Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Kirchengebote (Teil 1)

13. April 1986

Die Pflicht, den Sonntag zu heiligen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Du sollst an jedem Sonn- und Feiertag eine heilige Messe mit Andacht hören!“ So lautet das zweite Kirchengebot, das wir als Kinder gelernt haben. Dieses Gebot ist nach wie vor gültig. Du sollst jeden Sonn- und Feiertag – gemeint sind die gebotenen Feiertage – eine heilige Messe mit Andacht hören!

Daß der Sonntag zu heiligen ist, sagt uns Gottes Gebot. Wie der Sonntag zu heiligen ist, sagt das Kirchengebot. Die Sonn- und Feiertagsheiligung hat zu geschehen, indem der Christ, indem der katholische Christ sich an dem beteiligt, was der größte Schatz seiner Kirche ist, nämlich dem heiligen Meßopfer. Es ist nichts denkbar, was über den Wert der heiligen Messe gehen könnte auf Erden. Das ist das größte, das schönste und das beglückendste Geschenk, das unser Herr und Heiland seiner Gemeinde, seiner Kirche, uns vermacht hat.

Du sollst alle Sonn- und Feiertage eine heilige Messe mit Andacht hören! Man wundert sich, daß ein solches Gebot notwendig ist. Man sollte meinen, die Christen würden strömen an den Ort, wo das Meßopfer gefeiert wird, wo die Menschwerdung sich in gewisser Hinsicht erneuert, wo das Kreuzesopfer in die Gegenwart eintritt. Man sollte meinen, wir würden nicht mehr lassen von der Teilnahme an diesem heiligen Geschehen. Aber nein, die Kirche muß sagen: „Du sollst alle Sonn- und Feiertage eine heilige Messe mit Andacht hören!“ Ja, wie kommt das denn ?

Der Grund ist darin gelegen, daß einmal der Glaube bei vielen Christen schwach und daß zum anderen das Fleisch bei vielen schwach ist.

Der Glaube ist schwach. Man kann das eucharistische Opfer nur schätzen, wenn man Glauben hat, denn etwas Irdisch-Theatralisch-Sichtbares geschieht hier nicht. Das ist nicht prickelnd und reizend wie eine Theateraufführung oder auch nur ein Fernsehfilm, sondern das ist etwas Tief-Innerliches, Verborgenes, Geheimnisvolles, das sich nur dem erschließt, der sich Jesus zugewandt hat und den Glauben angenommen hat und aus dem Glauben lebt. Weil aber viele den Glauben nicht, nicht mehr oder nicht ungebrochen haben, deswegen ziehen sie eben das warme Bett oder den Ausflug oder den Besuch dem Meßopfer vor. Es fehlt am Glauben!

Dazu kommt die Schwäche des Fleisches. „Der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach.“ Der Mensch entschuldigt sich leicht. Es gibt Entschuldigungsgründe, die uns berechtigen, von der Feier des heiligen Meßopfers fernzubleiben: Krankheit oder ein Notfall. Wenn ein Feuer ausbricht, dann muß ich das Feuer löschen und kann jetzt nicht zur heiligen Messe eilen, das ist ja selbstverständlich. Es gibt Entschuldigungsgründe, aber bei vielen Menschen werden sie zu leicht genommen. Sie entschuldigen sich zu billig. Vor Menschen mag das hingehen, aber vor Gott wird es nichts helfen. Gott wird sie einmal fragen: „Wie hast du dieses Gebot geachtet: Du sollst jeden Sonn- und Feiertag eine heilige Messe mit Andacht hören, jenes Gebot, das die Vorsteher der Kirche in meiner Stellvertretung erlassen haben?“

Aber nun kommt das wichtigste: Warum müssen wir denn eine heilige Messe mit Andacht hören? Ist denn die Messe so unersetzlich? Gibt es dafür keinen Ersatz? Kann man nicht auch in den Wald gehen oder auf die Höhe oder ans Meer und dort beten? O gewiß! O gewiß! Das kann man! Nur findet man dort nicht die Gegenwart des Kreuzesopfers Christi! Man kann am Strand beten und unter hohen Fichtenbäumen, aber da ist nicht der Opferaltar, da ist nicht die Vergegenwärtigung des Geschehens von Golgotha, da ist nicht der Opferpriester Jesus Christus, und da ist nicht die Opfergabe, nämlich eben derselbe Jesus Christus. Das alles findet sich nur im Meßopfer der einen heiligen katholischen Kirche.

