Die Wahrheit verkündigen,
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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Kirchengebote (Teil 3)

27. April 1986

Die Pflicht, das Bußsakrament zu empfangen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Du sollst wenigstens einmal im Jahre deine Sünden beichten!“ „Du sollst wenigstens einmal im Jahre die heilige Kommunion empfangen, und zwar zur österlichen Zeit!“ So lauten das 4. und das 5. Kirchengebot. Wie alle Kirchengebote sind sie nicht rein menschliches Gesetz, sondern in den Kirchengeboten wird das göttliche Gesetz präzisiert, konkretisiert, auf eine griffige Formel gebracht, wie wir Menschen es brauchen. Denn wenn die Auslegung der allgemeinen Weisungen, die Gott gegeben hat, jedem einzelnen überlassen bleibt, dann sucht er sich die billigste und bequemste heraus. Deswegen ist eine große Autorität hinter diesen beiden Geboten: „Du sollst wenigstens einmal im Jahre deine Sünden beichten!“ „Du sollst wenigstens einmal im Jahre die heilige Kommunion empfangen, und zwar zur österlichen Zeit.“

Der Ton bei diesen Geboten liegt auf dem „wenigstens“. Nicht auf dem „einmal“, sondern auf dem „wenigstens“! Du sollst es möglichst oft tun, möglichst häufig. Du kannst jeden Tag die heilige Kommunion empfangen, ja der Heiland wünscht sehnlich, sich mit dir zu vereinigen. Aber die Kirche sagt: Wenigstens einmal im Jahre, da mußt du es tun, wenn du lebendig bleiben willst, wenn du nicht das furchtbare Verdikt des Herrn auf dich ziehen willst: „Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht essen und das Blut nicht trinken werdet, dann werdet ihr das Leben nicht in euch haben.“

Die heilige Kommunion und die heilige Beicht hängen eng zusammen. Normalerweise ist eben die heilige Beicht die Vorbereitung auf die heilige Kommunion. Man muß kommunionwürdig sein, und das wird man, wenn man reuig seine Sünden bekennt und die Lossprechung des Priesters empfängt. Wer die Sünde, wer Gott, wer sein eigenes Heil ernst nimmt, wird nicht warten, bis die einmalige Beichtgelegenheit wieder kommt. Er wird so bald wie möglich streben, von der Sünde frei zu werden. Wenn er das Unglück hat, in eine Sünde zu fallen, wird er sich danach sehnen, die tröstlichen Worte des Priesters zu hören: „Deine Sünden sind dir vergeben. Gehe hin in Frieden!“

Aber damit die Sünde nicht zu lange ansteht, damit sie nicht zu tief einwurzelt, damit der Mensch sich nicht an die Sünde gewöhnt, damit er nicht in einem Zustand lebt, in dem er nicht sterben möchte, deswegen sagt die Kirche: „Du sollst wenigstens einmal im Jahre deine Sünden beichten!“

Da gibt es eine Auslegung, und Gott sei's geklagt, diese Auslegung steht heute im neuen kirchlichen Gesetzbuch von 1983. Die sagt, man braucht nur die schweren Sünden zu beichten. Leider lautet das Kirchengebot seit 1983: Die schweren Sünden. Und wir wissen ja, wie leicht die Menschen geneigt sind, anzunehmen, sie hätten keine schweren Sünden. Sie nehmen alles leicht. Sie haben keinen Respekt vor Gott, und sie entschuldigen fast alles. Und deswegen ist das eine ganz gefährliche Wendung und eine bedauerliche Abschwächung des Gebotes. Denn wenn vorgeschrieben ist, nur die schweren Sünden zu beichten, und wenn die meisten Menschen mit ihrem falsch gebildeten Gewissen meinen, keine schweren Sünden begangen zu haben, dann werden sie daraus die Folgerung ziehen, daß sie überhaupt nicht mehr zu beichten brauchen.

