Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
15. August 2011

„Hochpreiset meine Seele den Herrn“

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Aufnahme Mariens in den Himmel Versammelte!

Der heutige Tag ist wahrlich ein Freudentag. Es freut sich die Erde; es freut sich die Kirche, die streitende Kirche auf Erden, weil eine aus ihr das Ziel erreicht hat, dem sie nachstrebt. Maria ist angekommen. Es freut sich der Himmel, es freut sich die triumphierende Kirche des Himmels, denn die Tore des Himmels, wenn ich so bildlich sprechen darf, die Tore des Himmels haben sich geöffnet, um die einzulassen, die wie keine andere würdig war, den Eingang ins Reich Gottes zu finden.

Da hat sie erneut ihren Lobgesang angestimmt, der von Anfang an ihr Leben begleitete. Als sie die Botschaft des Engels empfing, da frohlockte sie im Geiste, denn Großes hat der Herr an ihr getan. „Hochpreiset meine Seele den Herrn, und mein Geist frohlocket in Gott, meinem Heiland.“ So jubelte sie, als sie die Mutter des Herrn werden sollte. Und so sprach sie auch am Schluß ihres Lebensweges, als das Werk, das Gott ihr aufgetragen hatte, getan war.

Ihr Leben war ein einziger Gottesdienst. Sie war die Magd des Herrn, und als Magd des Herrn, als Dienerin des Herrn ist sie durch das Leben geschritten. Sie kannte keinen anderen Willen als den Willen Gottes. Das war ihre Größe, und das war ihr Verdienst. Der Herr stand im Mittelpunkt ihres Lebensweges. Maria hat den Willen Gottes im Leben und im Leiden als ihr Vermächtnis angenommen und gelebt.

Maria hat ihrem Herrn und Gott gedient wie keine andere vor ihr. Weil sie dem Herrn so nahe steht, ist der Marienkult vom Christuskult untrennbar. Wir rauben Jesus nicht die Ehre, wenn wir Maria verehren, denn er selbst ist ein Marienverehrer. Jawohl, Gott selbst ist ein Marienverehrer. Er hat sie erhöht über alle anderen Geschöpfe. Wenn man ein Kunstwerk lobt, dann lobt man auch den Künstler. Und so ist es auch mit dem Kunstwerk, das wir in Maria verehren. Wir loben Gott, der sie schrecklich herrlich ausgestattet hat. Christus und Maria sind im Glauben und in der Liturgie der Kirche verbunden. Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.

„Denn er hat angesehen seine kleine, niedrige Magd.“ Angesehen mit dem Blick der Liebe, mit dem Blick der Größe, mit dem Blick der Macht. Maria ist die Ersterlöste und die Vollerlöste. Sie blieb von der Erbsünde bewahrt, und sie hat die Vollendung, die wir Menschen noch erwarten, erreicht, da sie mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde. Das ist das Herabsehen Gottes. Das ganze Leben über hat er auf sie herabgesehen und sie geleitet. Wir erkennen an Maria ein Gesetz im Gottesreiche: Gott erwählt das Kleine, um Großes zu vollbringen. Er benutzt die Demütigen, um seine Werke aufzubauen. Nur die Demut erreicht Großes bei Gott. Und wenn wir groß sein wollen im Reiche Gottes, dann müssen wir uns tief neigen in die Knechtsgestalt unseres Herrn hinein. Nur die Demut erreicht bei Gott alles, weil sie alles von Gott empfängt, weil sie alles auf Gott zurückführt.

„Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter.“ Sie schaut die Zukunft. Maria war eine Prophetin. Sie hört die Gotteslieder, die Christuslieder, sie hört aber auch die Marienlieder, die durch alle Zeiten gehen. „Selig bist du, weil du geglaubt hast.“ Wie Christus als Gottessohn verehrt wird, so wird Maria als Gottesmutter verehrt. Wer eine Gottesmutter bekennt, der bekennt die Gottheit ihres Sohnes, und wer eine Gottesmutter bekennt, der bekennt die Menschheit ihres Kindes. „Wer Maria nicht als Gottesgebärerin bekennt, der ist fern von der Gottheit“, hat einmal der heilige Gregor von Nazianz geschrieben. Wer die Jungfrau nicht als Gottesgebärerin bekennt, der ist fern von der Gottheit. Maria, der Marienglaube, die Marienverehrung sind ein Bollwerk gegen den Unglauben. Die Mariendogmen schützen die Christusdogmen, sie sind Schutzdogmen. Wer sie bekennt, ist gegen Irrtum in bezug auf Jesus Christus gefeit. In diesem Sinne gilt das schöne Wort: „Alle Häresien, Maria, hast du allein überwunden.“

Maria war eine prophetische Frau. Sie hat vorausgesehen, dass alle Geschlechter, alle Zeitalter, alle Völker sie seligpreisen werden. Die Marienverehrung ist eine Selbstverständlichkeit, ja sie ist, ich wage es zu sagen, eine Notwendigkeit für jeden katholischen Christen. Aber über den Bereich unserer Kirche tönt das Lob Mariens. Im 19. Jahrhundert lebte der evangelische Dichter Novalis, mit seinem eigentlichen Namen ein Herr von Hardenberg. Er hat das wunderbare Gedicht geschrieben: „Ich sehe dich in tausend Bildern, Maria, lieblich ausgedrückt. Doch keins von allen kann dich schildern, wie meine Seele dich erblickt. Ich weiß nur, dass der Welt Getümmel seitdem mir wie ein Traum verweht und ein unendlich süßer Himmel mir ewig im Gemüte steht.“ So begeistert hat Novalis Maria gepriesen.

„Selig preisen mich alle Geschlechter.“ Jawohl, das tun sie. Aber nicht nur die Beglückten, nicht nur die Entzückten, auch die Bedrängten. Auf einem Höhepunkt seiner Faust-Dichtung läßt Goethe die unglückliche Margarete beten: „Ach, neige, du Schmerzensreiche, dein Antlitz meiner Not. Das Schwert im Herzen mit tausend Schmerzen blickst auf zu deines Sohnes Tod. Zum Vater blickst du und Seufzer schickst du hinauf um seine und deine Not. Wer fühlet, wie wühlet der Schmerz mit im Gebein! Was mein armes Herz hier banget, was es zittert, was verlanget, weißt nur du, nur du allein. Wohin ich immer gehe, wie weh, wie weh, wie wehe wird mir im Busen hier. Ich bin auch kaum alleine, ich wein’, ich wein’, ich weine, das Herz zerbricht in mir. Die Scherben vor meinem Fenster betaut’ ich mit Tränen, ach, als ich am frühen Morgen dir diese Blumen brach. Schien hell in meine Kammer die Sonne früh herauf, saß ich in allem Jammer in meinem Bett schon auf. Hilf, rette mich von Schmach und Tod, ach neige, du Schmerzensreiche, dein Antlitz meiner Not!“

So geht, meine lieben Freunde, zu Maria unsere Liebe, unsere Verehrung, aber auch unser Jammer und unsere Not. Heute grüßen wir sie als die Gebenedeite unter allen Frauen. Heute preisen sie die Dome, die Statuen, die Bildstöcke, die Wallfahrtsstätten, die Maialtäre, die Rosenkränze, die Tausende von Marienbildern, sie alle preisen Maria. Sie grüßen sie, und sie rufen sie an. Die Gebete aller Kinder strömen zu ihr empor. Es grüßen sie auch die himmlischen Heerscharen, die Chöre der Engel: „Du, unsere Königin, du unsere Mutter, sei gegrüßt!“

Amen.

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