Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Der Sündenfall (Teil 6)

17. Dezember 1989

Die Sünde des Menschen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Ich für meinen Teil muß gestehen: Sobald mir die christliche Religion die Lehre vom Sündenfall erklärte, gingen mir die Augen auf, und ich sah überall die Merkmale dieser Wahrheit. Denn die ganze Welt predigt einen verlorenen Gott und eine gefallene Natur.“ Diesen wunderbaren Satz hat der französische Philosoph und Mathematiker Blaise Pascal geschrieben. „Ich für meinen Teil muß gestehen: Sobald mir die christliche Religion die Lehre vom Sündenfall erklärte, gingen mir die Augen auf, und ich sah überall die Merkmale dieser Wahrheit. Denn die ganze Welt predigt einen verlorenen Gott und eine gefallene Natur.“

Wir haben an den vergangenen Sonntagen die Schöpfung Gottes betrachtet. Wir haben gesehen, wie Gott den Menschen in einem Zustand wunderbarer Erhabenheit erschaffen hat. Er besaß die heiligmachende Gnade, er hatte die außernaturalen Gaben, ein besonders hohes Wissen, er besaß die Gabe der Unsterblichkeit, die Gabe der Freiheit von Leiden und vor allem die Freiheit von der bösen Begierlichkeit. In seinem Körper, in seiner Seele, da wucherte nicht die Konkupiszenz. Da erhebt sich die Frage: Wie konnte er dann fallen? Wie konnte Adam, so schön ausgerüstet, der Sünde erliegen? Die Heilige Schrift gibt darauf die Antwort: Die Sünde nahm nicht ihren Anfang in Adam, sondern es war eine fremde Macht, die von außen an ihn herankam und ihn zur Sünde verführte. Die Menschen waren im Paradies glücklich. Sie haben kein Schlaraffenleben geführt, wie wir sahen, sondern sie mußten arbeiten, und sie mußten Wachdienst leisten; aber das war ohne Qual, ohne Mißerfolg, ohne die Trübsal der Arbeit.

Dennoch hatte Gott den Menschen ein Prüfungsgebot gegeben. Auch die ersten Menschen sollten spüren, daß sie Menschen sind, nicht Gott, nicht autonom, sondern heteronom, unter einem anderen Gesetz stehend als dem, das sie sich selber geben. „Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, nur vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen. Denn sobald du davon issest, bist du dem Tode verfallen.“ Das war also das Gebot, das Gott dem Menschen gegeben hatte. An diesem Gebot sollte er seinen Gehorsam gegenüber Gott bewähren. Aber da trat der Verführer an sie heran, der Teufel, in der Erzählung der Genesis geschildert unter dem Bild einer Schlange. Die Schlange hat etwas Unheimliches an sich, weil sie schleicht und gefährlich ist. Deswegen schildert der heilige Schriftsteller den Teufel unter dem Bild der Schlange. Die Schlange war listiger als alle Tiere des Feldes, die Gott gemacht hatte, und sie sprach zur Frau: „Hat Gott wirklich gesagt, ihr dürft von keinem Baume des Gartens essen?“ Da stutzt man, denn das, was die Schlange da sagt, ist doch eine Unwahrheit. „Hat Gott wirklich gesagt, ihr dürft von keinem Baume des Gartens essen?“ So hatte Gott gar nicht gesagt; nur von einem Baum sollten sie nicht essen dürfen, so hatte er gesagt. Also die Schlange beginnt mit einer Lüge. Und Eva klärt sie auf: „Von den Früchten der Bäume des Gartens dürfen wir essen, nur bezüglich der Früchte des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht hat Gott befohlen: Davon dürft ihr nicht essen, ja, sie nicht einmal anrühren, sonst müßt ihr sterben.“ Da griff die Schlange an: „Keineswegs werdet ihr sterben. Vielmehr weiß Gott, daß euch die Augen aufgehen werden, sobald ihr davon eßt, und daß ihr wie Gott werdet, indem ihr erkennt, was gut und böse ist.“ Zwei neue Lügen. „Keineswegs werdet ihr sterben.“ Gott droht nur, aber er erfüllt seine Drohung nicht. Und die zweite Lüge: „Ihr werdet sein wie Gott, erkennend Gutes und Böses.“ Was ist damit gemeint? Damit ist nicht das Unterscheidungsvermögen gemeint, was sittlich gut und was sittlich schlecht ist, denn das ist mit der Vernunft gegeben. Sobald ein Mensch zum Vernunftgebrauch kommt, weiß er auch zu unterscheiden zwischen Gut und Böse. Nein, das ist hier nicht gemeint, sondern erkennend Gutes und Böses, das heißt über göttliches Wissen verfügen, über ein Wissen verfügen, das Gott vorbehalten ist. Und so verdächtigt die Schlange Gott, daß er gewissermaßen eifersüchtig auf die Menschen ist, daß er sie klein und dürftig halten will, daß er ihnen dieses hohe Wissen nicht gönnt. Und diese Verdächtigung hat Erfolg. Jetzt sah die Frau, wie köstlich die Früchte des Baumes munden müßten, welch lieblichen Anblick sie darboten, wie begehrenswert sie waren, um durch sie weise zu werden. Mit drei Sätzen beschreibt der heilige Schriftsteller, wie jetzt die Frucht des verbotenen Baumes vor der Frau erscheinen. So hatte sie die Frucht noch nie gesehen, wie sie jetzt die Schlange ihr geschildert hatte. Und da wird sie schwach. „Nun nahm sie von den Früchten und aß, auch ihrem Manne gab sie davon, und auch er aß.“ Und was ist die augenblicklich eintretende Folge? „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie merkten, daß sie nackt waren.“ Die Schlange hatte gesagt: „Dann werdet ihr weise werden, wissend wie Gott.“ Das Gegenteil ist eingetreten. Sie erkennen ihre Blöße. Nacktheit bedeutet im Alten Testament immer Not, Dürftigkeit, Armseligkeit. Und eben das erkennen sie jetzt. „Sie erkannten, daß sie nackt waren.“

