26. Mai 2013
Der dreieinige Gott nach der Lehre des Apostels Paulus
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte, zum Fest der heiligen Dreifaltigkeit Versammelte!
Wir begehen heute das Fest des dreieinigen Gottes. Es geziemt sich, über seinen Inhalt nachzusinnen. Wir wollen es tun anhand der Lehre des Apostels Paulus. Nichtkatholische Religionsgemeinschaften machen es sich leicht mit dem Glaubensbekenntnis der Trinität: Wenn ich etwa an den berühmten evangelischen Theologen Adolf von Harnack denke, der hat es mit der Dreifaltigkeit so gehalten, dass er sagte: Jawohl, Gott existiert, aber Jesus ist lediglich ein großer Mensch und der Heilige Geist ist eine unpersönliche Kraft. So kann man auch mit der Dreifaltigkeit fertig werden. Und viele evangelische Theologen folgen ihm. Aber das ist ein Abfall von der Lehre der Kirche, von allen Dogmen und von der Lehre des Apostels Paulus, wie wir, so hoffe ich, heute sehen werden. Man muss sich vorstellen, vor welcher Herausforderung die Jünger Jesu und die Urkirche standen durch das Erscheinen des Gottessohnes auf Erden. Sie mussten versuchen, sein Auftreten in ihren vom Alten Bund überkommenen Eingottglauben einzuordnen. Der Glaube an den einen Gott stand ihnen unverrückbar fest, daran war nicht zu rütteln. Aber wie konnte man die zweite göttliche Wirklichkeit dann begreifen? Und wie konnte man den göttlichen Geist mit Gott und dem Gesandten Gottes vereinigen? Der Kirche ist unter der Führung des Heiligen Geistes nach und nach aufgegangen, wie Einheit des Wesens und Dreiheit der Personen in Gott zu vereinigen sind. Die entscheidenden Aussagen wurden gemacht im Konzil von Nicäa, im Konzil von Konstantinopel und im Konzil von Chalcedon. Bis zu diesen Glaubensaussagen war ein weiter Weg, und Paulus steht am Beginn dieses Weges.
Wie hat nun Paulus den dreieinigen Gott zu beschreiben versucht? An den Anfang seiner Lehre setzt er das Wort: „Durch Christus haben wir in dem einen Geiste Zutritt zum Vater.“ Hier sind alle drei beisammen: Durch Christus haben wir in dem einen Geiste Zutritt zum Vater. Das heißt nur durch Christus werden wir mit Gott verbunden. Indem wir ihm eingegliedert werden, werden wir mit Gott vereint. Christus aber wandelt die Menschen um durch den Heiligen Geist. Das neue Leben ist eine Teilnahme am Leben der drei göttlichen Personen. Wer durch die Taufe in Berührung mit Christus kommt, in den fließt der Christus durchströmende Geist ein und durchherrscht ihn. Und dieser wiederum, der Heilige Geist, der in ständiger Hinneigung zum Sohne und zum Vater lebt, führt uns zum Vater. Die Dreiheit der Personen und unsere Vereinigung mit ihnen durch Christus kommt an zahlreichen Stellen der Lehre des Apostels Paulus zum Ausdruck. Im Abschiedsgruß an die Korinther heißt es: „Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.“ Hier sind sie beisammen: Die Gnade Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters und die gemeinschaftsbildende Kraft des Heiligen Geistes. Ähnlich schreibt er im Brief an die Epheser: „Berauschet euch nicht mit Wein, sondern werdet voll des Heiligen Geistes. Im Namen unseres Herrn Jesus Christus danket Gott dem Vater für alles.“ Auch hier sind die drei wieder beisammen: Voll des Heiligen Geistes sollen wir werden, durch Christus dem Vatergott danken.
Wir müssen nacheinander das Verhältnis Christi und des Heiligen Geistes zu Gott dem Vater bedenken. Christus ist nach Aussage des Apostels Paulus das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Abglanz seiner Herrlichkeit und die Ausprägung seiner Substanz. Das Wort „Bild“ bezeichnet nicht nur die Nachahmung Gottes durch Christus, sondern in der Denkweise des Apostels Paulus die Ausstrahlung, das Sichtbarwerden einer unsichtbaren Wirklichkeit, und hat es an dieser Wirklichkeit Anteil – ja ist die Wirklichkeit selbst, insofern sie in Erscheinung tritt. Das Bild ist daher der abgebildeten Wirklichkeit ebenbürtig. Das Bild ist ja der geliebte Sohn des himmlischen Vaters. Er existierte, als die Welt noch nicht geschaffen war. „Er befand sich in Gottesgestalt,“ schreibt Paulus an die Philipper, „hat aber nicht geglaubt, sein Gottgleichsein wie einen Raub festhalten zu müssen, sondern entäußerte sich und ward dem Äußeren nach erfunden wie ein Mensch.“ Der Vater hat ihn, seinen Sohn, in die Welt gesandt, damit er uns von der Sünde loskaufe und uns die Gottesherrschaft vermittele, die Gottessohnschaft schenke. In ihm hat er uns mit sich versöhnt, und durch den Glauben an Christus haben wir Frieden mit Gott und dem Herrn Jesus Christus.
