Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
15. Mai 2011

Systemveränderer gegen die Lehre der Kirche

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Vor geraumer Zeit reiste ein Priester von München nach Dortmund im Eisenbahnzug. In dem Abtei, in dem er saß, entwickelte sich ein lebhaftes Gespräch, und zwar über die Kirche. Es wurde eine hitzige Debatte. Die Menschen sprachen über die Predigt, was der Predigt notwendig sei und was in der Predigt behandelt werden müßte. Man muss lebensmäßig predigen, man muss auf die Probleme der Menschen eingehen, man muss die Dinge behandeln, die den Menschen unter den Nägeln brennen, so sagten die Reisenden. Das Wort Problem kam immer wieder vor; die Probleme müßten angegangen werden. Der Zug fuhr dann über eine hohe Brücke, und der Priester mischte sich jetzt in das Gespräch ein. Er sagte zu den Personen in seinem Abteil: „Auf dieser Brücke ist einmal ein großes Eisenbahnunglück geschehen. Was würden Sie tun, wenn sich das wiederholte, wenn der Zug in den Abgrund stürzte und Sie wüßten, Sie haben kein reines Gewissen, Sie leben nicht im Stand der Gnade? Was würden Sie dann tun? Und es ist kein Priester da, der Ihnen die Lossprechung geben kann, was würden Sie da machen?“ Tiefe Stille. Niemand wußte, was da zu tun ist. Endlich meldete sich einer von den Mitreisenden. „Ja, ist das nicht so etwas wie die Begierdetaufe? Gibt es nicht so etwas wie die Begierdetaufe?“ Der Priester sagte: „Sie sind nicht fern vom Reiche Gottes, aber die Begierdetaufe ist etwas ganz anderes. Die Begierdetaufe besteht darin, dass jemand, der die Taufe nicht erreichen kann, durch das Verlangen nach der Taufe gerettet wird. Worum es hier geht, das ist die vollkommene Reue, das ist die Liebesreue. Haben Sie davon nie etwas gehört?“ Der Priester war tief betroffen von der Unwissenheit seiner Mitreisenden. „Jedes Schulkind“, so sagte er, „müßte doch Ihnen erklären können, was die vollkommene Reue ist. Im Katechismus hat es doch gelernt, worin die Liebesreue besteht und dass sie ein Ersatz ist für die Beicht, die man nicht erlangen kann.“

Meine lieben Freunde, die Unwissenheit in religiösen Dingen ist riesig groß. Die Menschen wissen die einfachsten Dinge nicht. Sie wollen Probleme wälzen, sie lesen alle möglichen Bücher von Ungläubigen und Halbgläubigen und Viertelgläubigen, aber den Katechismus und die Wahrheiten des Katechismus kennen sie nicht. Der Apostel Paulus hat an seinen Schüler Timotheus zu seiner Zeit schon geschrieben: „Es gibt Leute, die immer lernen wollen und doch nie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen, Menschen verdorbenen Sinnes, unsicher im Glauben. Sie werden nicht weit kommen, ihr Unverstand wird allen offenkundig werden.“

Die Unwissenheit in religiösen Dingen ist riesig groß. Und jetzt soll ihr anscheinend abgeholfen werden. Ich habe hier in meiner Hand, meine lieben Freunde, einen Prospekt, herausgegeben von den deutschen Bischöfen: „Im Heute glauben. Wort der deutschen Bischöfe an die Gemeinden.“ Ich habe diesen Prospekt zweimal durchgelesen. Die Bischöfe kündigen nämlich für die kommenden vier Jahre – vier Jahre! – einen Gesprächsprozeß an. Es soll gesprochen werden über die Suche nach Gott und die Wege des Bekenntnisses, über das Gebet und die Verehrung Gottes und über den helfenden Beitrag der Kirche in der Gesellschaft der Gegenwart. Es soll gesprochen werden über Priester und Laien in der Kirche und über Präsenz der Kirche in Gesellschaft und Staat.