Schon ist die erste Folge der Sünde eingetreten. Die Sünde verheißt ungeheuer viel, Lebenskraft, Lebenssteigerung, Lebensqualität. Und was sie bringt, das ist Erniedrigung, das ist Erschütterung, das ist Scham und Schande. „Als sie aber das Geräusch der Schritte Gottes, des Herrn, hörten, der sich zur Zeit des Tagwindes im Garten erging, da versteckten sie sich.“ Bisher waren sie vertraut im Umgang mit Gott, arglos und liebevoll. Jetzt verstecken sie sich vor Gott. „Adam und seine Frau versteckten sich in den Sträuchern des Gartens, doch Gott der Herr, rief nach Adam und fragte ihn: Wo bist du? Er antwortete: Als ich im Garten das Geräusch deiner Tritte hörte, fürchtete ich mich, weil ich nackt bin.“ An die Stelle der liebenden Gemeinschaft mit Gott ist die Furcht getreten. „Deshalb habe ich mich versteckt.“ Da fragte Gott: „Wer hat dir kundgetan, daß du nackt bist? Hast du etwa von dem Baum gegessen, von dem zu essen ich dir verboten habe?“ Ja, natürlich hat er das getan, aber er versucht sich zu entschuldigen, herauszureden. „Die Frau, die du mir beigesellt hast, die gab mir von dem Baume, und ich aß.“ Hier versucht er gewissermaßen die Schuld von sich abzuwälzen auf die Frau, ja auf Gott, der ihm die Frau, die ihn verführt, gegeben hat. „Die Frau, die du mir gabst.“ Nun fragte Gott, der Herr, die Frau: „Warum hast du das getan?“ Und die Frau steht auch nicht zu ihrer Tat. Sie entgegnet: „Die Schlange hat mich verführt, deshalb habe ich gegessen.“ Das ergibt eine dreigliedrige Kette: Adam – Eva – die Schlange. Adam verteidigt sich unter Berufung auf seine Frau, die Frau verteidigt sich unter Hinweis auf die Schlange. Und tatsächlich hat bei ihr das Unheil den Anfang genommen. Von ihr ging die Verführung aus, und deswegen geht auch jetzt die Strafe zuerst über die Schlange nieder. „Da fuhr Gott, der Herr, die Schlange an: So sei denn, weil du das getan hast, verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf deinem Bauch mußt du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens.“ Was hier über die Schlange gesagt wird, geht natürlich auf den Satan. Der Satan ist verflucht, der Satan ist getrennt von Gott und für immer von ihm geschieden. Und deswegen: „Feindschaft will ich setzen zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Sproß und ihrem Sproß.“ Mit dem Teufel gibt es keinen Frieden, sondern nur Kampf und Feindschaft.

Nach der Schlange aber ergeht der Urteilsspruch über die Frau. „Viele Beschwerden will ich dir auferlegen bei deiner Mutterschaft. In Schmerzen sollst du Kinder haben, und doch wirst du nach deinem Manne verlangen, der über dich herrschen wird.“ Das ist der Urteilsspruch über die Frau. Jetzt die umgekehrte Reihenfolge. Er beginnt bei der Schlange und geht über die Frau zum Manne. Der Mann kommt erst an dritter Stelle dran. „Zu Adam sprach Gott: Weil du der Bitte deiner Frau nachgegeben und von dem Baum gegessen hast, bezüglich dessen ich dir geboten habe, du darfst nicht von ihm essen, so sei der Erdboden verflucht um deinetwillen. Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren alle Tage deines Lebens. Dornen und Disteln soll er dir tragen. Im Schweiße deines Angesichtes wirst du dein Brot verzehren, bis du zur Erde zurückkehrst, von der du genommen bist. Denn Staub bist du, und zum Staube kehrst du zurück.“

Was hat Adam verloren, meine lieben Christen! Beginnen wir mit dem Letzten! Er hat die Gabe der Unsterblichkeit verloren. „Staub bist du, und zum Staube kehrst du zurück.“ Er hat die Gabe der Leidensunfähigkeit verloren. Jetzt muß er unter Bitterkeit und Qual sein Leben führen. Die Natur ist feindselig gegen ihn. Der Frost kommt zur ungelegenen Zeit, Wassermassen überschütten das Land. Die Erde, die der Mensch mißbraucht hat, die Erde, gegen die er sich im Gebote Gottes vergangen hat, schlägt gegen ihn zurück. Er verliert die wunderbare Gabe der Freiheit von blinder Leidenschaft. Die Konkupiszenz, die Begierlichkeit, haust jetzt in seinem Leibe und in seiner Seele. Was hast du verloren, o Adam!

Und damit nicht genug. Adam und Eva wurden von Gott aus dem Paradiese vertrieben. „Ja, jetzt ist der Mensch geworden wie unsereiner, so daß er kennt Böses und Gutes. Daß er jetzt nur nicht seine Hand ausstreckt und auch vom Baume des Lebens ißt und ewig lebt.“ So vertrieb ihn Gott, der Herr, von dem Garten, damit er den Boden bearbeitet, von dem er genommen. Und im Osten des Gartens stellt er die Cherubim auf und das zuckende Flammenschwert zur Bewachung des Weges zum Baume des Lebens.

Lost paradise! Das Paradies ist den Menschen verlorengegangen, verloren für immer.

Amen.

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