Dann beschreibt der Apostel Paulus die Doppelstellung Christi als Haupt der Kirche und Haupt der Schöpfung. In seiner verklärten Gestalt ist er das Haupt der Kirche, deren Glieder die Christusgläubigen sind. Als solcher ist er Quell des Lebens, wie der erste Adam Quell der Sünde und des Todes war. Durch die Eingliederung in die Gemeinschaft der Kirche, durch Taufe und Glaube, wird der einzelne Mensch mit Christus verbunden und gewinnt Anteil an der Herrlichkeit Christi. Paulus beschreibt das mit den Worten: „Er existiert in Christus“, also mit einer örtlichen Präposition. Er existiert in Christus, in der Wirksphäre Christi. Und Christus existiert in ihm, wie Paulus oft sagt, das heißt der Christ ist durchherrscht von Christus. Und gleichzeitig wird er dadurch ein Kind Gottes. Denn die Sohnschaft Jesu breitet sich gewissermaßen auf alle aus, die an seiner Sohnschaft Anteil bekommen. Wir werden angenommene Söhne des Vaters, wie Christus der wirkliche Sohn des Vaters ist. Und wie wir Christus angehören, so gehört Christus Gott an.
Christus ist aber nicht nur das Haupt der Kirche, er ist auch das Haupt der Schöpfung. Alles, was von Gott kommt, existiert durch Christus. „Er ist der Erstgeborene vor aller Schöpfung,“ schreibt Paulus. In ihm ist alles erschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, Sichtbares und Unsichtbares, Throne, Fürstentümer, Herrschaften und Mächte: alles ist durch ihn und für ihn erschaffen. Er steht an der Spitze des Alls. Das All hat in ihm seinen Bestand. Der Ausdruck Erstgeborener hat offenbar den Sinn, dass alles in Christus erschaffen ist. Die Tatsache, dass alles in Christus und auf ihn hin erschaffen ist, ist auch in dem Worte enthalten: Jesus ist der Herr. Das heißt: ihm gehört alles. Er ist auch der Richter. Unmittelbar beziehen sich diese Aussagen auf den verherrlichten Christus, aber sein verherrlichter Zustand ist ja nur die Offenbarung dessen, was immer in ihm war. Der verklärte Christus ist lebenspendender Geist. Er besitzt den Geist nicht nur durch Teilnahme, sondern von Natur aus. Deshalb kann er das Leben, die Kraft und die Weisheit der Gläubigen werden. Soviel zu dem Verhältnis Christi zum himmlischen Vater.
Nun die Beziehung des Heiligen Geistes zu Gott dem Vater. Paulus verwendet den Ausdruck „Geist“ in einem doppelten Sinne, nämlich als unpersönliche Kraft und als personhafte Wirklichkeit. Die verschiedenen Elemente sind eigentlich immer gemeint, wenn er vom Geiste spricht. Er redet fünfzig- bis sechzigmal vom Geist, daraus sieht man die Bedeutung, die er ihm zuweist. Der Heilige Geist ist die gleichgeordnete personhafte Wirklichkeit, die zu Vater und Sohn gehört. Die Personhaftigkeit des von Vater und Sohn verschiedenen und doch zu ihnen gehörenden Geistes besitzt im Gesamtgefüge der Lehre Pauli über den Geist das stärkste Gewicht. Sie steht auch dort im Hintergrund, wo der Geist als unpersönliche Kraft gemeint ist, z. B. wenn er von den Gaben des Geistes spricht. Die Fülle des Geistes wurde am Pfingsttage der in Jerusalem versammelten Christengemeinde geschenkt. Paulus legt von der Wirksamkeit dieses Gottesgeistes wiederholt Zeugnis ab. Er wirkt in der Gemeinschaft, er gestaltet ihr das Leben Christi ein. Der Einzelne wird als Glied der Kirche des Geistes teilhaftig. Keinem Glied fehlt er. Der Geist ist die wesentliche Gabe des Christen, ohne ihn kann keiner ein Christ sein. „Ihr lebt nicht im Fleische, sondern im Geiste. Wohnt“ – wohnt! – „doch Gottes in euch. Wenn aber einer Christi Geist nicht hat, der gehört ihm auch nicht an.“ Christus wirkt im Menschen durch den Geist. Christus ist das Lebensprinzip für die Getauften, sofern er ihnen den Geist spendet: „Ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerechtfertigt durch den Namen unseres Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes.“ Beachten Sie diese Nebeneinanderstellung: Durch den Namen unseres Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes.
Der Geist wirkt auch die verschiedenen Gnadengaben, die Charismen, die in der christlichen Erfahrung vorkommen. Sie alle stammen von ihm. Jenem wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit er damit Nutzen stifte, dem einen wird durch den Geist Weisheitsrede gegeben, einem anderen Bekenntnisrede durch denselben Geist, einem anderen Glaube in ebendiesem Geist, wieder einem andern Wunderwirkungen, noch einem anderen Prophetengabe, schließlich einem anderen Unterscheidung der Geister. Alles das wirkt ein und derselbe Geist. Er teilt einem jeden zu, wie er will.
