Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
12. Februar 1989

Die Heidenmission

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Lesung aus der Apostelgeschichte, die eben an unser Ohr geklungen ist, berichtet von einem entscheidenden Ereignis in der Geschichte der Kirche. Zum erstenmal stand Petrus, der erste Papst, vor Heiden und verkündete ihnen den Namen, der ihm alles war, im Hause des Cornelius in Cäsarea am Meer. Wie war er dahin gekommen? In Cäsarea, der Residenz des Statthalters, des Prokurators, standen römische Truppen, seitdem Palästina von den Römern erobert worden war, und zwar italische Kohorten. An der Spitze einer Kohorte stand ein Hauptmann, ein Centurio, und dieser Hauptmann hieß Cornelius. Cornelius hatte ein Gesicht, eine Erscheinung, in der ihm Gott seine Gnade erwies, denn Cornelius war ein frommer Mann. In diesem Gesicht sah er einen Mann – in Joppe, das ist das heutige Jaffa –, den er zu sich rufen sollte, und der ihm den Weg des Heiles eröffnen würde. Er solle also Soldaten nach Joppe schicken, die diesen Mann nach Cäsarea brächten.

In Joppe aber weilte Petrus, und auch er wurde von Gott einer Erscheinung gewürdigt. Er sah in einem Traumgesicht, wie in einem Tuche unreine Tiere niedergelassen wurden vom Himmel und er den Befehl erhielt, er solle diese Tiere schlachten und essen. Da entsetzte sich der Jude, der ja Petrus war, denn unreine Tiere darf man eben nach dem alttestamentlichen Gesetz nicht schlachten und essen. Aber da hörte er eine Himmelsstimme: „Was Gott geheiligt hat, das darfst du nicht unrein nennen.“ Da begriff er, daß diese Vision eine besondere Bedeutung hatte. Er wußte noch nicht, in welche Richtung sie weisen würde, aber als dann die Gesandtschaft des Hauptmanns Cornelius eintraf und ihn aufforderte, nach Cäsarea zu kommen, da fing er an zu ahnen, worum es sich handelte; denn er wurde in das Haus eines Heiden gerufen und sollte diesem Heiden den Namen Jesu künden.

Jetzt hatte Gott die Scheidewand niedergerissen, die dem Eintritt der Heiden in die junge Kirche entgegenstand. Denn bisher hatten eben die Juden allein die Heilsbotschaft vorgetragen bekommen, bisher hatte Petrus nur unter Juden missioniert. Jetzt wendete er sich mit der Mission zum erstenmal an Heiden. Er predigt vor Cornelius und den natürlich von ihm herbeigerufenen Freunden, Bekannten, Untergebenen. Und was predigt er? An erster Stelle erwähnt er den Herrn. Jesus ist ein kyrios. Das griechische Wort Kyrios bedeutet soviel wie Gott. In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments wurde das hebräische Wort Jahwe – das ist der Gottesname – über sechstausend Mal mit kyrios übersetzt. Wer also vom Kyrios spricht als gläubiger Jude, der meint damit den Herrn, der Gott ist. Und von diesem Herrn kündet jetzt Petrus in Cäsarea am Meere dem Cornelius und seiner Gefolgschaft, vor allem davon, daß dieser Herr lebt. Und da entwickelt er einen Abriß des Lebens Jesu, einen Extrakt dieses wunderbaren Geschehens, dessen Zeuge er war, ausgehend von Galiläa, erklärt er, was Jesus getan, gesagt, gelitten und den Menschen gebracht hat. Er faßt dieses Leben in zwei Worten zusammen: Er ging vorüber, Wohltaten spendend. Schöner und kürzer kann man den Inhalt des Lebens Jesu nicht zusammenfassen als mit diesen Worten: Er ging vorüber, Wohltaten spendend. Sein Leben war ein Leben für andere, ein Leben des Segens, ein Leben des Heiles, ein Leben, das überströmte von Gutes-Tun und Wohltaten-Spenden. Und dann fallen dem Petrus alle diese Tage, Wochen, Monate und vielleicht auch Jahre ein, die er in der Gesellschaft Jesu verbringen durfte. Da wird er sich erinnert haben an diese wunderbaren Ereignisse wie in Kana, wo der Herr sein erstes Wunder wirkte – „und seine Jünger glaubten an ihn.“ Da mag ihm der wunderbare Fischfang ins Gedächtnis gekommen sein, wo Petrus, überwältigt von der reichen Ernte aus dem Meere, zum Herrn sprach: „Herr, gehe hinweg von mir, ich bin ein sündiger Mensch.“ Er mag zurückgedacht haben an die Geschehnisse auf dem Berge Tabor, wo der Herr verklärt wurde, wo die Gottesherrlichkeit durchbrach durch seine menschliche Erscheinung und wo er selbst die ein wenig ungeschickt anmutende Frage stellte: „Herr, hier ist gut sein. Wollen wir hier nicht drei Hütten bauen?“, damit sie hier verweilen könnten an diesem Ort der Gnade, des Glückes und des Friedens.

