Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
14. Mai 2015

Jesu Erhöhung und Himmelfahrt

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Himmelfahrt unseres Herrn Versammelte!

Von der vor den Augen der Jünger stattfindenden Himmelfahrt des Auferstandenen berichtet nur Lukas, und zwar einmal in der Apostelgeschichte – wie wir ja eben vorgetragen bekommen haben – und zum anderen in seinem Evangelium. Am Schluss seines Evangeliums heißt es nämlich: „Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und wurde in den Himmel hinaufgenommen.“ Nach dem Evangelium fand die Himmelfahrt in der Nähe von Bethanien am Ölberg statt. Nun konstruieren manche Ausleger der Heiligen Schrift einen Widerspruch zwischen der Aussage im Evangelium und jener in der Apostelgeschichte. Sie sagen, das Evangelium verlege die Himmelfahrt des Herrn auf den Ostersonntag, während das zweite Werk des Lukas, die Apostelgeschichte, die sichtbare Himmelfahrt des Herrn vierzig Tage nach Ostern geschehen lässt. Liegt da wirklich ein Widerspruch vor, meine lieben Freunde? Wir haben ja eben auch das Evangelium nach Markus gehört, und dort wird gesagt, dass Jesus den Elfen erschienen ist, und nachdem er mit ihnen geredet hatte, hinaufgenommen wurde und sich zur Rechten Gottes setzte. Die drei Texte: Lukasevangelium, Apostelgeschichte, Markusevangelium stimmen miteinander überein, dass sie die Himmelfahrt unmittelbar auf die Erscheinung und Unterredung des Auferstandenen mit den Elfen folgen lassen. Zeugen der Himmelfahrt waren nur die Jünger. Es gibt auch eine Reihe anderer neutestamentlicher Texte, die von der Himmelfahrt oder von dem Aufstieg Jesu in den Himmel sprechen. Der wichtigste ist vielleicht im Johannesevangelium erhalten. Sie kennen die Szene, wie Maria Magdalena den Auferstandenen umfassen will, und sie hört von ihm den Befehl: „Fass mich nicht an; denn ich bin noch nicht zu meinem Vater aufgefahren. Geh aber zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“ Auch Paulus spielt oft auf die Himmelfahrt an, etwa im Epheserbriefe, wo es heißt: „Aufgefahren in die Höhe, führte er die Gefangenen mit sich und gab den Menschen seine Gaben. Das ‚Aufgefahren‘ aber, was bedeutet es anders, als dass er herniedergestiegen ist hier auf die Erde. Der herabstieg, ist derselbe, der auch hinaufstieg in den Himmel, damit er alles erfülle.“ Auch im 1. Brief an Timotheus kommt Paulus auf die Himmelfahrt zu sprechen: „Groß ist das Geheimnis der Frömmigkeit: ‚Er wurde offenbar im Fleische, gerechtfertigt im Geiste, geschaut von Engeln, verkündet den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit‘.“ Am nächsten verwandt mit dem Bericht von der Auffahrt Christi in den Himmel sind die vielen Stellen des Neuen Testamentes, wo von der „Erhöhung“ Jesu die Rede ist. Die Erhöhung Jesu ist nichts anderes als das Zusammen von Auferstehung und Himmelfahrt. Die Auferstehung kommt in der Himmelfahrt zum Abschluss. Besonders reich an solchen Anspielungen sind die Paulusbriefe. Im Hebräerbrief heißt es: „Der die Himmel durchschritten hat, Christus ist in den Himmel eingegangen, der zur Rechten Gottes sitzt, nachdem er zum Himmel hinaufgestiegen ist, wobei ihm die Engel und Gewalten und Mächte unterworfen wurden.“ „Seid ihr also auferweckt mit Christus“, so schreibt Paulus, „so suchet, was oben ist, wo Christus sitzt zur Rechten Gottes, was droben ist, habt im Sinn, nicht was auf der Erde ist.“ Die gleiche Wahrheit kommt zum Ausdruck, wo die Rede davon ist, dass der erhöhte Christus als das Haupt seines Leibes, der Kirche, oder als Schlussstein des Baues des geistigen Tempels bezeichnet wird. Das alles ist geschehen durch die Himmelfahrt.