Ich frage: Warum muss über all das gesprochen werden? Wissen wir nicht, was wir glauben müssen, was wir tun sollen, was wir hoffen dürfen? Haben wir nicht den Katechismus der Katholischen Kirche im Umfang von 816 Seiten? In ihm ist jedes auftauchende Problem behandelt, ist auf jede ungeklärte Frage eine Antwort zu finden. Der Katechismus hat ein großes Sachregister, wo man nachschlagen kann, was einen bewegt. Ich frage: Welche Themen gibt es, die in diesem Katechismus nicht erläutert sind? Werden nicht auch jeden Sonntag Tausende von Predigten in den deutschen Kirchen gehalten, wo alle diese Gegenstände behandelt werden sollen, welche die Bischöfe für den Prozeß vorschlagen? Erhalten unsere Kinder nicht Religionsunterricht viele Jahre? Soll da nicht – soll da nicht! – das ganze Spektrum des katholischen Glaubens vorgestellt werden? Jedermann weiß oder kann wissen, was zu tun und zu lassen ist, um das ewige Leben zu gewinnen. Die Lehre der Kirche liegt klar vor, verständlich für jeden. Die Heilige Schrift ist jedermann zugänglich. Es existieren Dutzende von Übersetzungen der biblischen Bücher. Die Ausgaben der Bibel sind billig zu haben. Jedermann kann in der Schrift lesen. Wie viele lesen sie?

Die Kirche schöpft die Wahrheit nicht allein aus der Bibel, sondern auch aus der Überlieferung. Die Überlieferung, das sind die Schriften der Kirchenväter, das sind die Schriften der erleuchteten Theologen. Wer liest sie? Kompetente Theologen haben die Gestalt Jesu lichtvoll vor uns hingestellt. Ich erinnere an Karl Adam oder Romano Guardini. Der Heilige Vater hat soeben ein zweibändiges Werk über Jesus Christus vorgelegt. Wer arbeitet es durch? Was Schrift und Überlieferung lehren, das wird vom Lehramt der Kirche in Lehrschreiben und Lehrentscheidungen vorgetragen. Alle diese Texte sind in deutscher Sprache zugänglich. Die Enzykliken der Päpste, die Rundschreiben der Päpste können von jedermann eingesehen werden. Viele schimpfen über die Enzyklika des Papstes Pauls VI. betreffend die Empfängnisverhütung, Humanae vitae. Aber wer hat sie gelesen? Die Christen sind belehrt, dass der Sonntag der Tag des Herrn ist, dass es christliche Pflicht ist, den Gottesdienst zu besuchen. Aber nur 8 Prozent kommen dieser Forderung nach. Wo sind die 92 anderen Prozent?

Meine lieben Freunde, was zu glauben und was zu tun ist, braucht man nicht in Gesprächsforen zu erheben. Was zu glauben und zu tun ist, steht fest. Worum es geht, das ist nun wirklich das glauben, was zu glauben notwendig ist, nun wirklich das tun, was zu tun geboten ist. Es besteht kein Klärungsbedarf, es besteht Anwendungsbedarf! Was wir brauchen, sind nicht Gespräche über die Wahrheit, sondern das ist das Aneignen der Wahrheit. Die deutschen Bischöfe denken offensichtlich anders. Sie eröffnen einen Gesprächsprozeß, der sich über vier Jahre hinziehen soll. Ich frage: Wissen die Bischöfe, was sie tun? Wenn sie es nicht wissen, dann will ich es ihnen sagen. Die Bischöfe entfachen ein Palaver, von dem man jetzt schon weiß, was dabei herauskommt, nämlich Unsicherheit, Verwirrung, Zweifel. Was sicher ist, wird unsicher gemacht. Was klar ist, wird verunklart. Was eindeutig ist, wird zweideutig gemacht. Wir wissen jetzt schon, wer an diesem sogenannten Dialogprozeß beteiligt sein wird: das sind die Berufsredner und die Superlaien, das sind die protestantisierenden Systemveränderer aus dem Klerus und aus der Laienschaft. Das sind die Theologen, die mit ihren Memoranden fortwährend das gläubige Volk verwirren. Diejenigen, die seit Jahren die Öffentlichkeit irreführen, die werden diese Podien beherrschen.