Du sollst eine heilige Messe mit Andacht hören! Das heißt eine ganze heilige Messe. Und wir haben als Kinder auch die Kasuistik gelernt, also die einzelnen Fälle zu unterscheiden, wann man noch sagen kann, das ist eine ganze heilige Messe. Das ist nicht überflüssig. Man war eben früher genau im Religionsunterricht und in der Unterweisung. Und die Lehrer haben uns – und das war richtig – gesagt: Man muß wenigstens bei Opferung (Opfervorbereitung), Wandlung und Kommunion zugegen sein. Das sind die drei Hauptteile der heiligen Messe: Opferung (Opfervorbereitung), Wandlung und Kommunion.

In der Gegenwart hat eine Kampagne dagegen eingesetzt, den ersten Hauptteil als „Opferung“ zu bezeichnen. Der Name für diese Phase der heiligen Messe kommt daher, daß einmal die Gläubigen früher – und auch heute noch – bei dieser Gelegenheit opfern. Sobald die sogenannte Opferung beginnt, geht der Klingelbeutel herum, und das ist übriggeblieben von den früheren Opfergaben, wo die Gläubigen nicht nur Geld brachten, sondern andere Gaben wie Getreide, Öl, Wein, Flachs. Der Opfergang der Gläubigen hat dieser Phase der heiligen Messe den Namen gegeben, aber nicht nur er, sondern hier wird tatsächlich auch etwas aufgeopfert, nämlich die Gaben von Brot und Wein, die bestimmt sind, in das kostbare Blut und in den kostbaren Leib des Herrn verwandelt zu werden.

Es wird auch vom Priester etwas aufgeopfert. Er sonderte früher aus den dargebrachten Gaben einige aus, nämlich Brot und Wein, und opferte sie dem himmlischen Vater auf. Heute erfolgt keine Aussonderung mehr, weil die Gläubigen eben keine Naturalgaben mehr bringen; aber die Aufopferung ist heute genauso vorzunehmen wie vor 1500 oder 1800 Jahren. Brot und Wein werden dem himmlischen Vater vom Priester aufgeopfert und geweiht – in einer vorläufigen Weise. Und deswegen ist es nicht falsch zu sagen, daß das eine Opferung ist. Freilich muß man dabei immer sich vor Augen halten, daß das eigentliche Opfer der heiligen Messe selbstverständlich das Opfer Christi ist, das er am Kreuze vollbracht hat, das in der heiligen Messe gegenwärtig wird und das wir dann dem himmlischen Vater darbringen, gegenwärtig wird bei der zweiten, ja bei der eigentlichen Hauptphase der heiligen Messe, nämlich bei der Wandlung. Nur steht eben hier für unser beschränktes Fassungsvermögen im Vordergrund die Gegenwart des Leibes und des Blutes Christi. In der Wandlung geschieht, daß die Substanz des Brotes und die Substanz des Weines in den Leib und das Blut des Herrn verwandelt werden. Wer tut denn das? Das tut Christus. Wodurch tut er es? Er tut es durch den Priester.

Wandeln geht über die Kräfte des Priesters hinaus, das kann kein Mensch, das kann nur Gott, unser Gott und Heiland Jesus Christus. Aber er will bei diesem Vorgang ein Werkzeug haben, er, der Allmächtige bedient sich eines schwachen Werkzeugs, nämlich des geweihten Priesters. Und wenn der Priester die Wandlungsworte spricht, dann wandelt Gott durch seinen Heiligen Geist diese Gaben. Der Priester ist Stellvertreter, unerläßlicher Stellvertreter, aber die Kraft der Wandlung kommt von Gott.

Wenn die Gaben dann auf dem Altare liegen, Christi Leib und Christi Blut, dann erfolgt die Aufopferung, dann betet der Priester, daß der Vater im Himmel die himmlischen Gaben, die er uns selbst geschenkt hat, annehme. Und das ist unsere Gabendarbringung. Jetzt haben wir ja das Kostbarste, was es auf Erden, ja was es im Himmel geben kann, nämlich den Sohn Gottes. Den haben wir jetzt auf dem Altare. Und jetzt bieten wir Gott nicht mehr Brot und Wein dar, jetzt bringen wir die kostbarste Gabe, die Gott je ersinnen konnte, seinen heiligen, eingeborenen Sohn dar.