Der Geist ist eine seinshafte Wirklichkeit. Und diese seinshafte Wirklichkeit ist uns aufgegeben zur gesinnungsmäßigen Verwirklichung. Die seinshafte Geistigkeit muss gesinnungsmäßig immer mehr verwirklicht werden. Wir müssen in das einstimmen, was wir geworden sind. In einem ständigen fortschreitenden Bemühen wird das neue Leben in uns freigesetzt, das Leben, das frei ist von der Herrschaft des Fleisches und des Buchstabens, das Leben in Christus und durch Christus. Im Galaterbrief ist diese Mahnung am häufigsten anzutreffen: „Wenn wir im Geiste leben, so lasst uns auch im Geiste wandeln.“ „Ich sage aber: Wandelt im Geiste und vollbringt nicht das Begehren des Fleisches, denn das Fleisch begehrt wider den Geist und der Geist wider das Fleisch.“ Wer im Geiste wandelt, in dem erscheinen die Früchte des Geistes: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Geduld, Güte, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit. Das sind die Früchte des Geistes, das sind die Früchte derer, die im Geiste wandeln. Der Geist wirkt die Tugenden, durch die der Mensch Gott angenehm wird. „Jetzt, da ihr von der Sünde befreit seid und zu Knechten Gottes gemacht seid, habt ihr eine Frucht, die zur Heiligung führt.“ Zeichen des neuen Lebens ist die neue Sittlichkeit. Die, welche nach dem Fleische leben, trachten nach den Werken des Fleisches. Die nach dem Geiste leben, trachten nach den Werken des Geistes. Das Trachten des Fleisches ist Tod, das Trachten des Geistes ist Leben und Frieden. Der Geist erleuchtet und stärkt den Christen, er, der in ihm ist, bewegt ihn zu seinem Tun, so dass er nicht mehr durch ein äußeres Gesetz gezwungen oder getrieben wird, sondern sich selbst Gesetz ist. „Wenn ihr vom Geiste getrieben seid, dann seid ihr Kinder Gottes, dann steht ihr nicht mehr unter dem Gesetz.“ Der Geist ist das Prinzip des Lebens im Christen. „Wenn der Geist in euch ist,“ sagt der Apostel Paulus, „wenn der Geist dessen in euch ist, der Jesus von den Toten erweckt hat, der in euch wohnt, dann wird er auch eure sterblichen Leiber lebendig machen und zur Auferstehung führen.“ Der Geist gibt die Anwartschaft, er ist das Unterpfand des ewigen Lebens. Wer den Geist hat, der kann mit Gewissheit rechnen, dass er das ewige Leben empfangen und die Auferstehung erleben wird. Unterpfand, das ist das entscheidende Wort, besagt die sichere Anwartschaft. Wer das Unterpfand besitzt, der ist gewiss, dass er auch die volle Gabe empfangen wird. „Wenn Christus, unser Leben, erscheinen wird, dann werdet auch ihr mit ihm in Herrlichkeit erscheinen.“
Nach diesen Zeugnissen, meine lieben Freunde, ist der Geist ein göttliches Prinzip. Für seinen personhaften Charakter sprechen viele Feststellungen Pauli: Er wohnt in uns, wie in einem Tempel, ja wir sind seine Tempel. Wir sind gerechtfertigt im Geiste, wir sind geheiligt im Geiste. Gott hat ihn in unsere Herzen gesandt. Er teilt seine Gaben aus, wie er will. Das alles sind Bezeichnungen, die die Personhaftigkeit des Geistes bezeugen. Nicht, wie nichtkatholische Religionsgemeinschaften meinen, nur seine Gaben, nur seine Mitteilungen, nur seine Werke nach außen hin. Nein: Der vom Vater gesandte Geist ist eine Person, die sich ebenbürtig neben die Person des Vaters und des Sohnes stellt.
Ich gebe zu, meine lieben Freude, dass der katholische Prediger wenige Gegenstände darzubieten hat, die so schwer zu vermitteln sind wie die Lehre des dreifaltigen Gottes. Ich habe versucht, sie anhand der Äußerungen des Apostels Paulus darzustellen. Ich bin mir bewusst, dass wir damit nur von ferne an das Geheimnis rühren. Aber muss es nicht so sein? Ein Gott, den wir durchschauen könnten, wäre nicht mehr Gott, der wäre ein Gemächte des Menschen, den hätte der Mensch selbst gemacht, wie Feuerbach geschrieben hat: Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde. Nein, so darf es nicht sein. Der Gott, an den wir glauben, muss undurchschaubar sein. Das ist eine Qualität seines Wesens. Wenn wir an den dreieinigen Gott denken, dann müssen wir in den Ruf Pauli einstimmen, den wir heute in der Epistel gelesen haben: „O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes. Wie unerforschlich sind seine Wege, wie unaufspürbar seine Gerichte. Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt? Wer ist ihm Ratgeber gewesen? Wer hat ihm etwas gegeben, so dass es ihm vergolten werden müsste? Nein: Alles ist durch ihn und aus ihm und zu ihm hin. Ihm sei die Ehre in Ewigkeit.“
Amen.