10. August 2025
Bernhard von Clairvaux
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Bernhard wurde im Jahre 1090 auf Schloss Fontaines-lès-Dijon in einer adligen burgundischen Familie geboren. Er war der dritte von sieben Kindern. Gegen 1100 kam Bernhard auf die Stiftsschule Saint-Vorles in Châtillon-sur-Seine. Dort erwarb er eine gute Kenntnis der Bibel, der Kirchenväter sowie verschiedener lateinischer Autoren (Horaz, Cicero, Vergil, Seneca). Mit etwa 16 Jahren verlor er seine Mutter. Damals führte er eine weltzugewandte Existenz. Doch er vernahm den Ruf zum Ordensleben. In seinem 22 Lebensjahr, für die damalige Zeit ziemlich spät, denn das übliche Alter für den Eintritt in einen Orden war das 15. Lebensjahr, im Jahre 1112 trat Bernhard mit dreißig jungen Adligen in das Kloster Cîteaux, also in den Zisterzienserorden, ein, darunter drei seiner Brüder. Die Zisterzienser sind ein Reformzweig der benediktinischen Mönchsfamilie. Sie gehen auf Robert von Molesme (1027-1111) zurück. Dieser gründete um 1098 ein neues Kloster in der Einsamkeit von Cîteaux, das den Zisterziensern den Namen gab. Das Ziel war, sich auf den Wortlaut der Regel des hl. Benedikt zu besinnen und ein rechtes Verhältnis zwischen Armut, manueller Arbeit und Gemeinschaftsleben anzustreben. 1114 legte Bernhard die Ordensgelübde ab. 1115 wurde er von Stephan Harding an der Spitze von zwölf Mönchen in die Champagne entsandt, wo sie ein neues Kloster namens Clara Vallis (helles Tal), aus dem später „Clairvaux“ wurde, gründen sollten.
Höchstens drei Jahre nach seinem Eintritt wurde Bernhard zu dessen Abt geweiht. Bald wurde er vom Bischof von Chalons, Wilhelm von Champeaux, zum Priester geweiht. Er blieb bis zu seinem Tode Abt dieses Klosters. Die Anfänge von Clairvaux waren nicht einfach. Der junge Abt forderte strenge Disziplin. Er strebte ein asketisches Ideal an, das nicht für alle erreichbar war. Erst nach und nach fand er das rechte Maß sowohl seiner eigenen Grenzen als auch der Grenzen seiner Mitbrüder. Die finanziellen Mittel des Konvents waren unzureichend. Die Mönche ernährten sich von Schwarzbrot und Eichenblättersuppe.
Jungfräulich zu leben, verfügbar für Gott zu sein war für Bernhard eine selbstverständliche Lebenshaltung. Er selbst führte vom Beginn seines Noviziats an ein von Enthaltsamkeit und Entsagung bestimmtes Leben. Seine Kasteiungen gefährdeten seine Gesundheit; er musste lebenslang mit Magenschmerzen leben. Er war ein Mönch, der seine Gelübde äußerst ernst nahm, viel Zeit mit Gebet, Studium und Meditation verbrachte und zahlreiche religiöse Werke verfasste. Die Frömmigkeit Bernhards nährte sich aus der Heiligen Schrift und aus den Schriften der Kirchenväter. Über die vorgegebenen Formen hinaus prägte und förderte er innerhalb der Christusfrömmigkeit die innige und gefühlsstarke Verehrung der Menschheit Christi: „Ob du schreibst oder redest, es schmeckt mir nicht, wenn nicht der Name Jesu erklingt.“ Intensiv war seine Zuneigung zur Mutter Gottes, der alle Kirchen der Zisterzienser geweiht sind.
Bernhard war für seine Aufgabe vorzüglich ausgerüstet. Er war ein umfassend gebildeter Theologe. Seine Theologie ist bibelnahe, praxisbezogen und immer an eigene innere Erfahrungen gebunden. Bernhard war ein hinreißender Prediger. Wegen seiner leidenschaftlichen Art zu predigen erhielt er den Titel „Doctor mellifluus“, honigfließender Lehrer. Bernhard war ein glühender und erfolgreicher Menschenfischer. Durch eine Mischung aus Sanftmut, Zartgefühl, Leidenschaft und Sensibilität zog er junge Leute an. Sein Vorbild und seine Worte führten viele Sünder auf den rechten Weg zurück. Zahlreiche Seelen leitete er zu Heiligkeit an.
