünde vergeben. „Gehe hin, deine Sünden sind dir vergeben.“ Wenn Christus die Sünden vergibt, dann sind sie nicht mehr da, dann sind sie ausgelöscht. Natürlich kann die sündhafte Tat nicht mehr rückgängig gemacht werden, aber die Schuldhaftigkeit der Tat wird von Christus weggenommen. Er hat sodann Gemeinschaft mit den Sündern gepflogen. „Er ist ein Freund der Sünder“, hat man ihm zum Vorwurf gemacht. Aber sein Tun war so gedacht, daß er die Sünder durch die Gemeinschaft mit ihm zu Gott führen wollte. Wer zu Jesus kommt, der kommt zum Vater. Deswegen hat er die Gemeinschaft mit den Sündern aufgenommen. Wenn Jesus die Sünde bekämpft und besiegt, dann bricht die Satansherrschaft zusammen. „Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen.“ Jetzt ist der Stärkere gekommen, der den Starken bindet. Jetzt werden die Bollwerke des Teufels zerstört. Jetzt tritt eine neue Zeit heraus. In seinen Taten, da blitzt der neue Äon auf.
Die Satansherrschaft wurde von Jesus auch bekämpft in den Totenerweckungen. Denn der Tod ist ja durch Satan in die Welt gekommen. Indem Satan die Sünde in die Welt brachte, hat er den Tod mitgebracht, denn der Tod ist der Sold der Sünde. Und wenn jetzt das Königtum Gottes in Christus hereinbricht, dann muß die Todesherrschaft überwunden werden, und er hat sie überwunden, zunächst an einzelnen, die er in das Leben zurückgerufen hat. Christus hat auch die Herrschaft der Dämonen gebrochen. Die Dämonen wittern, daß er der Stärkere ist. Sie toben und schreien, wenn er in ihre Nähe kommt. „Quäle uns nicht“, so schreien sie. Der Herr ist in der Lage, sie zu überwinden. Er ist der Stärkere, der den Starken bindet. In diesen Taten – Sündenvergebung, Totenerweckungen, Dämonenaustreibungen –blitzt der neue Äon auf, da ist ein Zeichen dafür gesetzt, daß eine neue Zeit angebrochen ist, eine Zeit, in der nicht mehr der Tod, sondern das Leben herrscht, nicht mehr die Lüge, sondern die Wahrheit, nicht mehr der Haß, sondern die Liebe, nicht mehr der Satan, sondern Gott.
Was Christus an einzelnen gewirkt hat, das hat er für alle vollendet in seinem Kreuzestod. Da hat er sich dem Vater ausgeliefert bis zum letzten Atemzuge, bis zum letzten Blutstropfen. Wenn Johannes schreibt, als der Soldat dem Herrn den Lanzenstich versetzte: „Es floß Blut und Wasser heraus“, dann will er damit andeuten: Es war nichts mehr darin, es war alles ausgegeben, es war alles ausgeschöpft, er hatte den Tod bis zum letzten Atemzug ausgekostet. Aber dadurch hatte er ihn besiegt. Denn er war ja nicht des Todes schuldig, er war ja als Schuldloser, als Sohn Gottes, als Menschensohn, als Davids Sohn, als der Gesandte Gottes von der Todes- und von der Satansherrschaft frei. Wenn er sich also in den Tod gab, dann geschah das um der Menschen willen. Es war ein stellvertretender Tod. Er ist den Tod gestorben, den alle hätten sterben müssen. Und es war ein Sühnetod. Es war ein Tod, in dem er die Schuld der Menschen aufgearbeitet hat. Er ist bis in die Wurzel des Leides der Menschen hinabgestiegen und hat es dadurch aufgearbeitet. Er hat den Satan nicht überwunden, indem er ihn zerschmetterte, sondern er hat ihn überwunden, indem er dem Willen des Vaters gehorsam war bis zum Tode am Kreuze.