Führend in diesen Gesprächsprozeß wird das Zentralkomitee der deutschen Katholiken sein. Dieses Gremium profiliert sich seit Jahrzehnten durch Kritik an Lehre und Ordnung der Kirche. Statt den Glauben in die Gesellschaft zu tragen, rüttelt es an den Grundsätzen katholischen Glaubens und Lebens. Dieses sogenannte Zentralkomitee befindet sich im Zustand des fortwährenden Aufstandes gegen die Kirche. Die Auflehnung gegen die Kirche, das ist sein Kennzeichen. Und mit dem führen die Bischöfe einen Dialog.

Was erwarten sich die Bischöfe davon? Wer gläubig ist, wer fest auf dem Boden von Lehre und Ordnung der Kirche steht, hat entweder keine Aussicht, an dem Gesprächsprozeß beteiligt zu werden, oder er wird nicht gehört. Die bewährten und zuverlässigen Gläubigen, Männer und Frauen, Theologen und Laien, sie werden in den Gesprächsforen ein Schattendasein führen. Es sind ja zwei Gebiete, auf denen alle Leute mitreden zu können meinen, nämlich die Religion und die Politik.

Im letzten Kriege kam ein Feldgeistlicher, ein Militärgeistlicher in ein Lazarett, und er wurde von dem Chefarzt empfangen: „Ja, Herr Divisionspfarrer, es ist gut, dass Sie da sind wegen der vielen Begräbnisse. Aber im übrigen ist es doch Mumpitz mit Ihrer Religion.“ „Ach so“, sagte der Militärgeistliche, „ach so. Sie haben wohl theologische Studien gemacht. Wie viele Semester Theologie haben Sie studiert?“ „Ich? natürlich nicht.“ „Ja, aber wenn ich jetzt als Theologe sagen würde, die ganze Heilkunst ist Mumpitz, wo ich doch kein einziges Semester Medizin studiert habe, könnten Sie mich mit Recht rügen.“ Die Menschen sprechen von dem, was sie nicht verstehen. Einer davon ist Heiner Geißler. Das ist auch so einer, der alles besser weiß und nichts gründlich studiert hat.

Wohin wird dieser Gesprächsprozeß führen? Es geht den Befürwortern dieses Gesprächs nicht darum, Unklares zu klären, über Unbekanntes unterrichtet zu werden. Es geht ihnen darum, Bekanntes in der Versenkung verschwinden zu lassen. Es geht ihnen darum, die Wahrheit aufzuweichen. Es ist ihnen um Lockerungsübungen am Dogma zu tun. Sie wollen die Moral aufweichen, vor allem die Sexualmoral, sie wollen die Disziplin in der Kirche zu Fall bringen. Was die Wortführer dieses Palavers und ihre Unterstützer, die Medien, wollen, das wissen wir alle. Das ist seit langem bekannt: den Menschen die Sünde ausreden, keine Beicht mehr, Kommunion für alle ohne Rücksicht auf die Würdigkeit, Diakonen- und womöglich Priesterweihe für Frauen, Aufhebung des Zölibats, Anpassung an den Protestantismus auf der ganze Linie, Empfängnisverhütung auf jede mögliche Weise. Wie sagte Frau Käßmann in München: „Die Pille ist ein Geschenk Gottes.“ Freigabe des homosexuellen Treibens. Wie sagte der evangelische Landesbischof von Bayern: „Homosexuelle Pfarrer – homosexuelle Pfarrer! – sollen im Pfarrhaus frei und fröhlich ihre Homosexualität leben.“ Das ist es, was die Systemveränderer wollen.

Die Dinge, die wirklich notwendig sind, werden im Dialogprozeß nicht angerührt, denn sie sind unpopulär, denn sie sind unbequem. Wir brauchen keinen Dialogprozeß. Was wir brauchen, ist die klare und eindeutige Verkündigung der Lehre der Kirche, ohne Abstriche und ohne Umbiegen. Wir wissen, dass hier vieles zu tun ist, denn so viele Bischöfe reden undeutlich. Ich habe von dem Mainzer Bischof in seinem ganzen Pontifikat nicht ein einziges Mal eine Aufforderung zur Bekehrung gehört. Ja, ist das nicht eine Aufgabe des Bischofs? Wir alle wissen, dass es Mängel in der Verkündigung gibt. Sie wären zu beheben. Wir wissen, dass Theologen in den Fakultäten die Studenten verwirren und dafür verantwortlich sind, dass keine Priester mehr kommen. Ihnen wird kein Haar gekrümmt.