Als das Kirchengebot aufgestellt wurde – im Jahre 1215 auf dem IV. Laterankonzil unter Papst Innozenz III. –, da lautete es anders. Da hieß es: „Du sollst wenigstens einmal im Jahre deine Sünden beichten, sobald du zu den Jahren der Unterscheidung gekommen bist.“ Die Jahre der Unterscheidung, das ist etwa das vollendete 7. Lebensjahr. Da nimmt man an, daß der Mensch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist.

Wenn man die Menschen verpflichtet, lediglich die schweren Sünden zu beichten, dann traut man ihnen zu, daß sie imstande sind, schwere und läßliche Sünden zu unterscheiden. Aber wer kann das, meine lieben Freunde? Wer hat den Maßstab, wer hat die Mikrometerschraube, um anzugeben: Hier beginnt die schwere, und das ist noch eine leichte Sünde? Wer weiß das? Das wissen die größten Heiligen nicht. Wie sollen wir, wir armen Sünder, in Anspruch nehmen, zu wissen: Hier ist nicht eine leichte Sünde, da ist schon eine schwere Sünde?

Nein, das ist eine gefährliche Formulierung, daß man nur noch, wenn man schwere Sünden hat, beichten muß, denn damit wird jedem Mißbrauch Tür und Tor eröffnet.

Vor einiger Zeit fragte mich ein Knabe in Budenheim, ob es zutreffe, daß man nur beichten müsse, wenn man schwere Sünden habe. Ich sagte: „Junge, ich muß es dir sagen: Es steht so im Gesetz.“ „Schwere Sünden habe ich nicht,“ sagte er. Das wußte er ganz genau!

Tja, meine lieben Freunde, das ist eine gefährliche Angelegenheit, die Entscheidung über die Schwere der Sünden dem Menschen, dem wenig mit Gott vertrauten, dem theologisch ungeschulten Menschen zu überlassen. Das ist gefährlich! Auf diesen Weg wollen wir uns nicht begeben. Wir wollen es uns angewöhnen, alle Sünden zu beichten, ob wir sie als schwer oder leicht ansehen. Wir wollen von allen Sünden frei werden, wir wollen uns ganz schutzlos und schonungslos vor Gott bekennen, um die tröstliche Versöhnung zu gewinnen.

„Du sollst wenigstens einmal im Jahre deine Sünden beichten!“ „Du sollst wenigstens einmal im Jahre die heilige Kommunion empfangen, und zwar zur österlichen Zeit!“ Der Zusatz „zur österlichen Zeit“ steht nur bei der Kommunion. Die Kommunion soll man in der  österlichen Zeit empfangen. Wann ist denn die österliche Zeit? Jetzt, nach der sogenannten Liturgiereform, ist es die Zeit von Ostern bis Pfingsten, also diese 50 Tage von dem Fest der Auferstehung Christi bis zum Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes. Das ist die österliche Zeit.

In dieser Zeit also soll man die heilige Kommunion empfangen. Warum denn in dieser Zeit? Ja, weil die heilige Kommunion die Gabe enthält, die wir zu Ostern feiern, nämlich den Leib des auferstandenen Heilandes, den verklärten Leib des Herrn. Und auch aus einem anderen Grunde noch, weil er dieses wunderbare Sakrament im Zusammenhang mit dem Paschageschehen, mit dem Ostergeschehen eingesetzt hat, am Gründonnerstag.

Auch die einmalige Beichte legt man zweckmäßigerweise in die österliche Zeit. Das Konzil von Trient hat das auch gesagt. Das Konzil von Trient sagt, man soll die Beichte als Osterbeichte halten. Und das haben die Christen getan, jahrhundertelang.