Die Urchristenheit hat nicht das Bedürfnis verspürt, zu sagen, wie Christus die himmlische Herrlichkeit erlangte. Sie weiß: Mit der Totenauferstehung ist das Heilsgeschehen an Christus abgeschlossen. Er ist nicht nur aus dem Grabe erweckt, er ist auch in die Herrlichkeit des Vaters versetzt. Er ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten, auf dass er in allem der Erste wäre. Es war den Jüngern der Urzeit selbstverständlich, dass der Auferstandene in der Welt Gottes Platz genommen hat. Es war ihnen ebenso selbstverständlich, dass dies nur durch eine Himmelfahrt geschehen konnte. Ungläubige Theologen haben behauptet, nur die Seele Jesu sei nach der Kreuzigung in den Himmel aufgenommen worden. Ja natürlich, wenn man die leibliche Auferstehung Jesu leugnet, dann bleibt ja nur die Seele übrig, die in den Himmel gegangen sein kann. Aber das ist eben die falsche Lehre. Der urchristliche Glaube ist von Anfang an Kunde von der Auferweckung und himmlischen Erhöhung Christi dem Leibe nach. Es hat nirgendwo und nirgendwann einen urchristlichen Glauben gegeben, der nicht die Gewissheit der leiblichen Auferstehung Jesu eingeschlossen hätte. Das älteste Zeugnis dafür liegt uns im 1. Brief des Paulus an die Korinther vor: „Ich habe überkommen (d.h. durch Tradition überliefert bekommen), dass Christus für unsere Sünden gestorben ist, nach den Schriften, und dass er begraben wurde und dass er auferweckt wurde, nach den Schriften, und dass er dem Kephas erschien und hierauf den Zwölfen.“ Dass Paulus von der leiblichen Auferstehung Jesu fest überzeugt war, das sieht man klar aus der Bekämpfung der korinthischen Auferstehungsleugner. Ihnen hält er entgegen, dass die leibliche Auferstehung Jesu das Vorbild und die Garantie für die Auferstehung der Christen sein wird. Beides steht und fällt miteinander. „Ist Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube wertlos. Nun ist aber Christus von den Toten auferweckt worden, als Erstling der Entschlafenen.“ Freilich ist der Leib des Auferstandenen ein vergeistigter Leib, ein verklärter Leib, ein pneumatischer Leib, aber es ist derselbe Leib, der ins Grab gelegt wurde. Paulus lehrt ganz eindeutig: „Christus befindet sich nach seiner verklärten Leiblichkeit im Himmel“, wenn er auch zumeist nicht beschreibt, wie dieser Aufstieg erfolgt ist.

Die Frage erhebt sich noch: Welches ist denn der Zeitpunkt der Himmelfahrt und der Besitznahme der himmlischen Herrschermacht? Darüber belehrt uns Johannes in seinem Evangelium. Da verbietet der Auferstandene Maria von Magdala, ihn festzuhalten, da er noch nicht zum Vater aufgestiegen sei. Und beauftragt sie, den Jüngern die Botschaft zu bringen, dass er zu seinem Vater und zu seinem Gott hinaufsteige. Damit kann nur gemeint sein, dass er eben jetzt im Begriff ist, zum Vater emporzusteigen. Sein Auftrag hätte ja gar keinen Sinn gehabt, wenn er die Absicht nicht gehabt hätte, vor seiner Erscheinung die Himmelfahrt zu vollziehen. Tatsächlich kommt Christus vom Himmel her, vom Vater, wenn er zu den Jüngern kommt und spendet ihnen den Heiligen Geist, den er ja erst nach der Erhöhung zur Rechten Gottes spenden konnte. Auch der Missionsbefehl bei Matthäus setzt voraus, dass er als der zum Vater Erhöhte spricht: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden.“ Das Urchristentum, meine lieben Freunde, hat also den Aufstieg des Auferstandenen zum Vater und die Besitzergreifung seiner Macht über das All auf den Tag der Auferstehung und in den unmittelbaren Anschluss an sie angesetzt. Wenn der Herr den Jüngern erscheint, erscheint er immer vom Himmel her. Es ist also nicht so gewesen, dass Jesus die vierzig Tage sich irgendwo auf Erden verborgen gehalten hätte. Nein, er wohnte und lebte im Himmel und kam von da zu seinen Jüngern. Die Himmelfahrt Christi ist kein neues Ereignis des Heils, sondern Bestandteil der Auferstehung und Erhöhung.