Das alles mag Petrus vor Augen gestanden haben, als er vom Leben Jesu zu Cornelius sprach. Er mag auch gedacht haben an jene Nacht des Verrates und der Verleugnung, die Nacht, in der er hinausging aus dem Hof des Hohenpriesters und bitterlich weinte, weil er seinen Herrn verleugnet hatte. „Ihn haben sie ans Kreuzesholz gehängt,“ so sagte er jetzt vor seinen heidnischen Zuhörern, „den Urheber des Lebens haben sie dem Tod überliefert, aber der Tod vermochte ihn nicht festzuhalten.“ Seine göttliche Kraft sprengte die Fesseln des Todes, zerriß die Bande, die ihn an das Grab banden und befreite ihn, so daß er siegreich und glorreich dem Grabe entstieg.

Das alles hat Petrus dem Cornelius in diesen Stunden im Hause in Cäsarea am Meere gesagt, und die Zuhörer waren ergriffen davon. Sie erfaßten, daß das Leben Jesu ein übermenschliches Leben war. Sie begriffen, daß, was Petrus berichtete, den kyrios als göttlichen Wesens erwies, seine Worte und seine Taten, sein Selbstbewußtsein und seine Verkündigung, sein segensreiches Leben und Wirken, das alles war ein Zeugnis für seine göttliche Qualität. Gleichzeitig aber auch war sein menschliches Leben ein Trost und ein Vorbild, weil eben der Herr in seiner menschlichen Gestalt, in seiner menschlichen Natur den Menschen vorzeigte, was man auf Erden tun kann für Gott, daß man imstande ist, zu leiden für Gott, und wie man sich in beispielhafter Weise in den Willen Gottes schicken kann.

So hat Petrus im Hause des Cornelius das Leben Jesu entfaltet. Es wird unsere Aufgabe in den kommenden Wochen, an den kommenden Sonntagen sein, dieses Leben in seinen wesentlichen Zügen uns vor Augen zu stellen.

Als Petrus seine Verkündigung vorgebracht hatte, da griff Gott selber ein. Petrus hatte davon gesprochen, daß jetzt im Namen Jesu Heil ist, daß jeder – also keineswegs nur die Juden –, der seinen Namen anruft, Vergebung der Sünden empfängt. Das ist die höchste Not des Menschen, daß er Sünder ist, das ist die notwendigste Hilfe. die er braucht, daß er von der Sünde frei kommen soll, und das ist die beseligendste Kunde, daß Gott ihn befreien will, wenn er den Namen Jesu anruft. Das eben hatte Petrus verkündigt, und da fiel der Heilige Geist auf die Zuhörer, sichtbar und hörbar erkannten Petrus und seine Begleiter, daß Gott damit ein Zeichen gegeben hatte, daß er hier Heiden in die Kirche aufnehmen sollte. Kann man das Wasser hindern, die abzuwaschen – getauft zu werden –, über die der Heilige Geist herabgekommen ist? So fragte er. Normalerweise folgt ja die Geistbegabung der Taufe, ist sie mit der Taufe verbunden. Hier ging sie, die Geisterfüllung, der Taufe voraus; und das eben war das göttliche Zeichen, das jeden letzten Zweifel von Petrus hinwegnahm, daß er berufen war, Heiden in die Kirche aufzunehmen. Das war seine große Tat in Cäsarea am Meer.

Das Leben Jesu, meine lieben Freunde, sollte uns lieb und wert vor allem sein. Wir sollten es kennenlernen, wir sollten uns bemühen, in dieses Leben einzudringen. Unsere Vorfahren haben das in ergreifender Weise oft getan. In der Grafschaft Glatz in Schlesien liegt ein kleiner Ort mit Namen Albendorf. In Albendorf hat ein Ritter, ein frommer Ritter namens Paschasius von Osterberg, vor Hunderten von Jahren eine wunderbare Kirche errichten lassen, und zwar nahm er zum Vorbild für den Grundriß der Kirche den Tempel von Jerusalem. Diese Kirche ließ er umgeben mit einem Kranz von Kapellen, in denen das Leben Mariens dargestellt ist, und auf dem benachbarten Kalvarienhügel wurden ebenfalls Kapellen errichtet, in denen in 70 figürlichen Darstellungen das Leben Jesu vor dem frommen Betrachter ausgebreitet wird. Mit ungeheuerer Mühe und selbstverständlich auch mit gewaltigen Kosten wurde dieses Werk, das heute noch steht, errichtet. Diese Menschen der damaligen Zeit hatten eben eine große Sehnsucht, das Leben Jesu kennenzulernen, sich in dieses Leben hineinzuversetzen, die Kraft seines Zeugnisses und die Macht seines Vorbildes zu erfahren.

Wollen wir uns von ihnen beschämen lassen? Müssen nicht auch wir eine große Sehnsucht haben, Jesus, sein göttliches und menschliches Leben kennenzulernen, es zu begreifen in seinem Heilswert, in seiner Heilsbedeutung für uns, und es, soweit es uns gegeben ist, nachzuahmen, damit wir ihm so folgen können, wie er uns vorausgegangen ist?

Amen.

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