Der Apostel Paulus ist wahrscheinlich derjenige, der die Wahrheit vom Sühnetod Christi am deutlichsten erfaßt hat. Im Galaterbrief schreibt er: „Christus hat uns vom Fluche des Gesetzes erlöst, da er für uns zum Fluch geworden ist.“ Das sind gewaltige Worte. Er ist für uns zum Fluch geworden. Den Fluch, den die Menschen verdient hatten durch ihre Schuld, hat er auf sich genommen und ans Kreuzesholz getragen. Im Sterben Christi handelte Gott bis zur äußersten Aufnahmefähigkeit des Geschöpfes als der Herr, der über das Geschöpf Verfügungsgewalt besitzt, und das Geschöpf ließ sich bis zu seiner äußersten Möglichkeit das herrscherliche Tun Gottes gefallen. So schreibt Paulus im 2. Korintherbrief: „Er hat den, welcher von Sünde nichts wußte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gottes Gerechtigkeit darstellen.“ Er war sündlos, aber um die Sünde der anderen aufzuarbeiten, um sie wegzutragen, um sie zu überwinden, hat er das Schicksal des sündhaften und todverfallenen Menschen auf sich genommen und bis zum letzten Atemzug durchgekostet. Gott hat seinen Sohn in die Strafe hineingesandt, in welche die Sünde das Menschengeschlecht gestürzt hat. Wiederum schreibt Paulus: „Er sandte seinen Sohn, der uns ähnlich wurde durch das sündhafte Fleisch und wegen der Sünde, und er verdammte in seinem Fleisch die Sünde.“ Christus hat nicht gelitten wegen seiner eigenen Schuld. Er hat gelitten, weil er die Sünden anderer auf sich genommen hat, um sie dadurch zu überwinden. Und so bittet denn Christus auch nicht um Rettung vor dem Tode. Über die Todesangst siegt die Hingabe an den Willen des Vaters, der den Sohn in den schöpferischen Tod hineingesandt hat, damit aus ihm die Herrlichkeit Gottes und das Heil der Welt erwüchsen. So schreibt der Apostel Johannes: „Die Stunde ist gekommen, daß der Menschensohn verherrlicht werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, so bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viele Frucht. Nun ist meine Seele erschüttert, und was soll ich sagen? Vater, rette mich aus dieser Stunde? Doch deshalb bin ich in diese Stunde eingetreten. Vater, verherrliche deinen Namen! Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen.“ Der Menschensohn muß erhöht werden. Er muß erhöht werden, damit er das Todes- und Leidesschicksal der Menschen aufarbeitet. Christus hat gewußt, daß sein Tod ein Sühne- und Stellvertretungstod ist. Er hat auch gewußt, daß sein Tod der Übergang zum Leben ist. Deswegen verknüpft er immer mit seinen Leidensweissagungen die Voraussage der Auferstehung. Er wußte, daß um das Kreuz der Siegesjubel rauscht. Er wußte, daß die Trabanten Satans am Kreuze besiegt und als Gefangene fortgeführt werden. Die Macht des Königtums Gottes hat sich an Christus gezeigt, indem er vom vergänglichen Leben ins unvergängliche Leben übergeschritten ist.
Das ist vorläufig an ihm allein geschehen. Er ist der Erstgeborene. Aber was an ihm geschah, das soll an allen anderen geschehen, denn er ist der Stammvater. Das ist unsere Hoffnung und unsere Zuversicht, daß, weil Christus den Tod besiegt hat, auch wir den Tod besiegen werden. Das Todesschicksal müssen wir erfüllen, so hat es Gott in seiner Gerechtigkeit bestimmt. Aber wer den Tod mit Christus stirbt, der darf sicher sein, daß er in das Leben eingehen wird, denn Christus ist der „Herzog der Vollendung“. So beschreibt ihn der Brief an die Hebräer. Christus ist der Herzog der Vollendung. Das heißt: Er zieht als erster voran vor all denen, die in die Vollendung einziehen sollen. Wir wollen uns diesem Herzog anschließen, damit wir mit ihm herrschen, nachdem wir hier auf Erden mit ihm gekämpft und gelitten haben.
Amen.