Gegenüber gewollten und ungewollten Missverständnissen sei an dieser Stelle gesagt: Die Ereignisse der Himmelfahrt Jesu sind zwar mit irdischen Phänomenen verknüpft: das Emporgehobenwerden Jesu, das Erscheinen einer Wolke, das Auftreten zweier Männer, das Hinaufschauen der Jünger. Alle diese Geschehnisse sind passiert, haben sich zugetragen, sind keine Fiktion, keine Einbildung, keine Phantasie, aber es wäre verkehrt, daraus zu folgern, Jesus habe sich auf einen fernen Stern begeben und harre dort der Wiederkunft. Gott bediente sich der geschilderten Tatsachen, um die Wahrheit zu dokumentieren: Jesus ist in die Herrlichkeit des Vaters eingegangen. Er befindet sich in einer Wirklichkeit, die jenseits der menschlichen Erfahrung ist. Es wäre also ein fataler Irrtum, wenn man meinen wollte, die Raumfahrer würden es schon eines Tages schaffen, dass sie die Wohnung Jesu ausfindig machen. Wer so denkt, hat das Geheimnis der Himmelfahrt nicht begriffen. Jesus ist nicht auf einen fernen Stern gegangen, sondern über alle Sterne emporgestiegen. So beten wir im Brevier, unserem priesterlichen Gebetbuch: qui scandis super sidera – der du aufsteigst über die Sterne, alle Sterne zurücklassend. Er befindet sich in einer Wirklichkeit, die jenseits der menschlichen Erfahrung existiert. Unser Glaube ist nicht – wie uns die ungläubigen Theologen weismachen wollen – mit einem vergangenen Weltbild verknüpft, mit dem ptolemäischen Weltbild, sodass er mit diesem hinfällig wäre, nein, unser Glaube übersteigt jedes Weltbild, ist von jedem Weltbild unabhängig. Die Kirche deutet dieses Verständnis an, wenn sie uns ab heute in der Pfingstnovene beten lehrt: „ O Jesus, als Sieger bist du heute über alle Himmel – über alle Himmel! – emporgestiegen.“ Der Wolkenhimmel ist bloß ein Bild, ein Symbol, ein Zeichen für den Gotteshimmel. Der Himmel, in dem Jesus sich befindet, ist nicht der Wolken- und Sternenhimmel, sondern der Gotteshimmel, die Gott vorbehaltene Wirklichkeit. Deswegen, meine lieben Freunde: Das Zeugnis der Kirche von der Himmelfahrt Christi ist widerspruchsfrei. Es bringt den gläubigen Leser der Schriften des Neuen Testamentes nicht in Verlegenheit. Jesus ist durch seine Auferweckung von den Toten in verklärter Leiblichkeit in die himmlische Sphäre versetzt worden. Er hat sich nicht etwa an einem unbekannten Ort vierzig Tage lang aufgehalten und verborgen, nein, er hat sogleich nach der Auferstehung seine Wohnung im Himmel bezogen. In diesem Sinne kann man sagen: Es hat viele Himmelfahrten Jesu gegeben, denn jedes Mal, nachdem er den Jüngern erschienen ist, hat er sich in den Himmel zurückbegeben. Aber nur die letzte war sichtbar, nur die letzte vollzog sich durch das Emporschweben nach oben. Die anderen Himmelfahrten geschahen durch plötzliches Verschwinden Jesu. „Er entschwand ihren Augen“, heißt es in der Erzählung von den Emmausjüngern. Das Fest Christi Himmelfahrt ist der Abschluss der Erscheinungen Jesu. Wir glauben an den, der im Himmel auf den Zeitpunkt wartet, da er kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten.

Amen. 

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