Die Menschen müßten zur Wahrheit geführt werden und dürfen nicht von der Wahrheit abgebracht werden. In diesen Tagen, meine lieben Freunde, ist das Buch eines Spiegel-Redakteurs erschienen, Matthias Matussek. Das Buch lautet „Das katholische Abenteuer“. Wenn man dieses Buch liest, dann sieht man, was die Bischöfe unterlassen haben, da wird ihnen alles das vorgehalten, was sie an Versäumnissen in den vergangenen Jahrzehnten vollbracht haben. Der Autor will keine, so schreibt er, „Schleifung“ des Zölibats, keinen strukturierten Dialog, keine Priesterweihe für Frauen, keinen Segen für die Schwulen, sondern Freude am Katholischsein. Und dann kommt er auf den Protestantismus zu sprechen. Ich zitiere wörtlich: „Die bequemere der christlichen Konfessionen ist derzeit eindeutig die protestantische. Ihre Bekenntnisse tropfen ins gesellschaftliche Gewebe in homöopathischer und jederzeit gut verträglicher Verdünnung. Ihre Pastoren sind wie alle. Sie lassen sich scheiden, sie leben in schwulen Lebensgemeinschaften, sie fahren ab und zu betrunken Auto. Nichts, was irgendeinen groß aufregen würde, im Gegenteil, sie werden geliebt dafür, dass sie sind wie alle.“ Ich empfehle Ihnen die Anschaffung dieses Buches: Matthias Matussek, Das katholische Abenteuer, erschienen in der Deutschen Verlagsanstalt zum Preise von 20 Euro. Was es braucht, das ist das, was uns Matussek, der Spiegel-Redakteur, vorhält. Was es braucht, das ist das Bemühen um die Wahrheit.

Ich kannte einen alten Herrn, einen Juristen, einen hervorragenden Juristen. Jeden Tag las er im Katechismus. Einmal mußte er nach dem Süden fahren, um sich zu kurieren. Er überließ es seiner Schwiegertochter, seine Sachen einzupacken. Als sie den abgegriffenen Katechismus sah, dachte sie: Ach, das wird der Vater, der Großvater nicht mehr brauchen. Nach drei Tagen kam eine Karte: „Bitte, sende mir den Katechismus. Ich will auch hier jeden Tag darin lesen.“ Ein anderes Erlebnis, meine lieben Freunde: In einer großen Weberei waren viele Frauen und Mädchen beschäftigt. Ein Priester kam vorbei und sah, wie eine von den Frauen den anderen aus einer kirchlichen, katholischen Zeitung etwas vorlas. Ein Arbeiter, der dabei stand, sagte: „Ihr Schneegänse, was müßt ihr in dem Pfaffenblättchen lesen? Das ist doch nichts für euch Weiber.“ Die Vorleserin hielt einen Augenblick inne, dann sagte sie: „Wenn deine Mutter früher so etwas gelesen hätte, wärest du nicht ein solcher Lump geworden, wie du bist!“

Was wir brauchen, das sind gläubige Ehepaare, die so leben, dass aus ihrer Familie Priester hervorgehen können. Was wir brauchen, sind kinderreiche Familien. Was wir brauchen, sind fromme Kinder, das sind sittenreine Jugendliche. Es ist töricht, von einem Gesprächsprozeß und von Strukturveränderungen einen Aufschwung der Kirche zu erwarten. Was die Kirche braucht, das ist die Bekehrung der Herzen. Nicht der Diakonat der Frauen bringt die Kirche voran, sondern die Bildung frommer und opferbereiter Mütter.

Der Dialogprozeß, den die deutschen Bischöfe in ihrer Blindheit in Gang setzen, ist so überflüssig wie ein Kropf. Er ist nicht bloß überflüssig, er ist schädlich. Durch langes Reden kann man die Wahrheit verschwinden lassen und die Ordnung unterwühlen. Nicht über das Evangelium reden, sondern das Evangelium leben. Das charakteristische Kennzeichen des Katholiken, ist nicht, dass er über die Religion redet, sondern dass er die Religion lebt.

Amen.

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