Die dritte Hauptphase ist der Genuß dieser Speise. Wenn Gott uns seinen Sohn schenkt, dann nicht nur, daß er bei uns ist, sondern daß er sich mit uns vereinigt. Wir sollen ihn essen und trinken, natürlich nicht nur mit dem Munde, sondern die Aufnahme mit dem Munde soll begleitet sein von der Aufnahme ins Herz. Was wir mit dem Munde empfangen, das sollen wir mit reinem Herzen aufnehmen. Er will bei uns sein, um in uns Wohnung zu nehmen, die heiligmachende Gnade zu vermehren, um uns Kraft zu geben gegen die bösen Begierden. Er will bei uns sein, um uns Unsterblichkeitskeime einzusetzen, damit wir beim Tode anfangen können zu leben, zu leben in seiner Ewigkeit. Das ist der Sinn der heiligen Kommunion.

Da kann man sich nur wundern, meine lieben Freunde, wenn es in Erstkommuniontexten, in Texten, die zur Erstkommunion den Kindern vorgelegt und in die Hand gegeben werden, heißt: „Darum hat uns Gott Gemeinschaft gegeben. Beim Mahl schenkt er Wein uns und Brot.“ Nein! Nein! Er schenkt nicht Wein und Brot, das haben wir ja zu Hause, dazu brauchen wir nicht in die Kirche zu kommen. Nein!! Er schenkt uns seinen Leib und sein Blut!

Nein, meine Freunde, so ist es nicht, wie es in dem genannten Text heißt. In diesem kostbaren Geschenk der heiligen Kommunion, da wird uns der gegeben, den die Himmel der Himmel nicht fassen können, Jesus Christus, der Sohn Gottes mit Gottheit und Menschheit, mit Fleisch und Blut, mit Leib und Seele.

Du sollst an jedem Sonn- und Feiertag eine heilige Messe mit Andacht hören, d.h. du sollst nicht nur körperlich dabei sein und mit deinen Gedanken in der Familie oder am Arbeitsplatz oder beim Vergnügen. Nein, du sollst mit Andacht, d.h. mit innerer Herzenshingabe, dieses Geschehen mitfeiern. Du sollst dich anschließen an den Priester, wenn er das Meßopfer feiert, du sollst die Gesinnungen haben, die diesem Geschehen angemessen sind. Und welches sind diese Gesinnungen?

Sie lassen sich mit wenigen Sätzen ausdrücken: Im Meßopfer geht der Sohn Gottes in sakramentaler Weise durch Tod und Auferstehung zum Vater, weil das Kreuzesopfer und die Auferstehung in dem geopferten und verklärten Leib und Blut Jesu Christi gegenwärtig werden. Christus zieht die Opfergewänder an und geht zum Vater. Da haben wir nichts anderes zu tun, als zu rufen: Mein Heiland, nimm mich mit! Du gehst zum Vater durch Tod und Auferstehung. Mein Heiland, nimm mich mit! Laß mich nicht zurück, nimm mich mit zu deinem Vater!

Wer so während der Eucharistiefeier gebetet hätte, der hätte die heilige Messe mit Andacht mitgefeiert. Wenn er nur die ganze Messe rufen würde: Mein Heiland, nimm mich mit!, dann hätte er das Meßopfer vorzüglich mitgefeiert. Selbstverständlich sollen wir uns an die einzelnen Teile anschließen, also bei der Opferung sollen wir das Unsere aufopfern, unsere Gedanken, Worte und Werke, alles was wir tun und was wir haben. Nach der Wandlung sollen wir dem himmlischen Vater Christus aufopfern. Er ist ja jetzt da, und da sollen wir ihm sagen: „Siehe auf deinen Sohn! Nimm ihn an als unser Opfer! Als dein Opfer nimmst du ihn ja sicher an, aber nimm ihn auch an als unser Opfer und heilige meine Seele! Tröste die Bedrängten, richte auf die Niedergeschlagenen und Verzweifelten!“ Und bei der heiligen Kommunion, da müßten wir rufen: „Jesus, Jesus, komm zu mir! O wie sehn' ich mich nach dir. Meiner Seele bester Freund, wann werd' ich mit dir vereint?“ So müssen wir rufen.

Und wenn wir so die heilige Messe mitfeiern, dann wird dieses Geschehen zur Segenskraft und zur Segensfülle und zur Segensquelle unseres Lebens werden.

Amen.

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