Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. Dezember 1988

Die Botschaft der Krippe

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Und das wird euch zum Zeichen sein: Ihr werdet ein Kind finden, das in einer Krippe liegt.“ Seitdem der Engel diese Botschaft den Hirten gebracht hat, ist dem christlichen Bewußtsein die Krippe nicht mehr entfallen. Mit großer Liebe und in Dankbarkeit hat die Christenheit die Krippe in ihr Herz geschlossen und verehrt. Krippendarstellungen, Krippenlieder, Krippenspiele zeugen davon, daß die Christenheit begriffen hat, was der Engel meinte, als er sagte: „Dies wird euch zum Zeichen sein. Ihr werdet ein Kind finden, das in einer Krippe liegt.“ Ein Zeichen ist ein Hinweis auf eine bezeichnete Sache, und wir dürfen und müssen fragen: Wieso ist denn die Krippe ein Zeichen? Wofür ist sie ein Zeichen?

Ich meine, daß die Zeichenfunktion der Krippe in einer dreifachen Weise zu begründen ist, nämlich erstens: Wie klein ist der große Gott geworden! Nämlich so klein, daß er in einem Futtertrog der Tiere seinen Platz finden konnte. Wir wissen, wie eine solche Krippe aussah. Sie war aus Lehm errichtet, oben war eine Mulde eingedrückt, und in diese Mulde wurde das Futter geschüttet, also Hafer oder Häcksel, und diese Mulde war gerade so groß, daß eben ein neugeborenes Kindlein darin Platz finden konnte. So klein ist der große Gott geworden!

Derjenige, der die Spiralnebel lenkt, der die Sterne regiert, der liegt im Futtertrog der Tiere. Wie klein wollte Gott sein, um uns die Demut seines Christus kundzutun! Denn das ist offensichtlich damit gemeint: Es sollte der Eingang in diese Welt so beschaffen sein wie seine ganze Gesinnung. Und seine Gesinnung war eben, daß er demütig sein, leben wollte wie der letzte seiner Brüder. In Demut hat er sein Leben vollbracht, in Demut, die die Krippe bezeichnet, ist er unter uns gewqandelt.

Die Krippe ist zweitens ein Hinweis, wie arm der reiche Gott sein wollte. In einer Krippe, in einem Stalle, der nicht einmal den Eltern gehörte, begann sein irdisches Leben. Und dieses Leben war, wie wir wissen, ein armes Leben. Einmal sagte er, der ruhelose Wanderer von Galiläa: „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel haben Nester, aber der Menschensohn hat nichts, wohin er sein Haupt legen kann.“ So arm wollte er sein.

Als im Jahre 1811 dem Kaiser Napoleon ein Sohn geboren wurde, da schenkte ihm die Stadt Paris eine Krippe, die war wunderbar gestaltet aus Silber und Gold. Der kaiserliche Adler war eingeprägt. In diese Wiege wurde der spätere König von Rom gelegt. Aber das Schicksal dieses kaiserlichen Kindes war anderer Art als das Geschick des Heilandes. Mit nicht einmal 21 Jahren ist er in Wien an Tuberkulose gestorben. Und die Wiege, die man heute noch in Paris sehen kann, ist ein Museumsstück geworden.

Aber die Krippe unseres Heilandes umstehen Millionen und Abermillionen und erinnern sich der Armut, die diese Krippe kündet, erinnern sich in Liebe und Dankbarkeit dessen, daß der Herr der Welten ein armes Leben wie seine Brüder führen wollte.

Drittens kündet uns die Krippe davon, wie tief der hohe Gott herabgestiegen ist. Er hat die Freude seines Himmels verlassen und ist auf Erden in das Tal der Tränen gekommen. Er hat die Menschennatur angenommen, die ja weit unter der göttlichen Wesenheit steht. Der heilige Paulus, der dieses Geheimnis besonders tief erfaßt hat, spricht im Philipperbrief davon: „Er hat sich entäußert“ -  das bedeutet im Urtext eigentlich: Er hat sich leergemacht, er hat sich entleert seiner göttlichen Würde, seiner göttlichen Schönheit, seines göttlichen Glanzes – „und ward erfunden wie ein Mensch.“ Wie tief ist er herabgestiegen zu uns! Er wollte nicht haben, sondern nur geben, er wollte nicht genießen, sondern nur opfern. Er wollte nicht scheinen, sondern nur sein. So ist unser Heiland in diese Welt eingetreten.

Das also, meine lieben Freunde, ist die Botschaft der Krippe. Er, der reich war, wurde arm, um uns, die wir arm sind, reich zu machen. O wunderbarer Tausch! Er, der in Gottesgestalt war, hielt seine Gottesgestalt nicht fest, wie man einen Raub festhält, nämlich krampfhaft und mit beiden Händen. Nein, er entäußerte sich seiner göttlichen Würde, nahm Menschengestalt an und ward äußerlich erfunden als ein Mensch. Das alles tat er, weil er gehorsam war dem Vater und weil er liebevoll den Menschen die Erlösung bringen wollte.

Im 12. Jahrhundert starb Herzog Gottfried von Brabant. Brabant ist eine Landschaft im heutigen Belgien. Gerade diesen Augenblick benutzten die Feinde des Herzogtums, um in das Land einzufallen. Es kam zu einer Schlacht. Aber die treuen Brabanter, was taten sie? Sie nahmen in die Schlacht in einem Körbchen den einjährigen Sohn des verstorbenen Herzogs mit und hängten ihn an eine Weide. Und mit dem Blick auf dieses Körbchen, auf diesen Sohn, erfochten sie den Sieg in dieser Schlacht.

Es scheint mir, meine lieben Freunde, daß diese geschichtliche Begebenheit ein Bild ist für den Kampf, den wir führen. Auch wir schauen auf unseren Herzog, auf unseren Führer und Heiland Jesus Christus. Wir schauen ihn in der Krippe, und wir sagen wie die Hirten: Transeamus usque ad Bethlehem – Laßt uns nach Bethlehem gehen und sehen, was da geschehen ist. Suchet das Kind in der Krippe, das Zeichen, das Gott uns gegeben hat!

Amen.

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