Sie alle wissen, wie bis zu dem großen Zusammenbruch in unserer Kirche die Seelsorger sich die größte Mühe gegeben haben, die Menschen zur Osterbeichte zu führen. Was hat man nicht alles an Veranstaltungen ins Werk gesetzt, um möglichst viele, um möglichst alle Gemeindemitglieder zu einer guten Osterbeichte zu bringen! Und wir können sagen, dieses Bemühen war nicht umsonst. Es ist vielfach in einer sehr erfreulichen Weise gelungen.  Die meisten Pfarreien, wo eifrige Seelsorger wirkten, hatten hohe Osterbeichtzahlen zu vermelden. Das hat sich alles seit dem großen Zerfall geändert.

Wir wollen uns von dieser Zerstörungserscheinung in unserer Kirche nicht anstecken lassen. Wir wollen uns treu an diese Gebote halten, Osterbeichte und Osterkommunion als Höhepunkte unseres religiösen Lebens zu begehen. Auch die Beichte ist ein Ostergeschenk des Heilandes. Am Ostersonntag hat er sie eingesetzt. „Empfanget Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen, und welchen ihr sie behalten werdet, denen sind sie behalten.“ Da sieht man, wie sinnvoll es ist, wenn das Konzil von Trient sagt: Du sollst deine Sünden in der österlichen Zeit beichten!

Die Eucharistie, die heilige Kommunion, ist die Nahrung der Seele, und diese Nahrung soll man möglichst häufig, natürlich auch möglichst würdig, aufnehmen. Aber wenigstens einmal im Jahre schreibt es die Kirche als Gebot vor; jedem, der die Erstkommunion empfangen hat, gilt dieses Gebot. Er hat die heilige Kommunion wenigstens in dieser Hoch-Zeit des Kirchenjahres zu empfangen, damit er nicht Hungers darbe, damit er nicht seelisch zugrunde gehe. Das ist doch das Glück, das ist doch die Freude, das ist doch der Triumph unseres katholischen Christentums, daß wir den Heiland im Sakrament haben, daß wir ihn aufnehmen, genießen, von ihm leben können.

Ein Kirchenvater sagte einmal: „Du sagst, du möchtest ihn sehen, du möchtest sein Gewand berühren. Siehe, du darfst ihn aufnehmen, du darfst ihn essen!“ Also wir dürfen viel mehr als bloß sehen und sein Gewand berühren.

So sollte also, wenn ein rechter Glaube in uns wäre, eine wahre Sehnsucht in uns leben, den Heiland aufzunehmen, nicht nur einmal in der österlichen Zeit, sondern so oft wie möglich und so gründlich vorbereitet wie möglich, mit heißem Verlangen und mit wahrer Sehnsucht, richtig disponiert und in der heiligen Gesinnung der Ehrfurcht.

„Du sollst wenigstens einmal im Jahr deine Sünden beichten!“ „Du sollst wenigstens einmal im Jahr die heilige Kommunion empfangen, und zwar zur österlichen Zeit!“ Das sind das 4. und das 5. Kirchengebot. König Ludwig XVI., der Mann, der am 21. Januar 1793 hingerichtet wurde und der ein frommer Mann war, unterhielt sich einmal mit einem Höfling über die Kirchengebote. Da sagte der Mann zu ihm: „Das sind ja doch nur Gebote von Menschen, die braucht man nicht so ernst zu nehmen, Fasten und andere Verordnungen.“ Da gab ihm der König zur Antwort: „Ich habe noch nie jemanden gesehen, der die Gebote der Menschen geringgeschätzt und die Gebote Gottes hochgeschätzt hat.“

Der König hat ein weises Wort gesprochen. Wer die Gesetze der Menschen nicht achtet, der wird höchstwahrscheinlich auch die Gebote Gottes nicht beobachten. Wir wollen diese heilsamen Gebote, die ja, wie ich schon sagte, nur Ausführungsbestimmungen für Gottes Gebote sind, beobachten, wir wollen sie heilig halten, wir wollen sie als aus dem Willen Gottes durch seine Vollmachtsträgerin, die Kirche, gegeben ansehen; und wir wollen durch das Beobachten dieser Gebote, soweit es an uns liegt und uns möglich ist, unser Heil wirken.

Amen.

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