Für einen kontemplativen Mönch entfaltete Bernhard eine ungewöhnliche Aktivität. Sie beschränkte sich nicht auf seinen Orden. Durch seine Predigten übte er nachhaltigen Einfluss auf Mönche, Kleriker und Laien aus. Sein Briefwechsel ist umfangreicher als jener der Päpste und Kaiser seiner Zeit. Er korrespondierte mit Menschen aller Schichten. Er hatte Kontakt auch mit Hildegard von Bingen. Trotz seines Wunsches, weltabgewandt zu leben, wurde Bernhard von vielen Äbten, kirchlichen Würdenträgern, Herrschern und Adligen um Rat und Hilfe gebeten. Mehrfach musste er kreuz und quer durch Europa reisen, um zu raten, zu kämpfen und zu schlichten. Aber er blieb Abt von Clairvaux. Alle Ehrenämter, die ihm angeboten wurden, lehnte er entschieden ab, so auch die Ernennung zum Bischof von Genua und Mailand. Bei seinem Tod im Jahre 1153 gab es 160 Abteien, die von Clairvaux ausgegangen waren, darunter Himmerod und Eberbach in Deutschland.
Dem Heiligen Stuhl brachte Bernhard große Verehrung entgegen. 1145 wurde einer seiner Schüler, ein Zisterziensermönch, zum Papst gewählt. Er gab sich den Namen Eugen III. und wurde während seiner Amtszeit wiederholt von Bernhard beraten. Obwohl Bernhard voll und ganz von der Macht des Papsttums durchdrungen war, scheute er vor scharfer Kritik nicht zurück. Eugen dem Dritten widmete er das Werk „Über die Betrachtung“ (De consideratione). Darin geißelte er scharf die Missstände am päpstlichen Hof, die Macht- und Prachtentfaltung, das „Exemtionsfieber“ und das Appellationswesen. Der Papst mische sich in zu viele weltliche Prozesse ein; er sei von den Geschäften der Welt so in Anspruch genommen, dass ihm keine Zeit mehr bleibt, als Gottesmann zu leben. Eindringlich meinte er: „Ich verlange nicht von dir, mit all diesem Tun zu brechen, aber es zu unterbrechen durch Versenkung in die Dinge Gottes.“
Wenige Stunden nach dem Tod des Papstes Honorius II. (1124-1130) wurde Innozenz II. zum Papst erhoben. Aber bald darauf wählte die Mehrheit der Kardinäle Anaklet II. Er entstammte der römischen Bankiersfamilie der Pierleoni. Anaklet konnte sich in Rom, im normannischen Unteritalien, in Aquitanien und Schottland Anerkennung verschaffen und Innozenz zur Flucht zwingen. Aber Innozenz erfuhr die Unterstützung des Mönchtums. Besonders Bernhards Bemühungen führten dazu, dass Frankreich, Deutschland, England, Spanien und ein Teil Italiens Innozenz anerkannten. Auf Bernhards Rat hin lehnte Innozenz den Vorschlag Anaklets ab, die Wahl von einem unabhängigen Gericht prüfen zu lassen. Bernhard vertrat die Ansicht, nachdem Innozenz in weiten Teilen der Christenheit Anerkennung gefunden habe, bedürfe es keiner Prüfung der Wahl mehr. Innozenz II. berief 1134 ein Konzil nach Pisa ein. Dort hielt Bernhard eine flammende Rede und sicherte dem Papst die Unterstützung der Stadt Mailand zu. 1137 versuchte Bernhard vergeblich, Roger II., Herzog von Apulien und Kalabrien, zu überreden, dem Gegenpapst die Unterstützung zu entziehen. Das Schisma wurde erst nach dem Tod Anaklets im Januar 1138 durch das zweite ökumenische Laterankonzil beendet.
Im Süden Frankreichs verbreitete sich die Irrlehre der Katharer. Sie vertraten die Existenz zweier Götter, des guten Gottes des Geistes und des bösen Gottes der Materie. Sie forderten apostolische Armut, strenge Askese, verwarfen Priestertum, Hierarchie und Sakramente. Bernhard wurde um Hilfe gebeten. Er begleitete 1145 Alberich von Ostia, den Gesandten Eugens III., in das Languedoc und predigte dort. Wo der päpstliche Legat „mit Eselsgeschrei und Trommellärm“ empfangen worden war, wurde Bernhard gehört und erreichte die Bekehrung vieler, wenn ihm auch kein endgültiger Erfolg beschieden war.
Bernhard war ein wachsamer Beobachter der Theologie seiner Zeit. Er wurde auch in theologische Kontroversen hineingezogen, so in den Streit mit Abaelard (1079-1142), den berühmten Leiter der Pariser Domschule. Dieser lehrte den methodischen Zweifel als Weg zur Wahrheit auch in der Theologie. Bernhard sah den Glauben bedroht und bezichtigte ihn des theologischen Rationalismus. Für ihn stand Theologie noch ganz im Dienst des geistlichen Lebens. Der sich anbahnende Unterschied zwischen Theologie und Spiritualität war ihm noch völlig fremd, „denn der Vater wird nicht voll erkannt, wenn er nicht vollkommen geliebt wird“. Auf sein Betreiben verurteilte die Synode von Sens (1141) neunzehn Sätze Abaelards als Irrlehren. Abaelard wurde später von Petrus Venerabilis in Cluny aufgenommen und starb dort versöhnt mit Bernhard und der Kirche.
Dem Bischof Gilbert de la Porrée (1076-1154) von Poitiers unterliefen Irrtümer. Er unternahm es, das Geheimnis der Dreifaltigkeit durch Argumente der menschlichen Vernunft zu erklären. Seine Unterscheidung von Gottheit und Gott, die Gott und die göttliche Wesenheit zu spalten schien, die Unterscheidung zwischen den Proprietäten und den Personen in der Dreifaltigkeit, schließlich die Behauptung, die göttliche Natur sei nicht Fleisch geworden und habe nicht die menschliche Natur angenommen, machten ihn verdächtig. Papst Eugen III. überwies die Frage 1148 an ein Konzil in Reims. Dort klagte Bernhard den Bischof offiziell der Häresie an. Gilberts de la Porrée Thesen wurden verurteilt, und dieser zog sie auch selbst öffentlich zurück.
Im Heiligen Land Palästina waren die Eroberungen der Christen im Ersten Kreuzzug durch die Muslime wieder verlorengegangen. 1144 geriet Edessa, der östliche Eckpfeiler der abendländischen Herrschaft, in die Hände des Sultans von Mossul. Die Christenheit dachte an einen Zweiten Kreuzzug. Papst Eugen III. bat Bernhard, zur Beteiligung aufzurufen. Bernhard entfachte in ganz Europa einen Sturm der Begeisterung für die Kreuzfahrt. Es gelang ihm, den französischen König Ludwig VII. (1137-1180) und den deutschen König Konrad III. (1138-1152) zu bewegen, sich an dem Unternehmen zu beteiligen. Doch die weitschauenden Pläne der Kreuzfahrer schlugen völlig fehl. Die Heere der Deutschen und der Franzosen, die wieder die Donau entlang nach Konstantinopel marschiert waren, erlagen zum weitaus größten Teil in Kleinasien den Angriffen der Türken oder gingen durch Entbehrung und Krankheit zugrunde. Man gab Bernhard die Schuld. Er wies die Vorwürfe mit dem Hinweis auf das sündhafte Treiben vieler Kreuzfahrer zurück.
Bernhard von Clairvaux war eine überragende Erscheinung. Er hat einer Epoche, deren tragende Gestalt er war, dem „Bernhardinischen Zeitalter“ (1124-1153), seinen Namen gegeben. Er beweist durch sein Leben, dass strengste Askese nicht verstümmelt, sondern befruchtet. In seinem Leben offenbart sich die Wirkmacht einer der Grundstrukturen monastischen Lebens: Weltgestaltung durch Weltflucht. Bernhard nannte sich selbst „Chimäre des Jahrhunderts“. Chimäre ist Bezeichnung für Individuen, die aus genetisch unterschiedlichen Teilen bestehen. Er war (als Mönch) dauernd mit weltlichen Geschäften befasst, und mit kirchlichen Angelegenheiten, ohne Lenker der Kirche zu sein. Durch seine strenge Askese und durch seine rastlose Tätigkeit hat sich Bernhard vorzeitig verbraucht. 1152 wurde er schwer krank. Alle dachten, sein Tod stehe kurz bevor. Doch der Bischof von Metz bat ihn eindringlich um eine Intervention in seiner Diözese, in der ein Bürgerkrieg herrschte. Von Mitleid bewegt, erhob sich der Sterbende, brach nach Metz auf und kehrte erst nach Erfüllung seines Auftrags völlig erschöpft in seine Abtei zurück. Am 20. August 1153 ging er in eine bessere Welt. Schon zu seinen Lebzeiten wurde Bernhard als Heiliger verehrt. Papst Alexander III., ein Schüler des von ihm hart bekämpften Abaelard, vollzog 1174 die Heiligsprechung. Papst Pius VIII. erhob ihn 1830 zum Kirchenlehrer.
Amen.